Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Gebrauchtwagenverkäufers, wonach Ansprüche des Kunden wegen eines Sachmangels ausnahmslos „in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden“ verjähren, verstößt bei einem Verbrauchsgüterkauf gegen § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB und ist deshalb insgesamt unwirksam.
OLG Jena, Urteil vom 22.06.2010 – 2 U 9/10
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz von Reparaturkosten und Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung wegen eines Motorschadens an einem Pkw, den er von ihr am 26.01.2007 zum Preis von 7.000 € erworben hatte, in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Ansprüche des Klägers seien verjährt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Das Rechtsmittel hatte überwiegend Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in Höhe von 3.058,81 € sowie auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 3.500 € aus § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit §§ 440, 280 I, 281 BGB, denn der von der Beklagten an den Kläger verkaufte Gebrauchtwagen war bei Übergabe an den Kläger mangelhaft, und die Beklagte hat diesen Sachmangel zu vertreten. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war vorliegend entbehrlich.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. N hat in dem im selbstständigen Beweisverfahren … eingeholten Gutachten vom 05.12.2008 nach Untersuchung des Fahrzeugs zweifelsfrei festgestellt, dass der Pkw VW Sharan mangelhaft war. Danach ist der am 03.07.2008 eingetretene massive Motorschaden auf den fehlerhaften Einbau des Zahnriemenreparatursatzes am 18.01.2007 zurückzuführen. Dieser Mangel (fehlerhaft eingebauter Zahnriemen) lag bereits bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger am 26.01.2007 vor.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie den Mangel auch zu vertreten; denn der Zahnriemenreparatursatz ist in ihrer Werkstatt eingebaut worden. Die Beklagte hat insoweit gemäß § 278 BGB auch für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen, zumal sie das Fahrzeug nach eigenem Vortrag gerade zum Zwecke der Veräußerung an den Kläger am 18.01.2007 dem sog. Wartungsservice unterzogen hat. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind bei den Arbeiten die herstellerspezifischen Reparaturempfehlungen missachtet worden, die der Beklagten als Fachwerkstatt hätten bekannt sein müssen.
Einer Fristsetzung zur Nachbesserung bedurfte es angesichts des prozessualen und vorprozessualen Verhaltens der Beklagten nicht. Die Beklagte hat keinerlei Bereitschaft gezeigt, den Motorschaden zu beseitigen. Nachdem sie mit Schreiben vom 31.07.2008 zunächst den Nachweis eines Mangels zum Zeitpunkt der Übergabe verlangt hatte, hat sie – als dieser Nachweis im selbständigen Beweisverfahren erbracht war – die Einrede der Verjährung erhoben.
Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist ist vorliegend nicht wirksam auf ein Jahr verkürzt worden. Die entsprechende Klausel in Ziffer VI. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist unwirksam.
Auf die Frage, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in den Vertrag mit dem Kläger gemäß § 305 II BGB überhaupt wirksam einbezogen worden sind, kommt es deshalb nicht entscheidend an. Zweifel an einer wirksamen Einbeziehung sind vorliegend gleichwohl berechtigt. Zwar wird in der „Verbindlichen Bestellung“ vom 26.01.2007 ausdrücklich auf die „nachfolgenden und umseitigen Verkaufsbedingungen“ hingewiesen. Auch will die Beklagte dem Kläger die Allgemeinen Vertragsbedingungen zusammen mit den übrigen Vertragsunterlagen übergeben haben. Jedoch bleibt nach dem Vortrag der darlegungsbelasteten Beklagten offen, wann diese Übergabe stattgefunden haben soll. Hatte der Kläger keine hinreichende Möglichkeit, vor Unterzeichnung des Kaufvertrages in zumutbarer Weise von den Vertragsbedingungen Kenntnis zu nehmen, sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht Vertragsinhalt geworden.
In Ziffer VI. 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es: „Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.“
Diese Klausel verstößt gegen § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB. Nach diesen Bestimmungen kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen und begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung i. S. des § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen (BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674 [675] m. w. Nachw.).
Dagegen verstößt die Klausel; denn sie erfasst mit ihrer Regelung zur Verjährung ausnahmslos alle Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln, also auch Schadensersatzansprüche, die auf den Ersatz von Körper- und Gesundheitsschäden gerichtet sind, und solche, die auf grobes Verschulden des Verkäufers gestützt werden (vgl. für eine ähnliche Haftungsbeschränkung in Allgemeinen Auktionsbedingungen BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674, und in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reisebüros BGH, Urt. v. 26.02.2009 – Xa ZR 141/07, juris; für die hier vorgelegten verbandsempfohlenen „Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen“ in der Fassung bis 2008: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. [2009], Rn. 2003). Daran vermag auch die Klausel in Ziff. VII der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts zu ändern.
An der Unwirksamkeit der verwendeten Klausel ändert es auch nichts, dass eine Erleichterung der Verjährung bis zu einem Jahr ab Ablieferung der Sache im Verbrauchsgüterkauf gemäß § 475 II BGB grundsätzlich zulässig ist; denn Regelungen über Schadensersatzansprüche unterliegen gem. § 475 III BGB ausdrücklich der Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 bis 309 BGB.
Die Klausel ist insgesamt unwirksam. Eine teilweise Aufrechterhaltung einer gegen ein Klauselverbot verstoßenden Formularbestimmung ist nur dann möglich, wenn sie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGH, Urt. v. 26.02.2009 – Xa ZR 141/07). Dies ist hier nicht der Fall. Es bedürfte vielmehr eines gesonderten Zusatzes, um die Verjährungserleichterung für die genannten Schadensersatzansprüche auszuschließen.
Es gelten mithin gemäß § 306 II BGB die gesetzlichen Verjährungsvorschriften. Danach ist Verjährung nicht eingetreten.
Gemäß § 438 I Nr. 3 BGB verjähren die in § 437 BGB genannten Ansprüche des Käufers nach zwei Jahren. Die Frist beginnt gemäß § 438 III BGB mit Ablieferung der Kaufsache, hier also am 26.01.2007. Der Lauf der Verjährungsfrist war gemäß § 204 I Nr. 7 BGB i. V. mit § 167 ZPO durch den bei dem AG Rudolstadt eingegangenen Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens vom 07.08.2008 bis frühestens zum 10.06.2009 (§ 204 II BGB) gehemmt. Er ist ferner gemäß § 204 I Nr. 1 BGB i. V. mit § 167 ZPO durch den Eingang der Klageschrift seit dem 20.01.2009 gehemmt.
Die Reparaturkosten kann die Klägerin in geltend gemachter Höhe von 3.058,81 € ersetzt verlangen. Es handelt sich um den von dem Sachverständigen Dipl.-Ing. N in seinem Gutachten vom 05.12.2008 kalkulierten Nettobetrag.
Dem Grunde nach ist dem Kläger auch eine Nutzungsentschädigung zu gewähren. Hat der Verkäufer – wie hier die Beklagte – den Mangel der Kaufsache zu vertreten, steht dem Käufer vom ersten Tag des mangelbedingten Ausfalls verzugsunabhängig grundsätzlich ein Anspruch auf Nutzungsersatz zu (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 1854 f.).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens nicht bereits durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. Die von der Beklagten herangezogene Regelung in Ziffer VII. 1 der Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen 7/2003, wonach die Haftung im Falle leichter Fahrlässigkeit auf die Verletzung vertragstypischer Pflichten und vorhersehbare Schäden beschränkt ist, führt bereits ihrem Wortlaut nach nicht zum Haftungsausschluss. Die Beklagte hat mit der Übergabe des mangelhaften Fahrzeugs ihre vertragswesentlichen Pflichten verletzt, und bei dem Nutzungsausfall handelt es sich um einen vorhersehbaren, typischen Schaden.
Der Kläger hat durch den mangelbedingten Motorschaden eine fühlbare Beeinträchtigung erlitten. Der Kläger war in der fraglichen Zeit zum Zwecke der Arbeitssuche auf das Fahrzeug angewiesen. Ein Zweitwagen stand ihm nicht zur Verfügung. Dem Nutzungswillen steht vorliegend nicht entgegen, dass der Kläger den Pkw über einen längeren Zeitraum nicht repariert hat und erst am 02.02.2009 behelfsmäßig mit einem nicht generalüberholten Austauschmotor hat versehen lassen. Er war auch im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände ausnahmsweise nicht gehalten, diese Notreparatur wesentlich früher durchführen zu lassen.
Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug zu Beweissicherungszwecken im selbstständigen Beweisverfahren bereitgehalten werden musste. Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 31.07.2008 erklären lassen, sie werde für ihre Gewährleistungspflichten einstehen, sollte der Kläger einen „schlüssigen Beweis“ erbringen, dass der schadensursächliche Mangel bei Fahrzeugübergabe vorlag. Folgerichtig hat der Kläger unverzüglich ein selbstständiges Beweisverfahren bei dem AG Rudolstadt zur Feststellung der Schadensursache eingeleitet. Die Beklagte ist der Einholung des Sachverständigengutachtens in dem selbstständigen Beweisverfahren nicht entgegen getreten. Für den Kläger bestand mithin frühestens nach Ablauf einer angemessenen Frist, nachdem das Gutachten am 15.12.2008 an den Kläger zugestellt worden war, Anlass, eine (Not-)Reparatur durchführen zu lassen.
Auch wenn dem Kläger deshalb dem Grunde nach ein Anspruch auf Nutzungsersatz zusteht, ist der geltend gemachte Betrag gleichwohl überhöht. Für den Zeitraum zwischen dem Eintritt des Motorschadens und Durchführung der Notreparatur kann nicht ohne Weiteres auf den in der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch (Beil. zu NJW 1–2/2008) für den Fahrzeugtyp des Klägers und ein mehr als zehn Jahre altes Fahrzeug ausgewiesenen Nutzungswert von 38 €/Tag (Gruppe D) zurückgegriffen werden.
Zwar ist anerkannt, dass im Rahmen der nach § 287 I 1 ZPO vom Gericht vorzunehmenden Schadensermittlung die genannte Tabelle eine geeignete Schätzungsgrundlage darstellt, jedoch handelt es sich hierbei nur um eine mögliche, aber keine verbindliche Methode der Schadensermittlung. Die Ermittlung der Schadenshöhe nach § 287 I ZPO liegt im tatrichterlichen Ermessen (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03, NJW 2005, 277; Urt. v. 25.01.2005 – VI ZR 112/04, NJW 2005, 1044).
Nach Auffassung des Senats ist im vorliegenden Fall der in der Tabelle ausgewiesene Nutzungswert kein geeigneter Anhalt zur Schadensschätzung. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die in der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch ausgewiesenen Nutzungswerte vor allem insoweit als Grundlage für die Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung geeignet sind, als Zeiträume betroffen sind, für die üblicherweise Ersatzfahrzeuge angemietet werden (vgl. Senat, Urt. v. 10.6.2009 – 2 U 769/08; OLG Karlsruhe, MDR 1998, 1285 f.). Das ist darin begründet, dass die in der Tabelle ermittelten Nutzungswerte ihre Grundlage in den Mietwagenkosten haben, die der Geschädigte für einen vergleichbaren Mietwagen aufwenden müsste (vgl. Küppersbusch, Beil. zu NJW 1–2/2008, S. 3). Vorliegend geht es jedoch um einen weit längeren Zeitraum als denjenigen, in welchem üblicherweise Ersatzfahrzeuge angemietet werden.
Der Senat orientiert sich deshalb im vorliegenden Falle bei der Ermittlung der Nutzungsausfallentschädigung an den Vorhaltekosten, die um einen auf den Einzelfall bezogenen angemessenen Zuschlag aufzustocken sind. Damit wird zugleich dem Umstand Rechnung getragen, dass der Wert des Nutzungsausfalls nicht in einem Missverhältnis zum Zeitwert des Fahrzeugs stehen sollte (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 1998, 1285 f.).
Auszugehen ist daher von Vorhaltekosten in Höhe von 17,03 €/Tag (Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch, Beil. zu NJW 1–2/2008, S. 27 für VW Sharan 2.0 Comfortline) und einem angemessenen Zuschlag von 0,47 €/Tag, sodass 17,50 € Nutzungsentschädigung pro Tag anzusetzen sind. Die zu entschädigende Nutzungsausfallzeit hat der Senat mit 200 Tagen angemessen berücksichtigt. Er ist dabei davon ausgegangen, dass die geltend gemachte Nutzungsausfallzeit um 14 Tage zu kürzen ist, weil es dem Kläger nach Vorlage des Gutachtens im selbstständigen Beweisverfahren auch unter Berücksichtigung angemessener Stellungnahmefristen und der zum Jahresende anstehenden Feiertage gehalten gewesen wäre, die vorgenommene provisorische Reparatur entsprechend früher durchführen zu lassen. Damit stehen dem Klägerin 3.500 € als Schadensersatz für die entgangene Nutzung seines Pkw zu …