Tritt ein Käu­fer we­gen ei­nes Man­gels der Kauf­sa­che von ei­nem bei­der­seits er­füll­ten Kauf­ver­trag zu­rück, so ist der Er­fül­lungs­ort für al­le Rück­ge­währan­sprü­che – auch für den An­spruch des Käu­fers auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses – ein­heit­lich der Ort, an dem sich die Kauf­sa­che zur Zeit des Rück­tritts ver­trags­ge­mäß be­fin­det.

OLG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 17.07.2013 – l-22 W 19/13

Sach­ver­halt: Der An­trag­stel­ler be­an­tragt die Durch­füh­rung ei­nes selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens. Er be­gehrt die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens zu der Fra­ge, ob ein von ihm er­wor­be­ner Ge­braucht­wa­gen Un­fall­schä­den auf­weist und man­gel­haft ist.

Der An­trags­geg­ner ist der Ver­käu­fer des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs. Von ihm er­warb der An­trag­stel­ler mit Kauf­ver­trag vom 15.10.2012 ei­nen ge­brauch­ten Opel Cor­sa 1.2 116 V. Im Kauf­ver­trag war an­ge­ge­ben, dass das Fahr­zeug nicht un­fall­frei ist, son­dern ei­nen Un­fall­scha­den an der Fah­rer­sei­te (Front) er­lit­ten hat­te.

Mit Schrei­ben vom 12.12.2012 er­klär­te der An­trag­stel­ler den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung. Zur Be­grün­dung trug er vor, dass er ei­nen nicht fach­ge­recht be­ho­be­nen, er­heb­li­chen Rah­menscha­den ver­mu­te, den der An­trags­geg­ner ihm arg­lis­tig ver­schwie­gen ha­be. Der An­trag­stel­ler for­der­te den An­trags­geg­ner – er­folg­los – zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 7.150 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs auf.

Die 3. Zi­vil­kam­mer des LG Kre­feld hat mit Be­schluss der Ein­zel­rich­te­rin vom 24.04.2013 den An­trag des An­trag­stel­lers auf Durch­füh­rung des selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens zu­rück­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat sie auf­ge­führt, der An­trag sei ge­mäß § 486 II 1 ZPO we­gen feh­len­der ört­li­cher Zu­stän­dig­keit des LG Kre­feld nicht zu­läs­sig. Ge­mäß § 486 II 1 ZPO sei der An­trag bei dem Ge­richt zu stel­len, das nach der Dar­le­gung und Be­haup­tung des An­trag­stel­lers zur künf­ti­gen Ent­schei­dung be­ru­fen wä­re, wenn ein Rechts­streit über die Haupt­sa­che – wie vor­lie­gend – noch nicht an­hän­gig sei. Das LG Kre­feld sei für die Rück­zah­lungs­pflicht des Ver­käu­fers ge­mäß § 29 I ZPO, §§ 269 I, 270 IV BGB ört­lich nicht zu­stän­dig. Zu­stän­dig sei das Ge­richt, in des­sen Be­zirk der Wohn­sitz des Schuld­ners, al­so des Ver­käu­fers, lie­ge.

Die ent­ge­gen­ste­hen­de An­sicht, nach der im Fal­le der Rück­ab­wick­lung von Kauf­ver­trä­gen ab­wei­chend von den ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen ein ge­mein­sa­mer Er­fül­lungs­ort für die bei­der­sei­ti­gen Ver­pflich­tun­gen an­zu­neh­men sei, über­zeu­ge nicht. Grund­sätz­lich be­stim­me sich der Leis­tungs­ort bei ge­gen­sei­ti­gen Ver­trä­gen für je­de Ver­pflich­tung ge­son­dert. Aus­nah­men von die­sem Grund­satz sei­en nur ge­recht­fer­tigt, wenn sich ins­be­son­de­re aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses et­was an­de­res ent­neh­men las­se (§ 269 I BGB). Dies sei nicht bei al­len Kla­gen auf Kauf­preis­rück­zah­lung Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be der Kauf­sa­che der Fall. Da­ge­gen spre­che schon der Um­stand, dass an­dern­falls bei ei­ner Rück­ab­wick­lung von Ver­trä­gen we­gen der Re­ge­lung des § 348 BGB im­mer ein ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort ge­ge­ben wä­re. Auch aus der Zug-um-Zug-Ver­pflich­tung al­lein fol­ge kein ge­mein­sa­mer Er­fül­lungs­ort. Für ei­ne be­son­de­re Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses spre­che kei­ne Ver­kehrs­sit­te, nach der der Leis­tungs­ort für die Rück­zah­lungs­pflicht der Wohn­sitz des Käu­fers sei. Die Über­le­gung, dass der Schwer­punkt des Ver­hält­nis­ses am Wohn­sitz des Käu­fers lie­ge, kön­ne nicht über­zeu­gen, da – wie sich aus § 270 IV BGB er­ge­be – ei­ne be­stimm­te ört­li­che Prä­fe­renz bei Geld­for­de­run­gen nicht be­ste­he. Schließ­lich wür­den we­der die ört­li­che Nä­he des Ge­richts zu dem Be­le­gen­heits­ort der Kauf­sa­che, über de­ren Be­schaf­fen­heit ge­ge­be­nen­falls Be­weis zu er­he­ben sei, noch die Schutz­be­dürf­tig­keit des Käu­fers bei ei­nem Ver­tre­ten­müs­sen des Ver­käu­fers es recht­fer­ti­gen, die ein­deu­ti­gen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten aus Bil­lig­keits­ge­sichts­punk­ten zu um­ge­hen.

Das Ur­teil des BGH vom 09.03.1983 – VI­II ZR 11/82 („„Dach­zie­gel­fall“) ste­he dem nicht ent­ge­gen. Denn die­se Ent­schei­dung ha­be nicht die Rück­zah­lungs­pflicht, son­dern die Rück­ga­be- und Rück­nah­me­ver­pflich­tung be­trof­fen, für die in dem Fall ein Be­zug zu dem Wohn­sitz des Käu­fers be­stan­den ha­be, da sich die er­wor­be­nen Zie­gel auf dem Haus­dach des Käu­fers be­fun­den hät­ten.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung wen­det sich der An­trag­stel­ler mit der so­for­ti­gen Be­schwer­de, der das Land­ge­richt nicht ab­ge­hol­fen und dem OLG Düs­sel­dorf als Be­schwer­de­ge­richt vor­ge­legt hat. Das Rechts­mit­tel hat­te vor­läu­fig Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Das LG Kre­feld ist ge­mäß § 486 II 1 ZPO i. V. mit § 29 ZPO ört­lich zu­stän­dig. Ge­mäß § 486 II 1 ZPO ist der An­trag auf Durch­füh­rung ei­nes selbst­stän­di­gen Be­weis­ver­fah­rens bei dem Ge­richt zu stel­len, das nach der Dar­le­gung und Be­haup­tung des An­trag­stel­lers zur zu­künf­ti­gen Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che be­ru­fen wä­re, wenn ein Rechts­streit über die Haupt­sa­che noch nicht an­hän­gig ist. Vor­lie­gend wä­re ge­mäß §§ 29 l, 35 ZPO das LG Kre­feld zur zu­künf­ti­gen Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che ört­lich be­ru­fen.

Nach § 29 I ZPO be­steht für Strei­tig­kei­ten aus ei­nem Ver­trags­ver­hält­nis ein be­son­de­rer Ge­richts­stand an dem Ort, an dem die strei­ti­ge Ver­trags­pflicht zu er­fül­len ist. Die­ser liegt im Streit­fall im Be­zirk des LG Kre­feld.

Der Er­fül­lungs­ort für den hier strei­ti­gen Kauf­preis­rück­zah­lungs­an­spruch ge­mäß §§ 346 I, 323 I, 437 Nr. 2, 440 BGB be­stimmt sich man­gels ge­setz­li­cher Son­der­re­ge­lung nach § 269 BGB. Ge­mäß Ab­satz 1 die­ser Vor­schrift kann sich der Er­fül­lungs­ort aus den Um­stän­den, ins­be­son­de­re aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, er­ge­ben, wenn ei­ne Ver­ein­ba­rung über den Er­fül­lungs­ort nicht ge­trof­fen wur­de.

Klagt der Käu­fer nach bei­der­sei­ti­ger Er­fül­lung des Kauf­ver­trags und nach Rück­tritt vom Kauf­ver­trag auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses Zug um Zug ge­gen Rück­ge­währ der Kauf­sa­che, so ist ein­heit­li­cher Er­fül­lungs­ort für al­le Rück­ge­währan­sprü­che der Ort, an dem sich die Kauf­sa­che zur Zeit des Rück­tritts ver­trags­ge­mäß be­fin­det (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 14.06.2013 – 13 U 53/13; OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11; OLG Bam­berg, Urt. v. 18.08.2010 – 8 U 51/10; OLG Hamm, Beschl. v. 16.03.2012 – 32 SA 12/12; OLG Köln, Beschl. v. 28.03.2011 – I-3 U 174/10; Ba­yO­bLG, Beschl. v. 09.01.2004 – 1Z AR 140/03; OLG Saar­brü­cken, Beschl. v. 06.01.2005 – 5 W 306/04, al­le zi­tiert nach ju­ris; Zöl­ler/Voll­kom­mer, ZPO, 29. Aufl., § 29 Rn. 25 [„Kauf­ver­trag“, „Rück­gän­gig­ma­chung“]; Hüß­te­ge, in: Tho­mas/Putzo, ZPO, 33. Aufl., § 29 Rn. 6 [11]; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 71. Aufl., § 269 Rn . 16; ju­risPK-BGB/Ker­wer, 6. Aufl. [2012], § 269 Rn. 23; a. A Stö­ber, NJW 2006, 2661; LG Stral­sund, Beschl. v. 13.10.2011 – 6 O 211/11, ju­ris; zu frü­he­ren Ge­gen­stim­men vgl. LG Kre­feld, Beschl. v. 27.07.1977, MDR 1977, 1018).

Nach dem Be­schluss des BGH vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, ju­ris – kann ein Ort ge­mein­sa­mer Leis­tungs­er­brin­gung an­ge­nom­men wer­den, wenn die Ver­trags­par­tei­en ei­nen sol­chen Ort der ge­mein­sa­mer Leis­tungs­er­brin­gung be­stimmt ha­ben oder die Um­stän­de des Falls ei­nen sol­chen Leis­tungs­ort er­ge­ben.

Hier las­sen sich für den Kauf­preis­rück­ge­währan­spruch Um­stän­de be­ja­hen, nach de­nen es sach­ge­recht und der In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en an­ge­mes­sen er­scheint, ei­nen ein­heit­li­chen Er­fül­lungs­ort an­zu­neh­men:

Für ei­nen ein­heit­li­chen Er­fül­lungs­ort be­steht im Fal­le der Rück­tritts­ab­wick­lung ein prak­ti­sches Be­dürf­nis (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, ju­ris). Denn es ent­spricht dem mut­maß­li­chen Wil­len der Par­tei­en, dass der Rechts­streit am Be­le­gen­heits­ort aus­ge­tra­gen wird, wo ei­ne Be­weis­auf­nah­me in der Re­gel kos­ten­güns­ti­ger mög­lich ist (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, ju­ris, mit aus­führ­li­cher Be­grün­dung).

Wei­ter ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass im Fal­le des Rück­tritts vom Kauf­ver­trag durch den Käu­fer we­gen ei­nes Sach­man­gels der Rück­tritts­grund aus dem Ri­si­ko­be­reich des Ver­käu­fers her­rührt. Denn er hat ei­ne man­gel­haf­te Sa­che ge­lie­fert und die Nach­er­fül­lung nicht in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Frist er­bracht Der Käu­fer muss im Rah­men der Rück­ab­wick­lung nach den §§ 346 ff. BGB da­her mög­lichst so ge­stellt wer­den, als ob er den Ver­trag nicht ge­schlos­sen hät­te (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, ju­ris). Dem mut­maß­li­chen Wil­len der Par­tei­en ent­spricht es da­her, den Ort der ver­trags­mä­ßi­gen Be­le­gen­heit der Kauf­sa­che als ein­heit­li­chen Leis­tungs­ort nicht nur für die Rück­nah­me­ver­pflich­tung, son­dern auch für den Kauf­preis­rück­ge­währan­spruch an­zu­se­hen (vgl. OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, ju­ris).

Zu­dem schul­det der Zu­rück­ge­tre­te­ne nach § 346 I BGB im Rah­men des Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses nur das Zu­rück­ge­wäh­ren der Leis­tung. Er muss da­mit den Ver­trags­part­ner nur in die La­ge ver­set­zen, über die Wa­re zu ver­fü­gen (vgl. BGH, Urt. v. 09.03.1983 – VI­II ZR 11/82, ju­ris). Auch wenn die vor­ste­hend zi­tier­te Ent­schei­dung noch zum al­ten Schuld­recht er­gan­gen ist, lässt sie sich auf das neue Schuld­recht über­tra­gen, weil es sich bei Wand­lung und ge­setz­li­chem Rück­tritt im We­sent­li­chen um das glei­che Rechts­in­sti­tut han­delt (vgl. OLG Karls­ru­he, Urt. v. 14.06.2013 – 13 U 53/13, OLG Schles­wig, Urt. v. 04.09.2012 – 3 U 99/11, bei­de zi­tiert nach ju­ris).

Mit den vor­ge­nann­ten Über­le­gun­gen wird, an­ders als die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung meint, nicht aus „Bil­lig­keits­ge­sichts­punk­ten die ein­deu­ti­ge Re­ge­lung des § 269 BGB um­gan­gen“. Viel­mehr han­delt es sich bei der Vor­schrift des § 269 I BGB um ei­ne Dis­po­si­tiv­norm und Zwei­fels­re­gel, die die Be­rück­sich­ti­gung von Um­stän­den, ins­be­son­de­re aus der Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, zur Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes aus­drück­lich zu­lässt.

Die Sa­che wird da­her un­ter Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Be­schlus­ses an das Land­ge­richt zur er­neu­ten Ent­schei­dung zu­rück­ver­wie­sen (§ 572 III ZPO) …

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