- Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs begründet der Besitz desselben allein nicht den für einen gutgläubigen Erwerb (§ 932 BGB) erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen des gutgläubigen Erwerbs eines solchen Fahrzeugs, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn dieser im Besitz des Fahrzeugs und des Fahrzeugbriefs ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn – hier bejahte – besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht aber nicht (im Anschluss an BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 13 m. w. Nachw.).
- Dem Erwerber eines Gebrauchtwagens ist nicht schon deshalb infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass das Fahrzeug nicht dem Veräußerer gehört, weil ihm gefälschte Fahrzeugpapiere vorgelegt werden. Grobe Fahrlässigkeit i. S. des § 935 II BGB liegt insoweit vielmehr erst vor, wenn die Fälschungen leicht als solche zu erkennen sind.
- Der Erwerber eines Gebrauchtwagens handelt grob fahrlässig i. S. von § 935 II BGB, wenn ihm gefälschte Fahrzeugpapiere – hier: eine gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugbrief) vorgelegt werden, bei der Siegel/Wappen und angegebene Zulassungsbehörde ganz offensichtlich nicht zusammenpassen (hier: Wappen des Landes Berlin mit dem Berliner Bären neben der Angabe „Stadt Freiburg im Breisgau“). In einem solchen Fall muss sich dem Erwerber vielmehr aufdrängen, dass er es mit Fälschungen zu tun hat.
OLG Hamm, Urteil vom 05.03.2015 – 5 U 14/14
Sachverhalt: Die Parteien streiten um das Eigentum an einem Porsche 911 Carrera S. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin der Herausgabe des sichergestellten Fahrzeugs an sie zuzustimmen. Außerdem nimmt sie den Beklagten auf Ersatz der Schäden in Anspruch, die durch entstanden sind, dass der Beklagte einer Herausgabe des Pkw bislang nicht zugestimmt hat. Der Beklagte begehrt widerklagend die Herausgabe der zu dem Porsche 911 Carrera S gehörenden Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) an ihn.
Die Klägerin schloss am 12.07.2012 als Leasinggeberin mit der C-GmbH als Leasingnehmerin einen Leasingvertrag über einen Porsche 911 Carrera S. Dieses Fahrzeug, das der Leasingnehmerin am 13.07.2012 übergeben wurde, hatte die Klägerin mit Kaufvertrag vom 12.07.2012 von der Porsche Niederlassung Berlin GmbH zum Preis von 77.800 € brutto erworben. Die Klägerin besitzt das Original der Zulassungsbescheinigung Teil II, in der seit dem 28.10.2009 als erster Halter die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und seit dem 13.07.2012 als zweiter Halter die C-GmbH eingetragen ist.
Der Beklagte wurde am 30.01.2013 auf das zu dieser Zeit im Internet zum Kauf angebotene Fahrzeug aufmerksam. Nach einigen Telefonaten vereinbarte er mit dem Verkäufer ein Treffen in dessen Privatwohnung in Berlin. Als sich der Beklagte auf dem Weg dorthin befand, wurde ein neuer Treffpunkt vereinbart. Man traf sich schließlich vor der B-Bank, bei der der Beklagte ein Konto unterhielt. Dort übergab der Beklagte dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis von 55.000 € in bar. Im Gegenzug erhielt er von dem Verkäufer gefälschte Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II), zu deren Herstellung im Jahr 2010 bei der Zulassungsstelle Freiburg gestohlene Blankoformulare verwendet worden waren. In der gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil II ist die Anzahl der Vorbesitzer mit „1“ angegeben.
Die Zulassung des Porsche 911 Carrera S auf den Beklagten scheiterte, weil in der (gefälschten) Zulassungsbescheinigung Teil I der Stempel der Bundeshauptstadt Berlin aufgebracht ist und sich direkt daneben ein Stempel der Stadt Freiburg mit einer Datumsangabe (13.07.2012) und einer (unleserlichen) Unterschrift befindet. Das Fahrzeug wurde daraufhin von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt.
Die Klägerin hat gemeint, der Beklagte habe das Eigentum an dem Pkw schon deshalb nicht gutgläubig erworben, weil das Fahrzeug der Leasingnehmerin und damit auch ihr, der Klägerin, abhandengekommen sei (§ 935 I BGB). Jedenfalls aber sei der Beklagte nicht in gutem Glauben gewesen; vielmehr hätten zahlreiche Ungereimtheiten Zweifel daran wecken müssen, dass der Porsche 911 Carrera S dem Verkäufer gehört habe. Der Beklagte habe auch deshalb Anlass zu Nachfragen gehabt, weil er ein Fahrzeug der Luxusklasse gekauft habe, dessen Wert erheblich über dem Kaufpreis gelegen habe und der Kauf sehr schnell angebahnt und „auf der Straße“ abgewickelt worden sei.
Der Beklagte hat geltend gemacht, er habe das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erworben. Ihm sei es sicherer erschienen, den Kaufpreis dem Verkäufer nicht in dessen Wohnung, sondern auf einem öffentlichen Platz zu zahlen. Der Verkäufer habe auf ihn einen gepflegten, seriösen und vertrauenserweckenden Eindruck gemacht. Er – der Beklagte –, seine Lebensgefährtin und seine Kinder hätten das Fahrzeug ausgiebig untersucht und festgestellt, dass die Lederbezüge im Innenraum schwarz verfärbt und die Teppiche so unansehnlich gewesen seien, dass sie mit einem Kostenaufwand von circa 2.000 € hätten ausgetauscht werden müssen. Er, der Beklagte, habe auch die Fahrzeug-Identifizierungsnummer an der Frontscheibe mit der in den Fahrzeugpapieren angegebenen – identischen – Nummer verglichen. Dass die Fahrzeugpapiere gefälscht seien, habe ihm nicht auffallen müssen und können; erst die Mitarbeiterin der Zulassungsstelle habe dies zufällig bemerkt. Auf Nachfrage habe der Verkäufer erklärt, dass vor ihm die Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und die C-GmbH in der Zulassungsbescheinigung Teil II eingetragen gewesen seien und deshalb eine neue Bescheinigung habe ausgestellt werden müssen. Diese Erklärung, dass nur zwei Halter in den Fahrzeugbrief hätten eingetragen werden können, sei ihm, dem Beklagten, plausibel erschienen. Auf seine Frage nach dem Personalausweis des Verkäufers habe dieser einen Führerschein gezeigt und erklärt, den Personalausweis könne er aus Zeitgründen nicht holen, da er um 17.00 Uhr wieder arbeiten müsse; außerdem habe der Beklagte keinen Anspruch darauf, den Personalausweis zu sehen. Der Kaufpreis – so hat der Beklagte geltend gemacht – sei kein Verdachtsmoment gewesen, weil bei einem Privatverkauf der Kaufpreis in der Regel deutlich niedriger sei als beim Fahrzeugverkauf durch einen Kfz-Händler. Vergleichbare Fahrzeuge würden für 54.900 bis 59.800 € zum Kauf angeboten. Hinzu komme, dass sich der Kaufpreis nach der Nachfrage richte und diese saisonabhängig sei; im Februar würden Cabriolets nicht nachgefragt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Porsche 911 Carrera S sei der Klägerin nicht i. S. von § 935 I 1 BGB abhandengekommen, da sie das Fahrzeug der Leasingnehmerin freiwillig überlassen habe. Dass das Fahrzeug den Verantwortlichen der C-GmbH abhandengekommen sei, habe die Klägerin nicht substanziiert dargelegt.
Der Beklagte habe das Eigentum an dem Fahrzeug gutgläubig erworben; ihm könne in Bezug auf das fehlende Eigentum des Veräußerers weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden. Beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs bestehe keine allgemeine Nachforschungspflicht.
Die Mindestanforderungen für den gutgläubigen Erwerb eines Kraftfahrzeugs habe der Bekalgte erfüllt, denn er habe sich von dem Verkäufer die Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) vorlegen lassen, in der der Verkäufer als Halter des Pkw eingetragen gewesen sei. Dass es sich bei der vorgelegten Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II um Fälschungen gehandelt habe, sei nicht auf ersten Blick erkennbar gewesen, sodass der Beklagte nicht habe weiter nachforschen müssen. Zwar sei die Angabe in der Zulassungsbescheinigung Teil I, wann die nächste Hauptuntersuchung fällig sei, mit Blick auf das angegebene Datum der Erstzulassung nicht stimmig. Dies habe dem Beklagten aber nicht ohne Weiteres auffallen müssen, zumal es nicht ungewöhnlich sei, dass eine Hauptuntersuchung vorgezogen werde. Die in der Zulassungsbescheinigung Teil II enthaltenen Angaben passten zu dem gegenüber dem Beklagten aufgetretenen Verkäufer („Mario Jan“) und den Angaben in dem Führerschein, den dieser nach Darstellung des Beklagten vorgelegt habe. Unstimmigkeiten ergäben sich lediglich daraus, dass in der Zulassungsbescheinigung Teil I ein anderer Ausstellungsort genannt werde als in der Zulassungsbescheinigung Teil II, was als solches nicht ohne Weiteres zu erkennen sei. Dass in der Zulassungsbescheinigung Teil II nur ein Halter eingetragen gewesen sei, habe der Verkäufer nach Darstellung des Beklagten plausibel damit begründet, dass für die Eintragung eines weiteren Halters in der Erstbescheinigung kein Platz mehr gewesen sei.
Dass ein Gebrauchtwagen – wie das streitgegenständliche Fahrzeug – „auf der Straße“ verkauft werde, komme unter Privatpersonen häufig vor und habe den Beklagten deshalb nicht misstrauisch machen müssen, zumal der Treffpunkt vor der B-Bank auf Wunsch des Beklagten gewählt worden sei. Ebenso habe der Beklagte den verlangten Kaufpreis nicht zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen müssen; dass dieser Kaufpreis zum Verkehrswert des Pkw in einem für den Beklagten erkennbaren Missverhältnis gestanden habe, könne nicht festgestellt werden.
Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin im Wesentlich geltend gemacht, der Beklagte habe ihren Vortrag, dass der streitgegenständliche Pkw der Leasingnehmerin gestohlen worden oder sonst abhandengekommen sei, nicht bestritten. Sie, die Klägerin, habe sich bei dem früheren Geschäftsführer der Leasingnehmerin nach dem Verbleib des Fahrzeugs erkundigt. Der frühere Geschäftsführer der Leasingnehmerin habe ihr daraufhin kommentarlos den Namen eines Polen und eine – mit einem Fragezeichen versehene – Adresse in Berlin übermittelt, was die Annahme rechtfertige, dass die in Rede stehende Person den Pkw gestohlen habe.
Jedenfalls habe der Beklagte das Eigentum an dem Porsche 911 Carrera S nicht gutgläubig erworben. Vielmehr habe er ein wertvolles Sportfahrzeug beim ersten, kurzfristig vereinbarten Besichtigungstermin auf offener Straße in Berlin-Kreuzberg gekauft, ohne auch nur eine Probefahrt mit dem Fahrzeug zu unternehmen. Hätte der Beklagte die ihm überlassenen Fahrzeugpapiere wie geboten geprüft, dann wäre ihm schon vor Ort aufgefallen, dass es sich dabei um Fälschungen handele. Die Auffassung des Landgerichts, die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II sei in sich schlüssig, sei unzutreffend. Dass in der Zulassungsbescheinigung Teil I und in der Zulassungsbescheinigung Teil II unterschiedliche Ausstellungsorte genannt seien, habe den Beklagten zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen. Dies gelte umso mehr, als in der Zulassungsbescheinigung Teil I als Ausstellungsort „Freiburg im Breisgau“ angegeben und direkt daneben ein den Berliner Bären zeigendes Siegel angebracht sei. Schon deshalb sei die Würdigung des Landgerichts, Unstimmigkeiten ergäben sich nur nur bei Vergleich beider Dokumente, unzutreffend. Hinzu komme, dass die Angabe in der Zulassungsbescheinigung Teil I, wann die nächste Hauptuntersuchung fällig sei, nicht zum angegebenen Datum der Erstzulassung des Pkw passe; dass – wie das Landgericht angenommen habe – die Hauptuntersuchung mit Blick auf die Veräußerung eines Fahrzeugs vorgezogen werde, sei lebensfremd. Abgesehen davon enthalte das in den Fahrzeugpapieren angegebene Kennzeichen einen Bindestrich, obwohl diese Schreibweise – worauf sie, die Klägerin, das Landgericht hingewiesen habe – schon seit längerer Zeit nicht mehr üblich sei.
Überhaupt hätte es der Beklagte nicht bei einer – nicht vorgenommenen – Prüfung der Fahrzeugpapiere bewenden lassen dürfen. Aufgrund der besonderen Umstände (Kaufpreis deutlich unter Marktwert, verweigerte Aushändigung des Personalausweises, leichter, nicht zum angegebenen Namen „Mario Jan“ passender ausländischer Akzent des Verkäufers etc.) sei der Beklagte vielmehr gehalten gewesen, weitere Nachforschungen zu unternehmen, also etwa bei der Zulassungsstelle nachzufragen.
Der Beklagte hat das erstinstanzliche Urteil verteidigt. Er hat im Wesentlichen eingewandt, dass die Klägerin nicht substanziiert vorgetragen habe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug der Leasingnehmerin abhandengekommen sei. Die Angaben des früheren Geschäftsführers der C-GmbH hätten sich auf den Erwerber dieses Unternehmens bezogen. Zu weiteren Nachforschungen habe er, der Beklagte, keinen Anlass gehabt, zumal es lebensfremd sei, beim Erwerb eines Gebrauchtwagens bei Zulassungsstellen, dem Kraftfahrt-Bundesamt oder der Polizei nachzufragen. Diese gäben einem Kaufinteressenten aus Gründen des Datenschutzes ohnehin keine Auskunft. Insbesondere der Kaufpreis habe ihn nicht misstrauisch machen müssen. Welchen exakten Verkehrswert der Porsche 911 Carrera S seinerzeit gehabt habe, werde sich nicht feststellen lassen. Die Klägerin habe das Fahrzeug selbst für 75.000,00 € (brutto) erworben, wobei sicher ein über dem damaligen Verkehrswert liegender konzerninterner Verrechnungspreis vereinbart worden sei. Berücksichtige man alleine die Wertminderung in Höhe von 20 %, die das Fahrzeug in einem Jahr erfahren habe, die Mängel, die das Fahrzeug aufgewiesen habe, sowie einen kleinen „Saisonabschlag“, dann ergebe sich ziemlich genau der von ihm, dem Beklagten, gezahlte Kaufpreis. Da der Verkäufer ihm einen Führerschein vorgelegt habe, habe er nicht noch zur Privatwohung des Verkäufers fahren wollen, in der sich angeblich dessen Personalausweis befunden habe, zumal der Verkäufer auf seine – des Beklagten – Frage nach dem Personalausweis ungehalten reagiert habe. Im Übrigen – so hat der Beklagte geltend gemacht – habe die Klägerin selbst wenig Sorgfalt walten lassen, indem sie leichtgläubig ein hochwertiges Fahrzeug an ein Unternehmen im „Türkenviertel Neukölln“ verleast habe, das nicht einmal Geschäftsräume verfügt habe.
Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. Die Berufung ist zulässig und begründet.
1. Antrag zu 1 der Klage
Die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß § 812 I 1 Fall 2 BGB verlangen, dass dieser gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin die Zustimmung zur Herausgabe des streitbefangenen Fahrzeugs an sie erklärt.
a) Bei einem Streit darüber, welcher von zwei Prätendenten von der Hinterlegungsstelle die Auszahlung des hinterlegten Betrags verlangen kann, kann der wirkliche Inhaber des Rechts gegen den anderen Prätendenten einen Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung aus § 812 BGB geltend machen. Die auf Kosten des wirklichen Rechtsinhabers eingetretene grundlose Bereicherung des anderen Prätendenten ergibt sich aus dessen Stellung als Hinterlegungsbeteiligter. Als solcher hat er die Macht, die Auszahlung des wirklich Berechtigten zu verhindern, weil die Hinterlegungsstelle hierzu seiner Einwilligung bedarf (vgl. BGH, Urt. 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, BGHZ 109, 240 = NJW 1990, 716, 717; Urt. v. 15.05.1961 – VII ZR 181/59, BGHZ 35, 165 = NJW 1961, 1457, 1458). So liegt der Fall auch hier. Die Staatsanwaltschaft Berlin wird ohne Zustimmung des Beklagten das Fahrzeug nicht an die Klägerin herausgeben.
b) Die Klägerin ist auch aktivlegitimiert.
In erster Instanz hat der Beklagte vorsorglich die Aktivlegitimation der Klägerin unter Hinweis darauf bestritten, dass neuwertige Leasingfahrzeuge gemäß § 12 I AKB unter Anderem gegen Entwendung versichert würden. Falls die Versicherung durch den Leasingnehmer abgeschlossen werde, werde regelmäßig vereinbart, dass die Entschädigung dem Leasinggeber zustehe. Gemäß § 13 VII AKB gehe das Eigentum an dem versicherten Fahrzeug, wenn es nicht innerhalb eines Monats nach Eingang der Schadensanzeige wieder zur Stelle gebracht werde, auf den Versicherer über. Die Klägerin hat hiergegen unter Vorlage eines Schreibens der Versicherung vom 08.10.2013 eingewandt, dass die V-Versicherung AG den Versicherungsvertrag wegen Nichtzahlung der Folgeprämie gekündigt habe und für den versicherten Zeitraum keine Schadensmeldung erfolgt sei. Dieser Vortrag ist unbestritten geblieben, sodass der Beklagte hieraus zu seinen Gunsten nichts herleiten kann.
c) Dass die Klägerin zunächst Eigentümerin des Fahrzeugs war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach Ansicht des Senats hat die Klägerin das Eigentum auch nicht infolge eines gutgläubigen Erwerbs des Eigentums durch den Beklagten verloren.
aa) Insoweit geht der Senat allerdings nicht davon aus, dass das Fahrzeug abhandengekommen ist.
§ 935 I BGB bestimmt, dass der Erwerb des Eigentums aufgrund der §§ 932 bis 934 BGB nicht eintritt, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verlorengegangen oder sonst abhandengekommen war (Satz 1). Das Gleiche gilt, falls der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer war, dann, wenn die Sache dem Besitzer abhandengekommen war (Satz 2). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 935 I BGB trägt der (Alt-)Eigentümer, hier also die Klägerin (vgl. MünchKomm-BGB/Oechsler, 6. Aufl. [2013], § 935 Rn. 19; BeckOK-BGB/Kindl, Stand: 01.05.2014, § 935 Rn. 2). Hier war die Klägerin aufgrund des mit der em>C-GmbH bestehenden Leasingvertrags nur mittelbare Besitzerin des Fahrzeugs. Zur Darlegung eines Abhandenkommens des Fahrzeugs bei C-GmbH beruft die Klägerin sich nur auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach sie davon ausgehe, dass das Fahrzeug der Leasingnehmerin gestohlen worden bzw. abhandengekommen sei. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass dieser Vortrag nicht hinreichend substanziiert sei. Aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer der Leasingnehmerin auf die Frage nach dem Verbleib des Fahrzeugs kommentarlos den Namen eines Polen mitgeteilt und eine Adresse in Berlin mit Fragezeichen übersandt habe, kann nicht auf ein Abhandenkommen des Fahrzeugs geschlossen werden.
bb) Es fehlt jedoch an der Gutgläubigkeit des Beklagten.
(1) Gemäß § 932 II BGB ist der Erwerber im Rahmen des Eigentumserwerbs dann nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn der Erwerber die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müssen.
Bei dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs begründet der Besitz desselben nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen des gutgläubigen Erwerbs eines solchen Fahrzeugs, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Fahrzeugbriefs ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht (vgl. BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946 Rn. 11 ff.; Urt. v. 09.02.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365, 1366). Wann eine solche Nachforschungspflicht besteht, ist eine Frage des Einzelfalls. Für den Fall des Gebrauchtwagenhandels ist nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH wegen der dort nicht selten vorkommenden Unregelmäßigkeiten bei der Bewertung der Umstände, die für den Käufer eines gebrauchten Fahrzeugs eine Nachforschungspflicht hinsichtlich der Verfügungsberechtigung des Veräußerers begründen, ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BGH, Urt. v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310).
Im Grundsatz gilt, dass derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet, beweisen muss, dass der Veräußerer nicht Eigentümer und der Erwerber nicht in gutem Glauben war (vgl. Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearb. 2011, § 932 Rn. 104).
(2) Nach Aktenlage ist eine Reihe von Umständen festzustellen, die zusammen genommen einen Verdacht erregen mussten und den Beklagten zu weiteren Nachforschungen verpflichteten.
(a) Hierzu gehört zunächst, dass der Verkauf des Fahrzeugs auf der Straße stattfand. Zwar hat der Beklagte in erster Instanz unbestritten vorgetragen, er habe mit dem Verkäufer ein Treffen an dessen Privatadresse vereinbart. Er selbst habe dann während der Hinfahrt die Änderung des Treffpunkts veranlasst. Dies hat er im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat auch nochmals bekräftigt und erläutert, dass er auf dem Weg von Lübeck nach Berlin im Stau gestanden habe und aus diesem Grund vorgeschlagen habe, dass man sich direkt vor der B-Bank treffen solle. Gleichwohl war von dem Beklagten eine erhöhte Aufmerksamkeit allein schon deshalb zu fordern, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beim Verkauf eines Gebrauchtwagen, vor allem, wenn er auf der Straße vorgenommen wird, mit unlauteren Machenschaften gerechnet werden muss (vgl. BGH, Urt. v. 09.10.1991 – VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310; Urt. v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, NJW 1975, 735, 737).
(b) Zum anderen hat der Beklagte auf der Straße ein Luxusfahrzeug gegen Barzahlung erworben. Auch hierin sieht der Senat einen besonderen Umstand, der bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Nachforschungspflicht begründen kann. Anders als im Fall der Überweisung ist im Fall der Barzahlung eine Rückverfolgung des Empfängers nicht möglich. Auch ist der Zahlungsvorgang als solcher nicht dokumentiert.
(c) Hinzu tritt, dass der Verkäufer vorliegend auf eine schnelle Abwicklung des Kaufs gedrängt hat (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 01.09.2006 – 14 U 201/05, NJW 2007, 3007, 3008; MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 49). Wie der Beklagte im Senatstermin geschildert hat, war das Treffen vor der B-Bank für 15.15 Uhr vereinbart. Der Beklagte machte seinen Angaben nach noch eine Probefahrt von sicherlich 20 Minuten, untersuchte das Fahrzeug und holte Geld in der B-Bank ab, die zu diesem Zeitpunkt voll gewesen sei. In der Zwischenzeit habe seine Frau den Kaufvertrag ausgefüllt. Als er dann nach dem Personalausweis des Verkäufers gefragt habe, habe dieser erklärt, er habe den Personalausweis vergessen. Er sei selbstständig, habe in Berlin Gastronomiebetriebe und müsse um 17.00 Uhr bei der Arbeit sein. Aus Zeitgründen könne er den Personalausweis nicht holen. Durch diese Erklärung hat der Verkäufer den Beklagten unter Druck gesetzt. Denn unter Zugrundelegung dieser Angaben stand für die Gesamtabwicklung des Geschäfts nur ein Zeitrahmen von etwa 90 Minuten zur Verfügung, und der Beklagte stand vor der Wahl, das Fahrzeug entweder ohne Einsicht in den Personalausweis zu kaufen oder vom Ankauf abzusehen, sodass sich die durchaus aufwendige Reise vom Urlaubsort an der Ostsee nach Berlin als Fehlschlag erwiesen hätte.
(d) Auffällig war auch die vom Beklagten im Senatstermin geschilderte weitere Reaktion des Verkäufers auf die Frage nach dem Personalausweis. Dazu hat der Beklagte erklärt, er habe nach dem Personalausweis des Verkäufers gefragt, weil in dem Kaufvertragsformular, das er, der Beklagte, bei „mobile.de“ besorgt habe, entsprechende Angaben vorgesehen gewesen seien. Der Verkäufer habe dann ergänzend erklärt, der Beklagte habe gar kein Recht, seinen Ausweis zu sehen; allenfalls habe er als Verkäufer das Recht, den Ausweis des Käufers zu sehen. Somit hat der Verkäufer die Einsichtnahme in seinen Personalausweis nicht nur aus angeblicher Zeitknappheit, sondern – mit fadenscheiniger Begründung – grundsätzlich abgelehnt. Diese ungewöhnliche Reaktion war nach Auffassung des Senats geeignet, verdachtsbegründende Umstände zu verstärken.
(e) Von besonderer und letztlich ausschlaggebender Bedeutung ist allerdings der Umstand, dass in der (gefälschten) Zulassungsbescheinigung Teil I ein Stempel mit dem Berliner Bären und der Aufschrift „Bundeshauptstadt Berlin“ direkt neben dem Aufdruck „Stadt Freiburg im Breisgau – Amt für Bürgerservice und Informationsverarbeitung“ aufgebracht ist, wobei der zuletzt genannte Aufdruck mit einem Datumsstempel „13. Juli 2012“ und einer unleserlichen Unterschrift versehen ist.
(aa) Zwar hat sich der Beklagte die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen, sodass eine Mindestvoraussetzung für einen gutgläubigen Erwerb erfüllt ist. Dass die Zulassungsbescheinigung Teil II gefälscht ist, hätte dem Beklagten bei gebotener Prüfung allein dieses Dokuments vor Ort nicht auffallen müssen. Grob fahrlässig handelt der Käufer nur dann, wenn eine Fälschung leicht durchschaubar ist (vgl. MünchKomm-BGB/Oechsler, a. a. O., § 932 Rn. 56; vgl. auch BGH, Urt. v. 23.05.1966 – VIII ZR 60/64, BeckRS 1966, 31180082: durch Radieren verursachtes Loch, Tuscheklekse in anderer Farbe). Hieran fehlt es. Zwar ist die Postleitzahl „12…“ für die …straße … falsch, was dem Beklagen aber nicht auffallen musste. Dass der Verkäufer den Nachnamen „Jan“ angegeben hat, ist nicht auffällig; einen solchen Nachnamen mag es geben. Dass – so der Klägervortrag – schon seit längerer Zeit die amtlichen Kennzeichen in den Zulassungspapieren nicht mehr mit Bindestrich, sondern mit Leerzeichen geschrieben werden, ist dem Senat nicht bekannt und musste auch dem Beklagten nicht auffallen. Zudem ist in dem Original der Zulassungsbescheinigung Teil II das Kennzeichen gleichfalls mit einem Bindestrich geschrieben. Auch der Umstand, dass in dem Dokument als Datum der Erstzulassung der 28.10.2009 eingetragen ist und an anderer Stelle der 14.05.2009, begründet keinen Fälschungsverdacht, denn das zuletzt genannte Datum bezieht sich nicht auf die Erstzulassung, sondern auf die EG-Typgenehmigung bzw. die Allgemeine Betriebserlaubnis (vgl. Feld K der Zulassungsbescheinigung Teil II). Auch die Erklärung des Verkäufers hierzu, das Datum „14.05.2009“ sei eingetragen, weil es sich um ein Werksfahrzeug handele, ist danach zwar sachlich unzutreffend, aber gleichfalls nicht geeignet, einen Fälschungsverdacht zu begründen.
(bb) Anders als bei der Zulassungsbescheinigung Teil II musste dem Beklagten jedoch bei der gebotenen Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil I die Fälschung auffallen. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Beklagte angesichts der zuvor dargestellten besonderen Umstände des Verkaufs auch zu erhöhter Sorgfalt bei der Prüfung der ihm vorgelegten Dokumente verpflichtet war. Zwar mussten – wie oben erwähnt – die Schreibweise des amtlichen Kennzeichens und der Nachname „Jan“ des Verkäufers bei dem Beklagten keinen Verdacht erregen. Gleiches gilt für den Umstand, dass die nächste Hauptuntersuchung in Abweichung vom üblichen Turnus für 12/2013 vorgesehen war, denn eine Hauptuntersuchung wird gelegentlich vorgezogen.
Tatsächlich hat der Beklagte, wie er auf entsprechenden Vorhalt im Senatstermin mitgeteilt hat, bemerkt, dass auf der Zulassungsbescheinigung Teil I sowohl ein Stempel der Bundeshauptstadt Berlin als auch eine dem Anschein nach von der Stadt Freiburg im Breisgau stammende Eintragung vorhanden waren. Dies habe indessen, so hat er erklärt, bei ihm keinen Verdacht erregt, weil auf den Formularen bzw. Gutachten seiner Augenarztpraxis auch immer ein anderer Ort stehe als der Ausstellungsort, nämlich der Ort, wo das Dokument gedruckt worden sei.
Für die hier in Rede stehenden Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung Teil I kommt eine derartige Erklärung indessen nicht in Betracht. Der auf die Stadt Freiburg verweisende Aufdruck enthält zusammen mit der dort befindlichen Unterschrift sowie dem Datumsstempel den für sich genommen unmissverständlichen Hinweis auf die Stadt Freiburg als Ausstellerin des Dokuments. Damit in krassem Widerspruch stehen der daneben befindliche Stempel der Stadt Berlin und die Eintragungen in der Zulassungsbescheinigung Teil II, die die Stadt Berlin als Aussteller des Dokuments ausweisen. Da das Fahrzeug am 13.07.2012 nicht gleichzeitig von der Stadt Freiburg und der Stadt Berlin zugelassen werden konnte, lassen sich die widersprüchlichen Eintragungen bei lebensnaher Bewertung nur damit erklären, dass die Dokumente – unter Benutzung entwendeter Formulare der Stadt Freiburg – gefälscht waren. Auch dem Beklagten musste sich diese Schlussfolgerung – zumal in Anbetracht der oben erörterten Auffälligkeiten – geradezu aufdrängen.
Bei Würdigung aller Gesamtumstände ist der Senat deshalb davon überzeugt, dass die Unkenntnis des Beklagten von der fehlenden Berechtigung des Autoverkäufers auf grober Fahrlässigkeit beruht.
2. Antrag zu 2 der Klage (Feststellung der Schadensersatzverpflichtung)
Der Klägerin steht gemäß § 812 I 1 Fall 2 BGB i. V. mit §§ 280 I, II, 286 BGB auch ein Anspruch auf Feststellung zu, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind, dass der Beklagte nicht unmittelbar nach Klageerhebung – Zustellung der Klageschrift am 28.05.2013 – der Herausgabe des streitbefangenen Fahrzeugs zugestimmt hat.
a) Ein Feststellungsinteresse i. S. des § 256 I ZPO besteht. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, Urt. v. 07.02.1986 – V ZR 201/84, NJW 1986, 2507; MünchKomm-ZPO/Becker-Eberhard, 4. Aufl. [2013], § 256 Rn. 37; Musielak/Foerste, ZPO, 11. Aufl. [2014], § 256 Rn. 7 ff.). Hier bestreitet der Beklagte, dazu verpflichtet zu sein, gegenüber der Staatsanwaltschaft Berlin seine Zustimmung zur Herausgabe des streitbefangenen Fahrzeugs an die Klägerin zu erklären; hierdurch wird das Recht der Klägerin gefährdet. Zudem erscheint es wahrscheinlich, dass an dem Fahrzeug nach zwei Jahren Standzeit Schäden entstanden sind, welche die Klägerin heute noch nicht beziffern und im Rahmen einer vorrangigen Leistungsklage geltend machen kann.
b) Da der Beklagte nach dem zu 1 Gesagten verpflichtet ist, der Herausgabe des Fahrzeugs an die Klägerin zuzustimmen, ist der Beklagte mit der Erteilung der Zustimmung durch Zustellung der Klage gemäß § 286 I 2 BGB in Verzug geraten. Die §§ 280 ff. BGB finden auch auf einen Anspruch aus § 812 BGB Anwendung (vgl. Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2014, § 280 Rn. B 8; MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl. [2012], § 280 Rn. 6). Das Verschulden wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet; diese Vermutung hat der Beklagte nicht entkräftet.
3. Widerklage
Die Widerklage ist unbegründet, da der Beklagte nach den obigen Ausführungen kein Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat und deshalb auch keinen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil II hat. …