Ein Kraftfahrzeug ist zwar wegen seines Kraftstoffverbrauchs mangelhaft, wenn sich die vom Hersteller angegebenen, nach der Richtlinie 80/1268/EWG ermittelten Verbrauchswerte bei einer richtlinienkonformen Prüfung des Fahrzeugs nicht reproduzieren lassen. Ergibt eine solche Prüfung aber lediglich einen Mehrverbrauch von weniger als 10 % gegenüber den Herstellerangaben, liegt nur ein geringfügiger Mangel vor, der den Käufer nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt.

OLG Hamm, Urteil vom 08.06.2015 – 2 U 163/14

Sachverhalt: Der Kläger verlangt als Leasingnehmer die die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages. Den Rücktritt von diesem Vertrag hat er hauptsächlich damit begründet, dass das Fahrzeug zu viel Kraftstoff verbrauche; darüber hinaus hat er weitere Mängel des Pkw, insbesondere im Bereich Schiebedach/Dachhimmel, behauptet.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Rücktritt des Klägers sei wirksam, weil die im Prospekt angegebenen Verbrauchswerte des Fahrzeugs unter Testbedingungen nicht reproduzierbar seien. Die Mehrkosten, die dem Kläger durch den überhöhten Kraftstoffverbrauch entstanden seien, habe ihm die Beklagte als Schaden zu ersetzen. Darüber hinaus müsse die Beklagte dem Kläger die Fahrtkosten, die er für die Wahrnehmung von Werkstattterminen aufgewendet habe, erstatten, weil Anlass für die Werkstattbesuche unter anderem Mängel des Schiebedachs gewesen seien.

Dagegen richtete sich die Berufung der Beklagten. Sie machte geltend, das Landgericht habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Hersteller sich zur Ermittlung der angegebenen Verbrauchswerte eines zulässigen Verfahrens bedient habe, bei dem nicht der tatsächliche Rollwiderstand des zu prüfenden Fahrzeugs ermittelt, sondern zur Einrichtung des Rollenprüfstands auf Tabellenwerte zurückgegriffen werde. Zudem – so meinte die Beklagte – sei das Erstgutachten des Sachverständigen, das dem Fahrzeug des Klägers einen zu hohen Kraftstoffverbrauch bescheinige, unter anderem deshalb nicht verwertbar, weil der Grundsatz der Parteiöffentlichkeit verletzt worden sei. Was die dem Kläger vom Landgericht zugesprochenen Fahrtkosten angehe, fehle es schließlich an einer Grundlage, weil die Werkstattbesuche des Klägers nicht im Zusammenhang mit schon bei Übergabe des Fahrzeugs vorhandenen Mängeln gestanden hätten.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg; die Klage wurde abgewiesen.

Aus den Gründen: II. … 2. Zum Rücktritt berechtigende Mängel … lassen sich nicht feststellen.

a) Zu hoher Verbrauch

Ein Mangel ist dann gegeben, wenn der Verbrauch des Fahrzeuges des Klägers von der Prospektangabe abweicht (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB i. V. mit § 434 I 3 BGB).

Da der Angabe des Verbrauchs im Prospekt entsprechend der Fußnote zur Verbrauchsangabe eine Verbrauchsermittlung nach der „Richtlinie 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung“ zugrunde lag, kommt es darauf an, ob richtlinienkonform ermittelter Verbrauch des Fahrzeugs des Klägers von der Prospektangabe abweicht. Das ist – im Ergebnis – in nur unerheblichem Umfang der Fall.

Dabei teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, bei richtlinienkonformer Verbrauchsermittlung sei bei der Einstellung des Prüfstandes auf die Rollwiderstandswerte des konkreten Fahrzeugs zurückzugreifen, nicht.

Denn die Richtlinie erlaubt es sowohl, den konkreten Fahrwiderstand des geprüften Fahrzeugs wie auch Tabellenwerte bei der Einstellung des Prüfstandes zugrunde zu legen: Nach der Richtlinie 80/1268/EWG werden die Last und Fahrwiderstandseinstellungen des Prüfstandes nach Anhang III der Richtlinie 70/220/EWG (letzte Fassung) bestimmt (Anhang I Nr. 6.3.2.1 der RL 80/1268/EWG). Nach Anhang III Anlage 2 Nr. 3.2.1 der Richtlinie 70/220/EWG besteht die Möglichkeit die Bremse des Prüfstands – mit Zustimmung des Herstellers – nach den Werten der dort wiedergegebenen Tabelle einzustellen. Dabei handelt es sich nicht – zu dieser Bemerkung gibt der erstinstanzliche Vortrag Anlass – um vom Hersteller gefundene Werte, sondern um Vorgaben der Tabelle der Richtlinie. Da beide Methoden nach der Richtlinie möglich sind und die Richtlinie weder der einen noch der anderen Methode den Vorzug gibt, geht die objektive Käufererwartung dahin, dass die im Prospekt angegebenen Werte entweder nach der einen oder nach der anderen Methode ermittelt worden sind und … sich … unter Zugrundelegung der Methode, die bei der Ermittlung der im Prospekt angebenden Verbrauchswerte angewandt wurde, reproduzieren lassen.

Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) spricht nicht – wie es das Landgericht gemeint hat –, dass der Rückgriff auf Tabellenwerte zu einem theoretischen Ergebnis ohne hinreichenden Bezug zum konkreten Fahrzeug führe oder – wie es die Berufungserwiderung meint – dass die Werte absichtlich so unrealistisch niedrig gesetzt worden seien, dass im Prospekt ein werbewirksamer, jedoch falscher Wert ausgeworfen werde. Dass richtlinienkonform ermittelte Verbrauchswerte dem tatsächlichen Verbrauch im Straßenverkehr nicht entsprechen, ist allgemein bekannt. Das gilt für beide Methoden. Dass der Hersteller im Homologationsverfahren die für den zur Prüfung stehenden Fahrzeugtyp günstigere Methode anwenden lassen wird, ist zu erwarten. Auch das gilt für beide Methoden gleichermaßen.

Gegen diese Bestimmung der zu erwartenden Beschaffenheit spräche es allerdings, wenn die Erwartung des Verkehrs dahin ginge, den Verbrauchsangaben im Prospekt läge die Ermittlung aufgrund Einstellung des Prüfstandes nach konkreten Fahrwiderständen, nicht aber nach … Tabellenwerten zugrunde. Für eine derartige Erwartung des Verkehrs gibt es keine Grundlage.

Warum bei dieser Bewertung ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 IV GG oder ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verfahrens nach Art. 6 I EMRK gegeben sein sollte, erschließt sich nicht.

Maßgeblich dafür, ob der Verbrauch des Fahrzeugs des Klägers von der Prospektangabe abweicht, ist deshalb das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen vom 26.03.2014, bei dem der Verbrauch … unter Einstellung der Bremse des Prüfstandes nach Tabellenwerten ermittelt worden ist … Danach ergibt sich:

  Prospekt (l/100 km) Messung (l/100 km) Abweichung
innerorts 11,7 12,7 8,54 %
außerorts 7,5 8,1 8,00 %
kombiniert 9,0 9,7 7,78 %
Durchschnitt 8,11 %

Das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens wird von den Parteien nicht infrage gestellt. Auch der Senat hat keine Bedenken, davon auszugehen.

b) Geräusche am Vorderradantrieb sind nicht erwiesen. Gegen die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 15.06.12 hat der Kläger nichts erinnert und ist auch nichts zu erinnern.

c) Schiebedach

1. Die vom Sachverständigen gefundenen Defizite (Schiebedach schließt an den hinteren Außenecken nicht bündig mit der Dachhaut ab; Dachhimmel ist nicht richtig eingepasst, er ist lose und hängt herab) lagen bei Gefahrübergang unstreitig nicht vor. Vielmehr soll nach Klägervortrag das Schiebedach undicht gewesen sein (und sollen sich die vom Sachverständigen gefundenen Defizite als Folge einer unzureichenden Nachbesserung darstellen). Fraglich ist mithin zunächst, ob sich eine Undichtigkeit des Schiebedachs bei Gefahrübergang feststellen lässt. Das erscheint nicht zweifelsfrei, kann indessen dahinstehen.

2. Denn jedenfalls ist – eine Undichtigkeit des Schiebedachs bei Gefahrübergang … unterstellt – eine fehlerhafte Nacherfüllung bei einem Handelskauf erneut zu rügen (Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. [2014], § 377 Rn. 42 m. w. Nachw.). An rechtzeitiger Rüge fehlt es. Damit ist dem Kläger eine Berufung auf Mängel, die sich aus unzureichender Nachbesserung des Schiebedachs ergeben könnten, verwehrt (§ 377 III HGB).

2.1 Der Kauf ist für beide Parteien bereits ursprünglich ein Handelskauf gewesen. Der Eintritt der Leasinggeberin ändert daran nichts, sondern führt erst recht zu der Bewertung, dass es sich um einen Handelskauf handelt und dem Kläger aufgrund der Abtretung von Forderungen/der Ermächtigung zur Geltendmachung von Gestaltungsrechten nur die Rechte zustehen können, die der Leasinggeberin aus dem Kaufvertrag erwachsen.

2.2 Die vom Sachverständigen festgestellten Defizite (Dachhimmel löst sich und hängt herunter; Schiebedach ist an den hinteren Außenecken nicht bündig = Defizite der Nacherfüllung) sind nach dem Vortrag des Klägers Folge mangelhafter Nacherfüllung. Das hat der Kläger nach seinem Vortrag in der Klageschrift bereits im Mai 2011 festgestellt. Gerügt hat er das feststellbar erstmals durch Beanstandung vom 27.07.2011. Dass eine etwa zwei Monate nach Feststellung des Mangels erfolgte Rüge nicht unverzüglich ist, bedarf keiner Erörterung. Soweit er sich auf E-Mails seiner Ehefrau berufen hat, hat der Kläger trotz des Hinweises … des Senats, dass Bedenken bestehen können, ob sein Vortrag ausreicht, um die Einhaltung der Rügeobliegenheiten des § 377 HGB festzustellen, nicht näher vorgetragen, was wann damit beanstandet wurde. Auch anlässlich der diesbezüglichen Ausführungen seitens des Senats im Termin hat der Kläger dazu nicht mehr vorgetragen.

2.3 Arglistiges Verschweigen von Reparaturdefiziten, welches die Genehmigungsfiktion des § 377 HGB nach dessen Absatz 5 hinderte, wird vom Kläger nicht behauptet und ist auch ansonsten nicht erkennbar.

2.4 Das Versäumnis rechtzeitiger Rüge wäre mithin nur dann unschädlich, wenn die Beklagte darauf verzichtet hätte. Das lässt sich nicht feststellen. Der Umstand, dass die Beklagte auf die Anzeige vom 27.07.2011 am 12.09.2011 rein tatsächlich nachzuarbeiten versucht hat, reicht für die Annahme eines Rügeverzichts nicht aus.

d) Als relevanter und feststellbarer Mangel verbleibt, dass der Verbrauch des klägerischen Fahrzeuges die nach der Prospektangabe zu erwartende Beschaffenheit, was den Verbrauch angeht, um 8,11 % übersteigt. Das ist ein unerheblicher Mangel, der einen Rücktritt nicht rechtfertigt (§ 323 V 2 BGB).

e) Ergänzend sei bemerkt: Was Schiebedach und Dachhimmel angeht, hat der Sachverständige Reparaturkosten von  knapp 1.500 € ausgeworfen.

Die Kalkulation des Sachverständen ist indes insoweit nicht nachvollziehbar, als er darin die Scheibe (Sonnendach) mit immerhin knapp 800 € netto wegen Verkratzung einstellt. Eine Verkratzung der Scheibe … ist nie Gegenstand von Beanstandungen des Klägers gewesen. Hält man dafür, dass rund 400 € netto an übrigen Mangelbeseitigungskosten anfallen, ist auch bei kumulierter Betrachtung mit dem Mehrverbrauch von 8,11 % die Erheblichkeitsschwelle für einen Rücktritt nicht überschritten.

2. Dass die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche auf Ersatz von Fahrtkosten nicht bestehen, ergibt sich aus dem Gesagten. Ein Anspruch auf Ersatz von Kosten des Mehrverbrauchs ist ebenfalls nicht gegeben. Das dafür erforderliche Verschulden der Beklagten lässt sich nicht feststellen, da sie unstreitig … lediglich Händlerin ist …

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