Der Ver­käu­fer ei­nes Neu­fahr­zeugs muss den Käu­fer dar­über auf­klä­ren, dass er das Fahr­zeug vor Über­ga­be zu­nächst auf sich zu­las­sen wird, wenn sich der Ver­kauf des Fahr­zeugs mit Ta­ges­zu­las­sung nicht aus an­de­ren Um­stän­den auf­drängt.

LG Bonn, Ur­teil vom 13.11.2009 – 2 O 225/09

Sach­ver­halt: Der Klä­ger schloss mit der Be­klag­ten am 14.02.2009 ei­nen Kauf­ver­trag über ein Neu­fahr­zeug, das drei Mo­na­te spä­ter ge­lie­fert wer­den soll­te.

Das Fahr­zeug wur­de der Be­klag­ten im Mai 2009 vom Her­stel­ler zur Ver­fü­gung ge­stellt. Zu ei­ner Aus­lie­fe­rung an den Klä­ger kam es je­doch nicht, weil die Be­klag­te mit­teil­te, das Fahr­zeug wer­de zu­erst auf sie als so­ge­nann­te Ta­ges­zu­las­sung zu­ge­las­sen. Zu ei­ner Aus­lie­fe­rung an den Klä­ger oh­ne Ta­ges­zu­las­sung war die Be­klag­te auch nach an­walt­li­chem Auf­for­de­rungs­schrei­ben un­ter Frist­set­zung nicht be­reit.

Der Klä­ger meint, die Be­klag­te schul­de ihm ein Fahr­zeug, das nicht zu­vor auf sie zu­ge­las­sen war, auch wenn es sich um ei­ne Ta­ges­zu­las­sung oder Kurz­zu­las­sung oh­ne Ge­brauch des Fahr­zeugs han­de­le. Er meint, die Be­klag­te ha­be ihn dar­über auf­klä­ren müs­sen, dass sie nur be­reit oder in der La­ge sei, Fahr­zeu­ge mit Ta­ges­zu­las­sung zu ver­äu­ßern. Der Klä­ger be­haup­tet, er hät­te ent­we­der ei­nen (hö­he­ren) Ra­batt aus­ge­han­delt oder ein Fahr­zeug bei ei­nem an­de­ren Händ­ler ge­kauft, wenn er von der Ta­ges­zu­las­sung ge­wusst hät­te.

Die Kla­ge hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: … Die Be­klag­te ist … ver­pflich­tet, dem Klä­ger ein Fahr­zeug oh­ne Ta­ges­zu­las­sung aus­zu­lie­fern.

Ein Fahr­zeug mit Ta­ges­zu­las­sung auf die Be­klag­te ent­spricht nicht den ver­trag­li­chen Ab­re­den. Das von der Be­klag­ten be­reit­ge­stell­te Fahr­zeug hat ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 1 BGB. Die Be­klag­te ist aber gem. § 433 I 1 BGB zur ord­nungs­ge­mä­ßen Er­fül­lung des Kauf­ver­trags ver­pflich­tet, ei­ne man­gel­freie Sa­che zu lie­fern. Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Nach­er­fül­lung durch Lie­fe­rung ei­nes Fahr­zeugs oh­ne den Man­gel der Ta­ges­zu­las­sung, denn es liegt nicht nur ei­ne un­er­heb­li­che Ab­wei­chung von den ver­trag­li­chen Ab­re­den vor.

Es ist zwar zu­tref­fend, dass der BGH in sei­ner Ent­schei­dung vom 12.01.2005 (NJW 2005, 1422) aus­ge­führt hat, ei­ne Ta­ges­zu­las­sung neh­me ei­nem un­be­nutz­ten Kfz nicht die Ei­gen­schaft als Neu­fahr­zeug. Je­doch liegt der hier zu ent­schei­den­de Fall an­ders. In dem der Ent­schei­dung des BGH zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt hat­te der Käu­fer den Kauf­ver­trag über ein Fahr­zeug ge­schlos­sen, dass we­ni­ge Ta­ge vor Ver­trags­schluss auf die Händ­le­rin zu­ge­las­sen wor­den war. Für den BGH war maß­ge­bend, dass von ei­ner Ta­ges­zu­las­sung bei­de Ver­trags­par­tei­en pro­fi­tie­ren. Der Händ­ler er­hält Prä­mi­en für ho­he Ab­satz­zah­len. Die­se gibt er je­den­falls zum Teil an den Kun­den wei­ter. Der Kun­de er­hält ein nicht be­nutz­tes Fahr­zeug, je­doch zu ei­nem ge­rin­ge­ren Preis als vom Her­stel­ler vor­ge­ge­ben. In dem vom BGH ent­schie­de­nen Fall war das Fahr­zeug mit ei­nem deut­li­chen Preis­nach­lass ver­kauft wor­den. Der Käu­fer hat­te al­so ei­ne Kom­pen­sa­ti­on für die Ta­ges­zu­las­sung er­hal­ten.

Vor­lie­gend ist der Fall je­doch an­ders ge­la­gert. Hier soll­te die Ta­ges­zu­las­sung erst nach Ver­trags­schluss er­fol­gen. Wie in der münd­li­chen Ver­hand­lung un­strei­tig ge­stellt wur­de, wur­de der Klä­ger auf den Um­stand der Ta­ges­zu­las­sung nicht aus­drück­lich hin­ge­wie­sen. Das Fahr­zeug wur­de auch nicht mit er­heb­li­chem Preis­nach­lass an­ge­bo­ten.

Dem Klä­ger muss­te es sich nicht auf­drän­gen, dass die Be­klag­te das Fahr­zeug zu­nächst auf sich zu­las­sen wer­de, be­vor sie an ihn aus­lie­fer­te.

Die Be­klag­te meint, der Klä­ger ha­be das dar­aus ab­lei­ten müs­sen, weil sie nur Ser­vice­part­ner, nicht aber Ver­trags­part­ner [des Her­stel­lers] sei. Als Ser­vice­part­ner er­hal­te sie vom Her­stel­ler L nur Fahr­zeu­ge mit der Maß­ga­be, sie zu­nächst auf sich zu­zu­las­sen. Der Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­klag­ten kann nicht ge­folgt wer­den. Die Be­klag­te wirbt z. B. in [ei­nem] Rund­schrei­ben un­ter dem L-Lo­go mit der An­ga­be „Ser­vice-/Ver­trags­part­ner“. Ver­brau­cher, die nicht im Kfz-Ver­trieb kun­dig sind, kön­nen hier­aus nicht ab­lei­ten, dass ein Un­ter­schied zum Ver­trags­händ­ler be­steht und auch nicht, wor­in die­ser be­steht.

Das Ge­richt folgt auch nicht der Ent­schei­dung des LG Wup­per­tal (Urt. v. 09.02.2006 – 9 S 146/05, DAR 2007, 652 ff.). Vom Sach­ver­halt ist der vor­lie­gen­de Rechts­streit zwar ähn­lich ge­la­gert, denn auch das LG Wup­per­tal hat­te über den Fall zu ent­schei­den, dass nach dem Ver­kauf die Ta­ges­zu­las­sung auf die Ver­käu­fe­rin er­folg­te. Der Käu­fer hat­te dies erst nach Jah­ren be­merkt, als er nach ab­ge­schlos­se­ner Kfz-Fi­nan­zie­rung den Kfz-Brief er­hielt. Der Käu­fer be­rief sich so­dann auf arg­lis­ti­ge Täu­schung. Die Ver­käu­fe­rin be­haup­te­te, die Kurz­zu­las­sung sei beim Kauf­preis be­rück­sich­tigt wor­den.

Dies wird von der Be­klag­ten al­ler­dings nicht (mehr) be­haup­tet. Der Ge­schäfts­füh­rer hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung er­klärt, er ha­be an den Klä­ger kei­nen Ra­batt für die Ta­ges­zu­las­sung wei­ter­ge­ge­ben, weil auch er we­gen der star­ken Nach­fra­ge auf­grund der Um­welt­prä­mie kei­nen Ra­batt vom Her­stel­ler er­hal­ten ha­be. Zwar ist dem Klä­ger ein Ra­batt von 4 % ge­währt wor­den, die­ser ist aber nicht mit Blick auf die Ta­ges­zu­las­sung ge­währt wor­den. Er dürf­te auch der Hö­he nach nicht dem in der Bran­che üb­li­chen Nach­lass für ei­ne Kurz­zu­las­sung ent­spre­chen.

Auf­grund des an­ders ge­la­ger­ten Sach­ver­halts muss­te sich das LG Wup­per­tal nicht mit der Fra­ge be­fas­sen, ob die Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs ver­trags­ge­mäß war, son­dern nur, ob ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung über ei­ne Ei­gen­schaft vor­lag. Da­bei stell­te das LG Wup­per­tal eben­so wie der BGH auf ei­ne Ab­wä­gung der In­ter­es­sen von Ver­käu­fer und Käu­fer ab. Weil ein Käu­fer ein nicht be­nutz­tes Fahr­zeug er­hält, da­für aber nicht den vol­len Neu­wa­gen­preis zah­len muss, ist es ge­recht­fer­tigt, die Ta­ges­zu­las­sung hin­zu­neh­men. Die­se Ab­wä­gung trägt, wenn ein Käu­fer tat­säch­lich ei­nen ent­spre­chend nied­ri­gen Preis zah­len muss. Er er­hält da­durch die Kom­pen­sa­ti­on für ei­nen et­wai­gen Nach­teil, z. B. dass er bei ei­nem Wei­ter­ver­kauf nicht „Ver­kauf aus ers­ter Hand“ an­ge­ben kann (vgl. in­so­fern auch die Be­spre­chung der Ent­schei­dung des LG Wup­per­tal durch Ha­chen­berg-Trom­pet­ter, DAR 2007, 653 ff.). Das Ar­gu­ment des er­folg­ten In­ter­es­sen­aus­glei­ches ver­sagt aber, wenn ein Käu­fer wie der Klä­ger kei­nen Wert­aus­gleich er­hal­ten soll …

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