Auch wenn der Käufer, dem ein mangelhaftes Fahrzeug geliefert wurde, ausdrücklich die „Rückgängigmachung des Kaufs“ verlangt hat, kann eine aiengünstige Auslegung dieser Erklärung ergeben, dass der Käufer nicht den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, sondern Nacherfüllung in Form einer Ersatzlieferung begehrt hat.

AG Erlangen, Urteil vom 21.10.2009 – 1 C 1561/09

Sachverhalt: Die Parteien streiten über das Bestehen eines Nutzungsersatzanspruchs der Klägerin.

Der Beklagte kaufte mit Kaufvertrag vom 24.05.2007 von der Klägerin ein Kraftfahrzeug zu einem Gesamtbetrag von 29.344,54 € netto. In den folgenden 14 Monaten zeigten sich an dem Fahrzeug mehrere Mängel. Die Klägerin nahm das mangelhafte Fahrzeug zurück und lieferte dem Beklagten im Dezember 2008 ein anderes Neufahrzeug. Dieses Fahrzeug war am 17.10.2008 bestellt worden und wurde am 16.12.2008 zugelassen.

Die Klägerin fordert Nutzungsersatz für die Zeit, in der der Beklagte das zurückgenommene Fahrzeug benutzte. Sie meint, das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 enthalte eine unmissverständliche Rücktrittserklärung des Beklagten bezogen auf den am 24.05.2007 geschlossenen Kaufvertrag. Der Beklagte habe ein neues anderes Auto als Folge einer erneuten Neuwagenbestellung und nicht als Folge eines Nachlieferungsverlangens erhalten. Deshalb finde die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427), wonach § 439 IV BGB in Fällen des Verbrauchsgüterkaufs einschränkend anzuwenden sei, keine Anwendung.

Der Beklagte ist der Aufforderung der Klägerin vom 17.03.2009, Nutzungsersatz in Höhe von 4.335,17 € zu zahlen, nicht nachgekommen. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Beklagte ist der Klägerin nicht gem. §§ 346 I, II 1 Nr. 1, 100 BGB zum Ersatz der seit Übergabe des Fahrzeugs gezogenen Nutzungen verpflichtet.

Zwar bestand ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Beklagten gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, § 323 I BGB aufgrund einer mangelhaften Leistungserbringung der Klägerin. Die Parteien schlossen am 24.05.2007 unstreitig einen Kaufvertrag über das Fahrzeug. Das Fahrzeug wies nach der Übergabe auch unstreitig mehrere Sachmängel auf.

Auch die Rechtsprechung des BGH und des EuGH stehen dem Anspruch der Klägerin, infolge eines Rücktritts wegen Sachmangels Nutzungsersatz gem. § 346 I, II 1 Nr. 1 BGB, § 100 BGB zu verlangen, nicht entgegen.

Nach der Entscheidung des BGH vom 26.11.2008 (NJW 2009, 427) ist § 439 IV BGB unter Beachtung des Urteils des EuGH vom 17.04.2008 (NJW 2008, 1433) im Wege der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung in den Fällen eines Verbrauchsgüterkaufs gemäß § 474 I 1 BGB einschränkend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in Bezug genommenen Vorschriften §§ 346–348 BGB nur für die Rückgewähr der mangelhaften Kaufsache selbst gelten, dass sie hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache führen. Dass § 439 IV BGB mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind, wird jetzt auch durch den neu eingefügten § 474 II BGB ausdrücklich klargestellt.

Diese Rechtsprechung betrifft jedoch nur den Nutzungsersatz bei der Nacherfüllung in Form der Nachlieferung im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs. Die Verpflichtung des Käufers gemäß §§ 346 I, II 1 Nr. 1, 100 BGB zum Nutzungsersatz infolge eines Rücktritts wegen Sachmangels wird dagegen nicht ausgeschlossen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 379; Lorenz, DAR 2008, 330; LG Mosbach, Urt. v. 03.02.2009 – 2 O 305/08, BeckRS 2009, 05141).

Der Gesetzgeber hat durch die Einfügung des § 474 II BGB zum einen klar zu erkennen gegeben, dass der Nutzungsersatz lediglich im Fall der Nachlieferung beim Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen sein soll, nicht hingegen beim Rücktritt. Zum anderen ist eine Verpflichtung des Käufers zum Nutzungsersatz infolge Rücktritts auch europarechtskonform (LG Mosbach, Urt. v. 03.02.2009 – 2 O 305/08, BeckRS 2009, 05141; Lorenz, DAR 2008, 330). Eine richtlinienkonforme Einschränkung der §§ 346 I, II 1 Nr. 1, 100 BGB bei einem Rücktritt ist nicht geboten, da nach Erwägungsgrund 15 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Regelungen über die Durchführung der Vertragsauflösung von den Mitgliedstaaten festzulegen sind und es diesen überlassen ist, der Benutzung der Ware durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung durch entsprechende Regelungen Rechnung zu tragen.

Hier liegt jedoch tatsächlich kein Rücktritt vom Vertrag gemäß §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 323 I BGB vor.

Die beweispflichtige Klägerin konnte sich zwar für das Vorliegen einer Rücktrittserklärung gemäß § 349 BGB auf das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 berufen. In dem Schreiben verlangte der Beklagte ausdrücklich nach einer Rückgängigmachung des Kaufs. Zur Überzeugung des Gerichts steht aber fest, dass es sich trotz der ausdrücklichen Bezeichnung nicht um einen Rücktritt vom Vertrag, sondern vielmehr um eine Nacherfüllung in Form einer Nachlieferung handelte mit der Folge, dass die Rechtsprechung des BGH Anwendung findet.

Unstreitig ist zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Geld mehr hin- und hergeflossen. Der Beklagte hat den Kaufpreis des ersten Fahrzeugs bei dessen Lieferung bezahlt. Nach der „Rücktrittserklärung“ hat der Beklagte weder den Kaufpreis zurückbekommen, noch hat er für das neue Fahrzeug etwas bezahlt. Ein gegenseitiger Austausch der empfangenen Leistungen (Rückgabe des Fahrzeugs und Rückgabe des Kaufpreises), wie er normalerweise nach der wirksamen Ausübung eines Rücktrittsrechts stattfindet, ist damit nicht erfolgt.

Das Schreiben des Beklagten vom 30.09.2008 ist laiengünstig auszulegen, damit es zu keiner Umgehung der Rechtsprechung des BGH und des EuGH kommt. Dies ist angezeigt, da es sich bei dem zwischen dem Beklagten als Verbraucher und der Klägerin als Unternehmerin geschlossenen Vertrag vom 24.05.2007 um einen Verbrauchervertrag i. S. des § 474 I 1 BGB handelt.

Das Interesse des Beklagten war nicht wie beim Rücktritt auf „Ware gegen Geld“, sondern auf „mangelhafte Ware gegen neue Ware“ gerichtet. Der Beklagte wollte das am 25.04.2007 gekaufte Fahrzeug aufgrund seiner Mangelhaftigkeit nicht mehr behalten und hierfür ein neues, mangelfreies Fahrzeug geliefert bekommen.

Die Lieferung des neuen Fahrzeugs im Wege einer „Neubestellung“, das heißt durch einen neuen Kaufvertragsabschluss, steht der Annahme einer Nacherfüllung im Wege der Nachlieferung nicht entgegen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte sich nicht erst nach vollzogenem Rücktritt dazu entschlossen hat, wieder ein Fahrzeug bei der Klägerin zu kaufen, und dass die Lieferung des neuen Fahrzeugs lediglich aus formalen Gründen auf einer „Neubestellung“ beruht.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das neue Fahrzeug gegenüber dem am 24.05.2007 gekauften Fahrzeug in der Ausstattung unterscheidet, da die Unterschiede minimal sind …

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