Ei­ne Klau­sel in ei­nem vor­for­mu­lier­ten, im In­ter­net zum Down­load an­ge­bo­te­nen Kfz-Kauf­ver­trag, die ei­ne Ge­währ­leis­tung oh­ne Aus­nah­me aus­schließt, ver­stößt ge­gen § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB und ist des­halb un­wirk­sam.

OLG Ol­den­burg, Ur­teil vom 27.05.2011 – 6 U 14/11

Sach­ver­halt: Der Klä­ger ver­langt von dem Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Pkw.

Der Klä­ger kauf­te mit Ver­trag vom 04.08.2009 ei­nen ge­brauch­ten Pkw für 6.900 € von dem Be­klag­ten, der das Fahr­zeug selbst et­wa ein Jahr zu­vor von ei­nem pri­va­ten Ver­käu­fer er­wor­ben hat­te. Bei­de Par­tei­en sind Pri­vat­leu­te, kei­ne Kraft­fahr­zeug­händ­ler. Im Ver­trag ist un­ter „Das Fahr­zeug hat fol­gen­de Vor­schä­den/Män­gel“ ein­ge­tra­gen: „re­pa­rier­ten Front­scha­den“. Der Ver­trag ent­hält fol­gen­den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss: „Der Ver­käu­fer über­nimmt für die Be­schaf­fen­heit des ver­kauf­ten Kraft­fahr­zeugs kei­ne Ge­währ­leis­tung“.

Der Be­klag­te hat­te den Wa­gen am 22.08.2008 dem TÜV zur Haupt­un­ter­su­chung vor­ge­stellt. ihm war be­schei­nigt wor­den, dass das Fahr­zeug „oh­ne er­kenn­ba­re Män­gel“ sei. Der von dem Klä­ger be­auf­trag­te Sach­ver­stän­di­ge R stell­te hin­ge­gen in sei­nem Gut­ach­ten vom 03.06.2010 ei­nen er­heb­li­chen Un­fall­scha­den im Front­be­reich fest, den er als „schwers­ten Scha­den mit Be­ein­träch­ti­gung der Fahr­zeug­struk­tur“ be­zeich­ne­te. Der Scha­den sei un­fach­män­nisch in­stand­ge­setzt wor­den, teil­wei­se sei­en noch „gra­vie­ren­de Rest­schä­den“ er­sicht­lich.

Der Klä­ger hat mit An­walts­schrei­ben vom 09.07.2010 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung so­wie „vor­sorg­lich“ aus dem­sel­ben Grund die An­fech­tung er­klärt. Er be­gehrt die Zah­lung von 6.771,47 € Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw. Für die ge­zo­gen Nut­zun­gen in Ge­stalt von 13.600 mit dem Fahr­zeug ge­fah­re­nen Ki­lo­me­tern hat der Klä­ger ei­nen Be­trag von 358,80 € von dem zu­rück­ver­lang­ten Kauf­preis ab­ge­zo­gen (0,4 % des Brut­to­ver­kaufs­prei­ses pro ge­fah­re­ne 1.000 km bei er­war­te­ter Ge­samt­leis­tung von 250.000 km). Ne­ben der Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung ver­langt der Klä­ger die Er­stat­tung der Kos­ten, die er für das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten auf­ge­wen­det hat (230,27 €).

In ers­ter In­stanz war strei­tig, ob der Be­klag­te den Klä­ger über den Um­fang des Scha­dens durch Vor­spie­ge­lung ei­nes Ba­ga­tell­scha­dens arg­lis­tig ge­täuscht hat.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Der Klä­ger ha­be kei­nen An­spruch auf Er­stat­tung des Kauf­prei­ses, weil nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me fest­ste­he, dass der Be­klag­te kei­ne Kennt­nis von den Män­geln des Fahr­zeugs ge­habt ha­be. Den Haf­tungs­aus­schluss kön­ne der Klä­ger auch nicht durch ei­ne Ga­ran­tie des Be­klag­ten über­win­den, denn die Be­schrei­bung des Fahr­zeugs stel­le le­dig­lich ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung dar. Dass ei­ne be­stimm­te Be­schaf­fen­heit ga­ran­tiert wor­den sei, ha­be der Klä­ger nicht be­wie­sen.

Die Be­ru­fung des Klä­gers war über­wie­gend er­folg­reich.

Aus den Grün­den: II. … 1. Der Klä­ger hat An­spruch auf Zah­lung von 6.541,20 € ge­gen den Be­klag­ten, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs. Er kann ge­mäß §§ 437, 323 I und II Nr. 3, 346 BGB die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und da­mit die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung für die ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Pkw ver­lan­gen.

Das Fahr­zeug weist ei­nen Man­gel i. S. des § 434 BGB auf. Ent­ge­gen der An­ga­be im Kauf­ver­trag wies das Au­to, wie sich aus dem von dem Klä­ger ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten er­gibt, nicht ei­nen „re­pa­rier­ten Front­scha­den“, son­dern ei­nen teil­wei­se im­mer noch vor­han­de­nen „schwers­ten Scha­den mit Be­ein­träch­ti­gung der Fahr­zeug­struk­tur“ auf. Der Scha­den als sol­cher wird von dem Be­klag­ten nicht be­strit­ten. Er will le­dig­lich kei­ne Kennt­nis da­von ge­habt ha­ben.

Die Be­rech­ti­gung zum Rück­tritt setzt ge­mäß §§ 437, 323 I BGB vor­aus, dass dem Schuld­ner er­folg­los ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Leis­tung bzw. Nach­er­fül­lung ge­setzt wor­den ist. Das ist hier nicht ge­sche­hen. Viel­mehr hat der Klä­ger so­fort den Rück­tritt er­klärt. Den­noch ist hier der Rück­tritt zu Recht er­klärt wor­den, weil be­son­de­re Um­stän­de vor­lie­gen, die ge­mäß § 323 II Nr. 3 BGB un­ter Ab­wä­gung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen den so­for­ti­gen Rück­tritt recht­fer­ti­gen. Der Be­klag­te ist kein Kfz-Händ­ler mit Re­pa­ra­tur­werk­statt, son­dern ei­ne Pri­vat­per­son. Ei­ne Nach­er­fül­lung ge­gen ihn könn­te nur durch Ver­brin­gen des Wa­gens in ei­ne Fach­werk­statt mit voll­stän­di­ger fach­ge­rech­ter In­stand­set­zung auf Kos­ten des Be­klag­ten er­fol­gen. Ob das an­ge­sichts der In­ten­si­tät des Scha­dens – ge­ra­de auch aus Sicht des Be­klag­ten – über­haupt wirt­schaft­lich sinn­voll ist, er­scheint zwei­fel­haft, mag aber da­hin­ste­hen. Je­den­falls blie­be der Wa­gen auch nach ei­ner Re­pa­ra­tur ein Fahr­zeug mit ei­nem mas­si­ven Un­fall­scha­den, der die Fahr­zeug­struk­tur be­ein­träch­tigt hat. Der Wert ei­nes sol­chen Fahr­zeugs ist er­heb­lich nied­ri­ger als der ei­nes dem Ver­trag ent­spre­chen­den Fahr­zeugs, das nur ei­nen re­pa­rier­ten Front­scha­den auf­weist.

Nach § 346 I BGB sind die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren, und zwar ge­mäß § 348 BGB Zug um Zug. Ge­mäß § 346 II Nr. 1 BGB hat der Klä­ger dem Be­klag­ten Wert­er­satz für die Nut­zung des Fahr­zeugs zu zah­len. Der vom Klä­ger er­rech­ne­te Be­trag ist von dem Be­klag­ten nicht in Zwei­fel ge­zo­gen wor­den. Der Be­klag­te hät­te ge­ge­be­nen­falls ei­nen hö­he­ren Nut­zungs­scha­den dar­le­gen und be­wei­sen müs­sen.

Auf den ver­ein­bar­ten Haf­tungs­aus­schluss kann sich der Be­klag­te, wie der Klä­ger zu Recht aus­führt, nicht be­ru­fen, weil die be­tref­fen­de Ver­trags­klau­sel ge­gen § 309 Nr. 7 lit. a und lit. b BGB ver­stößt und da­mit nicht wirk­sam ist. Klau­seln, die die Ge­währ­leis­tung oh­ne Aus­nah­me aus­schlie­ßen, er­fas­sen auch Scha­dens­er­satz­an­sprü­che, die auf Kör­per und Ge­sund­heits­schä­den we­gen ei­nes vom Ver­käu­fer zu ver­tre­te­nen Man­gels be­ru­hen oder auf gro­bes Ver­schul­den des Ver­käu­fers ge­stützt sind. Sol­che Klau­seln sind mit § 309 Nr. 7 BGB nicht ver­ein­bar (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VI­II ZR 3/06, NJW 2007, 674 [675]; OLG Hamm, Urt. v. 10.02.2005 – 28 U 147/04, NJW-RR 2005, 1220 [1221]; vgl. auch Stau­din­ger/Coes­ter-Walt­jen, BGB, Neu­be­arb. 2006, § 309 Rn. 8) …

Bei dem Kauf­ver­trag han­delt es sich um All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen, auch wenn das – aus dem In­ter­net „her­un­ter­ge­la­de­ne“ – For­mu­lar von dem Be­klag­ten nur ein­mal ver­wen­det wor­den sein soll­te, denn es reicht aus, wenn die Ge­schäfts­be­din­gun­gen von ei­nem Drit­ten für mehr­fa­che Ver­wen­dung for­mu­liert wor­den sind (vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 70. Aufl. [2011], § 309 Rn. 9). Das ist hier der Fall. Der Be­klag­te war auch Ver­wen­der der All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen, weil er die­se i. S. des § 305 I BGB ge­stellt hat. Die dies­be­züg­li­che Be­haup­tung des Klä­gers in der Be­ru­fungs­be­grün­dung ist sei­tens des Be­klag­ten nicht be­strit­ten wor­den. Dass der Klä­ger mit der Ver­wen­dung ein­ver­stan­den war, wie der Be­klag­te nun­mehr her­vor­hebt, än­dert nichts dar­an, dass der Be­klag­te das For­mu­lar als Ver­trags­grund­la­ge ein­ge­führt hat.

2. Der Fest­stel­lungs­an­trag des Klä­gers ist eben­falls be­grün­det, weil sich der Be­klag­te in An­nah­me­ver­zug be­fin­det, nach­dem ihm durch das An­walts­schrei­ben vom 09.07.2010 die Rück­ga­be des Fahr­zeugs an­ge­bo­ten wor­den ist …

4. Un­be­grün­det ist die Be­ru­fung, so­weit der Klä­ger ne­ben dem Rück­ab­wick­lungs­ver­lan­gen ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch hin­sicht­lich der von ihm auf­ge­wen­de­ten Sach­ver­stän­di­gen­kos­ten in Hö­he von 230,27 € gel­tend macht. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­mäß §§ 437, 280 I BGB setzt Ver­schul­den vor­aus (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 70.​nbsp;Aufl. [2011], § 437 Rn. 37). Das Ver­schul­den wird zwar ver­mu­tet; dem Be­klag­ten ist je­doch der Ent­las­tungs­be­weis ge­lun­gen, denn das Land­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass der Be­klag­te von dem mas­si­ven Scha­den nichts wuss­te …

Hin­weis: Zum „Stel­len“ von Ver­trags­be­din­gun­gen un­ter Pri­vat­leu­ten sie­he auch BGH, Urt. v. 17.02.2010 – VI­II ZR 67/09.

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