Ein Man­gel ist un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB und be­rech­tigt des­halb nicht zum Rück­tritt vom Kauf­ver­trag, wenn für sei­ne Be­sei­ti­gung le­dig­lich Kos­ten in Hö­he von 4,5 % des Fahr­zeug­kauf­prei­ses auf­ge­wen­det wer­den müs­sen.

LG Kiel, Ur­teil vom 03.11.2004 – 12 O 90/04

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um die Rechts­fol­gen aus ei­nem Ge­braucht­wa­gen­kauf.

Die Klä­ge­rin kauf­te am 25.10.2003 von der Be­klag­ten ei­nen ge­brauch­ten Pkw zum Preis von 7.500 €. Das Fahr­zeug wur­de ihr am 31.10.2003 über­ge­ben. Im No­vem­ber 2003 zeig­te sie der Be­klag­ten an, dass sich im Be­reich des Bei­fah­rer­fuß­raums Feuch­tig­keits­er­schei­nun­gen er­eig­net hät­ten. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten dar­auf­hin, dass die Klä­ge­rin die Werk­statt der N auf­su­che, um die Ur­sa­che für den Feuch­tig­keits­ein­tritt un­ter­su­chen und ge­ge­be­nen­falls be­he­ben zu las­sen. Die Klä­ge­rin brach­te ihr Fahr­zeug wie ver­ein­bart am 17.11.2003 und am 26.11.2003 in die Werk­statt der N. Am 24.12.2003 er­klär­te die Klä­ge­rin mit Schrei­ben ih­res Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge be­gehrt die Klä­ge­rin die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags. Hilfs­wei­se macht sie Min­de­rung gel­tend und ver­langt fer­ner vor der Be­klag­ten Er­satz von Gut­ach­ter­kos­ten in Hö­he von 180,12 €. Die Kla­ge hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: Der … An­spruch [auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses] steht der Klä­ge­rin schon nach ih­rem ei­ge­nen Vor­brin­gen un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt zu. Als An­spruchs­grund­la­ge kommt al­lein § 346 I BGB in Be­tracht. Da­nach sind im Fal­le ei­nes Rück­tritts die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren. Die Klä­ge­rin war zum Rück­tritt je­doch nicht be­rech­tigt. Der Tat­be­stand des § 437 Nr. 2 BGB ist nicht er­füllt. Da­nach kann der Käu­fer vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn die Kauf­sa­che man­gel­haft ist. Ob das von der Klä­ge­rin ge­kauf­te Fahr­zeug man­gel­haft i. S. von § 434 BGB ist, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Ob dies tat­säch­lich zu­trifft, kann im Er­geb­nis je­doch of­fen­blei­ben. Denn ein et­wai­ges Rück­tritts­recht ist je­den­falls nach § 323 V 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Nach die­ser Vor­schrift kann der Käu­fer dann nicht vom Ver­trag zu­rück­tre­ten, wenn die Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers un­er­heb­lich ist. Das ist hier der Fall.

Im Schrift­tum wer­den un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen zu der Fra­ge ver­tre­ten, wie der Be­griff der „Un­er­heb­lich­keit“ aus­zu­le­gen ist. Ein Teil der Li­te­ra­tur meint, das Kri­te­ri­um der Un­er­heb­lich­keit ent­spre­che der Ba­ga­tell­gren­ze des § 459 I 2 BGB a.F. und stützt sich hier­zu auf die Ge­set­zes­be­grün­dung zu § 323 V 2 BGB (Dau­ner-Lieb, in: An­walt­kom­men­tar zum Schuld­recht, 2002, § 323 Rn. 24; Faust, in: Hu­ber/Faust, Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rung, Kap. 3 Rn. 163). Nach an­de­rer An­sicht kommt ei­ne Über­nah­me der zu § 459 I 2 BGB a.F. ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze nicht in Be­tracht (MünchKomm-BGB/Ernst, 4. Aufl., § 323 Rn. 243; Gro­the, in: Bam­ber­ger/Roth, BGB, 2003, § 323 Rn. 39). Da­nach sei die Er­heb­lich­keits­schwel­le bei § 323 V 2 BGB deut­lich hö­her an­zu­set­zen als bei § 459 I 2 BGB a.F., da im Ge­gen­satz zur bis­he­ri­gen Rechts­la­ge ei­ne Min­de­rung auch we­gen Män­geln mög­lich sei, die nicht die Er­heb­lich­keits­schwel­le des § 323 V 2 BGB er­rei­chen. Der Ge­samt­wert der Leis­tung müs­se in ei­nem Um­fang be­trof­fen sein, der ei­ne Min­de­rung von ca. 20 % bis 50 % zu­las­sen wür­de (MünchKomm-BGB/Ernst, a. a. O., § 323 Rn. 243).

Im vor­lie­gen­den Fall be­darf es kei­ner Ent­schei­dung, wel­cher der bei­den Auf­fas­sun­gen zu fol­gen ist. Der in Re­de ste­hen­de Man­gel ist in je­dem Fall un­er­heb­lich. Dies gilt auch un­ter Zu­grun­de­le­gung der Li­te­ra­tur­mei­nung, die aus der Sicht der Klä­ge­rin die ge­rin­ge­ren An­for­de­run­gen an die Er­heb­lich­keit i. S. von § 323 V 2 BGB stellt, weil sie nach wie vor die zu § 459 I 2 BGB a.F. ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze her­an­zie­hen. Nach die­sen Grund­sät­zen ist ein Rück­tritt dann aus­ge­schlos­sen, wenn es sich um ab­grenz­ba­re Män­gel han­delt, die oh­ne Schwie­rig­kei­ten be­ho­ben wer­den kön­nen. Da­bei spie­len ins­be­son­de­re die Er­kenn­bar­keit des Man­gels und die Kos­ten der Be­sei­ti­gung ei­ne Rol­le. Ist der Feh­ler leicht er­kenn­bar und lässt er sich mit un­er­heb­li­chen Auf­wand in­ner­halb kur­zer Zeit be­sei­ti­gen, so kann selbst bei ob­jek­tiv er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen der Ge­brauchs­taug­lich­keit ein un­er­heb­li­cher Feh­ler vor­lie­gen (So­er­gel/Hu­ber, BGB, 12. Aufl. 1991, § 459 Rn. 77; RGRK-BGB/Mez­ger, 12. Aufl. 1978, § 459 Rn. 20). Das ist hier der Fall. Die Klä­ge­rin be­haup­tet, dass ei­ne Kunst­stoff­hal­te­rung der Tür­ver­klei­dung die Ur­sa­che für das Ein­drin­gen der Feuch­tig­keit dar­stel­le. Hier­bei han­delt es sich aber um ei­nen ab­grenz­ba­ren Man­gel, der selbst dann oh­ne grö­ße­re Kos­ten und Mü­hen be­sei­tigt wer­den kann, wenn man zu­sam­men mit der Klä­ge­rin an­nimmt, dass für die Be­sei­ti­gung des Man­gels Kos­ten in Hö­he von 340 € er­ste­hen wür­den. Da der Kos­ten­auf­wand so­mit nur ca. 4,5 % des Kauf­prei­ses aus­ma­chen wür­de, wä­re es un­ge­recht, der Klä­ge­rin ein Rück­tritts­recht zu­zu­bil­li­gen (vgl. OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 27.02.2004 – I-3 W 21/04, NJW- RR 2004, 1060, für den Fall, dass der Re­pa­ra­tur­auf­wand für die Män­gel­be­sei­ti­gung al­len­falls 3 % des Kauf­prei­ses aus­ma­che). Die Klä­ge­rin wird da­mit auch nicht recht­los ge­stellt. Ihr bleibt es un­be­nom­men, we­gen des an­geb­li­chen Man­gels zu min­dern. Denn das Recht auf Min­de­rung schließt § 323 V 2 BGB nicht aus (OLG Düs­sel­dorf, Beschl. v. 27.02.2004 – I-3 W 21/04, NJW-RR 2004, 1060).

Die Klä­ge­rin macht auch hilfs­wei­se Min­de­rung gel­tend. Al­ler­dings ist der in­so­weit ge­stell­te An­trag, der dar­auf ge­rich­tet ist, das Ge­richt mö­ge auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Min­de­rungs­be­trag – min­des­tens 500 € – er­ken­nen, nicht zu­läs­sig. Denn der An­trag ent­spricht nicht den An­for­de­run­gen des § 253 II Nr. 2 ZPO. Da­nach muss die Kla­ge­schrift ei­nen be­stimm­ten An­trag ent­hal­ten. Ein Zah­lungs­an­trag ist nur dann aus­rei­chend be­stimmt, wenn sich der zu voll­stre­cken­de Geld­be­trag aus dem Te­nor oder je­den­falls aus all­ge­mein zu­gäng­li­chen Un­ter­la­gen er­gibt. Ge­mes­sen an die­sen Grund­sät­zen ist der ge­stell­te An­trag zu un­be­stimmt, weil er den zu zah­len­den Geld­be­trag nicht aus­weist, son­dern le­dig­lich ei­nen Min­dest­be­trag be­nennt. Weil schließ­lich auch kei­ne Aus­nah­men von dem Be­stimmt­heits­ge­bot Platz grei­fen, war die Kla­ge in­so­weit als un­zu­läs­sig ab­zu­wei­sen (vgl. KG, NJW-RR 2002, 948, wo­nach der auf Rück­zah­lung ei­nes an­ge­mes­se­nen Min­de­rungs­be­trags ge­rich­te­te An­trag nicht aus­rei­chend be­stimmt sei) …

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