1. Die An­zahl der Vor­hal­ter ei­nes Ge­braucht­wa­gens kann zwar Ge­gen­stand ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung (§ 434 I 1 BGB) sein. Ei­ne sol­che Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung liegt aber nicht vor, wenn der Ver­käu­fer die An­zahl der Vor­hal­ter mit der Ein­schrän­kung „lt. Kfz-Brief“ an­gibt. In ei­nem sol­chen Fall haf­tet der Ver­käu­fer viel­mehr le­dig­lich da­für, dass er das im Fahr­zeug­brief Ein­ge­tra­ge­ne rich­tig und voll­stän­dig wie­der­gibt.
  2. Ha­ben der Ver­käu­fer und der Käu­fer ei­nes Ge­braucht­wa­gens i. S. von § 434 I 1 BGB ver­ein­bart, dass der Käu­fer ein Fahr­zeug „aus ers­ter Hand“ er­hält, liegt nicht per se des­halb ein Ver­stoß ge­gen die­se Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung vor, weil im Zeit­punkt der Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer be­reits zwei oder mehr Hal­ter im Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen sind. Viel­mehr ist hin­sicht­lich der ein­ge­tra­ge­nen Vor­hal­ter dar­auf ab­zu­stel­len, ob die­se das Fahr­zeug auch ge­nutzt ha­ben oder ob die je­wei­li­ge Zu­las­sung nur for­mal er­folgt ist, oh­ne dass sich da­durch die Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs ge­än­dert hat.

LG Kiel, Ur­teil vom 09.12.2008 – 1 S 155/08

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin kauf­te von der Be­klag­ten mit Ver­trag vom 17.01.2007 für 34.670 € ei­nen ge­brauch­ten Pkw der Mar­ke Mer­ce­des-Benz. Den Kauf­preis ent­rich­te­te sie am sel­ben Tag. Die Be­klag­te soll­te die Zu­las­sung des Fahr­zeugs auf die Klä­ge­rin be­sor­gen.

In der dem Kauf­ver­trag zu­grun­de lie­gen­den ver­bind­li­chen Be­stel­lung heißt es un­ter an­de­rem: „Zahl der Hal­ter lt. Kfz-Brief: 1“.

Der Pkw wur­de am 29.01.2007 zu­nächst auf die Be­klag­te und so­dann – am sel­ben Tag – auf die Klä­ge­rin zu­ge­las­sen. In dem Fahr­zeug­brief, den die Klä­ge­rin an­schlie­ßend er­hielt, wird die An­zahl der Vor­hal­ter mit „2“ an­ge­ge­ben.

Die Klä­ge­rin meint, das Fahr­zeug ha­be durch die Ein­tra­gung ei­nes zwei­ten Vor­hal­ters in den Fahr­zeug­brief ei­ne Wert­min­de­rung von 1.000 € er­fah­ren. Sie hat in der ers­ter In­stanz be­an­tragt, die Be­klag­te zur Zah­lung die­ses Be­trags nebst Zin­sen zu ver­ur­tei­len. Die Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat be­haup­tet, als sie das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug er­wor­ben ha­be, ha­be der Fahr­zeug­schein ge­fehlt. Da­her ha­be der Pkw nicht un­mit­tel­bar auf die Klä­ge­rin zu­ge­las­sen wer­den kön­nen, son­dern ha­be zu­nächst auf sie, die Be­klag­te, zu­ge­las­sen wer­den müs­sen. Mit die­sem Vor­ge­hen sei der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin ein­ver­stan­den ge­we­sen.

Das Amts­ge­richt hat die Be­klag­te ver­ur­teilt, an die Klä­ge­rin 700 € nebst Zin­sen zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass bei Über­ga­be des Pkw an die Klä­ge­rin mehr Vor­hal­ter im Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­gen ge­we­sen sei­en, als ver­trag­lich ver­ein­bart wor­den sei. Die Ab­wei­chung be­grün­de ei­ne Wert­min­de­rung, die aus­weis­lich ei­nes vom Ge­richt ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens 700 € be­tra­ge. Die Be­klag­te ha­be nicht be­wie­sen, dass die Klä­ge­rin da­mit ein­ver­stan­den ge­we­sen sei, dass das Fahr­zeug zu­nächst auf die Be­klag­te zu­ge­las­sen wer­de.

Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Be­klag­te gel­tend ge­macht, dass es nicht – abs­trakt – auf die An­zahl der im Fahr­zeug­brief ein­ge­tra­ge­nen Hal­ter an­kom­me, son­dern dar­auf ab­zu­stel­len sei, ob die Zu­las­sung des Fahr­zeugs mit ei­ner Nut­zung ein­her­ge­gan­gen sei. Die Klä­ge­rin meint dem­ge­gen­über, dass die An­zahl der Vor­hal­ter ei­ne Be­schaf­fen­heit i. S. von § 434 I 1 BGB sei. Dem Pkw ha­be da­her bei Ge­fahr­über­gang (§ 446 Satz 1 BGB) ei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit ge­fehlt, da im Fahr­zeug­brief nicht ein Vor­hal­ter, son­dern zwei Vor­hal­ter ein­ge­tra­gen ge­we­sen sei­en.

Das Rechts­mit­tel hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die Klä­ge­rin hat kei­nen An­spruch auf Min­de­rung des Kauf­prei­ses1Ei­nen „An­spruch auf Min­de­rung des Kauf­prei­ses“ gibt es nicht, weil die Min­de­rung ein Ge­stal­tungs­recht ist. ge­mäß § 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB, denn es liegt kein Sach­man­gel vor (§ 434 I BGB).

Ins­be­son­de­re fehlt dem Fahr­zeug kei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit.

Zwar stellt die An­zahl der Vor­hal­ter ei­ne Be­schaf­fen­heit i. S. des § 434 I BGB dar. Ver­ein­bart ist ei­ne sol­che aber nur dann, wenn der In­halt des Kauf­ver­trags die Pflicht des Ver­käu­fers be­stimmt, die ge­kauf­te Sa­che in dem Zu­stand zu über­eig­nen, wie ih­re Be­schaf­fen­heit im Ver­trag fest­ge­legt ist (Pa­landt/​Wei­den­kaff, BGB, 68. Aufl. [2009], § 434 Rn. 15). Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung liegt hier nicht vor.

Die An­zahl der Hal­ter (1) ist im Ver­trag mit dem Ver­merk „lt. Kfz-Brief“ ver­se­hen. Da­mit über­nahm die Be­klag­te nicht die Ge­währ für die Rich­tig­keit und die Ver­pflich­tung, ein Fahr­zeug mit nur ei­nem Vor­hal­ter zu über­eig­nen. Der Ver­merk stellt nur ei­ne Wis­sens­er­klä­rung dar. Der Ver­käu­fer bringt nicht hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck, dass er in ver­trags­mä­ßig bin­den­der Wei­se die Haf­tung für die Rich­tig­keit der An­ga­be über­neh­men und für die Fol­gen des Feh­lens der be­tref­fen­den Ei­gen­schaft ein­ste­hen will. Schon un­ter der Gel­tung des al­ten Kauf­rechts wur­de der Zu­satz „lt. Fahr­zeug­brief“ beim Ge­braucht­wa­gen­han­del nicht als Zu­si­che­rung ei­ner Ei­gen­schaft der Kauf­sa­che i. S. von § 459 II BGB a.F. an­ge­se­hen (BGH, Urt. v. 04.06.1997 – VI­II ZR 243/96, BGHZ 135, 393, 398). Aus dem glei­chen Grund ist nach der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung nicht nur ei­ne Be­schaf­fen­heits­ga­ran­tie zu ver­nei­nen, die ei­ne Ei­gen­schafts­zu­si­che­rung nach al­tem Kauf­recht zu­min­dest mit ein­schließt, son­dern auch ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung (BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 Rn. 13). Der Ver­käu­fer haf­tet bei ei­nem sol­chen Zu­satz le­dig­lich für die Rich­tig­keit und Voll­stän­dig­keit der Wie­der­ga­be. Die­se war hier nicht un­rich­tig, denn aus­weis­lich des Fahr­zeug­briefs war zur – ent­schei­den­den – Zeit des Ver­trags­schlus­ses nur ein Vor­hal­ter ein­ge­tra­gen. Im Üb­ri­gen ist auch un­strei­tig, dass es kei­nen an­de­ren Vor­hal­ter als die C-Ge­bäu­de­ser­vice GmbH aus Lan­gen gab.

Selbst wenn ver­ein­bart wor­den wä­re, dass die Be­klag­te ein Fahr­zeug mit nur ei­nem Vor­hal­ter über­ge­ben soll­te, lä­ge kein Man­gel vor. Die kurz­fris­ti­ge Ein­tra­gung der Be­klag­ten än­dert nichts dar­an, dass es sich um ein Fahr­zeug aus ers­ter Hand han­delt. Die Zu­las­sung auf die Be­klag­te ist nur er­folgt, weil ei­ne di­rek­te Um­mel­dung we­gen des feh­len­den Fahr­zeug­scheins nicht mög­lich war. Sie er­folg­te dem­nach nur for­mal, oh­ne dass sich die Be­schaf­fen­heit des Fahr­zeugs (nur ein Vor­hal­ter) än­der­te. Ent­schei­dend kommt es dar­auf an, ob mit der Zu­las­sung auch ei­ne Nut­zung des Fahr­zeugs ein­her­geht. Ei­ne Wert­be­ein­träch­ti­gung ei­nes Pkw durch ei­ne er­höh­te An­zahl von Vor­be­sit­zern be­ruht al­lein dar­auf, dass mit der An­zahl der Vor­be­sit­zer das Ri­si­ko ei­ner un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung und Be­die­nung des Fahr­zeugs steigt. Die­ses Ri­si­ko ist dann nicht vor­han­den, wenn ei­ne kurz­zei­ti­ge Zu­las­sung oh­ne tat­säch­li­che Nut­zung er­folgt ist. Die Klä­ge­rin kann auch nach­wei­sen, dass sie ein Fahr­zeug mit nur ei­nem Vor­hal­ter er­wor­ben hat und die Ein­tra­gung der Be­klag­ten oh­ne je­de Nut­zung aus for­ma­len Grün­den er­folgt ist. Aus dem ent­wer­te­ten Fahr­zeug­brief ist er­sicht­lich, dass die Um­mel­dung auf die Be­klag­te am 29.01.2007 er­folgt ist. Aus dem neu­en, der Klä­ge­rin über­ge­be­nen Fahr­zeug­brief er­gibt sich, dass die Zu­las­sung auf die Klä­ge­rin am sel­ben Tag vor­ge­nom­men wur­de. Die Be­klag­te kann das Fahr­zeug nicht ge­nutzt ha­ben.

Fehlt dem Fahr­zeug so­mit kei­ne ver­ein­bar­te Be­schaf­fen­heit und liegt auch sonst kein Sach­man­gel vor, so kom­men Min­de­rungs­an­sprü­che nicht in Be­tracht. …

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