1. Der Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung im Kauf­recht ist nach § 269 I BGB zu be­stim­men und kann – an­ders als im Werk­ver­trags­recht – nicht ge­ne­rell mit dem Be­le­gen­heits­ort der (be­weg­li­chen) Kauf­sa­che gleich­ge­setzt wer­den. Ent­schei­dend ist viel­mehr in ers­ter Li­nie, was die Par­tei­en ver­ein­bart ha­ben. Feh­len ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen über den Er­fül­lungs­ort, ist auf die je­wei­li­gen Um­stän­de, ins­be­son­de­re auf die Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, ab­zu­stel­len. Las­sen sich auch dar­aus kei­ne ab­schlie­ßen­den Er­kennt­nis­se ge­win­nen, ist der Er­fül­lungs­ort letzt­lich an dem Ort an­zu­sie­deln, an dem der Ver­käu­fer zum Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Schuld­ver­hält­nis­ses sei­nen Wohn­sitz oder sei­ne ge­werb­li­che Nie­der­las­sung hat­te.
  2. Die Nach­bes­se­rung ei­nes Fahr­zeugs er­for­dert in der Re­gel tech­nisch auf­wen­di­ge Dia­gno­se- oder Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten, die we­gen der ma­te­ri­el­len und per­so­nel­len Mög­lich­kei­ten sinn­voll nur am Be­triebs­sitz ei­nes Kfz-Händ­lers vor­ge­nom­men wer­den kön­nen.

OLG Naum­burg, Be­schluss vom 06.06.2012 – 1 U 19/12

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt we­gen von ihm be­haup­te­ter Män­gel die Rück­ab­wick­lung ei­nes mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Pkw-Kauf­ver­trags.

Das LG Mag­de­burg hat die Kla­ge mit Ur­teil vom 22.11.2011 ab­ge­wie­sen. Es hat die Wirk­sam­keit des vom Klä­ger er­klär­ten Rück­tritts ver­neint und zur Be­grün­dung aus­ge­führt, der Klä­ger ha­be dem Be­klag­ten kei­ne Mög­lich­keit zur Nach­bes­se­rung ein­ge­räumt, da er das Fahr­zeug nicht in des­sen Werk­statt ge­bracht ha­be.

Hier­ge­gen rich­tet sich die Be­ru­fung des Klä­gers, der meint, der Be­klag­te sei ver­trag­lich ver­pflich­tet ge­we­sen, das Fahr­zeug vor Ort zu un­ter­su­chen oder selbst ab­zu­ho­len.

Mit Ver­fü­gung vom 17.04.2012 hat der Se­nat dar­auf hin­ge­wie­sen, dass er be­ab­sich­ti­ge, die Be­ru­fung durch Be­schluss ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­zu­wei­sen, und den Par­tei­en Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben. Nach­dem der Klä­ger da­von Ge­brauch ge­macht hat­te, wur­de sein Rechts­mit­tel ge­mäß § 522 II ZPO zu­rück­ge­wie­sen.

Aus den Grün­den: II. Der Se­nat … ist ein­stim­mig da­von über­zeugt, dass die Be­ru­fung of­fen­sicht­lich kei­ne Aus­sicht auf Er­folg hat, die Rechts­sa­che kei­ne grund­sätz­li­che Be­deu­tung hat und die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht er­for­dert.

Die Aus­füh­run­gen des Klä­gers in sei­ner Stel­lung­nah­me ver­tie­fen zwar die bis­her be­reits ver­tre­te­nen Ar­gu­men­te, sind im Er­geb­nis je­doch gleich­wohl nicht ge­eig­net, ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung her­bei­zu­füh­ren.

1. Wie der Se­nat be­reits in sei­nem Hin­weis vom 17.04.2012 aus­ge­führt hat, ist die Rechts­la­ge ein­deu­tig.

Ent­ge­gen den äl­te­ren Ent­schei­dun­gen ei­ni­ger Ober­lan­des­ge­rich­te (vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 12.10.2005 – 15 U 2190/05, NJW 2006, 449; Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214; OLG Cel­le, Urt. v. 10.12.2009 – 11 U 32/09, MDR 2010, 372; OLG Ko­blenz, Urt. v. 16.07.2010 – 8 U 812/09, DAR 2011, 84) hat der BGH am 13.04.2011 (VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278) ent­schie­den, dass für die Be­stim­mung des Er­fül­lungs­or­tes der Nach­er­fül­lung im Kauf­recht die all­ge­mei­ne Vor­schrift des § 269 I BGB gilt. Da­nach sind in ers­ter Li­nie die von den Par­tei­en ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen ent­schei­dend. Feh­len ver­trag­li­che Ab­re­den über den Er­fül­lungs­ort, ist auf die je­wei­li­gen Um­stän­de, ins­be­son­de­re die Na­tur des Schuld­ver­hält­nis­ses, ab­zu­stel­len. Las­sen sich auch hier­aus kei­ne ab­schlie­ßen­den Er­kennt­nis­se ge­win­nen, ist der Er­fül­lungs­ort letzt­lich an dem Ort an­zu­sie­deln, an wel­chem der Ver­käu­fer zum Zeit­punkt der Ent­ste­hung des Schuld­ver­hält­nis­ses sei­nen Wohn­sitz oder sei­ne ge­werb­li­che Nie­der­las­sung (§ 269 II BGB) hat­te.

Ins­be­son­de­re kann der Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung beim Kauf – an­ders als der BGH dies zu­vor für das Werk­ver­trags­recht ent­schie­den hat­te (Urt. v. 08.01.2008 – X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724 Rn. 13) – nicht ge­ne­rell mit dem Be­le­gen­heits­ort der be­weg­li­chen Sa­che gleich­ge­setzt wer­den. Beim Fahr­zeug­kauf vom Händ­ler er­for­dern Nach­bes­se­rungs­ar­bei­ten in der Re­gel tech­nisch auf­wen­di­ge Dia­gno­se- oder Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten des Ver­käu­fers, die we­gen der dort vor­han­de­nen ma­te­ri­el­len und per­so­nel­len Mög­lich­kei­ten sinn­voll nur am Be­triebs­ort des Händ­lers vor­ge­nom­men wer­den kön­nen (vgl. OLG Mün­chen, Urt. v. 20.06.2007 – 20 U 2204/07, NJW 2007, 3214 [3215]; Rein­king, NJW 2008, 3606 [3610]; ders., ZfS 2003, 57 [60]; Ska­mel, DAR 2004, 565 [568]; ders., ZGS 2006, 227 [228]).

Der Se­nat folgt nicht der zu­letzt ver­tre­te­nen Auf­fas­sung des Klä­gers, zur Klä­rung der Fra­ge, ob der BGH an sei­ner Recht­spre­chung an­ge­sichts neue­rer Ent­schei­dun­gen des EuGH fest­hal­ten wür­de, müs­se die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen wer­den. Denn die von dem Klä­ger zi­tier­ten Fäl­le des EuGH ent­hal­ten kei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung des Er­fül­lungs­or­tes beim Fahr­zeug­kauf. Ins­be­son­de­re in dem zi­tier­ten „Bo­den­flie­sen­fall“ (Urt. v. 16.06.2011 – Rs. C 65/09, NJW 2011, 2269) ver­mag der Se­nat kei­ner­lei Wi­der­spruch zu der oben zi­tier­ten Rechts­spre­chung zu er­ken­nen. Zum ei­nen ging es um fest ver­leg­te Flie­sen, nicht um Fahr­zeu­ge, zum an­de­ren ging es ge­ra­de nicht um die Re­pa­ra­tur ei­nes de­fek­ten Kauf­ge­gen­stands, son­dern um Er­satz­lie­fe­rung für das man­gel­haf­te Ver­brauchs­gut als ein­zig mög­li­che Art der Ab­hil­fe. Schließ­lich liegt in die­ser Ent­schei­dung auch nicht ei­ne Re­ge­lung des Nach­er­fül­lungs­or­tes, son­dern es ging um den Um­fang der Kos­ten­last des Ver­käu­fers bei Er­satz­lie­fe­rung und die Fra­ge, ob die­se we­gen un­zu­mut­ba­rer Kos­ten ver­wei­gert wer­den kön­ne. Von kei­ner die­ser Fra­gen hängt die vor­lie­gen­de Ent­schei­dung ab. Dass auch im vor­lie­gen­den Fall der Be­klag­te zum Bei­spiel die Trans­port­kos­ten hät­te tra­gen müs­sen, wenn sich nach ei­ner Prü­fung her­aus­ge­stellt hät­te, dass die Män­gel schon bei Ge­fahr­über­gang vor­la­gen, steht oh­ne­hin nicht in Zwei­fel.

Der BGH setzt sich auch ent­ge­gen der Mei­nung des Klä­gers nicht in Wi­der­spruch zu sei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung vom 08.01.2008 (X ZR 97/05, NJW-RR 2008, 724 Rn. 13), denn je­ne be­traf das Werk­ver­trags­recht. Dort liegt es nach An­sicht des BGH in der Na­tur der Sa­che, dass vor Ort nach­ge­bes­sert wer­den muss. Das trifft auf die Si­tua­ti­on beim Kauf nicht zu. Au­ßer­dem hat der BGH sei­ne Ent­schei­dung vom 13.04.2011 (VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278), auf die der er­ken­nen­de Se­nat sei­ne Rechts­an­sicht stützt, nach und in Kennt­nis der Ent­schei­dung vom 08.01.2008 ge­trof­fen. Der BGH hat er­läu­tert, wes­halb die Be­stim­mung des Er­fül­lungs­or­tes beim Kauf­recht an­de­ren Re­geln folgt (a. a. O.). Bei dem Hin­weis, dass der Be­le­gen­heits­ort ge­ra­de bei ver­kauf­ten Fahr­zeu­gen va­ria­bel ist, han­delt es sich im Üb­ri­gen nicht um ei­ne Ver­mu­tung des er­ken­nen­den Se­nats, son­dern um ei­ne zi­tier­te Er­läu­te­rung des BGH aus je­ner Ent­schei­dung.

Der Klä­ger irrt auch in­so­weit, als er meint, die Recht­spre­chung des BGH sei nur auf Falt­boo­te an­zu­wen­den, weil es in dem vom BGH am 13.04.2011 (VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278) ent­schie­de­nen Fall um ein sol­ches ging. Denn der BGH hat sei­ne Aus­füh­run­gen aus­drück­lich auf „Fahr­zeu­ge“ er­streckt und nicht et­wa auf Was­ser­fahr­zeu­ge oder gar leicht trans­por­ta­ble Falt­boo­te be­schränkt. Den Aus­füh­run­gen des BGH lässt sich un­schwer ent­neh­men, dass zu den Fahr­zeu­gen auch Pkw ge­hö­ren. So hat er sei­ne Ent­schei­dung et­wa da­mit be­grün­det, dass Fahr­zeu­ge sich ty­pi­scher­wei­se und be­stim­mungs­ge­mäß nicht nur am Wohn­sitz des Käu­fers, son­dern un­ter­wegs zu den ver­schie­dens­ten Zie­len, wie et­wa der Ar­beits­stät­te, be­fin­den (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VI­II ZR 220/10, NJW 2011, 2278 [un­ter II 4c aa]). Für die Fahrt zur Ar­beit wer­den Pkw weit häu­fi­ger ge­nutzt als Falt­boo­te. Da­her be­ste­hen kei­ne Zwei­fel, dass die Ar­gu­men­ta­ti­on des BGH sich auch auf Pkw er­streckt.

2. Wie das Land­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men hat, könn­te sich ei­ne Ver­pflich­tung des Be­klag­ten, das Fahr­zeug beim Klä­ger ab­zu­ho­len, nur er­ge­ben, wenn die Par­tei­en den Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung in­di­vi­du­ell ab­wei­chend ge­re­gelt hät­ten. Das ist je­doch nach den zu­tref­fen­den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts nicht der Fall.

a) Ei­ne von § 269 I BGB ab­wei­chen­de Be­stim­mung des Or­tes der Nach­er­fül­lung wur­de bei Ver­trags­schluss un­strei­tig nicht ge­trof­fen. Auch der Klä­ger be­haup­tet sol­ches nicht.

b) Ei­ne nach­träg­li­che Ver­ein­ba­rung ei­nes vom Ge­setz ab­wei­chen­den Er­fül­lungs­or­tes ist nicht er­wie­sen.

Zwar kann ei­ne Ab­re­de hier­zu grund­sätz­lich auch nach­träg­lich ge­trof­fen wer­den. Dies setzt aber den recht­li­chen Wil­len bei­der Par­tei­en vor­aus, hin­sicht­lich des Er­fül­lungs­or­tes ei­ne ver­bind­li­che Ab­spra­che zu tref­fen. Ei­ne sol­che hat das Land­ge­richt in der Be­reit­schaft des Be­klag­ten, das Au­to durch ei­nen Kol­le­gen ab­ho­len zu las­sen, nicht ge­se­hen. In­so­weit ist nicht zu er­ken­nen, dass das Land­ge­richt, wie die Be­ru­fungs­be­grün­dung rügt, die An­ga­ben der per­sön­lich ver­nom­me­nen Par­tei­en falsch ge­wür­digt ha­be. Es ist auch nicht zu er­ken­nen, dass das Land­ge­richt ei­ne ver­trag­li­che Ab­re­de falsch in­ter­pre­tiert hät­te. Wenn der Klä­ger dar­auf ver­weist, dass auch ei­ne aus Ku­lanz ge­ge­be­ne Zu­sa­gen ein­ge­hal­ten wer­den muss, kann ihm nur zu­ge­stimmt wer­den. Die Ku­lanz­zu­sa­ge ging aber im Fal­le des Be­klag­ten nur da­hin, das Fahr­zeug ein­ma­lig durch ei­nen Drit­ten ab­ho­len zu las­sen, wenn die­ser oh­ne­hin beim Klä­ger vor­bei­kä­me. Die­se be­son­de­re Ge­le­gen­heit hat sich dann je­doch nicht er­ge­ben. Dass der Be­klag­te dar­über hin­aus er­klärt hät­te, das Fahr­zeug trotz­dem in je­dem Fall noch selbst ab­zu­ho­len, ha­ben die Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts, die nicht zu be­an­stan­den sind, nicht er­ge­ben.

Wenn der Klä­ger im Üb­ri­gen auf ein­zel­ne Er­wä­gun­gen des Se­nats zu der In­ter­es­sen­la­ge der Par­tei­en und den Ge­wohn­hei­ten ört­li­cher Kraft­fahr­zeug­händ­ler ein­geht und sie in Zwei­fel zu zie­hen ver­sucht, ver­kennt er, dass es sich hier­bei sei­tens des Se­nats nur um ei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit den Hilfs­kri­te­ri­en han­delt, auf die der Klä­ger das von ihm fa­vo­ri­sier­te Aus­le­gungs­er­geb­nis stüt­zen will. Da er aber die Ab­re­de ei­nes vom Ge­setz ab­wei­chen­den Er­fül­lungs­or­tes be­haup­tet, trägt er in­so­weit die Be­weis­last. Der Se­nat hat mit sei­ner wei­ter­ge­hen­den Ar­gu­men­ta­ti­on in dem ge­nann­ten Hin­weis le­dig­lich auf­ge­zeigt, dass kei­nes der vom Klä­ger vor­ge­brach­ten Ar­gu­men­te zwin­gend ge­gen die Wür­di­gung des Land­ge­richts spricht. Zu­tref­fend stellt auch der Klä­ger in sei­nem letz­ten Schrift­satz fest, dass der Er­fül­lungs­ort nicht von der In­ten­ti­on des Händ­lers ab­hän­gig ist. Dies gilt auch im Hin­blick auf das Ar­gu­ment der Be­ru­fung, es ha­be im ei­ge­nen In­ter­es­se des Be­klag­ten ge­le­gen, das Fahr­zeug beim Klä­ger zu un­ter­su­chen, um Trans­port­kos­ten zu spa­ren. Bei al­len Er­wä­gun­gen und Ver­mu­tun­gen zu den mög­li­chen Vor­tei­len, die die ei­ne oder an­de­re Hand­ha­bung für die Par­tei­en je­weils hät­te, ist ent­schei­dend, ob die Par­tei­en den Er­fül­lungs­ort der Nach­er­fül­lung in­di­vi­du­ell ab­wei­chend ge­re­gelt ha­ben. Das ist je­doch nach den zu­tref­fen­den Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts nicht der Fall. In­so­weit ist nicht zu er­ken­nen, dass das Land­ge­richt, wie die Be­ru­fungs­be­grün­dung rügt, die An­ga­ben der per­sön­lich ver­nom­me­nen Par­tei­en falsch ge­wür­digt hat …

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