- Die Frage, ob die Angabe der Laufleistung in einem Kfz-Kaufvertrag lediglich eine Beschaffenheitsangabe (§ 434 I 1 BGB) oder eine Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Fall 2 BGB) ist, ist unter Berücksichtigung der beim Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen typischerweise gegebenen Interessenlage zu beantworten. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob der Verkäufer ein Gebrauchtwagenhändler oder eine Privatperson ist. Ist der Verkäufer eine Privatperson, ist die Angabe der Laufleistung in der Regel lediglich als Beschaffenheitsangabe und nicht als Beschaffenheitsgarantie zu verstehen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 22 ff.).
- Darauf, ob die Angabe der Laufleistung in einem Kfz-Kaufvertrag als Beschaffenheitsgarantie oder lediglich als Beschaffenheitsvereinbarung zu werten ist, kommt es in der Regel nicht an. Denn der Verkäufer kann sich auch dann nicht mit Erfolg auf einen pauschalen Ausschluss seiner Haftung für Sachmängel berufen, wenn hinsichtlich der Laufleistung nur eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Ein pauschaler Gewährleistungsausschluss gilt nämlich nicht für einen Mangel, der darin besteht, dass der Kaufsache eine vereinbarte Beschaffenheit fehlt (§ 434 I 1 BGB), sondern nur für Mängel i. S. von § 434 I 2 BGB (im Anschluss an BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31).
- Die Angabe der Laufleistung in einem Kfz-Kaufvertrag kann eine individuelle Vertragsabrede i. S. des § 305b BGB sein, die Vorrang vor einem – hier in einem „mobile.de“-Vertragsformular enthaltenen – vorformulierten und als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizierenden Gewährleistungsausschluss hat.
LG Potsdam, Urteil vom 19.03.2009 – 3 S 151/08
Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte, von der er einen gebrauchten E-Klasse-Mercedes erworben hat, nach Minderung des Kaufpreises auf Erstattung des zu viel gezahlten Betrags in Anspruch.
Das Amtsgericht hat der Klage nach einer umfangreichen Beweisaufnahme weitgehend stattgegeben. Es hat ausgeführt, dass sich die Beklagte nach § 444 BGB nicht auf den im Kaufvertrag enthaltenen Gewährleistungsausschluss berufen könne. Denn der für die Beklagte handelnde Zeuge Z habe zum einen zur (tatsächlichen) Laufleistung des Fahrzeugs Angaben „ins Blaue hinein“ gemacht und den Kläger so arglistig getäuscht. Zum anderen habe Z dem Kläger eine Laufleistung von 132.822 km garantiert. Der Kläger habe Z nämlich mehrfach gefragt, ob der vom Kilometerzähler angezeigte Kilometerstand der tatsächlichen Laufleistung des Fahrzeugs entspreche. Dies habe Z jeweils bejaht, obwohl er gewusst habe, dass der Kilometerzähler nicht die tatsächliche Laufleistung angezeigt habe. Im Hinblick auf die Höhe der Minderung ist das Amtsgericht den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen gefolgt; dieser hatte bekundet, dass der Pkw schon Ende 2003 eine Laufleistung von 165.033 km aufgewiesen und die Laufleistung beim Verkauf des Fahrzeugs an den Kläger hochgerechnet 197.500 km betragen habe.
Die Berufung der Beklagten, die damit weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, war erfolglos.
Aus den Gründen: II. … Das Amtsgericht hat der Klage – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht weitgehend stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf den tenorierten Minderungsbetrag gemäß §§ 433 I, 437 Nr. 2 Fall 2, §§ 439, 441 BGB.
Die Beklagte kann sich im Hinblick auf die vom Vertrag abweichende Laufleistung des Fahrzeugs auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss nicht berufen.
Dies folgt allerdings nicht aus der Vorschrift des § 444 Fall 2 BGB, denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt in der Angabe des Kilometerstands und der Laufleistung keine Garantie einer entsprechenden Beschaffenheit.
Die Übernahme einer Garantie setzt – wie vor der Schuldrechtsmodernisierung die Zusicherung einer Eigenschaft – voraus, dass der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Beschaffenheit einzustehen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = juris Rn. 20). Die Frage, ob die Angabe der Laufleistung lediglich als Beschaffenheitsangabe (§ 434 I 1 BGB) oder aber als Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Fall 2 BGB) zu werten ist, ist unter Berücksichtigung der beim Kaufvertrag über ein Gebrauchtfahrzeug typischen Interessenlage zu beantworten. Dabei ergeben sich Unterschiede zwischen einem Kauf von einem Gebrauchtwagenhändler und einem privaten Verkauf: Während sich der Käufer beim Händler im Regelfall auf dessen besondere Erfahrung und Sachkunde verlässt, steht beim privaten Verkauf dem Interesse des Käufers gleichgewichtig das Interesse des Verkäufers gegenüber, für nicht mehr als dasjenige einstehen zu müssen, was er nach seiner laienhaften Kenntnis zu beurteilen vermag (BGH, Urt. v. 17.04.1991 – VIII ZR 114/90, juris Rn. 13). Allein aus der Angabe der Laufleistung kann der Käufer beim Privatverkauf eines Gebrauchtfahrzeugs daher nicht schließen, der Verkäufer wolle für die Richtigkeit dieser Angabe unter allen Umständen einstehen; auch dann nicht, wenn der Verkäufer dies nicht ausdrücklich angibt. Will er eine Garantie für die Laufleistung haben, muss er sich diese regelmäßig ausdrücklich von dem Verkäufer geben lassen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 25 f.).
Es liegen hier auch keine besonderen Umstände vor, welche beim Kläger die berechtigte Erwartung wecken konnten, die Beklagte wolle für die Richtigkeit ausnahmsweise einstehen. Der Zeuge X hat zwar bekundet, dass der Zeuge Z auf Nachfrage erklärt habe, dass der Kilometerstand zutreffend sei und er dies schriftlich bestätigen könne. Hierin könnte gegebenenfalls eine Gewährsübernahme für die Richtigkeit der Angabe liegen. Allerdings hat der Zeuge Z diese Aussage nicht bestätigt, sodass in diesem Punkt von einer Beweisfälligkeit der Klägerseite auszugehen ist.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegt auch kein Fall des § 444 Fall 1 BGB vor.
Das Amtsgericht stützt die Annahme einer arglistigen Täuschung allein auf die Aussage des Zeugen X. Dieser soll bestätigt haben, dass der Zeuge Z trotz schlechter Lesbarkeit des Tachostands „irgendetwas“ eingetragen habe. Ein derartiger Gehalt ist der Aussage des Zeugen jedoch nicht beizumessen. Der Zeuge hat lediglich bekundet, dass es mit der Ablesbarkeit gewisse Probleme gegeben habe. Auf die Nachfrage, ob er dem Zeugen Z daraufhin freigestellt habe, einen Tachostand nach seinem Gutdünken einzutragen, antwortete der Zeuge, dass dies möglich sei, er das aber nicht mehr wisse. Eine Kenntnis des Zeugen von der Unrichtigkeit des Tachostands lässt sich hieraus nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht ableiten.
Auch „Angaben ins Blaue hinein“ sind hierdurch nicht belegt. Das Amtsgericht hat bei der Beweiswürdigung völlig unberücksichtigt gelassen, dass der TÜV Stuttgart am selben Tag den Kilometerstand bis auf eine Differenz von zwei Kilometern in den TÜV-Bericht eingetragen hat. Dieser Umstand relativiert die Aussage des Zeugen erheblich.
Auch der Austausch des Kombigeräts kurz nach dem Kauf spricht nicht für eine mangelnde Ablesbarkeit des Tachostands. Der Zeuge Z hat nachvollziehbar ausgeführt, dass das Kombigerät wegen Lesbarkeitsproblemen bei der Gangwahl und in anderen Bereichen ausgetauscht worden sei, nicht jedoch wegen der Tachoanzeige – ein Problem, welches bei Kombigeräten der E-Klasse öfter aufgetreten sei. Letzteres wurde vom hierzu befragten Sachverständigen bestätigt.
Der Zeuge hatte auch keinen Anlass, den Kläger auf den Austausch des Kombigeräts ausdrücklich hinzuweisen. Nachdem der Kilometerstand bei einem solchen Austausch lediglich wieder neu eingelesen wird, bestanden nach den Ausführungen des Sachverständigen bei dieser Maßnahme nicht mehr oder weniger Möglichkeiten der Manipulation als sonst auch. Eine Manipulation während der Besitzzeit der Beklagten konnte nicht festgestellt werden.
Letztlich ist die Frage, ob ein Fall des § 444 BGB vorliegt, nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht streitentscheidend. Die Beklagte kann sich auf den Gewährleistungsausschluss bereits deshalb nicht berufen, weil die vereinbarte Laufleistung gemäß § 305b BGB als Individualvereinbarung dem formularmäßigen pauschalen Gewährleistungsausschluss vorgeht (dazu a), aber auch deshalb nicht, weil sich der Haftungsausschluss nicht auf die Laufleistung als vereinbarte Beschaffenheit erstreckt (dazu b).
a) Die Angabe des Kilometerstands und der Gesamtfahrleistung sind als Beschaffenheitsvereinbarungen im Rahmen des vorliegenden Vertrags „Individualvereinbarungen“ i. S. des § 305b BGB. Hingegen ist der pauschale Haftungsausschluss als vorgefertigte Bestimmung als Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. des § 305 I BGB einzustufen. Unstreitig handelt es sich bei dem „Kaufvertrag“ um ein Formular des Internetanbieters „mobile.de“, welches den Gewährleistungsausschluss von vornherein enthält. Dies ergibt sich aus dem Blankoformular, welches die Beklagte als Anlage B 1 zur Akte gereicht hat. Dabei handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verwendungen formulierte Bedingung, mit deren Geltung die Parteien einverstanden waren. Dass die Partei selbst eine mehrfache Verwendung plant, ist nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, NJW 1991, 843).
Die Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit steht dabei in deutlichem Widerspruch zu einem umfassenden Haftungsausschluss, sodass dieser Vereinbarung bei einer interessengerechten Auslegung nur die Bedeutung zukommen kann, dass damit für die Laufleistung – abweichend von der vorformulierten Bedingung eines pauschalen Haftungsausschlusses – die Gewährleistung übernommen wird. Die Individualvereinbarung wäre sonst ohne jeden Sinn (vgl. auch Reinking, EWiR 2007, 361, 362).
b) Aber auch unabhängig von der Frage der Allgemeinen Geschäftsbedingung und der Regelung des § 305b BGB ist die Laufleistung als vereinbarte Beschaffenheit vom Gewährleistungsausschluss nicht erfasst.
Die Frage, ob ein vereinbarter Haftungsausschluss in uneingeschränktem Sinne aufzufassen ist oder nicht, ist nicht nur nach dem Wortlaut der Ausschlussbestimmung, sondern nach dem gesamten Vertragstext zu beurteilen (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 30; Urt. v. 14.10.1966 – V ZR 188/63, NJW 1967, 32, 33). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Vertrag neben dem Haftungsausschluss auch die Beschaffenheitsvereinbarung (hier: bestimmte Laufleistung) enthält. Soll diese über eine bloße Beschreibung des Kaufgegenstands hinaus rechtlich überhaupt eine Bedeutung haben, kann eine interessengerechte Auslegung dieser Kombination aus Beschaffenheitsvereinbarung und Gewährleistungsausschluss nur dahin vorgenommen werden, dass der Haftungsausschluss nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gilt (BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 Rn. 31; zustimmend LG Krefeld, Urt. v. 01.02.2008 – 1 S 119/07, juris Rn. 11 f.; Urt. v. 24.08.2007 – 1 S 44/07, juris Rn. 21; Reinking, EWiR 2007, 361, 362).
Die hiergegen von der Berufungsklägerin im Schriftsatz vom 17.04.2009 gerichteten Angriffe überzeugen nicht.
Richtig ist, dass im Ergebnis der Rechtsprechung des BGH Garantie und Arglist nicht mehr die einzigen Instrumente sind, um den Gewährleistungsausschluss „auszuhebeln“, wie dies in der Literatur formuliert wird (vgl. Reinking, EWiR 2007, 361, 362). Die Beschaffenheitsvereinbarung hat sich dazugesellt. Dies ist jedoch nicht widersprüchlich, sondern liegt in der Konsequenz der mit der Schuldrechtsreform neu in das Gesetz eingefügten „Beschaffenheitsvereinbarung“ (§ 434 I 1 BGB). Im früheren Recht ist die Beschaffenheitsvereinbarung im Regelfall als zugesicherte Eigenschaft eingestuft worden (vgl. auch Emmert, NJW 2006, 1765, 1767 f.). In der Neuregelung nimmt sie eine Stufe unterhalb der Garantie ein und führt daher – anders als die Garantie – nicht in jedem Fall dazu, dass ein gleichzeitig vereinbarter Gewährleistungsausschluss diesbezüglich unwirksam ist. Dies ist vielmehr eine Frage der Auslegung der vertraglichen Regelungen und damit des Einzelfalls. Es sind mannigfaltige Einschränkungen einer Beschaffenheitsvereinbarung denkbar, welche im Ergebnis eben doch zum Ausschluss der Gewährleistung führen. Wenn jedoch – wie hier – eine Vereinbarung einer Gesamtlaufleistung (nicht nur des abgelesenen Kilometerstands) ohne jede Einschränkung vorliegt, muss es sich der Verkäufer gefallen lassen, wie ein Garant behandelt zu werden. Die Beschaffenheitsvereinbarung hätte ansonsten lediglich deklaratorischen Charakter. Aus diesem Grund ist auch die von der Berufungsklägerin geforderte „andere“ Auslegung nicht interessengerecht.
Auch dogmatisch überzeugt die Entscheidung des BGH. Insbesondere ist aus der Regelung des § 444 BGB nicht zwingend zu folgern, dass in allen anderen Fällen ein Gewährleistungsausschluss wirksam ist. Die Frage der Reichweite eines Haftungsausschlusses, welche durch Auslegung ermittelt wird, ist der Anwendung des § 444 BGB gedanklich vorgelagert. Im Ergebnis mag sie dazu führen, dass der Käufer trotz fehlender Garantie die Mängelgewährleistungsrechte geltend machen kann. Dies ist jedoch eine Frage der konkreten Vertragsgestaltung.
Im Hinblick auf die Höhe der Minderung kann auf die Ausführungen des Amtsgerichts in vollem Umfang verwiesen werden. Der Vortrag der Berufungsklägerin, wonach auch in Betracht gezogen werden müsse, dass das Fahrzeug längere Zeit überhaupt nicht genutzt worden sei, ist wenig lebensnah. Die Höhe der Minderung kann gemäß § 441 III 2 BGB i. V. mit § 287 II ZPO geschätzt werden. In diesem Rahmen begegnen die Berechnungen des Amtsgerichts, die dieses mithilfe des Sachverständigengutachtens durchgeführt hat, keinen Bedenken. …