1. Ein Gläu­bi­ger kann nicht ge­mäß § 323 I BGB vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn er die Frist zur Leis­tung vor de­ren Fäl­lig­keit ge­setzt hat. Das gilt auch dann, wenn be­reits vor Fäl­lig­keit ernst­haf­te Zwei­fel an der Leis­tungs­fä­hig­keit oder der Leis­tungs­wil­lig­keit des Schuld­ners be­ste­hen.
  2. Al­lein die Er­klä­rung des Schuld­ners, er wer­de zum Fäl­lig­keits­zeit­punkt nicht leis­ten kön­nen, be­grün­det kei­ne ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB.
  3. Der Gläu­bi­ger kann nach Fäl­lig­keit der Leis­tung oh­ne Set­zen ei­ner Nach­frist ge­mäß § 323 II Nr. 3 BGB so­fort zu­rück­zu­tre­ten, wenn fest­steht, dass die ge­mäß § 323 I BGB dem Schuld­ner zu set­zen­de an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung nicht ein­ge­hal­ten wer­den wird.
  4. Das Rück­tritts­recht nach § 323 IV BGB kann nicht mehr aus­ge­übt wer­den, wenn die Leis­tung fäl­lig ge­wor­den ist. Die Wirk­sam­keit ei­nes Rück­tritts be­stimmt sich ab die­sem Zeit­punkt nach § 323 I und II BGB.

BGH, Ur­teil vom 14.06.2012 – VII ZR 148/10

Sach­ver­halt: Der Klä­ger macht ge­gen die Be­klag­ten (die Ver­wal­ter in den In­sol­venz­ver­fah­ren über die Ver­mö­gen der frü­he­ren Be­klag­ten zu 1. und 2.) Zah­lungs­an­sprü­che nach Rück­tritt von ei­nem Grund­stücks­er­werbs­ver­trag mit Bau­ver­pflich­tung gel­tend.

Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag vom 15.01.2008 er­warb der Klä­ger von der ur­sprüng­li­chen Be­klag­ten zu 1. (im Fol­gen­den: Be­klag­te zu 1.), de­ren per­sön­lich haf­ten­de Ge­sell­schaf­te­rin die frü­he­re Be­klag­te zu 2. (im Fol­gen­den: Be­klag­te zu 2.) ist, ein Grund­stück in W. zum Preis von 2.850.000 €. Zu­gleich ver­pflich­te­te sich die Be­klag­te zu 1. dar­in, auf dem Grund­stück ein Fach­markt­zen­trum zu er­rich­ten, das bis zum 30.06.2008 be­zugs­fer­tig sein soll­te.

Im Hin­blick auf et­wai­ge Rück­tritts­rech­te ent­hält der Ver­trag un­ter an­de­rem fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

„Ab­schnitt 8: Ge­setz­li­che Rück­tritts­rech­te

1. Im Üb­ri­gen be­ste­hen Rück­tritts­rech­te für bei­de Ver­trags­tei­le nur, wenn die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen …

3. Die Kos­ten die­ses Ver­tra­ges ein­schließ­lich des Grund­buch­voll­zu­ges so­wie die Kos­ten der Rück­ab­wick­lung trägt der Ver­trags­teil, der den Rück­tritt des an­de­ren zu ver­tre­ten hat.

4. Tritt der Er­wer­ber aus vom Ver­äu­ße­rer zu ver­tre­ten­den Grün­den vom Kauf­ver­trag zu­rück, ist der be­zahl­te Kauf­preis­teil je­weils ab Zah­lung bis zur Rück­zah­lung mit 5 % jähr­lich zu ver­zin­sen. Wei­te­re An­sprü­che be­ste­hen nicht, es sei denn, der Ver­äu­ße­rer ha­be den Grund des Rück­tritts vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig her­bei­ge­führt; als­dann haf­tet er dem Er­wer­ber auf Scha­dens­er­satz.“

Die Be­klag­te zu 2. teil­te dem Klä­ger un­ter dem 14.05.2008 mit, dass sie den ur­sprüng­lich ver­ein­bar­ten Über­ga­be­zeit­punkt an die Mie­ter im Ein­ver­neh­men mit die­sen auf den 01.09.2008 ver­scho­ben ha­be. Un­ter dem 23.05.2008 schrieb der Klä­ger den Be­klag­ten, er schla­ge we­gen der Ver­schie­bung des Fer­tig­stel­lungs­ter­mins um zwei Mo­na­te ei­ne Kauf­preis­min­de­rung um 200.000 € vor, an­dern­falls zie­he er die Aus­übung ei­nes ihm zu­ste­hen­den Rück­tritts­rechts in Er­wä­gung. So­dann setz­te der Klä­ger den Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 03.06.2008 ei­ne Frist zur Fer­tig­stel­lung des Fach­markt­cen­ters bis zum 31.07.2008 und kün­dig­te gleich­zei­tig an, nach frucht­lo­sem Frist­ab­lauf von sei­nem Rück­tritts­recht Ge­brauch ma­chen zu wol­len. Nach­dem am 31.07.2008 kei­ne Be­zugs­fer­tig­keit ge­ge­ben war, er­klär­te der Klä­ger mit Schrei­ben vom 01.08.2008 den Rück­tritt vom Ver­trag und for­der­te mit wei­te­rem Schrei­ben vom 08.08.2008 die Be­klag­te zu 1. zur Zah­lung ihm ent­stan­de­ner Kos­ten in Hö­he von ins­ge­samt 128.387,50 € – der Kla­ge­sum­me – auf. In der ers­ten Sep­tem­ber­hälf­te 2008 wur­den die drei La­den­ge­bäu­de von den je­wei­li­gen Mie­tern be­zo­gen. Den Kauf­preis hat der Klä­ger nicht be­zahlt.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Klä­gers hat das Be­ru­fungs­ge­richt der Kla­ge zum über­wie­gen­den Teil statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Re­vi­si­on be­geh­ren die Be­klag­ten wei­ter­hin Kla­ge­ab­wei­sung. Das Rechts­mit­tel führ­te zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zu­rück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt.

Aus den Grün­den: [8]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt bil­ligt dem Klä­ger aus Ab­schnitt 8 Abs. 3 des Kauf­ver­trags ei­nen An­spruch auf Er­satz der Ver­trags­kos­ten zu, weil er wirk­sam vom no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten sei. Dies fol­ge aus § 323 I BGB, denn die am 03.06.2008 ge­setz­te Nach­frist zur be­zugs­fer­ti­gen Her­stel­lung des Ein­kaufs­zen­trums sei wirk­sam ge­we­sen, ob­wohl die Leis­tung der Be­klag­ten erst zum 30.06.2008 fäl­lig ge­wor­den sei. Es hät­ten schon am 03.06.2008 ernst­haf­te Zwei­fel an der Leis­tungs­fä­hig­keit der Schuld­ne­rin be­stan­den, weil un­strei­tig sei, dass die Fer­tig­stel­lung frü­hes­tens bis zum 01.09.2008 mög­lich sein wür­de. Die Nach­frist ha­be da­her be­reits am 03.06. wirk­sam ge­setzt wer­den kön­nen.

[9]    Die Nach­frist von ei­nem Mo­nat sei auch an­ge­mes­sen ge­we­sen. Bei er­heb­li­cher An­stren­gung ha­be die Nach­frist von der Be­klag­ten ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Das er­ge­be sich aus dem Ver­hält­nis zwi­schen ver­ein­bar­ter Bau­zeit und Dau­er der Nach­frist so­wie aus den vor­ge­leg­ten Bau­zei­ten­plä­nen.

[10]   Im Üb­ri­gen wä­re an ei­ne Ent­behr­lich­keit der Frist­set­zung nach § 323 II Nr. 3 BGB zu den­ken. Die Bau­ar­bei­ten sei­en En­de Ju­ni zu deut­lich we­ni­ger als zwei Drit­teln fer­tig­ge­stellt ge­we­sen.

[11]   Der Klä­ger kön­ne sein Rück­tritts­recht auch auf § 323 IV BGB stüt­zen. Es sei schon im Mai 2008 of­fen­sicht­lich ge­we­sen, dass die Be­zugs­fer­tig­keit bis zum 31.07.2008 nicht ha­be her­ge­stellt wer­den kön­nen. Der Klä­ger müs­se auch nach Fäl­lig­keit und Ab­lauf ei­ner an­ge­mes­se­nen Nach­frist die Mög­lich­keit ha­ben zu­rück­zu­tre­ten.

[12]   Zu er­set­zen sei­en die Kos­ten des Ver­trags, wor­un­ter die Kos­ten zu ver­ste­hen sei­en, wie sie all­ge­mein im Wan­de­lungs­recht nach dem Schuld­recht in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung ver­stan­den wor­den sei­en, näm­lich Be­ur­kun­dungs­kos­ten, Grund­buch­kos­ten und Mak­ler­kos­ten, nicht aber Fi­nan­zie­rungs­kos­ten. Die­ser wei­ter­ge­hen­de Scha­den kön­ne al­len­falls nach Ab­schnitt 8 Abs. 4 des Ver­trags er­setzt ver­langt wer­den, wenn der Grund für den Rück­tritt des Klä­gers von der Be­klag­ten vor­sätz­lich oder grob fahr­läs­sig her­bei­ge­führt wor­den wä­re, wo­für aus­rei­chen­de An­halts­punk­te fehl­ten.

[13]   II. Das hält der recht­li­chen Nach­prü­fung nicht stand.

[14]   1. Das Be­ru­fungs­ge­richt stützt den Zah­lungs­an­spruch des Klä­gers auf die ver­trag­li­che Re­ge­lung über die ge­setz­li­chen Rück­tritts­rech­te und ih­re Rechts­fol­gen in Ab­schnitt 8 Abs. 3, wo­nach die Par­tei die Kos­ten des Ver­trags zu tra­gen hat, die den Rück­tritt der an­de­ren zu ver­tre­ten hat. Die ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen er­mög­li­chen nicht die An­nah­me, die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes ge­setz­li­chen Rück­tritts­rechts lä­gen vor.

[15]   a) Ein ge­setz­li­ches Rück­tritts­recht kann der Klä­ger nicht aus § 323 I BGB her­lei­ten.

[16]   Vor­aus­set­zung für ei­nen Rück­tritt nach § 323 I BGB ist, dass bei ei­nem ge­gen­sei­ti­gen Ver­trag der Schuld­ner ei­ne fäl­li­ge Leis­tung nicht oder nicht ver­trags­ge­mäß er­bringt und der Gläu­bi­ger dem Schuld­ner er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung be­stimmt hat. Nach na­he­zu all­ge­mei­ner Mei­nung in der Li­te­ra­tur kann die Nach­frist erst ge­setzt wer­den, wenn die Leis­tung fäl­lig ist, an­sons­ten ist die Frist­set­zung un­be­acht­lich (Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, BGB; Neu­be­arb. 2009, § 323 Rn. B 42; MünchKomm-BGB/Ernst, 6. Aufl., § 323 Rn. 56; Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 71. Aufl., § 323 Rn. 12; So­er­gel/Gsell, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 68; Un­berath, in: Bam­ber­ger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 323 Rn. 18; ju­risPK-BGB/Alp­mann, 5. Aufl., § 323 Rn. 27; Me­di­cus/Stür­ner, in: Prüt­ting/We­gen/Wein­reich, BGB, 7. Aufl., § 323 Rn. 4; Er­man/Wes­ter­mann, BGB, 13. Aufl., § 323 Rn. 6, 10; Faust, Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung, § 3 Rn. 122, 133; a. A. Brox/Wal­ker, All­ge­mei­nes Schuld­recht, 35. Aufl., § 23 Rn. 38). Das ent­spricht der Recht­spre­chung des BGH zu § 326 I BGB a.F. (BGH, Urt. v. 28.01.2003 – X ZR 151/00, NJW 2003, 1600 = NZ­Bau 2003, 274 Tz. 6; Urt. v. 15.03.1996 – V ZR 316/94, NJW 1996, 1814), aus des­sen Wort­laut her­ge­lei­tet wird, dass ei­ne Nach­frist nicht wirk­sam vor Ver­zug­s­ein­tritt ge­setzt wer­den kann (BGH, Urt. v. 15.03.1996 – V ZR 316/94, NJW 1996, 1814, un­ter Be­zug auf RGZ 93, 180 [182]). Der BGH hat auch schon zur Re­ge­lung des § 323 I BGB die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Frist zur Leis­tung oder zur Nach­er­fül­lung nicht wirk­sam vor der Fäl­lig­keit der Leis­tung ge­setzt wer­den kann (BGH, Urt. v. 20.01.2006 – V ZR 124/05, BauR 2006, 1134 = NJW 2006, 1198 Tz. 13). Auch wenn sich dies nicht mehr zwin­gend aus dem Wort­laut der Re­ge­lung her­lei­ten lässt (vgl. Faust, Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung, S. 119), schließt sich der Se­nat die­ser Auf­fas­sung an. Der Ge­setz­ge­ber woll­te er­sicht­lich in An­knüp­fung an die Re­ge­lung des § 326 I BGB a.F. das Rück­tritts­recht aus § 323 I BGB nur für den Fall zu­las­sen, dass die Frist in ei­nem Zeit­punkt ge­setzt wird, in dem die Leis­tung fäl­lig ist. Das er­gibt sich oh­ne Wei­te­res dar­aus, dass in der Be­grün­dung zu die­ser Norm le­dig­lich dar­auf ein­ge­gan­gen wird, dass die sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen des Ver­zugs und der Ab­leh­nungs­an­dro­hung ent­fal­len sind, und an­sons­ten er­sicht­lich da­von aus­ge­gan­gen wird, dass die Frist nach Fäl­lig­keit der Leis­tung ge­setzt wird (BR-Dr. 338/01, S. 427 f.). Es hat im Zu­sam­men­hang mit der Re­ge­lung des § 323 I BGB auch kei­ner­lei Er­ör­te­run­gen des Falls ge­ge­ben, in dem ei­ne so­ge­nann­te Er­fül­lungs­ge­fähr­dung vor­liegt, al­so ein Fall, in dem be­reits vor Fäl­lig­keit der Leis­tung ernst­haf­te Zwei­fel an der Leis­tungs­fä­hig­keit oder der Leis­tungs­wil­lig­keit des Schuld­ners be­ste­hen (vgl. da­zu Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 281 Rn. B 185 ff.; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 132). Der Fall der Er­fül­lungs­ge­fähr­dung ist von § 323 I BGB nicht er­fasst. Die­se Re­ge­lung be­trifft viel­mehr den Fall, dass die Leis­tung zum Fäl­lig­keits­zeit­punkt nicht er­bracht ist, und stellt da­zu den Grund­satz auf, dass ein Rück­tritts­recht nur be­steht, wenn der Gläu­bi­ger dem Schuld­ner dann er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung be­stimmt hat.

[17]   b) Zu Un­recht hat das Be­ru­fungs­ge­richt das Rück­tritts­recht des Klä­gers zu­dem aus § 323 IV BGB her­ge­lei­tet. § 323 IV BGB ge­währt dem Gläu­bi­ger be­reits vor dem Ein­tritt der Fäl­lig­keit ein Rück­tritts­recht, wenn of­fen­sicht­lich ist, dass die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts ein­tre­ten wer­den. Da­mit hat der Ge­setz­ge­ber im Fal­le der Er­fül­lungs­ge­fähr­dung dem Gläu­bi­ger ei­ne ge­setz­li­che Mög­lich­keit ver­schafft, den Rück­tritt schon vor der Fäl­lig­keit zu er­klä­ren (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 132). Die­se Mög­lich­keit be­steht nicht mehr, wenn die Fäl­lig­keit ein­ge­tre­ten ist. Denn in die­sem Zeit­punkt liegt kein Tat­be­stand der Er­fül­lungs­ge­fähr­dung mehr vor. Viel­mehr hat sich die Pflicht­ver­let­zung nun­mehr er­wie­sen. Für die­sen Fall ent­hält das Ge­setz in § 323 I BGB die Re­gel, dass ein Rück­tritt grund­sätz­lich erst dann mög­lich ist, wenn ei­ne Frist zur Leis­tung oder Nach­er­fül­lung ge­setzt wird und die­se er­folg­los ab­ge­lau­fen ist. Es be­steht kein Grund, dem­je­ni­gen Gläu­bi­ger, der die Er­leich­te­rung des § 323 IV BGB nicht in An­spruch nimmt, noch die Mög­lich­keit des Rück­tritts oh­ne ei­ne Frist­set­zung ein­zu­räu­men. Dem­entspre­chend wird auch zu der Re­ge­lung des Art. 72 UN-Kauf­recht, auf die die Ge­set­zes­be­grün­dung zu § 323 IV BGB Be­zug ge­nom­men hat (BT-Dr. 338/01, S. 431), ein­hel­lig die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der Gläu­bi­ger das Rück­tritts­recht aus Art. 72 I UN-Kauf­recht nur bis zum Er­fül­lungs­ter­min aus­üben kann und da­nach auf die sons­ti­gen Be­hel­fe des UN-Kauf­rechts zu­rück­grei­fen muss (BGH, Urt. v. 15.02.1995 – VI­II ZR 18/94, NJW 1995, 2101; Achil­les, Kom­men­tar zum UN-Kauf­rechts­über­ein­kom­men, Art. 72 Rn. 1, 2; Hon­sell, Kom­men­tar zum UN-Kauf­recht, 2. Aufl., Art. 72 Rn. 7; Hor­nung/Foun­tou­lak­is, in: Schlech­triem/Schwen­zer, Kom­men­tar zum Ein­heit­li­chen UN-Kauf­recht, 5. Aufl., Art. 72 Rn. 21; Stau­din­ger/Ma­gnus, Wie­ner UN-Kauf­recht, 2005, Art. 72 CISG Rn. 16; Lü­de­ritz/Dett­mei­er, in: So­er­gel, BGB, 13. Aufl., Art. 72 CISG Rn. 2).

[18]   c) Auch der Ge­sichts­punkt der Er­fül­lungs­ge­fähr­dung ver­mag dem Klä­ger un­ter den ge­ge­be­nen Vor­aus­set­zun­gen kein Rück­tritts­recht zu ver­schaf­fen. Al­ler­dings ist es an­er­kannt, dass der Gläu­bi­ger für den Fall, dass be­reits vor Fäl­lig­keit der Leis­tung ernst­haf­te Zwei­fel an der Leis­tungs­fä­hig­keit oder der Leis­tungs­wil­lig­keit des Schuld­ners be­ste­hen, ein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se dar­an hat, Klar­heit über den Ver­trag zu er­lan­gen (Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 281 Rn. B 182). Je­den­falls nach der zu § 326 I BGB a.F. er­gan­ge­nen Recht­spre­chung kann der Gläu­bi­ger des­halb dem Schuld­ner vor Fäl­lig­keit der Leis­tung ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Er­klä­rung ei­ge­ner Leis­tungs­be­reit­schaft und zum Nach­weis frist­ge­rech­ter Er­fül­lung des Ver­trags set­zen, wenn die recht­zei­ti­ge Er­fül­lung durch Hin­der­nis­se ernst­haft in­fra­ge ge­stellt ist, die im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Schuld­ners lie­gen, und dem Gläu­bi­ger ein wei­te­res Zu­war­ten nicht zu­zu­mu­ten ist. Nach frucht­lo­sem Ab­lauf die­ser Frist kann er vom Ver­trag zu­rück­tre­ten (BGH, Urt. v. 21.10.1982 – VII ZR 51/82, BauR 1983, 73 = ZfBR 1983, 19; Urt. v. 06.10.1976 – VI­II ZR 66/75, NJW 1977, 35; Urt. v. 10.12.1975 – VI­II ZR 147/74, WM 1976, 75).

[19]   Die­ses Klä­rungs­be­dürf­nis recht­fer­tigt es aber nicht, dem Gläu­bi­ger die Mög­lich­keit ein­zu­räu­men, dem Schuld­ner be­reits – so­zu­sa­gen auf Vor­rat – vor Fäl­lig­keit der Leis­tung ei­ne Nach­frist zu set­zen mit der Fol­ge, dass nach Ab­lauf die­ser Frist das Rück­tritts­recht ent­steht (Ramming, ZGS 2009, 209 [210]). Das wür­de dem er­klär­ten Wil­len und der Sys­te­ma­tik des Ge­setz­ge­bers ent­ge­gen­ste­hen, der das Rück­tritts­recht dar­an an­knüpft, dass die Frist in ei­nem Zeit­punkt ge­setzt wird, in dem die Leis­tung fäl­lig ist.

[20]   Der Gläu­bi­ger hat an ei­ner Frist­set­zung vor Fäl­lig­keit der Leis­tung auch kein schüt­zens­wer­tes In­ter­es­se. Denn die Nach­frist könn­te oh­ne­hin nicht vor Fäl­lig­keit der Leis­tung be­gin­nen, und es kann ihm in der Re­gel zu­ge­mu­tet wer­den, die Fäl­lig­keit der Leis­tung bis zur Frist­set­zung ab­zu­war­ten. Ist of­fen­sicht­lich, dass die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts vor­lie­gen, kann der Gläu­bi­ger oh­ne­hin so­fort vom Ver­trag zu­rück­tre­ten (§ 323 IV BGB). Die Klä­rung der Er­fül­lungs­be­reit­schaft wird zu­dem häu­fig da­zu füh­ren, dass die Vor­aus­set­zun­gen des Rück­tritts nach § 323 IV BGB be­jaht wer­den kön­nen (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 135). Ist das nicht der Fall, ist es nicht ge­recht­fer­tigt, bei der ent­spre­chen­den un­si­che­ren Pro­gno­se be­reits in ei­nem Zeit­punkt, in dem die Leis­tung noch nicht fäl­lig ist, ei­ne Nach­frist zu set­zen, weil da­mit die mit der Nach­frist­set­zung ver­bun­de­ne Warn­funk­ti­on nicht auf ei­ner aus­rei­chen­den Grund­la­ge be­ruht, die dar­in be­steht, dass die Fäl­lig­keit der Leis­tung be­reits ein­ge­tre­ten ist. Letzt­lich wür­de in nicht zu recht­fer­ti­gen­der Wei­se der Ge­fähr­dungs­tat­be­stand dem Tat­be­stand der Pflicht­ver­let­zung, der die Fäl­lig­keit der Leis­tung im­ma­nent ist, gleich­ge­setzt (vgl. auch Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 281 Rn. 183 f.).

[21]   d) Ent­ge­gen der von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­tra­ge­nen An­sicht kann der Rück­tritt auch nicht auf § 323 II Nr. 1 BGB ge­stützt wer­den. Denn die Vor­aus­set­zun­gen die­ser Re­ge­lung lie­gen nach den bis­her ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht vor. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, dass die Be­klag­ten die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert ha­ben. In­so­weit kommt es maß­geb­lich dar­auf an, ob aus den Um­stän­den, ins­be­son­de­re den Er­klä­run­gen oder dem Ver­hal­ten des Schuld­ners nach Ein­tritt der Fäl­lig­keit der Schluss ge­zo­gen wer­den kann, dass die­ser die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert (Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 281 Rn. B 90 und § 323 Rn. B 89). Ei­ne sol­che An­nah­me kann auch dann ge­recht­fer­tigt sein, wenn der Schuld­ner be­reits vor der Fäl­lig­keit er­klärt hat, er wer­de die Leis­tung nicht mehr er­brin­gen und die­se Er­klä­rung sein letz­tes Wort zur Leis­tungs­be­reit­schaft war (BGH, Urt. v. 18.01.1991 – V ZR 315/89, NJW 1991, 1822 und Urt. v. 21.12.1984 – V ZR 233/82, NJW 1985, 2021). Denn in die­sem Fall steht auch nach der Fäl­lig­keit fest, dass die Leis­tung nicht mehr er­bracht wird. Der Gläu­bi­ger kann dann oh­ne Frist­set­zung vom Ver­trag zu­rück­tre­ten (BGH, Urt. v. 21.12.1984 – V ZR 233/82, NJW 1985, 2021). Glei­ches gilt für den Fall, dass der Schuld­ner ernst­haft und end­gül­tig vor der Fäl­lig­keit er­klärt hat, er wer­de die Leis­tung auch nicht in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Nach­frist er­brin­gen (So­er­gel/Gsell, a. a. O., § 323 Rn. 99; RGZ 96, 341 [342]). Denn auch in die­sem Fall wä­re es ei­ne rei­ne För­me­lei, wenn der Gläu­bi­ger dem Schuld­ner eben die­se Nach­frist set­zen müss­te, ob­wohl fest­stün­de, dass die­se nicht ein­ge­hal­ten wird (vgl. auch BGH, Urt. v. 19.09.1983 – VI­II ZR 84/82, NJW 1984, 48 und Urt. v. 30.10.1991 – VI­II ZR 9/91, NJW 1992, 235). Al­lein aus der Mit­tei­lung der Be­klag­ten, sie hät­ten mit den Mie­tern ei­nen neu­en Fer­tig­stel­lungs­ter­min ver­ein­bart, folgt in­des nicht, dass die Be­klag­ten ernst­haft und end­gül­tig ih­re Leis­tung in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Nach­frist ab­ge­lehnt ha­ben.

[22]   Un­zu­tref­fend ist die in der münd­li­chen Ver­hand­lung ver­tre­te­ne Auf­fas­sung des Klä­gers, ein Grund zum Rück­tritt be­ste­he schon dann, wenn der Schuld­ner er­klärt, er wer­de zum Fäl­lig­keits­zeit­punkt nicht leis­ten kön­nen. Al­lein das be­grün­det kei­ne ernst­haf­te und end­gül­ti­ge Leis­tungs­ver­wei­ge­rung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB (vgl. MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 96; So­er­gel/Gsell, a. a. O., § 323 Rn. 97). In die­sem Fall, in dem nur fest­steht, dass der Schuld­ner zum Fäl­lig­keits­zeit­punkt nicht leis­tet, aber of­fen ist, ob der Schuld­ner in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Nach­frist sei­ne Leis­tung noch er­brin­gen wird, ist die Nach­frist­set­zung nach Sinn und Zweck des § 323 I BGB ge­ra­de nicht ent­behr­lich. Aus die­ser Re­ge­lung er­gibt sich, dass grund­sätz­lich ein Rück­tritts­grund nicht dar­aus her­ge­lei­tet wer­den kann, dass der Schuld­ner nicht recht­zei­tig leis­tet.

[23]   Aus der Ent­schei­dung des BGH vom 10.12.1975 – VI­II ZR 147/74, WM 1976, 75 –, auf die sich die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung mög­li­cher­wei­se be­ru­fen woll­te, lässt sich nichts zu­guns­ten des Klä­gers her­lei­ten. Zwar ist in die­ser Ent­schei­dung für mög­lich ge­hal­ten wor­den, dass der Gläu­bi­ger auch dann den Rück­tritt er­klä­ren kann, wenn der Schuld­ner ernst­haft und end­gül­tig er­klärt, er wer­de zum Fäl­lig­keits­zeit­punkt nicht leis­ten. Vor­aus­set­zung ist aber nach die­ser Ent­schei­dung, dass der Gläu­bi­ger an der ver­spä­te­ten Er­fül­lung des Ver­tra­ges kein In­ter­es­se mehr hat. Dies ist ein Fall, der nun­mehr in § 323 II Nr. 3 BGB ge­re­gelt ist.

[24]   e) Maß­ge­bend ist da­her al­lein, ob das Be­ru­fungs­ge­richt die Vor­aus­set­zun­gen des § 323 II Nr. 3 BGB rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt hat. Da­zu hat es aus­ge­führt, im Zeit­punkt der Fäl­lig­keit sei­en die Leis­tun­gen mit deut­lich we­ni­ger als zwei Drit­teln fer­tig­ge­stellt ge­we­sen. Ob ein In­ter­es­se des Klä­gers an der Leis­tung weg­ge­fal­len sei, sei un­er­heb­lich. Die­se Fest­stel­lun­gen recht­fer­ti­gen nicht die An­nah­me, der Rück­tritt sei am 01.08.2008 wirk­sam er­folgt. Ein Ge­richt kann die Vor­aus­set­zun­gen des § 323 II Nr. 3 BGB nur an­neh­men, wenn es in Er­fül­lung des ge­setz­li­chen Auf­trags ei­ne Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen vor­ge­nom­men hat. Bei die­ser In­ter­es­sen­ab­wä­gung kann ei­ne Rol­le spie­len, dass der Gläu­bi­ger be­reits wäh­rend der Er­fül­lungs­pha­se die be­grün­de­te Be­sorg­nis ha­ben muss­te, der Schuld­ner wer­de die Leis­tung nicht recht­zei­tig fer­tig­stel­len, und er ihm des­halb schon ei­ne Nach­frist ge­setzt hat. Denn mit die­sem Ver­hal­ten hat der Gläu­bi­ger je­den­falls zum Aus­druck ge­bracht, dass er – un­ge­ach­tet des­sen, dass die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Rück­tritt ge­mäß § 323 I BGB nicht wirk­sam ge­schaf­fen wor­den sind – nicht ge­willt ist, er­heb­li­che Ver­zö­ge­run­gen, die über die Nach­frist hin­aus­ge­hen, hin­zu­neh­men. Die­ses Ver­hal­ten muss je­dem Schuld­ner ei­ne deut­li­che War­nung sein, dass wei­te­re Ver­zö­ge­run­gen er­heb­li­che Fol­gen ha­ben kön­nen. An­de­rer­seits ent­bin­det die­ses Ver­hal­ten des Gläu­bi­gers die Ge­rich­te nicht von der Ver­pflich­tung, ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung vor­zu­neh­men. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts muss bei der Ab­wä­gung ge­prüft wer­den, ob das In­ter­es­se des Gläu­bi­gers am Fort­be­stand des Ver­trags in­fol­ge der Ver­zö­ge­rung ent­fal­len ist (Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 323 Rn. B 119; MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 122 ff.). Das kann der Fall sein, wenn es dem Gläu­bi­ger un­ter Be­rück­sich­ti­gung des be­reits ver­stri­che­nen Zeit­raums nach Fäl­lig­keit nicht mehr zu­mut­bar ist, noch ei­ne wei­te­re Ver­zö­ge­rung durch ei­ne Nach­frist hin­zu­neh­men.

[25]   Die ge­bo­te­ne um­fas­sen­de Prü­fung hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht vor­ge­nom­men. Al­lein der Um­stand, dass im Zeit­punkt der Fäl­lig­keit noch we­ni­ger als zwei Drit­tel der Leis­tung fer­tig­ge­stellt wa­ren, be­sagt nichts dar­über, wie der Leis­tungs­stand im Zeit­punkt des Rück­tritts war, und ob al­lein des­halb das In­ter­es­se des Gläu­bi­gers am Fort­be­stand des Ver­trags ent­fal­len war und dies ei­nen so­for­ti­gen Rück­tritt recht­fer­tigt.

[26]   Er­neut weist der Se­nat dar­auf hin, dass ein so­for­ti­ger Rück­tritt dann mög­lich ist, wenn fest­steht, dass der Schuld­ner die an­ge­mes­se­ne Nach­frist nicht ein­hal­ten wird (vgl. BGH, Urt. v. 12.09.2002 – VII ZR 344/01, BauR 2002, 1847 = NZ­Bau 2002, 668 = ZfBR 2003, 30; Ot­to/Schwar­ze, in: Stau­din­ger, a. a. O., § 323 Rn. B 122). Denn dann wä­re das Er­for­der­nis der Nach­frist ei­ne rei­ne För­me­lei. Die­se Vor­aus­set­zun­gen kön­nen nicht fest­ge­stellt wer­den. Es feh­len jeg­li­che Fest­stel­lun­gen da­zu, wel­che Nach­frist noch an­ge­mes­sen ge­we­sen wä­re, und ob of­fen­sicht­lich ge­we­sen war, dass die­se nicht ein­ge­hal­ten wor­den wä­re.

[27]   2. Das Be­ru­fungs­ur­teil kann da­nach kei­nen Be­stand ha­ben …

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