1. Oh­ne ge­gen­tei­li­ge An­halts­punk­te darf ein durch­schnitt­li­cher Ge­braucht­wa­gen­käu­fer da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug so alt ist, wie das im Fahr­zeug­brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) ein­ge­tra­ge­ne und im Kauf­ver­trag in Be­zug ge­nom­me­ne Da­tum der Erst­zu­las­sung ver­mu­ten lässt. Der Durch­schnitts­käu­fer darf er­war­ten, dass das Fahr­zeug in dem­je­ni­gen Jahr ge­baut wor­den ist, auf das der Zeit­punkt der mit­ge­teil­ten Erst­zu­las­sung schlie­ßen lässt. Ei­ne län­ge­re Span­ne als zwölf Mo­na­te zwi­schen Pro­duk­ti­on und dem Zeit­punkt der Erst­zu­las­sung muss er in der Re­gel nicht ein­kal­ku­lie­ren.
  2. Er­klä­run­gen, die ein Kraft­fahr­zeug­händ­ler un­ter Ein­schrän­kun­gen wie „laut Fahr­zeug­brief“ oder „laut Vor­be­sit­zer“ ab­gibt, sind we­der Zu­si­che­run­gen noch Be­schaf­fen­heits­ga­ran­ti­en.

OLG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 16.06.2008 – I-1 U 231/07

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten dar­über, ob der Klä­ger das Recht hat, von ei­nem Kauf­ver­trag über ei­nen Pkw zu­rück­zu­tre­ten.

Dem Ver­trag liegt die „ver­bind­li­che Be­stel­lung ei­nes ge­brauch­ten Fahr­zeugs“ vom 23.06.2006 zu­grun­de. Ge­gen­stand der Be­stel­lung ist ein als „ge­brauch­tes Fahr­zeug“ be­zeich­ne­ter VW Golf V mit ei­ner Lauf­leis­tung von 10 km, spä­ter ein­ver­ständ­lich kor­ri­giert auf 228 km. Das Da­tum der „Erst­zu­las­sung lt. Fzg-Brief“ ist mit „27.04.2006“ no­tiert. Ei­ne Bau­jahrs­an­ga­be fehlt im Be­stell­schein. Un­strei­tig wur­de das Fahr­zeug be­reits En­de Sep­tem­ber 2003 pro­du­ziert. Ex­por­tiert und re­impor­tiert wur­de es nicht, wie im Be­stell­schein aus­drück­lich ver­merkt ist. In der Zeit­span­ne von rund 31 Mo­na­ten zwi­schen dem Da­tum der Pro­duk­ti­on und dem Da­tum der Erst­zu­las­sung sieht der Klä­ger ei­nen er­heb­li­chen, zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­den Man­gel. Er ha­be an­ge­nom­men, ein Fahr­zeug des Bau­jahrs 2006 zu er­hal­ten. Mit An­walts­schrei­ben vom 08.12.2006 trat der Klä­ger vom Kauf zu­rück und er­klär­te au­ßer­dem die An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung.

Das Land­ge­richt hat der Kla­ge im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Mit dem Land­ge­richt ist der Se­nat der An­sicht, dass der Klä­ger zum Rück­tritt vom Kauf be­rech­tigt ist (§ 437 Nr. 2, §§ 323 I, 326 V BGB).

1. Das Fahr­zeug ist man­gel­haft. Das folgt je­den­falls aus § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Ob die Kauf­ver­trags­par­tei­en münd­lich ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung über das Al­ter ge­trof­fen ha­ben, wie vom Klä­ger be­haup­tet und un­ter Be­weis ge­stellt, kann of­fen­blei­ben. Nach den Ver­trags­ur­kun­den, ins­be­son­de­re der schrift­li­chen Be­stel­lung vom 23.06.2006, sieht der Se­nat kei­ne trag­fä­hi­ge Grund­la­ge für die An­nah­me ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung über das Fahr­zeugal­ter. Der Klä­ger hat den VW Golf nicht als „Neu­wa­gen“ oder als „Jah­res­wa­gen“ ge­kauft, wo­mit Ver­ein­ba­run­gen über das Al­ter, an­er­kann­ter­ma­ßen ein Merk­mal der Be­schaf­fen­heit ei­nes Kraft­fahr­zeugs, ver­bun­den wä­ren. Viel­mehr wur­de das Fahr­zeug als „ge­braucht“ ge­kauft, wenn auch mit ei­ner für ein Ge­brauch­fahr­zeug un­ge­wöhn­lich nied­ri­gen Lauf­leis­tung von 10 km. Ty­pi­scher­wei­se ist das ei­ne Fahr­leis­tung von Fahr­zeu­gen der Ka­te­go­rie „Ta­ges­zu­las­sung/Kurz­zu­las­sung“.

a) Aus­weis­lich des Kauf­ver­trags­for­mu­lars wur­de der VW Golf am 27.04.2006 erst­mals zum Stra­ßen­ver­kehr zu­ge­las­sen, da­mit rund zwei Mo­na­te vor der Be­stel­lung durch den Klä­ger. Der Se­nat sieht in der Be­stell­schein­ein­tra­gung „Erst­zu­las­sung lt. Fzg-Brief: 27.04.2006“ kei­ne Be­schaf­fen­heits­an­ga­be, son­dern le­dig­lich ei­ne Wis­sens­mit­tei­lung. Das ist die Kon­se­quenz aus der Ent­schei­dung des BGH vom 12.03.2008 (Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517). Hier­nach sind Er­klä­run­gen, die ein Kraft­fahr­zeug­händ­ler un­ter Ein­schrän­kun­gen wie „lt. Fzg-Brief“ oder „laut Vor­be­sit­zer“ ab­gibt – an­ders als un­ter der Gel­tung des al­ten Kauf­rechts –, nicht mehr als Zu­si­che­run­gen bzw. Be­schaf­fen­heits­ga­ran­ti­en ein­zu­stu­fen. Selbst ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung kommt nach An­sicht des BGH nur noch in ei­nem ein­deu­ti­gen Fall in Be­tracht. Ver­neint hat der BGH ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung bei der An­ga­be „Un­fall­schä­den lt. Vor­be­sit­zer: nein“, für die An­ga­be „PS/kW lt. Fzg-Brief“ so­wie für die Mit­tei­lung „Ge­samt­fahr­leis­tung laut Vor­be­sit­zer“. An­ga­ben zur Erst­zu­las­sung, die, wie im Streit­fall, auf den Fahr­zeug­brief (heu­te: Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) Be­zug neh­men, wer­den in der oben an­ge­ge­be­nen Ent­schei­dung des BGH zwar nicht aus­drück­lich an­ge­spro­chen. Die Neu­be­wer­tung von Händ­ler­in­for­ma­tio­nen des hier in Re­de ste­hen­den Typs gilt je­doch für die An­ga­be „Erst­zu­las­sung lt. Fzg-Brief“ glei­cher­ma­ßen. Da­bei ver­kennt der Se­nat nicht, dass der BGH in ei­ner äl­te­ren Ent­schei­dung die hand­schrift­li­che Ein­tra­gung ei­nes ge­nau­en Da­tums hin­ter dem vor­ge­druck­ten Wort „Erst­zu­las­sung“ als Be­schaf­fen­heits­an­ga­be an­ge­se­hen hat (BGH, Urt. v. 16.10.1991 – VI­II ZR 140/90, NJW 1992, 170). Ab­ge­se­hen da­von, dass sei­ner­zeit die Be­zug­nah­me auf den Fahr­zeug­brief als Quel­le der In­for­ma­ti­on ge­fehlt hat, stellt der BGH heu­te, un­ter den ge­än­der­ten Rah­men­be­din­gun­gen nach der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung, beim Ge­braucht­wa­gen­kauf ge­ne­rell hö­he­re An­for­de­run­gen selbst an die An­nah­me ei­ner blo­ßen Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung.

b) Aber selbst wenn man die An­ga­be „Erst­zu­las­sung lt. Fzg-Brief: 27.04.2006“ als ver­bind­li­che Zu­sa­ge der Rich­tig­keit des mit­ge­teil­ten Da­tums der Erst­zu­las­sung qua­li­fi­ziert, ist da­mit noch kei­ne Ver­ein­ba­rung über das Al­ter des Fahr­zeugs ge­trof­fen.

Wie das Land­ge­richt, wenn auch in an­de­rem Zu­sam­men­hang, zu Recht her­vor­hebt, kann das Da­tum der Erst­zu­las­sung im Ein­zel­fall, nicht all­ge­mein, ganz er­heb­lich vom Her­stel­lungs­da­tum ab­wei­chen. Das ist dem Se­nat aus ei­ner Viel­zahl ähn­li­cher Recht­strei­tig­kei­ten be­kannt. Für Ab­wei­chun­gen zwi­schen den bei­den Zeit­punk­ten gibt es selbst bei Fahr­zeu­gen, die, wie der streit­ge­gen­ständ­li­che VW Golf, nicht re­impor­tiert sind, viel­fäl­ti­ge Grün­de. Auf der an­de­ren Sei­te darf nicht ver­kannt wer­den, dass ein Kraft­fahr­zeug­händ­ler da­zu in der La­ge ist, sei­ne Kund­schaft über das (Ge­samt-)Al­ter ei­nes ge­brauch­ten Kraft­fahr­zeu­ges zu­min­dest durch Mit­tei­lung des Bau­jah­res oder des Mo­dell­jah­res zu in­for­mie­ren. Dies gilt ins­be­son­de­re für Ver­trags­händ­ler, die ein Pro­dukt ih­rer ei­ge­nen Mar­ke an­bie­ten. Sie und ih­re Ver­kaufs­be­ra­ter ver­fü­gen über die er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen, um zu­min­dest das Mo­dell­jahr, wenn nicht gar das ge­naue Pro­duk­ti­ons­da­tum, fest­stel­len zu kön­nen.

Von be­son­de­rer Be­deu­tung ist in­so­weit die Fahr­zeu­gi­den­ti­fi­zie­rungs­num­mer bzw. Fahr­ge­stell­num­mer. Die­se 17-stel­li­ge Num­mer hat ei­nen spe­zi­el­len Auf­bau. Aus­weis­lich der vom Klä­ger vor­ge­leg­ten Ur­kun­de („Fahr­ge­stell­num­mer des VW-Golf ent­schlüs­seln“) ko­diert das zehn­te Zei­chen das Mo­dell­jahr. Es soll im Mai/Ju­ni be­gin­nen und wird im­mer mit der Jah­res­zahl be­zeich­net, in der es en­det. Die Zahl 4, die bei der Num­mer für das Fahr­zeug des Klä­gers an zehn­ter Stel­le steht, weist dem­nach auf das Mo­dell­jahr 2004 hin. Ein VW Golf des Mo­dell­jahrs 2004 kann in 2004, aber auch be­reits im Jahr 2003 pro­du­ziert wor­den sein. So lie­gen die Din­ge hier. Der Pro­duk­ti­ons­mo­nat ist un­strei­tig Sep­tem­ber 2003. Die­se Zu­sam­men­hän­ge sind ei­nem Durch­schnitts­käu­fer bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags weit­ge­hend un­be­kannt. An­ders als ein Kfz-Händ­ler kann er die Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer bzw. Fahr­ge­stell­num­mer nicht oh­ne Wei­te­res ent­schlüs­seln, zu­mal Auf­bau und Co­die­rung der Num­mern von Her­stel­ler zu Her­stel­ler un­ter­schied­lich sind und selbst bei ein und dem­sel­ben Her­stel­ler, wie bei­spiels­wei­se VW, je nach Fahr­zeugal­ter dif­fe­rie­ren. Oh­ne prä­zi­se In­for­ma­ti­on des Händ­lers über das Fahr­zeugal­ter bleibt ei­nem (durch­schnitt­li­chen) Kauf­in­ter­es­sen­ten als Ori­en­tie­rungs­grö­ße le­dig­lich das mit­ge­teil­te Da­tum der Erst­zu­las­sung. Nach An­sicht des OLG Karls­ru­he (Urt. v. 26.05.2004 – 1 U 10/04, NJW 2004, 2456) liegt in der Auf­nah­me des Da­tums der Erst­zu­las­sung in den Ver­trags­text die kon­klu­den­te Ver­ein­ba­rung, dass das Da­tum der Her­stel­lung „je­den­falls nicht meh­re­re Jah­re da­von ab­weicht“ (eben­so OLG Nürn­berg, Urt. v. 21.03.2005 – 8 U 2366/04, NJW 2005, 2019; OLG Cel­le, Urt. v. 13.07.2006 – 11 U 254/05, SVR 2006, 463; LG Baut­zen, Urt. v. 20.07.2005 – 2 O 339/05, DAR 2006, 281; s. auch OLG Ol­den­burg, Urt. v. 28.10.2005 – 6 U 155/05, MDR 2006, 630). Mit wel­cher Ab­wei­chung der Käu­fer rech­nen müs­se, wo al­so die Zeit­gren­ze zwi­schen ver­trags­ge­mäß und ver­trags­wid­rig ver­läuft, bleibt in den meis­ten Ent­schei­dun­gen of­fen, weil die Ab­wei­chun­gen in den Streit­fäl­len so er­heb­lich wa­ren, dass ei­ne un­te­re Gren­ze nicht fest­ge­legt wer­den muss­te.

c) Der er­ken­nen­de Se­nat hat be­reits Be­den­ken, ob die An­nah­me ei­ner kon­klu­den­ten Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in Fäl­len der vor­lie­gen­den Art über­haupt ge­recht­fer­tigt ist. Für vor­zugs­wür­dig hält er ei­ne Lö­sung an­hand der ob­jek­ti­ven Kri­te­ri­en des § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Hier­nach ist ei­ne Sa­che man­gel­frei, wenn sie sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann. Die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung steht hier nicht im Streit. In­des ist ein Ge­braucht­wa­gen nicht schon dann man­gel­frei, wenn er sich für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net, al­so zu­las­sungs­fä­hig und fahr­tüch­tig ist (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VI­II ZR 330/06, NJW 2008, 53). Auch die bei­den an­de­ren Vor­aus­set­zun­gen müs­sen vor­lie­gen, an­dern­falls ist das Kauf­ob­jekt man­gel­haft.

Mit Blick auf den streit­ge­gen­ständ­li­chen VW Golf ist Man­gel­haf­tig­keit des­halb an­zu­neh­men, weil das Fahr­zeug äl­ter war als üb­lich und auch äl­ter, als der Klä­ger un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den er­war­ten konn­te. Im In­land pro­du­zier­te Pkw, die nicht in den Ex­port ge­hen, wer­den über­wie­gend in­ner­halb von zwölf Mo­na­ten nach der Pro­duk­ti­on zum öf­fent­li­chen Ver­kehr (erst-)zu­ge­las­sen. Das ist der nor­ma­le Lauf der Din­ge, wie er – nicht zu­letzt als Fol­ge der so­ge­nann­ten Zwölf­mo­nats­recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 15.10.2003 – VI­II ZR 227/02, NJW 2004, 160; Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 180/05, NJW 2006, 2694) – seit ei­ni­gen Jah­ren zu be­ob­ach­ten ist. Oh­ne ge­gen­tei­li­ge An­halts­punk­te darf ein durch­schnitt­li­cher Ge­braucht­wa­gen­käu­fer da­von aus­ge­hen, dass das Fahr­zeug die­ser „Nor­mal­be­schaf­fen­heit“ ent­spricht, es so alt ist, wie das im Fahr­zeug­brief (Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II) ein­ge­tra­ge­ne und im Kauf­ver­trag in Be­zug ge­nom­me­ne Da­tum der Erst­zu­las­sung ver­mu­ten lässt. Die­ses Da­tum ist, wie be­reits an­ge­deu­tet, prak­tisch der ein­zi­ge An­halt für den nicht ge­zielt auf­ge­klär­ten Käu­fer, so­weit es um die Ein­schät­zung des Fahr­zeugal­ters geht. Schutz­wür­dig ist der Käu­fer in der Er­war­tung, dass das Fahr­zeug in dem­je­ni­gen Jahr ge­baut wor­den ist, auf das der Zeit­punkt der mit­ge­teil­ten Erst­zu­las­sung schlie­ßen lässt (eben­so LG Baut­zen, Urt. v. 20.07.2005 – 2 O339/05, DAR 2006, 281). Ei­ne län­ge­re Span­ne als zwölf Mo­na­te zwi­schen Pro­duk­ti­on und dem Zeit­punkt der Erst­zu­las­sung muss der Durch­schnitts­käu­fer ei­nes Pkw in der Re­gel nicht ein­kal­ku­lie­ren (so auch Lu­dy­ga, DAR 2007, 232).

d) Im Streit­fall lie­gen zwi­schen dem Da­tum der Her­stel­lung (Sep­tem­ber 2003) und dem Zeit­punkt der Erst­zu­las­sung (27.04.2006) rund 31 Mo­na­te. Das be­grün­det, wie aus­ge­führt, ei­nen Sach­man­gel ge­mäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Nach der Ver­kehrs­an­schau­ung ist die La­ger­dau­er für die Wert­schät­zung ei­nes Kraft­fahr­zeugs von we­sent­li­cher Be­deu­tung. Das gilt auch für sol­che Käu­fer, die kein neu­es im Sin­ne von fa­brik­neu­es Kraft­fahr­zeug er­wer­ben. Der Klä­ger woll­te er­kenn­bar ei­nen „jun­gen“ Ge­braucht­wa­gen mit ei­ner Händ­ler­zu­las­sung er­wer­ben. An­ge­sichts ei­ner Lauf­leis­tung von 10 km und ei­ner erst zwei Mo­na­te zu­rück­lie­gen­den Erst­zu­las­sung han­del­te es sich eher um ei­nen Neu­wa­gen als um ein Ge­braucht­fahr­zeug. Auch des­halb hat der Se­nat kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken, ei­ne ver­trags­wid­ri­ge Be­schaf­fen­heit und da­mit ei­nen Sach­man­gel an­zu­neh­men (vgl. auch BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 180/05, NJW 2006, 2694 [Jah­res­wa­gen]).

2. Ein Recht vom Ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, stün­de dem Klä­ger gleich­wohl nicht zu, wenn der Rück­tritt nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen wä­re. Das ist ent­ge­gen der An­sicht der Be­ru­fung nicht der Fall.

Ein Käu­fer kann vom Ver­trag nicht zu­rück­tre­ten, wenn die Pflicht­ver­let­zung nur un­er­heb­lich ist. Die­sen Aus­schluss­grund dar­zu­le­gen und die ent­spre­chen­den Tat­sa­chen zu be­wei­sen, ist Sa­che des Ver­käu­fers. Das Ver­tei­di­gungs­vor­brin­gen der Be­klag­ten recht­fer­tigt es nicht, von ei­nem Fall der Un­er­heb­lich­keit aus­zu­ge­hen. Denn die „Pflicht­ver­let­zung“ … ist nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB.

a) Das Land­ge­richt hat sich mit der so­ge­nann­ten Ba­ga­tell­fra­ge zwar nicht aus­drück­lich aus­ein­an­der­ge­setzt. Sei­ne Aus­füh­run­gen las­sen in­des kei­nen Zwei­fel dar­an, dass es von ei­ner er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten aus­ge­gan­gen ist. Im­mer­hin sieht es den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand des Be­trugs als er­füllt an. Dem Ver­käu­fer der Be­klag­ten, dem Zeu­gen P, legt das Land­ge­richt zur Last, den Klä­ger durch ei­ne be­wusst un­voll­stän­di­ge An­ga­be über das Vor­han­den­sein ei­ner ver­kehrs­we­sent­li­chen Ei­gen­schaft ge­täuscht zu ha­ben. Das ist nichts an­de­res als der Vor­wurf der arg­lis­ti­gen Täu­schung. Trä­fe er zu, wä­re der Klä­ger selbst dann zum Rück­tritt be­rech­tigt, wenn die Ver­trags­wid­rig­keit, rein ob­jek­tiv be­trach­tet, als un­er­heb­lich ein­ge­stuft wer­den müss­te (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2006 – V ZR 173/05, NJW 2006, 1960 = DAR 2006, 448 [Grund­stücks­kauf]). Wenn der Ver­käu­fer über das Vor­han­den­sein ei­nes Man­gels arg­lis­tig ge­täuscht hat, ist ei­ne un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung in der Re­gel zu ver­nei­nen.

b) Ob der Klä­ger das Op­fer ei­ner arg­lis­ti­gen Täu­schung ge­wor­den ist, wie er be­haup­tet, kann der Se­nat of­fen­las­sen. Fahr­läs­sig­keit auf­sei­ten der Be­klag­ten liegt auf je­den Fall vor. Ab­ge­se­hen da­von hat der Man­gel selbst bei ei­ner Be­trach­tung, die das Ver­schul­den aus­klam­mert, ge­nü­gend Ge­wicht, um den Rück­tritt des Klä­gers zu recht­fer­ti­gen. Das folgt al­ler­dings nicht schon dar­aus, dass es hier um ei­nen nicht be­heb­ba­ren Man­gel geht. Dass bei ei­nem nicht be­heb­ba­ren Man­gel wie dem hier in Re­de ste­hen­den stets ei­ne er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung an­zu­neh­men sei, ist nach An­sicht des Se­nats ei­ne zu stren­ge Sicht­wei­se (sie­he auch BGH, Urt. v. 12.03.2008 – VI­II ZR 253/05, NJW 2008, 1517 [un­ter II a. E.]).

Wie der er­ken­nen­de Se­nat in ei­ner Viel­zahl von Ent­schei­dun­gen zur Er­heb­lich­keits­pro­ble­ma­tik (§ 323 V 2 BGB, § 281 I 3 BGB) nä­her aus­ge­führt hat, ist ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung ge­bo­ten. Ob ei­ne er­heb­li­che oder nur un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung vor­liegt, be­stimmt sich in ei­nem Fall der Man­gel­haf­tig­keit im Sin­ne der ob­jek­ti­ven Kri­te­ri­en des § 434 I 2 Nr. 2 BGB nach ob­jek­ti­ven Ge­sichts­punk­ten, ins­be­son­de­re nach dem ob­jek­ti­ven Aus­maß der Ver­trags­wid­rig­keit und der sich dar­aus er­ge­ben­den Be­ein­träch­ti­gung des Äqui­va­lenzin­ter­es­ses des Käu­fers (vgl. Se­nat, Urt. v. 08.01.2007 – I-1 U 177/06, NJOZ 2008, 601 = ZGS 2007, 157). Der BGH hat ent­schie­den, dass von ei­ner un­er­heb­li­chen Pflicht­ver­let­zung aus­zu­ge­hen ist, wenn der Sach­man­gel den Wert oder die Taug­lich­keit der Kauf­sa­che nur un­er­heb­lich i. S. von § 459 I 2 BGB a.F. min­dert. Ein­schlä­gi­ge Recht­spre­chung zu „Al­ters­fäl­len“, die un­ter der Gel­tung des § 459 BGB a.F. ent­schie­den wor­den sind, kann als Richt­schnur nicht her­an­ge­zo­gen wer­den. Al­ler­dings hat der BGH auch in Fäl­len aus der Zeit vor der Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung wie­der­holt be­tont, dass es sich bei dem Al­ter um ei­ne we­sent­li­che Ei­gen­schaft ei­nes Kraft­fahr­zeugs han­delt. Auch in sei­ner ak­tu­el­len Recht­spre­chung be­tont der VI­II. Zi­vil­se­nat des BGH, dass es ent­schei­dend auf das Ge­samt­al­ter des Fahr­zeugs ein­schließ­lich der vor der Erst­zu­las­sung lie­gen­den Stand­zeit an­kom­me. Das sei nicht nur bei dem Kauf von Neu­wa­gen so, son­dern auch bei dem Er­werb von Jah­res­wa­gen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VI­II ZR 180/05, NJW 2006, 2694). Kei­ner nä­he­ren Be­grün­dung be­darf es, dass der Wert ei­nes Fahr­zeugs, das re­gel­mä­ßig als län­ger­fris­ti­ges Wirt­schafts­gut an­ge­schafft wird, er­heb­lich durch die Tat­sa­che be­ein­flusst wird, aus wel­chem Bau­jahr es stammt. Ne­ben der Lauf­leis­tung ist das Al­ter der ent­schei­den­de wert­bil­den­de Fak­tor. Die noch ver­trags­ge­mä­ße Stand­zeit bzw. La­ger­dau­er von ma­xi­mal zwölf Mo­na­ten war im Streit­fall bei Wei­tem über­schrit­ten. Seit der Her­stel­lung des VW Golf im Sep­tem­ber 2003 bis zur Erst­zu­las­sung im April 2006 wa­ren rund 31 Mo­na­te ver­stri­chen. Bei An­nah­me ei­ner To­le­ranz­zeit von zwölf Mo­na­ten ist das ei­ne Über­al­te­rung nicht von 15 Mo­na­ten wie die Be­ru­fung er­rech­net hat, son­dern von min­des­tens ein­ein­halb Jah­ren. Das liegt nach Ein­schät­zung des Se­nats bei ei­nem so jun­gen Fahr­zeug, wie der Klä­ger es er­wer­ben woll­te, jen­seits der Ba­ga­tell­gren­ze des § 323 V 2 BGB.

Auf die­ser Li­nie liegt auch die Ent­schei­dung des OLG Nürn­berg vom 21.03.2005 – 8 U 2366/04, NJW 2005, 2019 –, wo­nach ein Käu­fer zum Rück­tritt be­rech­tigt ist, wenn ein Fahr­zeug mit der An­ga­be „Mo­dell­jahr 2002“ ver­kauft wird, es aber aus dem Mo­dell­jahr 2001 stammt. Ei­ne Ab­wei­chung von zwölf Mo­na­ten hat dem OLG Nürn­berg dem­nach ge­nügt, um ei­ne er­heb­li­che „Pflicht­ver­let­zung“ an­zu­neh­men. Da­bei hat es von der Prü­fung ab­ge­se­hen, ob der ob­jek­ti­ve Markt­wert ei­nes Fahr­zeugs des Mo­dell­jah­res 2002 von dem ei­nes Fahr­zeugs des Mo­dell­jah­res 2001 ab­weicht.

Auch der Se­nat sieht kei­ne Ver­an­las­sung, durch ein Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten klä­ren zu las­sen, ob und in­wie­weit sich das zu ho­he Ge­samt­al­ter des VW Golf wert­mä­ßig nie­der­schlägt. Die Er­heb­lich­keits­fra­ge i. S. des § 323 V 2 BGB darf in ei­nem Fall der vor­lie­gen­den Art nicht auf das Wert­ver­hält­nis ver­kürzt wer­den. Es be­trifft nur ei­nen As­pekt bei der Ge­samt­ab­wä­gung. Sie wä­re zum Nach­teil des Klä­gers un­voll­stän­dig, lie­ße man au­ßer Be­tracht, wel­che ne­ga­ti­ven Aus­wir­kun­gen die über­lan­ge Stand­zeit auf den Zu­stand des Fahr­zeugs und sei­ner Ein­zel­tei­le, wie et­wa die Rei­fen, hat. Das kann der Se­nat oh­ne sach­ver­stän­di­ge Be­ra­tung kraft ei­ge­ner Sach­kun­de fest­stel­len. Nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen für den Klä­ger hat der Man­gel auch in­so­weit, als es um ei­nen Wei­ter­ver­kauf des Fahr­zeugs geht. Als red­li­cher Ver­käu­fer müss­te der Klä­ger auf­de­cken, dass der Wa­gen nicht in 2006 und auch nicht in 2005 her­ge­stellt wor­den ist, wie das Da­tum der Erst­zu­las­sung ver­mu­ten lässt, son­dern aus dem Mo­dell­jahr 2004 stammt. Auch wenn es sich bei dem VW Golf des hier in Re­de ste­hen­den Typs um ein markt­gän­gi­ges Fahr­zeug han­delt, ist es nicht un­wahr­schein­lich, dass der Klä­ger ei­nen ge­rin­ge­ren Er­lös er­zie­len wird als im Fall des Ver­kaufs ei­nes Fahr­zeugs mit ver­trags­ge­mä­ßem Al­ter. Zu be­rück­sich­ti­gen ist schließ­lich, dass der Klä­ger, für die Be­klag­te und ih­ren Ver­kaufs­be­ra­ter zu­min­dest er­kenn­bar, Wert auf ein jun­ges Au­to ge­legt hat. Die­sen Wunsch hat die Be­klag­te aus Grün­den miss­ach­tet, die je­den­falls den Vor­wurf der Fahr­läs­sig­keit recht­fer­ti­gen. Bei der ge­bo­te­nen Sorg­falt war es für die Be­klag­te und ih­ren Mit­ar­bei­ter oh­ne Wei­te­res mög­lich, den Klä­ger durch ei­ne sach­ge­rech­te In­for­ma­ti­on über das wah­re Al­ter des Fahr­zeugs ins Bild zu set­zen. Die Un­an­nehm­lich­kei­ten, die dem Klä­ger durch die ver­trags­wid­ri­ge Lie­fe­rung ent­stan­den sind, kön­nen bei der Ge­samt­ab­wä­gung nicht au­ßer Be­tracht blei­ben.

Ist der Rück­tritt des Klä­gers nach al­le­dem ge­recht­fer­tigt, so ist der Kauf­ver­trag nach Maß­ga­be des an­ge­foch­te­nen Ur­teils rück­ab­zu­wi­ckeln. In­so­weit er­hebt die Be­ru­fung kei­ne Ein­wen­dun­gen. …

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