Fehlt einem verkauften Kfz die vom Verkäufer zu beschaffende Herstellergarantie oder ist diese bei Übergabe des Fahrzeugs bereits teilweise abgelaufen, so liegt kein Sachmangel i. S. des § 459 I BGB vor. Vielmehr kommt allein eine Haftung des Verkäufers wegen der Verletzung einer Nebenpflicht in Betracht.
BGH, Urteil vom 24.04.1996 – VIII ZR 114/95
Diese Entscheidung ist zum „alten“ Schuldrecht und vor Inkrafttreten der ZPO-Reform 2002 ergangen. Sie kann nicht ohne Weiteres auf das seit dem 01.01.2002 geltende Recht übertragen werden (so ist z. B. an die Stelle der Wandelung der Rücktritt vom Kaufvertrag getreten). Die genannten Vorschriften existieren heute möglicherweise nicht mehr oder haben einen anderen Inhalt.
Sachverhalt: Die Klägerin betreibt ein im Handelsregister nicht eingetragenes Unternehmen. Dessen Betriebsvermögen besteht im Wesentlichen aus einem Lkw, den der Ehemann der Klägerin fährt.
Im Februar 1992 ließ die Klägerin ihren Ehemann bei der Beklagten eine dort vorrätige Volvo-Sattelzugmaschine zum Preis von 182.400 DM brutto aussuchen. Dieses Fahrzeug hatte die Beklagte nicht über den deutschen Generalimporteur bezogen, sondern aus Frankreich importiert, wo es am 18.11.1991 ausgeliefert worden war. Am 18.03.1992 unterzeichnete die Klägerin – „nach Kenntnisnahme und unter Anerkennung der umseitigen Geschäftsbedingungen“ – einen auf die Sattelzugmaschine gerichteten „Auftrag für neue Kraftfahrzeuge“.
Die in Bezug genommenen Geschäftsbedingungen lauten auszugsweise:
„V. Gewährleistung
1. Das gebrauchte Fahrzeug bzw. die gebrauchte Kaufsache ist verkauft unter Ausschluss jeder Gewährleistung …
2. Für neue Fahrzeuge bzw. neue Kaufsachen und deren Teile übernimmt die Verkäuferin Gewährleistung für die Dauer von sechs Monaten vom Tage der Lieferung an. Die Gewährleistung ist beschränkt auf das Recht der Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Bei Fehlschlagen der Nachbesserung oder Ersatzlieferung ist es dem Käufer gestattet, Herabsetzung der Vergütung oder Rückgängigmachung des Kaufvertrages zu verlangen.“
Bereits zuvor hatte die Klägerin der L-GmbH den Abschluss eines Leasingvertrages über den Lkw angetragen. Diesen Antrag nahm die L-GmbH unter dem 08.05.1992 an. § 6 der dem Leasingvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautet auszugsweise:
„1. Für Sach- und Rechtsmängel des Leasingobjektes leistet der Leasinggeber nur in der Weise Gewähr, dass er mit Abschluss dieses Leasingvertrages seine kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche einschließlich Schadensersatzansprüchen an den Leasingnehmer abtritt. Der Leasingnehmer nimmt diese Abtretung an. Die Gewährleistungsansprüche umfassen auch das Recht auf Wandelung (Rückgängigmachung des Kaufes) und Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises). Die hieraus resultierenden Zahlungsansprüche sind jedoch nicht mit abgetreten …
4. Der Leasingnehmer wird im Gewährleistungsfall aus abgetretenem Recht Leistung an den Leasinggeber verlangen bzw. einen entsprechenden Klageantrag stellen.“
Am 08.04.1992 erklärte die L-GmbH gegenüber der Beklagten, sie trete in die Bestellung der Klägerin ein. Demgemäß stellte die Beklagte der L-GmbH den mit der Klägerin für das Fahrzeug vereinbarten Preis in Rechnung, und zwar mit der Maßgabe, dass 54.720 DM von der Klägerin zu zahlen sei und den Rest (127.680 DM) die L-GmbH zu zahlen habe.
Die L-GmbH hat den auf sie entfallenden Betrag vollständig, die Klägerin den auf sie entfallenden Betrag teilweise gezahlt.
Die Klägerin hat das Fahrzeug am 30.04.1992 übernommen; bis Ende Juni 1994 sind damit mindestens 312.000 km zurückgelegt worden.
Nachdem sie das Fahrzeug am 30.04.1992 übernommen hatte, ließ die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 23.10.1992 die Wandelung des Kaufvertrages erklären; mit Schreiben vom 02.11. und vom 08.12.1992 ließ sie außerdem den Leasingvertrag wegen Irrtums und wegen arglistiger Täuschung gegenüber der L-GmbH anfechten.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin aus abgetretenem Recht der L-GmbH die Wandelung des Kaufvertrags. Sie behauptet, das ihr von der Beklagten gelieferte Fahrzeug sei mangelhaft, weil es sich um einen „Grauimport“ handele. Es sei nicht mit einer Garantie der Volvo Deutschland GmbH ausgestattet. Außerdem seien die von der Volvo Deutschland GmbH eingeführten Fahrzeuge mit einer Garantie von 24 Monaten ausgestattet, während mit dem von der Beklagten gelieferten Fahrzeug nur eine solche über 12 Monate verbunden sei. Diese Garantiefrist habe außerdem bereits mit der Auslieferung am 18.11.1991 begonnen. Im Übrigen sei das Fahrzeug anders ausgestattet als die für Deutschland produzierten Lastkraftwagen. Die Ausstattung des gelieferten Fahrzeugs sei auch nicht identisch mit der desjenigen, das ihr Ehemann vor dem Kauf besichtigt habe.
Die Beklagte macht im Wege der Widerklage den restlichen Kaufpreis einschließlich Finanzierungskosten von 14.414,73 DM nebst Zinsen geltend.
Das Landgericht hat Klage und Widerklage mit der Begründung abgewiesen, zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die Klägerin den Leasingvertrag angefochten habe Sie könne sich daher nicht auf die darin enthaltene Abtretung des Rechts auf Wandelung berufen. Schuldnerin der Restkaufpreisforderung der Beklagten sei allein die L-GmbH. Auf die Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage – unter Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht – dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Die Klägerin habe den Leasingvertrag nicht wirksam angefochten. Wegen der engen Verknüpfung von Leasingvertrag und Kaufvertrag könne der Leasingnehmer, dem die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte abgetreten seien, eine Anfechtung wegen Irrtums nicht auf solche Umstande stützen, die zugleich einen Sachmangel i. S. des § 459 I BGB darstellten. Außerdem habe die Klägerin das Vorliegen eines Irrtums im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung ebenso wie die Voraussetzungen einer Arglistanfechtung nicht substanziiert dargetan. Auch sei die Klägerin nach dem Verbraucherkreditgesetz … nicht berechtigt gewesen, sich von den vertraglichen Absprachen mit der Beklagten zu lösen.
Das Wandelungsbegehren der Klägerin sei dagegen berechtigt. Hierbei könne offenbleiben, ob es überhaupt die von ihr behaupteten Ausstattungsunterschiede … gebe und ob solche Ausstattungsunterschiede angesichts der Tatsache, dass die Klägerin sich ein ganz bestimmtes Fahrzeug ausgesucht habe, geeignet seien, einen Fehler i. S. des § 459 I BGB zu begründen; auch brauche nicht aufgeklärt zu werden, ob die Garantieregelungen des Herstellers für die nach Deutschland gelieferten und für die für den französischen Markt produzierten Fahrzeuge unterschiedlich lange Garantiefristen festlegten.
Das Fahrzeug habe nämlich jedenfalls insoweit einen erheblichen Mangel aufgewiesen, als bei Gefahrübergang an die Klägerin nahezu sechs Monate der Herstellergarantie verstrichen gewesen seien. Um diese Frist habe sich der Anspruch der Klägerin, der insoweit in dem Leasingvertrag alle Gewährleistungsansprüche abgetreten gewesen seien, auf Ersatz aller Schaden, die nicht nachweislich von ihr zu vertreten seien, verkürzt. In dieser Verkürzung der Garantiefrist sei ein dem Fahrzeug anhaftender, seinen Wert herabsetzender Umstand und somit ein Fehler i. S. des § 459 I BGB zu sehen. Hierbei sei nicht entscheidend, ob tatsächlich während der fraglichen Zeit ein garantiepflichtiger Schaden eingetreten sei. Gegenüber diesem Mangeleinwand könne die Beklagte sich nicht auf ihre Geschäftsbedingungen berufen. Es könne offenbleiben, ob diese überhaupt wirksam vereinbart worden seien. Sie seien unklar und widersprüchlich. Nach der Überschrift handele es sich um den Auftrag für ein neues Kraftfahrzeug, nach dem weiteren Text aber um die Bestellung eines näher beschriebenen gebrauchten Kraftfahrzeugs unter Ausschluss jeder Gewährleistung; lediglich für neue Fahrzeuge übernehme die Beklagte als Verkäuferin die Gewährleistung für die Dauer von sechs Monaten vom Tage der Lieferung an, allerdings beschränkt auf das Recht der Nachbesserung oder Ersatzlieferung. Eine Nachbesserung oder Ersatzlieferung komme aber im Hinblick auf den Mangel der Herstellergarantie schon im Ansatz nicht in Betracht.
II. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht insoweit, als es einen Fehler i. S. des § 459 I BGB darin sieht, dass bei Übergabe des Fahrzeugs an die Klägerin von der Herstellergarantie beinahe sechs Monate abgelaufen waren. Beschaffenheitsmerkmale im Sinne des Fehlerbegriffs dieser Vorschrift können sich zwar auch aus rechtlichen Beziehungen des Kaufgegenstandes zu seiner Umwelt ergeben, doch müssen diese Beziehungen in der Beschaffenheit des Kaufgegenstandes selbst ihren Grund haben, ihm selbst unmittelbar innewohnen, von ihm ausgehen, sie dürfen sich nicht erst durch Heranziehen von außerhalb des Kaufgegenstandes liegenden Verhältnissen oder Umständen ergeben (BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 144/86, WM 1988, 48 [unter II 1 a bb] m. w. Nachw.).
Der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung, das Fehlen der (Hersteller-)Garantie, der ihr teilweiser Ablauf gleichzusetzen wäre, sei als Sachmangel zu betrachten (Staudinger/Honsell, BGB, 13. Aufl., § 459 Rn. 92, Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rn. 301, Reinking/Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., Rn. 439 und 627, OLG Frankfurt, Urt. v. 30.09.1983 – 22 U 32/83, MDR 1984, 141, OLG Stuttgart, Urt. v. 19.11.1984 – 2 U 15/84, RIW/AWD 1985, 243, LG Bielefeld, Urt. v. 18.12.1970 – 5 O 486/70, MDR 1971, 661), vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass die Verkürzung der Garantiefrist einen den Wert des Fahrzeugs – unter Umstanden erheblich – herabsetzenden Umstand darstellt; das Fehlen der Garantie oder die Verkürzung der Garantiefrist kann im Einzelfall von großem wirtschaftlichen Gewicht sein (so etwa LG Bielefeld, Urt. v. 18.12.1970 – 5 O 486/70, MDR 1971, 661). Auch mag zutreffen, dass der Käufer eines Neuwagens üblicherweise das Bestehen einer – vollen, das heißt erst bei Lieferung an ihn beginnenden – Garantie des Herstellers voraussetzen darf (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 20.02.1986 – I ZR 149/83, WM 1986, 776 [unter II 1 b bb]; Senat, Urt. v. 09.07.1986 – VIII ZR 184/85, WM 1986, 1321 [unter II 2]). Der Begriff des Fehlers i. S. des § 459 I BGB setzt indessen weiter voraus, dass der fragliche Umstand nicht nur eine rechtliche Beziehung der Kaufsache zur Umwelt darstellt, sondern dass diese Beziehung in der Beschaffenheit der Kaufsache ihren Grund hat, ihr also anhaftet. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung die durch die räumliche Lage bedingte rechtliche Unmöglichkeit, Kellerräume als Wohnungen zu benutzen (BGH, Urt. v. 20.03.1987 – V ZR 27/86, NJW 1987, 2511 [unter I]), als Fehler anerkannt worden, nicht dagegen eine von der Beschaffenheit des erworbenen Wohnraumes unabhängige, für den Käufer ungünstige steuerliche Behandlung der Kosten des Erwerbs (BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 144/86, WM 1988, 48) sowie gleichfalls nicht die charakterliche Unzuverlässigkeit eines maßgeblichen Mitarbeiters eines verkauften Unternehmens (Senat, Urt. v. 16.01.1991 – VIII ZR 335/89, WM 1991, 589 [unter II 3 a bb]).
Danach ist die Verkürzung der Garantiefrist für ein verkauftes Fahrzeug nicht als Fehler i. S. des § 459 I BGB zu betrachten, weil hiervon weder die Beschaffenheit des Fahrzeuges betroffen ist (wie hier MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 459 Rn. 37; Erman/Grunewald, BGB, 9. Aufl., § 459 Rn. 10), noch der in der Abkürzung der Garantie liegende, für die Kaufsache nachteilige Umstand in ihrer Beschaffenheit wurzelt.
2. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob dem Fahrzeug weitere, von der Klägerin behauptete Mangel anhaften, ist dem Senat eine eigene Sachentscheidung verwehrt (§ 565 I ZPO). Für die weitere Verhandlung wird auf folgende Umstände hingewiesen:
a) Da fehlende Garantien oder abgekürzte Garantiefristen keinen Sachmangel darstellen (siehe oben II 1), kommt es auf die vom Berufungsgericht erörterte, aber nicht entschiedene Frage, ob die Garantieregelungen des Herstellers für die nach Deutschland gelieferten und für die für den französischen Markt produzierten Fahrzeuge unterschiedlich lange Garantiefristen aufweisen, nicht an.
b) Die Berufung der Klägerin auf die von ihr behaupteten Ausstattungsunterschiede zwischen dem bestellten und dem schließlich gelieferten Fahrzeug kann nur dann Erfolg haben, wenn der Gewährleistungsausschluss, auf den die Beklagte sich beruft, unwirksam ist. Hierzu wird das Berufungsgericht, wie die Revision in anderem Zusammenhang zu Recht rügt, zunächst festzustellen haben, „als was“ das Fahrzeug verkauft wurde. Handelt es sich bei dem zwischen den Parteien zunächst abgeschlossenen Kaufvertrag, wie die „Bestellung“ nach ihrem Wortlaut vermuten lässt („gebraucht, wie besichtigt und unter Ausschluss jeder Gewährleistung“), um einen Gebrauchtwagenkauf, so ist die Gewährleistung hierfür nach Nr. V 1 der dem Kaufvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam ausgeschlossen (Senat, Urt. v. 23.11.1994 – VIII ZR 19/94, WM 1995, 160 [unter II 2 a]). Handelt es sich dagegen um den Verkauf eines Neufahrzeugs, so ist die Gewährleistung nach Nr. V 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam (§ 11 Nr. 10 lit. b AGBG) auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung und erst hilfsweise auf Wandelung oder Minderung beschränkt.
c) Falls, was das Berufungsgericht annimmt, die Beklagte der Klägerin die Lieferung eines Fahrzeugs mit – voller – Werksgarantie schuldete, kommt angesichts der von der Vorinstanz angenommenen abgekürzten Garantie, die die Beklagte der Klägerin verschafft hat, die Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenleistungspflicht durch die Beklagte in Betracht mit der Folge, dass der Klägerin möglicherweise Rechte aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zustehen (vgl. BGH, Urt. v. 07.03.1983 – VIII ZR 331/81, BGHZ 87, 88 [92], Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 276 Rn. 112). Die Klägerin als Leasingnehmerin vermag indessen derartige Ansprüche nur aus abgeleitetem Recht zu erheben. Das Berufungsgericht wird daher, gegebenenfalls nach entsprechendem Vortrag der Parteien, zu prüfen haben, ob den dem Leasingvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine derartige Abtretung zu entnehmen ist.
d) Ausweislich des Urteilstenors hält das Berufungsgericht auch den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte, sie von allen gegenüber der Leasinggeberin bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Leasingvertrag zu befreien, für „dem Grunde nach gerechtfertigt“. Indessen war der Erlass eines Grundurteils über das der Höhe nach unbestimmte Freistellungsbegehren der Klägerin, also über einen unbezifferten Anspruch, mangels eines nach Grund und Höhe streitigen Anspruchs gemäß § 304 I ZPO nicht zulässig (BGH, Urt. v. 30.11.1989 – IX ZR 249/88, NJW 1990, 1366 [unter 1 b cc]).