1. Ein Ge­braucht­wa­gen ist man­gel­haft (§ 434 I 1 BGB), wenn er aus­weis­lich des Kauf­ver­trags ei­ne Lauf­leis­tung von 100.000 km ha­ben soll, tat­säch­lich aber ei­ne weit hö­he­re Lauf­leis­tung auf­weist.
  2. Die­ser Man­gel wird von ei­nem im Kauf­ver­trag ent­hal­te­nen Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nicht er­fasst. Denn aus Sicht des Käu­fers ste­hen die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung und der Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss gleich­ran­gig ne­ben­ein­an­der. Des­ha­blb kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass der Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss zur Un­ver­bind­lich­keit der Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung führt. Viel­mehr er­streckt sich er sich zwar auf Män­gel i. S. von §  434 I 2 Nr. 1 und 2 BGB, aber nicht auf ei­nen Man­gel, der dar­in be­steht, dass die Kauf­sa­che nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit hat (§ 434 I 1 BGB).

OLG Mün­chen, Ur­teil vom 13.03.2013 – 7 U 3602/11

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en, die bei­de Au­to­häu­ser be­trei­ben, strei­ten um Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che im Zu­sam­men­hang mit zwei Ge­braucht­wa­gen­ge­schäf­ten.

Am 08.06.2010 kauf­te die Be­klag­te von der Klä­ge­rin ei­nen BMW 530d zum Preis von 56.302,62 €. Das Fahr­zeug nahm die Be­klag­te nie ab. Be­reits am 08.04.2010 hat­te sie von der Klä­ge­rin ei­nen VW Toua­reg zum Preis von 20.700 € net­to er­wor­ben. In der Kauf­ver­trags­ur­kun­de ist ein Ki­lo­me­ter­stand von 100.000 ver­merkt.

Die Klä­ge­rin hat in ers­ter In­stanz zu­letzt Scha­dens­er­satz we­gen Nicht­er­fül­lung des den BMW 530d be­tref­fen­den Kauf­ver­trags in Hö­he von 9.327,83 € nebst Zin­sen so­wie die Er­stat­tung vor­ge­richt­li­cher Kos­ten (239,70 €) ver­langt. Die Be­klag­te hat Klag­ab­wei­sung be­an­tragt. Hilfs­wei­se hat sie die Auf­rech­nung mit ei­nem – die Kla­ge­for­de­rung über­stei­gen­den – Rück­zah­lungs­an­spruch, der sich aus ei­ner Min­de­rung des für den VW Toua­reg ge­zahl­ten Kauf­prei­se­ses er­ge­ben soll, er­klärt.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Be­ru­fung wen­det sich die Be­klag­te nicht mehr ge­gen ih­re aus dem BMW-Ge­schäft re­sul­tie­ren­de Pflicht zum Scha­dens­er­satz, son­dern sie ver­folgt nur noch ih­re – nun­mehr pri­mär – zur Auf­rech­nung ge­stell­te Ge­gen­for­de­rung. Das Rechts­mit­tel hat­te zum Teil Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Der Be­klag­ten stand nach er­klär­ter Min­de­rung des Kauf­prei­ses hin­sicht­lich des VW ein Rück­zah­lungs­an­spruch we­gen Über­zah­lung in Hö­he von 6.652,41 € zu, der die Kla­ge­for­de­rung in die­ser Hö­he nach er­klär­ter Auf­rech­nung zum Er­lö­schen ge­bracht hat (§ 389 BGB) , so­dass noch der zu­ge­spro­che­ne Be­trag ver­bleibt. We­gen der Rück­wir­kung der Auf­rech­nung sind auch Pro­zess­zin­sen nur aus die­sem Be­trag ge­schul­det.

1. Der VW Toua­reg war bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft. Denn er wies nicht die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit auf (§ 434 I 1 BGB). Die Par­tei­en hat­ten im Kauf­ver­trag ei­ne Lauf­leis­tung von 100.000 km ver­ein­bart. Tat­säch­lich wies das Fahr­zeug nach den über­zeu­gen­den Re­cher­chen des Sach­ver­stän­di­gen S be­reits ein Jahr vor­her ei­ne Lauf­leis­tung von 174.051 km auf. Zwar hat der Sach­ver­stän­di­ge Ab­le­se- bzw. Ein­ga­be­feh­ler abs­trakt nicht aus­schlie­ßen kön­nen. Er hat je­doch dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der do­ku­men­tier­te Ki­lo­me­ter­stand seit 2005 kon­ti­nu­ier­lich an­steigt, be­vor es zum plötz­li­chen Ab­fall kommt. Ei­ne Viel­zahl von Ab­le­se­feh­lern kann nach der Le­bens­er­fah­rung mit ei­nem für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­ren Grad an Ge­wiss­heit aus­ge­schlos­sen wer­den. Die vom Sach­ver­stän­di­gen er­mit­tel­ten Be­fun­de sind nur da­durch er­klär­bar, dass der Ki­lo­me­ter­zäh­ler – durch wen auch im­mer – ma­ni­pu­liert wur­de. Auf der Ba­sis des bis­he­ri­gen Nut­zungs­ver­hal­tens des Fahr­zeugs rech­net der Sach­ver­stän­di­ge für den Tag der Über­ga­be ei­ne Lauf­leis­tung von 203.259 km hoch. Da ein gleich­mä­ßi­ges Be­nut­zungs­ver­hal­ten je­doch nicht fest­steht (ins­be­son­de­re we­gen Stand­zei­ten im Zu­sam­men­hang mit meh­re­ren Ver­äu­ße­run­gen), schätzt der Se­nat die tat­säch­li­che Lauf­leis­tung bei Über­ga­be auf 190.000 km (§ 287 ZPO). In­so­weit wich die Ist­be­schaf­fen­heit von der kauf­ver­trag­li­chen Soll­be­schaf­fen­heit deut­lich ab.

2. Die gel­tend ge­mach­te Min­de­rung ist vor­lie­gend nicht durch den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss in den All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen der Klä­ge­rin aus­ge­schlos­sen, wo­bei die um­strit­te­ne Fra­ge, ob die­se wirk­sam in den Ver­trag ein­be­zo­gen wur­den, da­hin­ste­hen kann. Denn ein Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss wür­de den vor­lie­gen­den Man­gel nicht er­fas­sen.

Dies folgt zwar nicht schon aus § 444 BGB. Dass die Klä­ge­rin den Man­gel kann­te und ihn arg­lis­tig ver­schwie­gen hat, lässt sich nicht fest­stel­len. Auch von ei­ner (still­schwei­gen­den) Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie i. S. von § 443 BGB kann nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Ei­ne sol­che sieht der BGH bei der An­ga­be der Lauf­leis­tung bei ei­nem Kauf ei­nes Ver­brau­chers vom Händ­ler als ge­ge­ben, nicht hin­ge­gen bei ei­nem Ge­schäft zwi­schen zwei Ver­brau­chern (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, ju­ris). Grund für die­se Dif­fe­ren­zie­rung ist die struk­tu­rel­le Un­ter­le­gen­heit des Ver­brau­chers ge­gen­über dem Händ­ler, was die Mög­lich­keit zur Über­prü­fung des Fahr­zeugs be­trifft. Der vor­lie­gen­de Fall des Ge­schäfts zwi­schen zwei Händ­lern ist da­bei dem Fall des Ge­schäfts zwi­schen zwei Ver­brau­chern ver­gleich­bar, weil sich auch hier die Ver­trags­par­tei­en hin­sicht­lich ih­rer Über­prü­fungs­mög­lich­kei­ten gleich­ran­gig ge­gen­über­ste­hen. Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie hin­sicht­lich der Lauf­leis­tung be­steht da­her nicht.

Die Aus­le­gung des Ver­trags … er­gibt je­doch, dass sich ein even­tu­el­ler Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nicht auf die im Ver­trag an­ge­ge­be­ne Lauf­leis­tung er­streckt. Die Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. von § 434 I 1 BGB (Lauf­leis­tung) und ein Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss ste­hen aus der Sicht des Käu­fers gleich­ran­gig ne­ben­ein­an­der. Die Re­ge­lung kann da­her nicht so ver­stan­den wer­den, dass der Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss die Un­ver­bind­lich­keit der Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung zur Fol­ge hat. Viel­mehr er­streckt sich der Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss nur auf Män­gel i. S. von § 434 I 2 Nrn. 1 und 2 BGB und nicht auf die ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit nach § 434 I 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VI­II ZR 92/06, ju­ris).

3. Der gel­tend ge­mach­ten Min­de­rung steht nicht der Vor­rang der Nach­er­fül­lung (§ 437 Nr. 1 und 2, § 323 I BGB) ent­ge­gen.

Zwar kommt auch beim Kauf ge­brauch­ter Sa­chen Nach­er­fül­lung grund­sätz­lich in Be­tracht, so­fern sie mög­lich ist. Ob ei­ne Er­satz­lie­fe­rung in Be­tracht kommt, ist nach dem durch Aus­le­gung zu er­mit­teln­den Wil­len der Ver­trags­part­ner bei Ver­trags­schluss zu be­ur­tei­len. Es kommt al­so dar­auf an, ob nach der Vor­stel­lung der Par­tei­en die Kauf­sa­che im Fal­le ih­rer Man­gel­haf­tig­keit durch ei­ne gleich­ar­ti­ge oder gleich­wer­ti­ge er­setzt wer­den kann. Auf­grund des un­ter­schied­li­chen Er­hal­tungs­zu­stands und der dar­aus re­sul­tie­ren­den Schwie­rig­keit, ei­ne wirk­lich gleich­ar­ti­ge und gleich­wer­ti­ge Sa­che zu be­schaf­fen, ist ins­be­son­de­re bei Ge­braucht­wä­gen hin­sicht­lich der An­nah­me ei­nes Par­tei­wil­lens, es sol­le Nach­er­fül­lung in Be­tracht kom­men, Zu­rück­hal­tung ge­bo­ten, um häu­fi­gen Streit über die Gleich­ar­tig­keit und Gleich­wer­tig­keit der zu be­schaf­fen­den Er­satz­sa­che zu ver­mei­den (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 209/05, ju­ris).

Vor die­sem Hin­ter­grund hat die Kla­ge­par­tei nicht hin­rei­chend dar­ge­tan, dass der Wil­le der Par­tei­en im Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses auf den Vor­rang der Nach­er­fül­lung ge­rich­tet war. Die Be­kun­dung des erst­in­stanz­lich ver­nom­me­nen Zeu­gen C, wo­nach die Be­klag­te da­mals prak­tisch je­den VW Toua­reg mit ei­ner gu­ten Aus­stat­tung zu ei­nem ver­nünf­ti­gen Preis ge­kauft hät­te, ge­nügt hier­für nicht. Denn sie zeigt auch, dass es der Be­klag­ten auf die Aus­stat­tung und auf das Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis ent­schei­dend an­kam. Der vom BGH be­fürch­te­te Streit um Gleich­ar­tig­keit und Gleich­wer­tig­keit ei­ner an­ge­bo­te­nen Er­satz­sa­che wä­re da­her vor­pro­gram­miert ge­we­sen. Von da­her sieht der Se­nat an­ders als das Land­ge­richt kei­ne hin­rei­chen­den An­halts­punk­te da­für, dass die Par­tei­en bei Ver­trags­schluss – ab­wei­chend vom Re­gel­fall beim Ge­braucht­wa­gen­kauf – ei­nen Vor­rang der Nach­er­fül­lung woll­ten.

4. Den Min­de­rungs­be­trag hat der Se­nat aus­ge­hend von den vom Sach­ver­stän­di­gen er­mit­tel­ten Wer­ten nach der For­mel des § 441 III BGB be­rech­net. Bei der Be­rech­nung auf der Ba­sis der Ver­kaufs- bzw. Ein­kaufs­prei­se er­ge­ben sich Min­de­rungs­be­trä­ge von 6.580,41 € bzw. 6.724,41 €. Der Se­nat hat dies­be­züg­lich den Mit­tel­wert von 6.641,41 € an­ge­setzt (§ 441 III 2 BGB, § 287 ZPO). …

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