Selbst wenn sich der Käufer eines Kraftfahrzeugs mit der Zahlung des restlichen Kaufpreises in Verzug befindet, steht ihm wegen eines beachtlichen Mangels des Fahrzeugs eine Einrede zu, die für ihn ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht begründet.
OLG Oldenburg, Urteil vom 24.09.2010 – 11 U 42/10
Sachverhalt: Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw sowie über Schadenseratz.
Am 18.12.2007 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag, wonach die Klägerin – eine im gewerblichen Kraftfahrzeugbereich tätige Unternehmerin – dem Beklagten einen gebrauchten Pkw mit einem „nicht reparierten Unfallschaden auf der rechten Seite“ zu einem Gesamtpreis von 11.500 € verkaufte. Unter der Überschrift „Besondere Vereinbarungen“ heißt es: „Fzg. wird finanziert mit 3.000 € Anzahlung“. Die Darlehenszusage der Bank, die den Restkaufpreis von 8.500 € finanzieren sollte, nebst dem von dem Beklagten unterschriebenen Darlehensantrag lagen am 19.12.2007 vor. Am 21.12.2007 zahlte der Beklagte 3.000 € an die Klägerin, woraufhin ihm das Fahrzeug übergeben wurde. Zur Auszahlung des (finanzierten) Restkaufpreises kam es nicht, weil der Beklagte nicht wie verlangt einen gültigen Personalausweis oder wenigstens einen vorläufigen Ausweis vorgelegt hatte.
Nach der Übergabe des Wagens traten im Bereich der Heizung sowie der Hupe Mängel auf, welche die Klägerin beseitigte. Mit Schreiben vom 17.01.2008 rügte der Beklagte Mängel am Navigationssystem und der Kraftstoffeinspritzung und forderte die Klägerin zur Mängelbeseitigung auf, zuletzt mit Schreiben vom 29.01.2008 unter Fristsetzung zum 07.02.2008 und unter Hinweis darauf, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrtauglich sei. Die Klägerin kam der Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht nach. Sie berief sich auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen des noch nicht gezahlten Restkaufpreises. Mit Schreiben vom 07.02.2008 erklärte der Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Klägerin unter Fristsetzung zum 15.02.2008 vergeblich zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 3.000 € auf.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Zahlung des Restkaufpreises von 8.500 € nebst Zinsen und Auslagen begehrt. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und im Wege der Widerklage unter anderem einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung (3.000 €) sowie Schadensersatz in Höhe von 1.379 € (379 € Kfz-Steuer und 1.000 € Nutzungsausfall) nebst Zinsen geltend gemacht.
Das LG Oldenburg hat den Beklagten nach Beweisaufnahme unter Abweisung der Widerklage und der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 8.500 € Zug um Zug gegen Beseitigung eines von dem Sachverständigen festgestellten Turboladerdefekts zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, die überwiegend Erfolg hatte.
Aus den Gründen: Die Klage ist nicht begründet.
Entgegen der Auffassung der Einzelrichterin steht der Klägerin der auf § 433 I BGB gestützte Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises von 8.500 € nach Maßgabe der sich aus dem Tenor des angefochtenen Urteils ergebenden Einschränkung nicht zu. Denn der Beklagte ist gemäß den §§ 437 Nr. 1 und Nr. 2, 323 BGB wirksam von dem Kaufvertrag zurückgetreten. Der von dem Beklagten gekaufte Pkw hat, wie die Einzelrichtrein festgestellt hat und was auch der rechtlichen Würdigung durch den Senat entspricht, bezüglich des Turboladers einen erheblichen Mangel.
Entgegen der Einzelrichterin hat der Beklagte auch wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Eine Rücktrittserklärung des Beklagten liegt unstreitig vor. Der Rücktritt war auch begründet.
Die Klägerin hatte kein Recht, ihre Bereitschaft zur Nachbesserung des Mangels davon abhängig zu machen, dass der Beklagte den restlichen Kaufpreis zahlt. Ihr standen weder die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB noch die Unsicherheitseinrede gemäß § 321 BGB zur Seite.
Selbst dann, wenn man annähme, dass sich der Beklagte mit der Erbringung der Leistung, nämlich der Zahlung des restlichen Kaufpreises bzw. Bewirken der Auszahlung des Darlehens durch die Bank, in Verzug befand, so stand ihm wegen des beachtlichen Mangels eine Einrede zu (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 320 Rn. 9, und Palandt/Weidenkaff, 69. Aufl., § 438 Rn. 19), welche für ihn ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht begründete (vgl. auch BGH, Urt. v. 14.06.2006 – VIII ZR 135/05, NJW 2006, 3059).
Auf § 321 BGB kann sich die Klägerin nicht berufen, weil für die Unsicherheitseinrede dann kein Raum ist, wenn man sich bereits – wie dies hier der Fall war – der Sache durch Übergabe begeben hat (vgl. BGHZ 112, 279 [287]), sodass es nicht einmal der Entscheidung bedarf, ob die Voraussetzungen des § 321 BGB auch im Übrigen nicht gegeben sind.
Da die Klägerin dem Begehren des Beklagten nicht in der ihr gesetzten Frist nachgekommen ist, durfte der Beklagte vom Kaufvertrag zurücktreten mit der Folge, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises nicht mehr zusteht.
Die Widerklage des Beklagten ist zulässig und überwiegend sachlich gerechtfertigt.
Soweit der Beklage einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung in Höhe von 3.000 € erhebt, folgt dieser aus den §§ 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB, da der Beklagte zu Recht von dem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Freilich ist er gemäß § 348 BGB gehalten, zugleich das Fahrzeug zurückzugeben.
Für verauslagte Steuern kann der Beklagte Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3 BGB verlangen, jedoch nur in Höhe von 50 €. Die Zahlung der Steuern in Höhe von 379 € gemäß dem Steuerbescheid vom 07.01.2008 ist zwischen den Parteien unstreitig. Zu berücksichtigen ist, dass der Beklagte unter Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Fahrzeugbrief, den die Klägerin ihm selbst nicht aushändigen wollte, der Zulassungsstelle treuhänderisch übersenden zu lassen, sodass das Finanzamt dann keine (weiteren) Kraftfahrzeugsteuern in Ansatz gebracht hätte. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte eine treuhänderische Übersendung des Kraftfahrzeugbriefs spätestes Mitte Februar 2008 hätte veranlassen können, schätzt der Senat den Schaden, den der Beklagte ersetzt verlangen kann, auf rund 50 € …
Ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 16.01.2008 bis zum 07.02.2008 besteht nicht. Der Beklagte hat nicht bewiesen, dass er in dem vorgenannten Zeitraum das Auto nicht nutzen konnte. Der Sachverständige R hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die Fehlermeldung „Kraftstoffleitung defekt“ nicht aufgetreten und auch nicht im Fehlerspeicher abgelegt ist. Der Beklagte hatte das Gegenteil behauptet und daraus die fehlende Möglichkeit der Nutzung hergeleitet …