Erklärt der Verkäufer eines Gebrauchtwagens dem Käufer, das Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer (Fahrzeughalter) gehabt, so kann er sich wegen Arglist dann nicht auf einen vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen, wenn er sich der Erkenntnis, dass das Fahrzeug tatsächlich mehr als nur zwei Vorbesitzer gehabt hat, bewusst verschlossen hat.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2002 – 22 U 13/02

Sachverhalt: Der Beklagte verkaufte der Klägerin unter Ausschluss jeder Gewährleistung einen gebrauchten Pkw für 11.000 DM. Im schriftlichen Kaufvertrag, der unter Verwendung eines vom ADAC herausgegebenen Formulars geschlossen wurde, heißt es im vorgedruckten Text:

Angaben des Verkäufers:

1. Der Verkäufer sichert zu:

1.4. dass das Kfz in der Zeit, in der es sein Eigentum war,
× keinen Unfallschaden
× keine sonstigen Beschädigungen erlitt

2. Der Verkäufer erklärt:
2.1 dass das Fahrzeug auch in der übrigen Zeit – soweit ihm bekannt –
× keinen Unfallschaden
× keine sonstigen Beschädigungen
lediglich folgende Schäden hatte:

2.4 dass das Kfz, soweit ihm bekannt, 2 Vorbesitzer (Fahrzeughalter) hatte.“

Die Kästchen sind jeweils durch Ankreuzen bzw. durch Einfügen der Zahl „2“ handschriftlich ausgefüllt worden.

In dem zum Fahrzeug gehörenden Fahrzeugbrief ist vermerkt, dass der bisherige Fahrzeugbrief eingezogen worden sei. Der darüber angebrachte Vermerk „Anzahl Vorhalter“ ist im Bereich der darauf folgenden Zahl durch einen dunklen Fingerabdruck unleserlich.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe zugesichert, dass das Fahrzeug lediglich zwei Vorbesitzer gehabt habe. Sie begehrt im Wege der Wandlung des Kaufvertrags die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Wandlungsbegehren der Klägerin ist begründet (§§ 459, 465, 467, 346 ff. BGB a.F.). Der Beklagte hat die Klägerin durch die Erklärung, das verkaufte Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer (Fahrzeughalter) gehabt, arglistig getäuscht und durch diese Täuschung zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst.

Unstreitig und inzwischen durch die von der Klägerin vorgelegte Ablichtung des „alten“ … Fahrzeugbriefs belegt hatte das verkaufte Fahrzeug allerdings nicht zwei, sondern fünf Vorbesitzer. Damit fehlte dem verkauften Fahrzeug zwar – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – nicht schon eine zugesicherte Eigenschaft i. S. des § 459 II BGB a.F. In dem schriftlichen Kaufvertrag wird bei den „Angaben des Verkäufers“ ausdrücklich zwischen Zusicherungen („1. Der Verkäufer sichert zu:“) und Wissenserklärungen („2. Der Verkäufer erklärt:“) unterschieden. Schon dadurch ist auch für den Käufer als Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass der Verkäufer für das Vorhandensein der unter Nr. 2 beschriebenen Merkmale und Eigenschaften – anders als für die unter Nr. 1 aufgeführten – keine vertragliche Gewähr übernehmen will.

Der Beklagte hat der Klägerin jedoch durch die Erklärung, das verkaufte Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, zwei Vorbesitzer gehabt, arglistig Umstände vorgespiegelt, denen für die Wertbildung erhebliche Bedeutung zukam.

Die Erklärung stellt sich nicht lediglich als unverbindliche Wissenserklärung dar. Sie war vielmehr aus der Sicht der Klägerin als Erklärungsempfängerin so zu verstehen, dass nach dem Kenntnisstand des Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrags nur zwei Halter vor dem Beklagten eingetragene Halter des Fahrzeugs gewesen waren. So verstanden kam ihr für die Kaufentscheidung der Klägerin eine wesentliche Bedeutung zu. Der Anzahl der im Kfz-Brief eingetragenen Vorbesitzer eines Kraftfahrzeugs wird im Gebrauchtwagenhandel eine erhebliche Bedeutung beigemessen. Ob ein etwa sieben Jahre alter Pkw mit Dieselmotor drei oder aber vier und mehr Vorbesitzer hat, wirkt sich beim Verkauf regelmäßig in einem Preisunterschied aus. Je höher die Anzahl der in den Kraftfahrzeugbrief eingetragenen Halter ist, desto geringer ist der Marktpreis bei im Übrigen vergleichbaren Merkmalen und Eigenschaften des Fahrzeugs anzusetzen.

Die Erklärung des Beklagten war objektiv falsch und entsprach auch nicht dem Kenntnisstand des Beklagten.

Aufgrund der Eintragungen in den eingezogenen ersten Fahrzeugbrief, von dem die Klägerin nunmehr mit der Berufungsbegründung die Ablichtung vorgelegt hat, steht fest, dass das Fahrzeug schon vor der Ausgabe des Ersatzfahrzeugbriefs drei verschiedene Halter hatte. Selbst wenn die in dem Ersatzfahrzeugbrief unter „Anzahl Vorhalter“ angegebene Zahl bereits unleserlich gemacht worden war, bevor er das Fahrzeug erwarb, und ihm deshalb die genaue Anzahl der eingetragenen Vorbesitzer nicht bekannt war, wusste der Beklagte doch, daß es vor ihm nicht nur zwei Vorbesitzer gegeben hatte. Das Vorhandensein zumindest eines weiteren Halters ging aus dem Ersatzfahrzeugbrief unübersehbar hervor. Der Ersatzfahrzeugbrief enthält unter der Rubrik „Raum für weitere amtlich zugelassene Eintragungen“ die amtliche Eintragung, dass dieser im April 1998 als Ersatz für den bisherigen ausgegeben und der „alte“ Fahrzeugbrief eingezogen worden ist. Schon allein die Tatsache, dass für das Fahrzeug, nachdem es früher bereits zum Straßenverkehr zugelassen war, vier Jahre nach der Erstzulassung ein zweiter Fahrzeugbrief ausgestellt worden ist, sprach in hohem Maße dafür, dass es zumindest einen weiteren Halter gegeben hatte. Zwar bestand – jedenfalls theoretisch – die Möglichkeit, dass der als erster in den neuen Kraftfahrzeugbrief eingetragene S auch einziger in den eingezogenen Kraftfahrzeugbrief eingetragener Halter war. Zweifel, dass dies tatsächlich zutraf, drängten sich jedoch nicht nur im Hinblick auf die Einziehung des „alten“ Fahrzeugbriefs und den seit der Erstzulassung bis dahin verstrichenen Zeitraum von vier Jahren auf. Vor allem der Umstand, dass die im Zusammenhang mit der Ausgabe des neuen Fahrzeugbriefs unter der vorgenannten Rubrik erfolgte Eintragung der Anzahl der Vorhalter „zufällig“ in dem Bereich der eingetragenen Zahl durch einen (in der Fotokopie schwarzen) Fingerabdruck unleserlich gemacht worden war, schloss ein Festhalten an der Vorstellung, der an erster Stelle in den Ersatzfahrzeugbrief eingetragene Halter S sei auch der erste und einzige Halter des Fahrzeugs gewesen, praktisch aus.

Der Beklagte handelte auch arglistig.

Nach Lage der Dinge ist davon auszugehen, dass der Beklagte – sofern er nicht selbst die Zahlenangabe bezüglich der Vorhalter unleserlich gemacht hat – sich der Erkenntnis, dass das Fahrzeug nicht nur die vor ihm in den Ersatzfahrzeugbrief eingetragenen zwei Halter gehabt hatte, bewusst verschlossen und die Erklärung, das Fahrzeug habe, soweit ihm bekannt, nur zwei Fahrzeughalter vor ihm gehabt, in dem Bewusstsein abgegeben hat, die Klägerin werde den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht zu denselben Bedingungen abschließen, wenn er ihr offenbarte, dass das Fahrzeug außer ihm mehr als nur zwei Vorbesitzer gehabt hatte.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, aus dem Kraftfahrzeugbrief, der ihm vorgelegen habe, sei nicht zu erkennen gewesen, dass das Fahrzeug mehr als zwei Vorbesitzer gehabt habe. Wenn er beim Verkauf des Fahrzeugs Angaben über die Zahl der Vorbesitzer machte, so konnte er dies nicht tun, ohne sich darüber zuvor durch Einsichtnahme in den Kraftfahrzeugbrief zu unterrichten. Dann konnte ihm aber nicht verborgen bleiben, dass die in dem Vermerk über die Ausstellung des Ersatzfahrzeugbrief angegebene Zahl der in den eingezogenen „alten“ Fahrzeugbrief eingetragenen Halter unleserlich gemacht worden war. Er musste deshalb damit rechnen, dass das Fahrzeug bereits mehrere Halter gehabt hatte, bevor der Ersatzfahrzeugbrief ausgestellt wurde, und handelte deshalb arglistig, indem er diesen Umstand der Klägerin verschwieg. Dass diese sich auf die unrichtige oder unvollständige Erklärung des Beklagten verließ, ist der Klägerin nicht vorwerfen. Sie mag zwar vor Abschluss des Kaufvertrags Gelegenheit gehabt haben, in den (Ersatz-)Fahrzeugbrief Einblick zu nehmen. Einem wenig erfahrenen, durch unrichtige oder unvollständige Erklärungen des Verkäufers getäuschten Käufer fällt aber nicht sogleich ins Auge, dass es sich um einen Ersatzfahrzeugbrief handelt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Ersatzfahrzeugbrief – wie hier – nicht durch einen Stempelaufdruck oder in anderer Weise auf den ersten Blick sichtbar als solcher gekennzeichnet ist.

Da der Beklagte der Klägerin arglistig vorgespiegelt hat, das Fahrzeug habe seines Wissens vor ihm nur zwei Halter gehabt, ist der vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschluss unwirksam (§ 476 BGB a.F.).

Die Klägerin kann daher im Wege der Wandlung gemäß den §§ 459, 462, 467, 346, 348 BGB a.F. Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs die Rückzahlung des Kaufpreises von 11.000 DM verlangen. Sie muss sich jedoch für die Dauer der Nutzung des Fahrzeugs die gezogenen Gebrauchsvorteile anrechnen lassen (§ 346 Satz 2 BGB a.F.).

Nach ihrer unwidersprochen Darstellung … hat die Klägerin bis zur Stillegung am 15.10.2001 … 17.211 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt. Den Betrag der Nutzungsvorteile je Kilometer Fahrleistung schätzt der Senat auf 0,14 DM. Grundlage dieser Schätzung sind eine Restlaufleistung von ca. 80.000 km, die bei einer Laufleistung des mit einem Dieselmotor ausgestatteten Fahrzeugs von 170.000 km bei Abschluss des Kaufvertrags noch zu erwarten war, und der vereinbarte Kaufpreis von 11.000 DM. Pro Kilometer ergibt sich daraus ein vom Kläger zu vergütender Nutzungsvorteil von etwa 0,14 DM (11.000 DM : 80.000 km). Das macht für 17.211 km abgerundet 2.400 DM, sodass die Klägerin einen Betrag von 8.600 DM, der 4.397,11 € entspricht, von dem Beklagten Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen kann.

Über die Rückgewähr des nach Abzug der Gebrauchsvorteile verbleibenden Kaufpreises hinaus kann die Klägerin ferner gemäß den §§ 347 Satz 2 BGB a.F., § 994 I BGB die Erstattung der Aufwendungen verlangen, die ihr ausweislich der Rechnung der Daimler-Chrysler AG, Niederlassung R., vom 10.09.2001 in Höhe von 356,07 DM entstanden sind. Die Infrarot-Fernbedienung der Zentralverriegelung gehört zur Standardausrüstung des Fahrzeugs … Die Aufwendungen für den – letztlich erfolglosen – Versuch der Fehlerbeseitigung gehörten demgemäß zu den notwendigen Aufwendungen i. S. des § 994 I BGB. Dass durch den Reparaturversuch eine Verbesserung und Wertsteigerung des Fahrzeugs nicht eingetreten ist, weil die Fahrzeugelektrik verändert worden war, ist unerheblich; ein fortdauernder Nutzen der Maßnahme ist nicht erforderlich (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., § 994 Rn. 5 m. w. Nachw.).

Dagegen kann die Klägerin nicht auch die Kosten für die Beschaffung eines neuen Schlüssels ersetzt verlangen. Diese Aufwendungen waren zur Erhaltung des Fahrzeugs nicht notwendig. Hätte die Klägerin – was angesichts der Nichtbedienbarkeit der Zentralverriegelung durch die Fernsteuerung nahegelegen hätte – die Fahrzeugelektrik überprüfen lassen, bevor sie den neuen Schlüssel erwarb, hätte sich die Anschaffung erübrigt.

Ferner kann die Klägerin die für die Abmeldung des Fahrzeug aufgewandten Gebühren von 11 DM als Vertragskosten ersetzt verlangen (§ 467 Satz 2 BGB a.F.).

Die begründete Klageforderung errechnet sich demgemäß wie folgt:

Kaufpreis 11.000,00 DM
./. Gebrauchsvorteile 2.400,00 DM
zzgl. Reparaturkosten + 356,07 DM
zzgl. Abmeldegebühren + 11,00 DM
8.967,07 DM
 
Diese entsprechen 4.584,79 €.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist erst für die Zeit ab 27.04. 2001 … begründet …

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