1. Für die Fra­ge, ob ein Fahr­zeug ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), ist auf den – ob­jek­tiv be­rech­tig­ten – Er­war­tungs­ho­ri­zont ei­nes Durch­schnitts­käu­fers ab­zu­stel­len. Ver­gleichs­maß­stab ist da­bei die üb­li­che Be­schaf­fen­heit bei Sa­chen glei­cher Art, al­so auch bei Sa­chen an­de­rer Her­stel­ler mit dem­sel­ben Qua­li­täts­stan­dard (z. B. Ma­te­ri­al, Fahr­zeug­klas­se).
  2. Den Maß­stab für die tech­ni­sche Be­ur­tei­lung der Funk­ti­ons­taug­lich­keit ei­nes Fahr­zeugs bil­det ein Ver­gleich mit an­de­ren typ­glei­chen Fahr­zeu­gen un­ter Be­rück­sich­ti­gung des je­wei­li­gen Stands der Tech­nik.

OLG Hamm, Ur­teil vom 15.05.2008 – 28 U 145/07

Sach­ver­halt: Die Be­klag­te be­treibt als Hon­da-Ver­trags­händ­le­rin ei­nen Mo­tor­rad­han­del. Der Klä­ger macht Män­gel­rech­te aus ei­nem Fahr­zeug­kauf gel­tend.

Auf der Grund­la­ge ei­ner ver­bind­li­chen Be­stel­lung vom 08.06.2004 er­warb der Klä­ger bei der Be­klag­ten ein neu­es Mo­tor­rad (Bau­jahr 2004) zu ei­nem Ge­samt­preis von 15.580 €. Sei­ne ge­brauch­te Ma­schi­ne gab er für 9.800 € in Zah­lung. Der Rest­be­trag wur­de über die Hon­da Bank GmbH fi­nan­ziert.

In dem von dem Her­stel­ler Hon­da her­aus­ge­ge­be­nen Pro­spekt mit dem Ti­tel „Pan-Eu­ro­pean ABS – Tou­ring vom Feins­ten“ heißt es un­ter an­de­rem:

„… die atem­be­rau­ben­de Be­schleu­ni­gung lässt Sie im­mer wie­der stau­nen. Bei so reich­lich be­mes­se­nen Kraft­re­ser­ven ist das Über­ho­len selbst berg­auf und mit vol­lem Ge­päck kein Pro­blem … Die im Wind­ka­nal ge­tes­te­te Kon­struk­ti­on ver­bin­det ein be­ru­hi­gen­des Ge­fühl der Sta­bi­li­tät bei Au­to­bahn­ge­schwin­dig­keit mit be­re­chen­ba­rem Kur­ven­hand­ling. Per­fekt er­gänzt wird die ae­ro­dy­na­mi­sche Ver­klei­dung durch ei­ne auf Knopf­druck elek­trisch ver­stell­ba­re Ver­klei­dungs­schei­be, die Wind und Tur­bu­len­zen er­heb­lich re­du­ziert. Zen­tra­li­sie­rung der Mas­sen war auch bei der Pan-Eu­ro­pean ein Ent­wick­lungs­ziel – des­halb fährt sie mit der Leicht­fü­ßig­keit ei­ner mit­tel­gro­ßen Ma­schi­ne selbst im So­zi­us­be­trieb und mit Tour­ge­päck …“

Das neue Mo­tor­rad, das für Höchst­ge­schwin­dig­kei­ten von bis zu 240 km/h aus­ge­legt ist, wur­de am 23.06.2004 an den Klä­ger aus­ge­lie­fert. In der Fol­ge­zeit er­hob er Re­kla­ma­tio­nen, die ins­be­son­de­re das Fahr­ver­hal­ten bei hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten be­tra­fen. Dar­auf­hin ließ die Be­klag­te das Mo­tor­rad im Ok­to­ber 2004 beim Her­stel­ler vor­füh­ren. Dort ge­lang­te man zu dem Er­geb­nis, dass sich das Fahr­zeug in ei­nem ein­wand­frei­en Zu­stand be­fin­de und dem Stand der Se­rie ent­spre­che. Mit Schrei­ben sei­ner Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 10.03.2005 er­klär­te der Klä­ger den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag und for­der­te die Be­klag­te zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses bis zum 24.03.2005 auf. Soll­te ihm al­ler­dings bin­nen glei­cher Frist durch die Be­klag­te ein Min­der­wert in Hö­he von 3.000 € er­stat­tet wer­den, so wä­re er be­reit, von dem er­klär­ten Rück­tritt Ab­stand zu neh­men und den Kauf­ver­trag be­ste­hen zu las­sen. Mit Schrei­ben ih­rer Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten vom 14.03.2005 ließ die Be­klag­te den Rück­tritt des Klä­gers zu­rück­wei­sen und er­klär­te sich auch nicht zu ei­ner Zah­lung in Hö­he von 3.000 € be­reit.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, der Klä­ger ha­be die tat­säch­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Man­gel des er­wor­be­nen Mo­tor­rads nicht be­wie­sen . Die ge­gen die­ses Ur­teil ge­rich­te­te Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Das Land­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen.

A. Rück­ab­wick­lung

Dem Klä­ger steht ge­gen die Be­klag­te kein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges nach Rück­tritt ge­mäß §§ 437 Nr. 2, 440 BGB, §§ 323, 326 V BGB, § 346 BGB zu …

II. Sach­man­gel

… [N]ach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me [steht] nicht zu der Über­zeu­gung des Se­nats fest, dass das Mo­tor­rad bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft war (§§ 434 I 1, 446 Satz 1 BGB). Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last in­so­weit trägt der Klä­ger (BGH, Urt. v. 23.11.2005 – VI­II ZR 43/05, NJW 2006, 434; Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, NJW 2006, 2250; Urt. v. 14.09.2005 – VI­II ZR 363/04, NJW 2005, 3490; Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03, NJW 2004, 2299). Er be­an­stan­det, dass das Mo­tor­rad bei hö­he­ren Ge­schwin­dig­kei­ten in­sta­bil und des­halb ein si­che­res Füh­ren nicht mehr mög­lich sei. Be­reits im Be­reich über 160 km/h beim Weg­neh­men des Ga­ses so­wie beim Last- und Fahr­spur­wech­sel be­gin­ne das Mo­tor­rad zu pen­deln, das heißt, es blei­be nicht spur­treu. Ei­ne Feh­ler­haf­tig­keit des Fahr­zeugs hat sich letzt­lich je­doch nicht be­stä­tigt.

1. Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung.

Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB über das Mo­tor­rad ist zwi­schen den Par­tei­en nicht ge­trof­fen wor­den. Ver­ein­bart ist ei­ne Be­schaf­fen­heit dann, wenn der In­halt des Kauf­ver­trags von vorn­her­ein oder nach­träg­lich die Pflicht des Ver­käu­fers be­stimmt, die ge­kauf­te Sa­che in dem Zu­stand zu über­eig­nen und zu über­ge­ben, wie ih­re Be­schaf­fen­heit im Ver­trag fest­ge­legt ist (Soll­be­schaf­fen­heit; Pa­landt/Wei­den­kaff, BGB, 67. Aufl., § 434 Rn. 15 ff.; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 9. Aufl., Rn. 1208).

Auf ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung in die­sem Sin­ne be­ruft sich der Klä­ger selbst nicht aus­drück­lich. Er hat zwar erst­in­stanz­lich be­haup­tet, bei Er­werb des Mo­tor­rads mit dem Ver­käu­fer der Be­klag­ten über die aus der Fach­pres­se be­kann­ten Fahr­werks­pro­ble­me aus der Mo­dell­rei­he des Jah­res 2001 ge­spro­chen zu ha­ben. Da­bei sei ihm zu­ge­si­chert wor­den, dass die­se werks­sei­tig durch ei­ne an­de­re Kon­struk­ti­on be­ho­ben wor­den sei­en. Je­doch kommt ei­ner der­ar­ti­gen – von der Be­klag­ten nicht be­strit­te­nen – Äu­ße­rung des Ver­käu­fers nicht die recht­li­che Qua­li­tät ei­ner bin­den­den Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung i. S. des § 434 I 1 BGB zu. Viel­mehr be­wegt sie sich im Rah­men der üb­li­chen all­ge­mei­nen An­prei­sun­gen wäh­rend ei­nes Ver­kaufs­ge­sprächs.

2. Ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung

Pri­mär stützt der Klä­ger sei­ne Män­gel­rech­te auf § 434 I 2 Nr. 2 BGB. Je­doch sind auch die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht er­füllt. Es kann nicht fest­ge­stellt wer­den, dass sich das Mo­tor­rad nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung eig­net und von der­je­ni­gen Be­schaf­fen­heit ab­weicht, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist bzw. die der Käu­fer nach der Art des Kauf­ob­jekts er­war­ten kann.

a) Für die Fra­ge, ob ein Fahr­zeug ei­ne Be­schaf­fen­heit auf­weist, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und von dem Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­tet wer­den darf (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB), ist ab­zu­stel­len auf den Er­war­tungs­ho­ri­zont ei­nes Durch­schnitts­käu­fers (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 1236). Die Er­war­tung muss ob­jek­tiv be­rech­tigt sein (BGH, Urt. v. 07.02.2007 – VI­II ZR 266/06, NJW 2007, 1351). Als Ver­gleichs­maß­stab ist im Rah­men des § 434 I 2 Nr. 2 BGB die üb­li­che Be­schaf­fen­heit bei Sa­chen glei­cher Art, das heißt bei Sa­chen auch an­de­rer Her­stel­ler mit dem­sel­ben Qua­li­täts­stan­dard – zum Bei­spiel Ma­te­ri­al, Fahr­zeug­klas­se – her­an­zu­zie­hen (Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., § 434 Rn. 29). Den Maß­stab für die tech­ni­sche Be­ur­tei­lung der Funk­ti­ons­taug­lich­keit ei­nes Fahr­zeugs bil­det ein Ver­gleich mit an­de­ren typ­glei­chen Fahr­zeu­gen un­ter Be­rück­sich­ti­gung des je­wei­li­gen Stands der Tech­nik (Rein­king/Eg­gert, a. a. O., Rn. 230, 237, 1235). Denn ei­ne Be­schrän­kung auf den Stan­dard des Her­stel­lers für sein Pro­dukt wür­de da­zu füh­ren, dass für Kon­struk­ti­ons- oder Fer­ti­gungs­feh­ler ei­ner gan­zen Se­rie kei­ne Ge­währ­leis­tung er­fol­gen müss­te. Der Stand der Tech­nik hin­ge­gen ist der Ent­wick­lungs­stand al­ler in die­ser Fahr­zeug­klas­se ver­gleich­ba­ren Kraft­fahr­zeu­ge (OLG Karls­ru­he, Urt. v. 28.06.2007 – 9 U 239/06, NJW-RR 2008, 137 [138]; OLG Düs­sel­dorf, Urt. v. 08.06.2005 – I-3 U 12/04, NJW 2005, 2235; OLG Ol­den­burg, Urt. v. 10.02.2000 – 8 U 211/99, DAR 2000, 219).

b) Bei dem hier vor­lie­gen­den Mo­tor­rad … han­delt es sich um ein schwe­res und stark mo­to­ri­sier­tes Tou­ren- bzw. Rei­se­mo­tor­rad. Es ist mit ei­ner Voll­ver­klei­dung und in­te­grier­ten Ge­päck­ta­schen aus­ge­stat­tet. Das Mo­tor­rad wiegt ins­ge­samt 326 kg. Die­se Cha­rak­te­ri­sie­rung, die in dem erst­in­stanz­lich er­stell­ten schrift­li­chen Gut­ach­ten der Sach­ver­stän­di­gen C und N ent­hal­ten ist und der von den Par­tei­en nicht wi­der­spro­chen wor­den ist, bil­det die Grund­la­ge für die im Rah­men des § 434 I 2 Nr. 2 BGB zu be­stim­men­de „Art der Sa­che“.

c) Aus­ge­hend da­von konn­te der Klä­ger nicht den ihm ob­lie­gen­den Be­weis füh­ren, dass das von der Be­klag­ten ver­äu­ßer­te Mo­tor­rad dem je­wei­li­gen Stand der Tech­nik von Sa­chen der glei­chen Art und den be­rech­tig­ten Er­war­tun­gen ei­nes Durch­schnitts­käu­fers nicht ge­recht wird. Viel­mehr ha­ben die Sach­ver­stän­di­gen C und N das Fahr­zeug i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB als für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ge­eig­net und der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ent­spre­chend ein­ge­stuft.

aa) Die Sach­ver­stän­di­gen ha­ben die von dem Klä­ger be­an­stan­de­te Pro­ble­ma­tik zu­nächst wie folgt be­schrie­ben: Da­mit ein Pen­del­vor­gang zu­stan­de kom­me, sei es er­for­der­lich, dass ver­schie­de­ne Fak­to­ren zu­sam­men­tref­fen. Ei­ner­seits be­ein­flus­sen Um­ge­bungs­pa­ra­me­ter wie Stra­ßen­be­schaf­fen­heit und Wind, an­de­rer­seits Sys­tem­pa­ra­me­ter wie Mo­tor­rad­bau­art, Rei­fen, Be­la­dung und die Auf­s­as­sen das Pen­del­ver­hal­ten.

bb) Auf die­ser Grund­la­ge sind die Sach­ver­stän­di­gen in ih­rem Gut­ach­ten vom 01.12.2006, der er­gän­zen­den Stel­lung­nah­me vom 10.04.2007 und der münd­li­chen An­hö­rung vor dem Se­nat im We­sent­li­chen zu fol­gen­den Re­sul­ta­ten ge­langt:

(1) Grenz­wer­te bzw. tech­ni­sche Vor­ga­ben zu Pen­del­schwin­gun­gen ge­be es nicht. Ver­gleichs­wer­te zu bau­artähn­li­chen Mo­tor­rä­dern an­de­rer Her­stel­ler lä­gen eben­falls nicht vor. Um ei­ne Ty­pen­ge­neh­mi­gung zu er­hal­ten, müs­se ein Mo­tor­rad die Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie 2002/24/EG er­fül­len. Da­nach sei zwar die Höchst­ge­schwin­dig­keit ver­suchs­tech­nisch zu er­fas­sen, das Fahr­ver­hal­ten selbst sei je­doch nicht Ge­gen­stand der Ab­nah­me. Ob die Pen­del­schwin­gung ab­neh­me oder gleich­blei­be, wer­de durch das Dämp­fungs­maß be­schrie­ben. Die Ab­kling­zeit soll­te ca. ei­ne Se­kun­de oder kür­zer be­tra­gen. Al­ler­dings fah­re ein Mo­tor­rad rein wis­sen­schaft­lich nie oh­ne Schwin­gun­gen. Je­des tech­ni­sche Sys­tem ha­be ei­ne Schwin­gungs­fre­quenz. So­bald man dras­tisch lang­sa­mer fah­re, wer­de das Dämp­fungs­maß wie­der groß. Schwin­gun­gen lie­ßen dann nach.

(2) Das Mo­tor­rad … sei nach Auf­fas­sung der Pres­se so­wie der ein­ge­setz­ten Ver­suchs­fah­rer trotz sei­ner Grö­ße und sei­nes Ge­wichts von 326 kg sehr kom­for­ta­bel und ein­fach zu fah­ren. Grund hier­für sei die kon­struk­ti­ve Bau­art des Mo­tor­ra­des, die als Kom­pro­miss zwi­schen Hand­lich­keit und Fahr­sta­bi­li­tät ge­wer­tet wer­den kön­ne.

(3) Der Sach­ver­stän­di­ge N als er­fah­re­ner Mo­tor­rad­fah­rer hat per­sön­lich Tests im ho­hen Ge­schwin­dig­keits­be­reich durch­ge­führt. Da­nach schil­der­te er Fol­gen­des:

(a) Bei den zu­nächst durch­ge­führ­ten Ver­suchs­fahr­ten im über­lie­fer­ten Zu­stand mit dem emp­foh­le­nen Rei­fen­druck konn­ten Pen­de­ler­schei­nun­gen im ge­sam­ten Ge­schwin­dig­keits­be­reich mit hoch- und her­un­ter­ge­fah­re­ner Wind­schutz­schei­be nicht fest­ge­stellt wer­den. Hal­te man die in der Be­die­nungs­an­lei­tung des Mo­tor­rads emp­foh­le­ne Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zung auf 130 km/h ein, so tre­te kein Pen­deln auf. Das Fahr­zeug blei­be sta­bil. Ei­ne sol­che Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zung von 130 km/h wer­de ge­ne­rell bei al­len Fahr­zeu­gen im be­la­de­nen Zu­stand emp­foh­len …

(b) Bei Fahr­ver­su­chen mit neu­en Rei­fen, ho­her Schei­be und un­be­la­de­nem Zu­stand ha­be das Mo­tor­rad kurz­zei­tig schwa­che Pen­de­ler­schei­nun­gen ge­zeigt, die von al­lein wie­der ab­ge­klun­gen sei­en. Zu ei­nem ge­fähr­li­chen Auf­schau­keln sei es nicht ge­kom­men.

(c) Bei Fahr­ver­su­chen mit neu­en Rei­fen, hoch­ge­stell­ter Schei­be und be­la­de­nem Zu­stand sei­en im Ge­schwin­dig­keits­be­reich um 180 km/h gleich­blei­ben­de Pen­del­schwin­gun­gen auf­ge­tre­ten. Die­se wur­den von dem Test­fah­rer zwar als un­an­ge­nehm und den Kom­fort min­dernd be­schrie­ben, sub­jek­tiv aber nicht als ge­fähr­lich ein­ge­stuft, da die Be­we­gun­gen gleich blei­bend wa­ren und nicht an In­ten­si­tät zu­ge­nom­men ha­ben.

Die­se Pas­sa­ge in dem schrift­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten be­inhal­tet zwar die am ehes­ten kri­ti­sche Be­wer­tung für das Mo­tor­rad. Dies reicht je­doch nicht aus, um dar­aus ei­nen Sach­man­gel i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB her­lei­ten zu kön­nen. In­so­fern ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass hier ei­ne sehr spe­zi­fi­sche Kon­stel­la­ti­on un­ter denk­bar un­güns­tigs­ten Vor­aus­set­zun­gen zu­grun­de lag, die im Fahrall­tag we­gen der Ku­mu­la­ti­on der Fak­to­ren (ins­be­son­de­re neue Rei­fen und be­la­de­ner Zu­stand) nur aus­nahms­wei­se auf­tritt. Zu­dem ist die­se kri­ti­sche Ein­schät­zung in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat durch den Sach­ver­stän­di­gen N re­la­ti­viert bzw. nicht be­kräf­tigt wor­den. Er hat an­ge­ge­ben, dass er bei sei­nen Test­fahr­ten zu kei­ner Zeit ein Ge­fühl ge­habt ha­be, als ob die Ma­schi­ne un­ru­hig und in­sta­bil sei oder pen­del­te, auch nicht bei ei­nem Spur­wech­sel oder beim Ab­brem­sen. Erst bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit von 170 km/h im be­la­de­nen Zu­stand sei es zu Pen­del­be­we­gun­gen ge­kom­men. Die­se sei­en aber gleich ge­blie­ben, so­lan­ge man die Ge­schwin­dig­keit hielt. Des­halb sei dies nicht un­an­ge­nehm, was aber na­tür­lich an sei­nem per­sön­li­chen Emp­fin­den lie­ge. Die­se Schwin­gun­gen sei­en auch nicht so stark ge­we­sen wie die­je­ni­gen, die er hin­ter­her zu Ver­suchs­zwe­cken selbst pro­vo­ziert ha­be.

(d) Nach al­lem er­gibt sich aus der Ge­samt­schau der über­zeu­gen­den Aus­füh­run­gen der Sach­ver­stän­di­gen, dass die Pro­ble­ma­tik der Pen­del­be­we­gun­gen un­trenn­bar mit in­di­vi­du­el­len Fak­to­ren wie dem Ge­wicht und dem Fahr­ver­hal­ten so­wie ins­be­son­de­re den sub­jek­ti­ven Emp­fin­dun­gen des Kun­den ver­bun­den ist. Die ob­jek­ti­vier­ba­re Fest­stel­lung ei­ner Ab­wei­chung von der üb­li­chen Be­schaf­fen­heit oder ei­ner feh­len­den Eig­nung für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung des Mo­tor­rads kann dem­entspre­chend nicht ge­trof­fen wer­den.

cc) Vor die­sem Hin­ter­grund ha­ben die Sach­ver­stän­di­gen auch über­zeu­gend dar­ge­legt, dass ein Ver­gleich mit den Mo­tor­rä­dern an­de­rer Her­stel­ler mit dem­sel­ben Qua­li­täts­stan­dard und aus der ent­spre­chen­den Preis­ka­te­go­rie hier nicht zu aus­sa­ge­kräf­ti­gen ab­wei­chen­den Re­sul­ta­ten füh­ren kann. Sie ha­ben in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat be­rich­tet, dass ein Un­ter­su­chungs­an­satz aus ei­nem im Jahr 1991 vom Ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um in Auf­trag ge­ge­be­nen For­schungs­auf­trag zur Be­wer­tung der Si­cher­heit und Sta­bi­li­tät von Hoch­ge­schwin­dig­keits­mo­tor­rä­dern nach­fol­gend nicht mehr wei­ter ver­folgt wor­den sei. Die da­mals ge­tes­te­ten Mo­tor­rä­der stamm­ten aus dem En­de der 80er-Jah­re. Ver­gleich­ba­re Mes­sun­gen für heu­ti­ge Fahr­zeu­ge sei­en nicht zu fin­den. Da­mals ha­be man im We­sent­li­chen her­aus­ge­fun­den, dass ei­ne gan­ze Rei­he von Ein­flüs­sen vor­han­den sei, wel­che die Sta­bi­li­tät jeg­li­chen Mo­tor­rads be­ein­träch­ti­gen, de­nen man je­doch tech­nisch und rech­ne­risch nicht ent­ge­gen­wir­ken kön­ne. Dies be­tref­fe z. B. die Rei­fen bzw. de­ren Pro­fil und die Be­la­dung der Ma­schi­ne. Au­ßer­dem ha­be na­tür­lich vor al­lem der Fah­rer ei­nen sehr gro­ßen Ein­fluss auf die Sta­bi­li­tät. So wir­ke sich ein gro­ßer schwe­rer Fah­rer an­ders aus als ein klei­ner schmäch­ti­ger. Dann kom­me es auch dar­auf an, wie der Fah­rer auf dem Mo­tor­rad sitzt. Hin­ge­gen sei­en zu­sätz­li­che Tests mit ei­nem So­zi­us im vor­lie­gen­den Fall nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Man ha­be näm­lich fest­ge­stellt, dass sich die Be­la­dung durch ei­nen Bei­fah­rer stark po­si­tiv aus­wir­ke. Dann zei­ge die Ma­schi­ne hö­he­re Dämp­fungs­wer­te und sei sta­bi­ler als die un­be­la­de­ne So­lo­ma­schi­ne. Des­halb wer­de in dem For­schungs­be­richt aus dem Jahr 1991 aus­drück­lich er­wähnt, dass man auf Fahr­ver­su­che mit ei­nem So­zi­us ver­zich­ten kön­ne, weil die Dämp­fung dann oh­ne­hin bes­ser sei.

dd) Im Üb­ri­gen ist in die­sem Zu­sam­men­hang in recht­li­cher Hin­sicht zu be­den­ken, dass ei­ne Man­gel­haf­tig­keit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB nicht schon al­lein dann an­ge­nom­men wer­den kann, wenn ein Fahr­zeug bei Tests schlech­ter ab­schnei­det als an­de­re ver­gleich­ba­re. An­de­ren­falls müss­te näm­lich stets der­je­ni­ge Her­stel­ler, des­sen Pro­dukt in ei­ner be­stimm­ten Preis- und Qua­li­täts­ka­te­go­rie die nied­rigs­ten Wer­te er­zielt, Ge­währ­leis­tungs­an­sprü­che im Hin­blick auf die ge­sam­te Se­rie hin­neh­men. Es kann al­so nicht be­reits aus­rei­chen, dass ein Fahr­zeug bei Tests den letz­ten Platz sei­ner Grup­pe be­legt. Hin­zu kom­men muss, dass es im Ver­gleich mit den an­de­ren den Rah­men des Üb­li­chen i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ver­lässt. Dies aber ist hier oh­ne­hin nicht der Fall. Den Aus­füh­run­gen der Sach­ver­stän­di­gen ist ge­ra­de nicht zu ent­neh­men, dass sie dem Mo­tor­rad des Klä­gers ei­ne in ne­ga­ti­ver Hin­sicht un­üb­li­che Qua­li­tät zu­mes­sen wol­len.

3. Öf­fent­li­che Äu­ße­run­gen des Her­stel­lers

So­weit die Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­ru­fung ge­mäß § 434 I 3 BGB auch auf die öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen des Mo­tor­rad­her­stel­lers in sei­nem Pro­spekt „Pan-Eu­ro­pean ABS – Tou­ring vom Feins­ten“ ab­stellt, er­gibt sich hier­aus im vor­lie­gen­den Fall je­doch kei­ne über § 434 I 2 Nr. 2 BGB hin­aus­ge­hen­de An­for­de­rung an die Soll-Be­schaf­fen­heit des Mo­tor­rads. So folgt be­reits aus dem Ge­set­zes­text und zu­dem auch nach der Le­bens­er­fah­rung ei­ne un­mit­tel­ba­re Wech­sel­wir­kung zwi­schen den öf­fent­li­chen Äu­ße­run­gen ei­ner­seits und der Er­war­tungs­hal­tung des Käu­fers an­de­rer­seits. Ei­ne ei­gen­stän­di­ge Be­deu­tung er­langt § 434 I 3 BGB mit­hin nur dann, wenn die Wer­bung zu­sätz­li­che (vgl. Pa­landt/Wei­den­kaff, a. a. O., § 434 Rn. 32) Ei­gen­schaf­ten ver­mit­telt, die als sol­che oh­ne die ent­spre­chen­de An­prei­sung noch nicht zum Üb­li­chen bei ge­wöhn­li­cher Ver­wen­dung ge­zählt hät­ten. Dies ist hier aber nicht der Fall. Da­bei knüpft der Klä­ger in der Be­ru­fungs­be­grün­dung zwar durch­aus zu Recht an den in dem Hon­da-Pro­spekt ge­wähl­ten Be­griff „High­speed-Tou­ring“ an. Zu­dem zei­gen die Bil­der je­weils ein mit zwei Per­so­nen be­setz­tes Mo­tor­rad in ei­ner wohl eher tou­ris­tisch at­trak­ti­ven Land­schaft. Ins­ge­samt wird da­durch der Ein­druck ei­nes be­que­men und ge­fahr­lo­sen Rei­sens auch bei ho­hen Ge­schwin­dig­kei­ten er­weckt. Al­le die­se Ei­gen­schaf­ten hät­ten aber auch oh­ne aus­drück­li­che Er­wäh­nung in dem Pro­spekt des Her­stel­lers be­reits auf­grund der sons­ti­gen üb­li­chen Be­schaf­fen­heit zur ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung er­war­tet wer­den kön­nen … In­so­fern er­gibt sich auch in tat­säch­li­cher Hin­sicht kei­ne ab­wei­chen­de Be­wer­tung im Ver­gleich zu den vor­ste­hend er­ör­ter­ten Vor­aus­set­zun­gen des § 434 I 2 Nr. 2 BGB

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