1. Weicht der tat­säch­li­che Kraft­stoff­ver­brauch ei­nes Neu­wa­gens um we­ni­ger als 10 % zum Nach­teil des Käu­fers von den Her­stel­ler­an­ga­ben ab, be­rech­tigt die­ser Man­gel den Käu­fer nicht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag (im An­schluss an BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VI­II ZR 19/05).
  2. Es ist un­be­denk­lich, wenn der Kfz-Her­stel­ler bei der Er­mitt­lung der Ver­brauchs­wer­te von ei­nem Fahr­zeug mit Stan­dard­aus­stat­tung aus­geht, statt den Ver­brauch in­di­vi­du­ell für die ei­ne oder an­de­re Zu­satz­aus­stat­tung zu er­mit­teln. Dies gilt um­so mehr, wenn der Her­stel­ler im Ver­kaufs­pro­spekt dar­auf hin­weist, dass ei­ne Son­der­aus­stat­tung ei­nen hö­he­ren Ver­bauch zur Fol­ge ha­ben kann.

LG Kas­sel, Ur­teil vom 04.02.2011 – 9 O 1559/09

Sach­ver­halt: Der Klä­ger hat den Rück­tritt von ei­nem mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Neu­wa­gen-Kauf­ver­trag er­klärt und vor al­lem be­haup­tet, das Fahr­zeug ha­be ei­nen er­heb­lich hö­he­ren Ver­brauch als in den Werks­un­ter­la­gen an­ge­ge­ben.

Un­ter dem 25.01.2008 be­stell­te die da­ma­li­ge Ehe­frau E des Klä­gers ei­nen BMW X5 für 50.000 € net­to nebst Son­der­aus­stat­tung (ca. 13.800 € net­to). Mit schrift­li­cher Er­klä­rung vom 01.07.2009 trat E al­le Rech­te aus dem Kauf an den Klä­ger ab, auch das Recht zur Pro­zess­füh­rung.

ln dem zu dem Fahr­zeug her­aus­ge­ge­be­nen Ver­kaufs­pro­spekt von BMW ist Fol­gen­des an­ge­ge­ben:

Tech­ni­sche Da­ten …
 
Ver­brauch3
In­ner­orts l/100 km 10,5
Au­ßer­orts l/100 km 7,1
Kom­bi­niert l/100 km 8,3

3 Al­le Mo­to­ren er­fül­len die EU4-Norm (N1) … Als Ba­sis für die Ver­brauch­ser­mitt­lung gilt der ECE-Fahr­zy­klus. Die­ser setzt sich aus ca. ei­nem Drit­tel Stadt­fahrt und zwei Drit­teln Über­land­fahrt (ge­mes­sen an der Weg­stre­cke) zu­sam­men. Zu­sätz­lich zum Ver­brauch wird die CO2-Emis­si­on ge­mes­sen. Die Ver­brauch­ser­mitt­lung er­folgt auf der Ba­sis der Se­ri­en­aus­stat­tung. Son­der­aus­stat­tun­gen (z. B. brei­te­re Rei­fen) kön­nen Ver­brauch und Fahr­leis­tun­gen we­sent­lich be­ein­flus­sen.

Mit An­walts­schrift­satz vom 29.06.2009 ließ der Klä­ger den Rück­tritt vom Ver­trag er­klä­ren mit der Be­grün­dung, dass der Ver­brauch für das Fahr­zeug er­heb­lich über dem in dem Ver­kaufs­pro­spekt an­ge­ge­be­nen Wert lie­ge.

Der Klä­ger be­haup­tet, der Ver­brauch lie­ge weit über 50 % über den Her­stel­ler­an­ga­ben, wes­halb si­cher an­zu­neh­men sei, dass die Her­stel­ler­an­ga­ben er­heb­lich über­schrit­ten wür­den, min­des­tens über 10 %. Zu­sätz­lich lie­ge ei­ne kon­kre­te Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung vor. Im Rah­men des Ver­kaufs­ge­sprächs ha­be näm­lich die Ver­käu­fe­rin auf die be­son­de­re Spar­sam­keit des Fahr­zeu­ges hin­ge­wie­sen und er­klärt, dass sie den­sel­ben Mo­tor in ei­nem an­de­ren Fahr­zeug ha­be; die Ver­brauchs­an­ga­ben sei­en in der Fahr­pra­xis rea­lis­tisch zu er­zie­len, bei nor­ma­lem Fahr­be­trieb ver­brau­che sie 13 l/100 km.

Mit Schrift­satz vom 16.12.2010 hat der Klä­ger auf ein Ur­teil des OLG Düs­sel­dorf vom 18.08.2008 – 1 U 238/07 – hin­ge­wie­sen, wo­nach auch dann ein Rück­tritts­grund ge­ge­ben sein kön­ne, wenn der tat­säch­li­che Ver­brauch nicht ganz 10 % über den vom Her­stel­ler an­ge­ge­be­nen Ver­brauchs­wer­ten lie­ge, aber zu­sätz­li­che Män­gel vor­lä­gen, die be­reits für sich al­lein zu­min­dest im Be­reich der Rück­tritts­er­heb­lich­keit lie­gen. Da­zu be­haup­tet er, die PDC (Park Dis­tan­ce Con­trol) funk­tio­nie­re nicht rich­tig. Auch der Bild­schirm, un­ter an­de­rem für die Na­vi­ga­ti­on, fal­le im­mer wie­der aus. Trotz Rü­ge sei die Be­klag­te nicht in der La­ge ge­we­sen, den letzt­ge­nann­ten Man­gel zu be­sei­ti­gen.

Die auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und Scha­dens­er­satz ge­rich­te­te Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Es ist in der Recht­spre­chung an­er­kannt, wo­von auch bei­de Par­tei­en aus­ge­hen, dass ei­ne Über­schrei­tung des an­ge­ge­be­nen Kraft­stoff­ver­brauchs von min­des­tens 10 % vor­lie­gen muss, da­mit ei­ne et­wai­ge Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers in Form ei­nes über­höh­ten Ver­brauchs nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB ist (BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VI­II ZR 19/05, NJW 2007, 2111; Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, NJW 1997, 2590 Urt. v. 14.02.1996 – VI­II ZR 65/95, NJW 1996, 1337).

Die von der Kam­mer durch­ge­führ­te Be­weis­auf­nah­me durch Ein­ho­lung des Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens hat er­ge­ben, dass der Ver­brauch für das Fahr­zeug nicht um 10 % über den an­ge­ge­be­nen Wer­ten liegt. Die Über­schrei­tu­rig liegt viel­mehr le­dig­lich bei 7,1 %. Dies er­gibt sich aus dem Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen S, der ins­be­son­de­re auf die­sem Ge­biet aus­ge­spro­chen sach­kun­dig und er­fah­ren er­scheint. Ein­wen­dun­gen ge­gen die fach­li­che Kom­pe­tenz des Sach­ver­stän­di­gen und sei­ne Me­tho­de sind von den Par­tei­en auch nicht er­ho­ben wor­den, wes­halb ei­ne wei­te­re Be­grün­dung sich dann er­üb­rigt. Ent­spre­chend ist im Nach­fol­gen­den nur auf die kon­kret er­ho­be­nen Ein­wen­dun­gen von Klä­ger­sei­te ein­zu­ge­hen:

Vor al­lem wird für den Klä­ger gel­tend ge­macht, es sei für die Er­mitt­lung des Ver­brauchs­werts nicht von ei­nem Se­ri­en­fahr­zeug aus­zu­ge­hen, son­dern von dem er­wor­be­nen mit der zu­sätz­li­chen Aus­stat­tung. Je­den­falls lie­ge ei­ne ir­re­füh­ren­de Wer­bung in­so­weit vor, weil Fahr­zeu­ge in die­ser Preis­klas­se re­gel­mä­ßig ei­ne er­heb­li­che Zu­satz­aus­stat­tung hät­ten, die dann ent­spre­chend zu hö­he­rem Ver­brauch führ­ten.

Die­se Ar­gu­men­ta­ti­on ist nach Auf­fas­sung der Kam­mer un­zu­tref­fend. Selbst­ver­ständ­lich kann bei sol­chen An­ga­ben zu­nächst nur von der Stan­dard­aus­stat­tung aus­ge­gan­gen wer­den, nicht aber in­di­vi­du­ell für die ei­ne oder an­de­re Zu­satz­aus­stat­tung, zu­mal ei­nem Käu­fer selbst­ver­ständ­lich be­kannt ist, dass Zu­satz­aus­stat­tung un­ter an­de­rem durch das hö­he­re Ge­wicht ei­nen hö­he­ren Ver­brauch zur Fol­ge ha­ben kann. Zu­dem sei ver­merkt, dass die­ser Hin­weis des hö­he­ren Ver­brauchs durch Son­der­aus­stat­tung so­gar in dem Pro­spekt ent­hal­ten war, wie ei­ne Kon­trol­le in dem Pro­spekt nun er­ge­ben hat.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat auch auf münd­li­ches Be­fra­gen über­zeu­gend dar­ge­legt, dass bei sol­chen tech­ni­schen Mes­sun­gen es Stan­dard sei, ei­ne Mes­sun­ge­nau­ig­keit von 2 % an­zu­neh­men, was sich aus der Na­tur der Sa­che er­ge­be.

Es kann auch nicht an­ge­nom­men wer­den, dass – wie wei­ter von Klä­ger­sei­te gel­tend ge­macht – die Ver­käu­fe­rin der Be­klag­ten ei­ne Zu­si­che­rung zum Ver­kauf ge­macht hat. De­ren an­geb­li­che Er­klä­rung, die an­ge­ge­be­nen Wer­te sei­en rea­lis­tisch, was auch ih­ren per­sön­li­chen Er­fah­run­gen ent­spre­che, kann nicht als ei­ne sol­che bin­den­de Er­klä­rung an­ge­se­hen wer­den.

Schließ­lich hat der Klä­ger mit Schrift­satz vom 16.12.2010 dann noch un­ter Hin­weis auf die dort an­ge­ge­be­ne Recht­spre­chung wei­te­re Män­gel gel­tend ge­macht. Auch da­durch wird der Rück­tritt nicht be­rech­tigt. Un­ab­hän­gig da­von, ob die­ser Recht­spre­chung zu fol­gen ist, setzt die­se zu­dem vor­aus, dass auch der wei­te­re Man­gel die Gren­ze der Er­heb­lich­keit zu­min­dest er­reicht. Das kann hier man­gels kon­kre­ten Vor­trags nicht an­ge­nom­men wer­den, wie von Be­klag­ten­sei­te mit Recht da­ge­gen gel­tend ge­macht wor­den ist. Es ist nicht vor­ge­tra­gen, wel­che kon­kre­ten Män­gel wann, wie oft und mit wel­chem Re­pa­ra­tur­er­geb­nis gel­tend ge­macht wur­den, ob Frist­set­zung er­folg­te usw. Dar­aus er­gibt sich, dass nicht hin­rei­chend er­gän­zend ein er­heb­li­cher sons­ti­ger dau­er­haf­ter Man­gel dar­ge­legt ist.

Da mit­hin kein er­heb­li­cher Man­gel vor­liegt, be­steht kein Recht zum Rück­tritt, und fol­ge­rich­tig be­steht auch kei­ne Er­satz­pflicht für er­höh­te Ver­brauchs­kos­ten ge­mäß dem Fest­stel­lungs­an­trag …

PDF er­stel­len