Der (Nach-)Erfüllungsanspruch des Käufers erlischt erst, wenn der Käufer wirksam vom Kaufvertrag zurücktritt. Ist die Rücktrittserklärung unwirksam, weil die Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag nicht erfüllt sind, und wandelt sich das Vertragsverhältnis deshalb nicht in ein Rückgewährschuldverhältnis um, so bleibt dem Käufer der (Nach-)Erfüllungsanspruch erhalten.
OLG Naumburg, Urteil vom 09.04.2015 – 2 U 127/13
Sachverhalt: Die Klägerin verlangt als Inhaberin eines Möbelhauses von den Beklagten die Zahlung des restlichen Kaufpreises für eine im Januar 2011 von den Beklagten bestellte, individuell für sie angefertigte und im März 2012 gelieferte Couchgarnitur.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: B. … Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises in Höhe von 8.457 € nach § 651 Satz 1 BGB i. V. mit §§ 433 II, 421 BGB hat; dem Anspruch steht der auf die Ausübung von Gewährleistungsrechten gestützte Rücktritt der Beklagten nicht entgegen.
I. Die Voraussetzungen für die Begründung eines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung i. S. von § 433 II BGB liegen vor.
1. Zwischen den Prozessparteien kam im Januar 2011 ein Kaufvertrag über eine individuell anzufertigende Couchgarnitur zu einem Gesamtpreis in Höhe von 13.457 € zustande. Nach dem Inhalt des Vertrags waren beide Beklagten gemeinsam die Besteller der Couch.
2. Die Klägerin lieferte die Couchgarnitur am 16.03.2012 und übereignete sie an die Beklagten.
II. Der Kaufvertrag wurde durch die Rücktrittserklärungen der Beklagten nicht in ein wechselseitiges Rückgewährschuldverhältnis i. S. von § 346 I BGB umgewandelt.
1. Allerdings haben die Beklagten den Rücktritt mehrfach erklärt; hinsichtlich des in der Klageerwiderung bzw. im Schriftsatz vom 13.11.2013 erneut erklärten Rücktritts waren die formellen Voraussetzungen jeweils auch erfüllt.
a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der mit E-Mail vom 21.03.2012 erklärte Rücktritt schon deswegen unwirksam war, weil die Beklagten der Klägerin keine Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt hatten. Die Rücktritts- bzw. Wandelungserklärung erfolgte zugleich mit der Mängelanzeige. Die Beklagten unterließen die nach §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB erforderliche vorherige (und erfolglos bleibende) Aufforderung an die Klägerin, die mangelhafte Leistung innerhalb einer angemessenen Frist nachzubessern. Vielmehr war ihre Erklärung der Wandelung mit einer eindeutigen Ablehnung jeglicher Reparaturen oder sonstiger weiterer Diskussionen verbunden. Gründe i. S. von § 323 II BGB bzw. § 440 BGB, welche eine solche Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich machen könnten, lagen zu diesem Zeitpunkt nicht vor.
b) Die mit der Klageerwiderung vom 02.05.2013 abgegebene erneute Rücktrittserklärung war entgegen der Auffassung des Landgerichts in formeller Hinsicht wirksam, worauf der Senat bereits in seinem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 12.06.2014 hingewiesen hat. Soweit sich die Beklagten hierbei auf unstreitig bereits zuvor angezeigte Mängel beriefen, hatten sie im April 2012 das Angebot der Klägerin auf kostenfreien Austausch der Matratzenauflage beider Sofas angenommen, jedoch auch den nachgebesserten Zustand der Sitzmöbel als mangelhaft beanstandet und schließlich mit Schriftsatz vom 27.02.2013 (höchstvorsorglich) zur Nachbesserung innerhalb einer Frist bis zum 14.03.2013 aufgefordert; diese Frist war erfolglos verstrichen.
c) Soweit die Rücktrittserklärung vom 02.05.2013 auf weitere angebliche Sachmängel gestützt wurde, welche die Beklagten zuvor gegenüber der Klägerin nicht angezeigt hatten bzw. für deren Anzeige sie beweisfällig geblieben sind, holten die Beklagten die Aufforderung zur Nachbesserung mit angemessener Fristsetzung mit Schriftsatz vom 01.10.2013 nach und wiederholten sodann die Rücktrittserklärung mit Schriftsatz vom 13.11.2013.
d) Das Recht der Beklagten, bei einem Vorliegen von Sachmängeln eine Nachbesserung verlangen zu dürfen, war durch den unwirksam erklärten Rücktritt mit E-Mail der Beklagten vom 21.03.2012 bzw. durch den teilweise unwirksamen Rücktritt vom 02.05.2013 nicht erloschen. Grundsätzlich führt nur ein wirksam erklärter Rücktritt zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs.
aa) Ob ein Käufer nach der Ausübung seines Wahlrechts zwischen den verschiedenen Gewährleistungsrechten – hier nach der Erklärung des Rücktritts durch die Beklagten am 21.03.2012 – an diese Auswahl gebunden ist oder nachträglich noch ein anderes Gewährleistungsrecht geltend machen darf – hier: Rückkehr zum Erfüllungsanspruch in Form der Nachbesserung –, ist im Gesetz nicht unmittelbar geregelt. Der gesetzlichen Regelung lässt sich lediglich eine Unterscheidung in sogenannte vorrangige Gewährleistungsrechte, insbesondere dem Anspruch auf Nacherfüllung, und in nachrangige Rechte, zum Beispiel dem Rücktrittsrecht, entnehmen. Dies ergibt sich für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Schadenersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung unmittelbar aus § 281 IV BGB, für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Rücktritt mittelbar aus § 346 I BGB und aus § 440 Satz 1 BGB sowie für das Verhältnis zwischen Nacherfüllung und Minderung aus der Gleichsetzung von Rücktritt und Minderung in § 437 Nr. 2 BGB (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl. [2014], § 437 Rn. 4 ff.). Vorrangig bedeutet, dass der Käufer im Gewährleistungsfall (bei Vorliegen eines Sachmangels) zunächst nur bestimmte, auf Erfüllung des Vertrags gerichtete Gewährleistungsrechte geltend machen darf und dass ihm andere, auf Anpassung des Schuldverhältnisses gerichtete Rechte erst bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen zur Verfügung stehen. Insoweit ist es einhellige Auffassung, dass die bloße Begründung eines nachrangigen Gewährleistungsrechts, zum Beispiel des Rücktrittsrechts nach erfolglosem Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung, noch nicht zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führt (vgl. BGH, Urt. v. 20.01.2006 – V ZR 124/05, NJW 2006, 1198); hierfür bedarf es neben der Begründung des Rechts auch seiner Ausübung.
bb) Die rechtswissenschaftliche Literatur lässt zum Teil nicht eindeutig erkennen, ob die Geltendmachung eines nachrangigen Gestaltungsrechts auch dann zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führen kann, wenn die zusätzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen und die Rechtsausübung deswegen ins Leere geht, wie hier die Ausübung des (zunächst nicht bestehenden) Rücktrittsrechts durch die Beklagten am 21.03.2012 (vgl. etwa Staudinger/Matusche-Beckmann, Neubearb. 2014, § 437 Rn. 6; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. [2012], § 437 Rn. 169; Jauernig/Berger, BGB, 15. Aufl. [2014], § 437 Rn. 4; wohl auch MünchKomm-BGB/Westermann, 6. Aufl. [2012], § 437 Rn. 50 ff.; Erman/Westermann, BGB, 13. Aufl. [2011], § 437 Rn. 45 f.; für den Fall von hierdurch veranlassten Dispositionen des Verkäufers Derleder, NJW 2003, 998 [1002 f.]; eindeutig ablehnend Palandt/Weidenkaff, a. a. O., § 437 Rn. 27; MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl. [2012], § 281 Rn. 105; Unberath, in: Bamberger/Roth, 3. Aufl. [2012], § 291 Rn. 50). Der Senat verneint diese Frage: Der (Nach-) Erfüllungsanspruch des Käufers bzw. das (Nach-) Erfüllungsrecht des Käufers erlischt erst durch eine berechtigte Rücktrittserklärung; scheitert das Rücktrittsverlangen, wie hier, wegen des Fehlens der formellen Rücktrittsvoraussetzungen und kommt es deswegen nicht zu einer Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis, so bleibt dem Käufer der Erfüllungsanspruch erhalten (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.08.2012 – I-23 U 143/11, BauR 2013, 107; die von den Beklagten zitierte Entscheidung BGH, Urt. v. 23.02.2006 – VII ZR 84/05, NJW 2006, 2254 ist nicht einschlägig, weil sie sich noch auf die Rechtslage nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden BGB bezieht).
cc) Der Geltendmachung des Nacherfüllungsanspruchs durch die Beklagten mit Schriftsatz vom 27.02.2013 standen auch nicht die Grundsätze von Treu und Glauben i. S. von § 242 BGB entgegen. Zwar lehnten die Beklagten ursprünglich mit ihrer E-Mail vom 21.03.2012 jeglichen Nachbesserungsversuch ab, bereits einen Monat später ließen sie sich jedoch nach unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin auf deren Angebot vom 10.04.2012 ein, welches eine Nachbesserungsleistung – Austausch der beiden Matratzenauflagen der Sofas – umfasste. In der Folgezeit, wohl im Januar 2013, fand ein gemeinsamer Ortstermin in der Wohnung der Beklagten zur Besichtigung der Couchgarnitur und zur Erzielung einer außergerichtlichen Lösung statt. Auch wenn die Beklagten an ihrer Rechtsauffassung von der Wirksamkeit des Rücktritts festhielten, forderten sie die Klägerin nachfolgend mehrfach, wie vorausgeführt, jeweils mit angemessener Fristsetzung zur Nachbesserung auf.
2. Der Rücktritt der Beklagten war jedoch gleichwohl nicht wirksam, weil den Beklagten die Darlegung bzw. der Nachweis das Vorliegen eines Rücktrittsgrundes in Gestalt eines Sachmangels gemäß § 434 I BGB nicht gelungen ist …
III. Der von den Beklagten als Gesamtschuldner an die Klägerin zu zahlende Restkaufpreis entspricht in seiner Höhe der Klageforderung …