1. Ein Fahr­zeug kann be­reits des­halb man­gel­haft sein, weil es auf­grund ei­nes Kon­struk­ti­ons­feh­lers be­son­ders scha­den­s­an­fäl­lig ist.
  2. Ein Zy­lin­der­kopf muss so lan­ge hal­ten wie der Mo­tor selbst. Kommt es nach ei­ner Fahr­leis­tung von nur 94.000 km zu ei­nem Scha­den – hier: zu ei­nem Riss in der Zy­lin­der­kopf­dich­tung – ist dies des­halb grund­sätz­lich nicht le­dig­lich ei­ne nor­ma­le Ver­schleiß­er­schei­nung.

OLG Je­na, Ur­teil vom 19.01.2006 – 1 U 846/04

Sach­ver­halt: Der Klä­ger be­gehrt von der Be­klag­ten die Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ei­nen Ge­braucht­wa­gen (Jeep Grand Che­ro­kee 2.5 TD Sport).

Das Land­ge­richt hat sei­ner Kla­ge im We­sent­li­chen statt­ge­ge­ben. Zur Be­grün­dung hat es aus­ge­führt, dass be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger ei­ne Zy­lin­der­kopf­dich­tung ei­nen Riss auf­ge­wie­sen ha­be. Die Be­klag­te ha­be ih­re Be­haup­tung, der Riss sei auf ei­ne un­sach­ge­mä­ße Be­hand­lung des Fahr­zeugs durch den Klä­ger bzw. die Fah­re­rin F zu­rück­zu­füh­ren, nicht zu be­wei­sen ver­mocht. Nach den glaub­haf­ten An­ga­ben des fach­lich kom­pe­ten­ten Zeu­gen H hät­ten kei­ne Hin­wei­se für ei­ne Über­hit­zung des Mo­tors vor­ge­le­gen. Über­dies kön­ne ein Man­gel schon dar­in ge­se­hen wer­den, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug­typ für Riss­bil­dun­gen am Zy­lin­der­kopf an­fäl­lig sei.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat die Be­klag­te Be­ru­fung ein­ge­legt.

Sie meint, ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts grei­fe hier § 476 BGB nicht ein, da die Lauf­leis­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen, 1997 ge­bau­ten Fahr­zeugs bei Über­ga­be an den Klä­ger 84.500 km und bei Scha­den­s­ein­tritt 94.000 km be­tra­gen ha­be. Die Vor­schrift hel­fe dem Klä­ger auch des­halb nicht wei­ter, weil sie nach der Recht­spre­chung des BGH (Urt. v. 02.06.2004 – VI­II ZR 329/03) le­dig­lich ei­ne in zeit­li­cher Hin­sicht wir­ken­de Ver­mu­tung be­grün­de, der Klä­ger aber dar­le­gen und be­wei­sen müs­se, dass über­haupt ein Man­gel vor­han­den und der Scha­den nicht et­wa auf ei­nen Fahr­feh­ler zu­rück­zu­füh­ren sei. Die Be­klag­te ist au­ßer­dem der An­sicht, ein Man­gel lie­ge nicht schon des­halb vor, weil die Zy­lin­der­köp­fe bei dem hier in­ter­es­sie­ren­den Fahr­zeug­typ mög­li­cher­wei­se be­son­ders scha­den­s­an­fäl­lig sei­en. Kom­me es – wie hier – nach mehr als 80.000 km Lauf­leis­tung zu ei­nem Riss in ei­ner Zy­lin­der­kopf­dich­tung, so sei dies ei­ne blo­ße Ver­schleiß­er­schei­nung, aber kein Man­gel.

Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. …Das Land­ge­richt hat dem Klä­ger zu Recht ei­nen An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags we­gen Vor­lie­gens ei­nes Sach­man­gels des bei der Be­klag­ten er­wor­be­nen Fahr­zeugs zu­er­kannt.

Nach dem Er­geb­nis des vom Se­nat ein­ge­hol­ten er­gän­zen­den Gut­ach­tens des Sach­ver­stän­di­gen Dipl.-Ing. S vom 22.08.2005 kann zwar nicht fest­ge­stellt wer­den, ob die Ris­se in den Zy­lin­der­köp­fen des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs be­reits bei Über­ga­be des Fahr­zeugs vor­han­den wa­ren. Je­doch ist die Ent­ste­hung der Zy­lin­der­kop­f­ris­se mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit auf ei­nen Her­stel­ler­man­gel zu­rück­zu­füh­ren, und die Zy­lin­der­köp­fe ent­spre­chen nicht dem Stand der Tech­nik.

Der Se­nat folgt der Ein­schät­zung des Sach­ver­stän­di­gen, an des­sen Kom­pe­tenz kei­ne Zwei­fel be­ste­hen und der sei­ne Schluss­fol­ge­run­gen nicht nur in dem Gut­ach­ten gut be­grün­det und nach­voll­zieh­bar dar­ge­legt hat, son­dern dar­über hin­aus auch bei sei­ner An­hö­rung plau­si­bel er­läu­tert hat.

Auf wel­che Wei­se es zu dem Scha­dens­bild kommt, ist hin­rei­chend un­ter­sucht und auch in dem Gut­ach­ten hin­rei­chend er­läu­tert. Dar­über hin­aus­ge­hen­de tech­ni­sche Un­ter­su­chun­gen und Fest­stel­lun­gen sind nicht er­for­der­lich. Die Dar­le­gun­gen im Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten be­le­gen die Man­gel­haf­tig­keit des Fahr­zeugs hin­rei­chend.

Wie der Sach­ver­stän­di­ge in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19.01.2006 über­dies er­läu­tert hat, ha­ben sei­ne Re­cher­chen bei Händ­lern und Werk­stät­ten – ins­be­son­de­re frei­en Werk­stät­ten – im Um­kreis von Er­furt er­ge­ben, dass an dem be­tref­fen­den Fahr­zeug­typ ge­häuft Zy­lin­der­kop­f­ris­se bei ei­ner Lauf­leis­tung von ca. 80.000 bis 120.000 km auf­tre­ten. Sei­nem Be­richt zu­fol­ge gab es al­lein in ei­ner von ihm auf­ge­such­ten Werk­statt ca. 20 bis 25 der­ar­ti­ge be­schä­dig­te Zy­lin­der­köp­fe. Zwar exis­tiert kei­ne of­fi­zi­el­le Stel­lung­nah­me des Her­stel­lers, die den Scha­den ein­räumt. Mitt­ler­wei­le gibt es je­doch ei­nen ge­än­der­ten Zy­lin­der­kopf mit ei­ner neu­en Tei­le­num­mer. Nach ei­ner Her­stel­ler­in­for­ma­ti­on an die Werk­stät­ten sol­len bei Aus­wech­seln von Zy­lin­der­köp­fen nur sol­che mit der neu­en Tei­le­num­mer ver­wen­det wer­den. Die­ser vom Sach­ver­stän­di­gen ge­schil­der­te Um­stand lässt dar­auf schlie­ßen, dass es mitt­ler­wei­le (mut­maß­lich auf­grund zu­vor auf­ge­tre­te­ner Pro­ble­me) zu ei­ner Neu­ent­wick­lung ge­kom­men ist, was ein wei­te­res, ge­wich­ti­ges In­diz für ei­nen – zu­vor vor­lie­gen­den – Her­stel­ler­man­gel dar­stellt so­wie (ne­ben der Häu­fung der Scha­dens­fäl­le) auch ein In­diz da­für, dass die al­ten Zy­lin­der­köp­fe nicht dem Stand der Tech­nik ent­spre­chen.

Das Vor­lie­gen ei­nes Man­gels des Fahr­zeugs kann be­reits al­lein auf­grund des vor­ste­hend er­läu­ter­ten Her­stel­ler­man­gels – der be­son­de­ren Scha­den­s­an­fäl­lig­keit der Zy­lin­der­köp­fe – be­jaht wer­den. Dar­auf, ob sich die Ris­se an den Zy­lin­der­köp­fen be­reits bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags und Über­ga­be des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs aus­bil­de­ten oder schon ent­stan­den wa­ren, oder ob es erst spä­ter zur Riss­bil­dung kam, kommt es nicht an.

Der Sach­ver­stän­di­ge hat auch dar­ge­legt, dass es sich bei den an den Zy­lin­der­köp­fen auf­ge­tre­te­nen Schä­den nicht um ge­wöhn­li­chen Ver­schleiß han­delt, denn Zy­lin­der­köp­fe müs­sen so lan­ge hal­ten wie der Mo­tor selbst. Ein Zy­lin­der­kopf­scha­den darf nach ei­ner Fahrt­leis­tung von 94.000 km (wie hier) al­so grund­sätz­lich nicht auf­tre­ten.

Fer­ner­hin kann vor­lie­gend nicht von ei­nem Fahr­feh­ler des Klä­gers bzw. sei­ner Toch­ter, der Zeu­gin F (die­se fuhr das Fahr­zeug vor­wie­gend), aus­ge­gan­gen wer­den, der die Zy­lin­der­kop­f­ris­se her­bei­ge­führt ha­ben könn­te. Sol­ches wä­re viel­mehr un­wahr­schein­lich. Zwar kann der be­schrie­be­ne Scha­den, wie der Sach­ver­stän­di­ge er­läu­tert hat, bei ho­hen Mo­tor­dreh­zah­len über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum ent­ste­hen, aber bei nor­ma­lem Be­trieb des Fahr­zeugs kommt die Scha­dens­ent­ste­hung durch ei­nen Fahr­feh­ler re­gel­mä­ßig nicht in Be­tracht. Es kann je­doch nicht un­ter­stellt wer­den, dass das Fahr­zeug mit ho­hen Mo­tor­dreh­zah­len über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum ge­führt wur­de. Den sach­ver­stän­di­gen Fest­stel­lun­gen zu­fol­ge gab es im vor­lie­gen­den Fall fer­ner kei­ner­lei Hin­wei­se auf ei­ne Über­hit­zung des Mo­tors; Zy­lin­der­köp­fe und Mo­tor wa­ren „plan“ (glatt), was bei ei­ner Über­hit­zung nicht der Fall wä­re.

Dem Klä­ger kann auch nicht et­wa an­ge­las­tet wer­den, dass das Fahr­zeug we­gen des be­tref­fen­den Scha­dens nicht schon frü­her in die Werk­statt ge­bracht wur­de. Nach den An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen, dem der Se­nat ins­ge­samt – auch hier – folgt, be­merkt der Fah­rer den Scha­den­s­ein­tritt vor dem Kühl­mit­tel­aus­tritt in den Hub­raum nicht. Das heißt, er hat im Vor­feld des Scha­den­s­ein­tritts kei­ne Ver­an­las­sung, et­was zu un­ter­neh­men.

Dar­auf, ob der Scha­den dem Kfz-Händ­ler (der Be­klag­ten) bei Ab­schluss des Kauf­ver­trags und Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Käu­fer (Klä­ger) be­kannt war oder nicht … kommt es nicht an. Die Ge­währ­leis­tungs­haf­tung der Be­klag­ten ist hier näm­lich nicht da­von ab­hän­gig, ob – ne­ben dem Man­gel – auch Arg­list des Ver­käu­fers zu be­ja­hen ist …

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