Ein Ge­braucht­wa­gen­händ­ler, der auf­grund fach­li­cher Er­fah­rung mit der Mög­lich­keit star­ker Durch­ros­tung ei­nes zum Kauf an­ge­bo­te­nen Fahr­zeugs rech­net, han­delt arg­lis­tig, wenn er den Käu­fer – bei un­ter­las­se­ner Un­ter­su­chung des Wa­gens – nicht un­miss­ver­ständ­lich auf die­se Mög­lich­keit hin­weist.

BGH, Ur­teil vom 14.03.1979 – VI­II ZR 129/78

Die­se Ent­schei­dung ist zum „al­ten“ Schuld­recht und vor In­kraft­tre­ten der ZPO-Re­form 2002 er­gan­gen. Sie kann nicht oh­ne Wei­te­res auf das seit dem 01.01.2002 gel­ten­de Recht über­tra­gen wer­den (so ist z. B. an die Stel­le der Wan­de­lung der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ge­tre­ten). Die ge­nann­ten Vor­schrif­ten exis­tie­ren heu­te mög­li­cher­wei­se nicht mehr oder ha­ben ei­nen an­de­ren In­halt.

Sach­ver­halt: Der Be­klag­te zu 2 ist Ge­braucht­wa­gen­händ­ler. Auf­grund ei­nes Ver­mitt­lungs­auf­tra­ges vom 11.03.1976 über­nahm er es, ei­nen am 04.06.1968 erst­zu­ge­las­se­nen Daim­ler-Benz 250/8 im Na­men und für Rech­nung des in­zwi­schen aus dem Rechts­streit aus­ge­schie­de­nen Be­klag­ten zu 1 – G – zu ver­kau­fen. Es war ei­ne un­te­re Preis­gren­ze von 2.900 DM ver­ein­bart. In dem for­mu­lar­mä­ßig ge­stal­te­ten Ver­mitt­lungs­auf­trag heißt es un­ter an­de­rem:

„III. Pro­vi­si­on

1. Für die Ver­kaufs­ver­mitt­lung … er­hält der Ver­mitt­ler als Pro­vi­si­on ent­we­der:

a) …

b) …

oder

c) ei­nen et­wai­gen Mehr­er­lös voll …“

Der Erst­be­klag­te hat­te das Fahr­zeug am glei­chen Tag er­wor­ben, um es, so wie es war, mit Ge­winn wei­ter­zu­ver­kau­fen. Sein Be­voll­mäch­tig­ter B über­gab dem Zweit­be­klag­ten den Pkw ge­gen Zah­lung von 2.900 DM. Das Fahr­zeug wur­de durch Über­la­ckie­ren für den Ver­kauf zu­recht­ge­macht.

Am 03.06.1976 ge­lang es dem Zweit­be­klag­ten, den Pkw zum Preis von 5.990 DM zu­züg­lich 90 DM Ne­ben­kos­ten an den Klä­ger zu ver­kau­fen. In dem an G ge­rich­te­ten For­mu­lar-„Auf­trag“ heißt es un­ter an­de­rem teils vor­ge­druckt, teils hand­schrift­lich:

„Ver­mitt­ler: F-Au­to­mo­bi­le

1 Pkw Mer­ce­des – Erst­zu­las­sung: 4.6.68 Fahr­ge­stell-Nr: … wie er geht + steht, ge­braucht, wie be­sich­tigt und un­ter Aus­schluss je­der Ge­währ­leis­tung. Für Un­fall­frei­heit wird nicht ga­ran­tiert.

Ich er­klä­re mich da­mit ein­ver­stan­den, dass der Ver­mitt­ler kei­ne Haf­tung für die Ver­kehrs­si­cher­heit des von mir ge­kauf­ten Wa­gens über­nimmt. Das Fahr­zeug ist un­ge­prüft und un­re­pa­riert …“

Un­ter An­rech­nung auf den Kauf­preis nahm der Zweit­be­klag­te ei­nen Fi­at X1/9 (Bau­jahr 1973) mit 5.490 DM in Zah­lung. Das Fahr­zeug hat­te der Klä­ger für die­sen Zweck von sei­nem Bru­der er­hal­ten. Die Preis­dif­fe­renz so­wie die Zu­las­sungs­kos­ten (90 DM), die Kos­ten für Schil­der (35 DM), Ben­zin­kos­ten (17,50 DM) und Ge­büh­ren in Hö­he von 26,50 DM zahl­te der Klä­ger an den Ver­mitt­ler.

Der vom Klä­ger er­wor­be­ne Mer­ce­des war bei der Über­ga­be, wie im Lau­fe des Rechts­streits un­strei­tig ge­wor­den ist, mit von dem Kfz-Sach­ver­stän­di­gen H am 09.07.1976 fest­ge­stell­ten Män­geln be­haf­tet und des­halb „ab­so­lut ver­kehrs­un­si­cher, prak­tisch fahr­un­tüch­tig und … ver­kehrs­ge­fähr­dend“. Ei­ne Nach­bes­se­rung war nicht mehr mög­lich; der Wert des Fahr­zeugs be­trug ma­xi­mal 500 DM.

Mit An­walt­schrei­ben vom 15.06. und vom 21.07.1976 ver­lang­te der Klä­ger von bei­den Be­klag­ten die Rück­gän­gig­ma­chung des Kauf­ver­tra­ges und Scha­dens­er­satz, ins­ge­samt 6.442,41 DM. Er hat zu­nächst Kla­ge auf Zah­lung die­ses Be­tra­ges er­ho­ben und sein Zah­lungs­be­geh­ren spä­ter auf 6.480,80 DM er­höht. Das Land­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Der Erst­be­klag­te hat das Ur­teil rechts­kräf­tig wer­den las­sen; die Be­ru­fung des Zweit­be­klag­ten blieb er­folg­los. Auch die Re­vi­si­on, mit der der Be­klag­te zu 2 die Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen woll­te, hat­te kei­nen Er­folg.

 Aus den Grün­den: I. 1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Haf­tung des Zweit­be­klag­ten we­gen Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss aus­ge­führt, er ha­be für den Erst­be­klag­ten ei­ne Sach­wal­ter­stel­lung ein­ge­nom­men und au­ßer­dem er­heb­li­ches Ei­gen­in­ter­es­se am Ver­trags­schluss ge­habt. Ihm und nicht dem Ver­käu­fer im Rechts­sin­ne ha­be der Klä­ger Ver­trau­en ent­ge­gen­ge­bracht. Die­ses Ver­trau­en ha­be der Zweit­be­klag­te miss­braucht, denn er ha­be dem Klä­ger die ab­so­lu­te Ver­kehrs­un­si­cher­heit arg­lis­tig ver­schwie­gen. Da­bei hat die Vor­in­stanz sei­ne Be­haup­tung als wahr un­ter­stellt, er ha­be die Män­gel nicht ge­kannt und sich um den Zu­stand des Wa­gens nicht ge­küm­mert. Dies sei un­er­heb­lich, weil er durch sein Per­so­nal oh­ne Prü­fung, al­so „ins Blaue hin­ein“, durch die Kauf­preis­for­de­rung von 5.990 DM schlüs­sig ei­nen über­durch­schnitt­lich gu­ten Er­hal­tungs­zu­stand vor­ge­spie­gelt ha­be. Auch oh­ne aus­drück­li­che Fra­ge des Kauf­in­ter­es­sen­ten, meint das Be­ru­fungs­ge­richt, ha­be der Zweit­be­klag­te oder sein Per­so­nal „in un­miss­ver­ständ­li­cher Form“ of­fen­ba­ren müs­sen, „dass die Preis­bil­dung oh­ne je­de tat­säch­li­che Grund­la­ge und oh­ne je­de ei­ge­ne Prü­fung des Wa­gens er­folgt sei“. Der vor­ge­druck­te Satz „Das Fahr­zeug ist un­ge­prüft und un­re­pa­riert“ und der hand­schrift­li­che Zu­satz „un­re­pa­riert + un­ge­prüft“ reich­ten da­zu nicht aus. Der ver­ein­bar­te Haf­tungs­aus­schluss grei­fe nicht Platz, weil der An­ge­stell­te des Zweit­be­klag­ten min­des­tens mit be­ding­tem Vor­satz ge­han­delt ha­be.

2. Die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts hält den Re­vi­si­ons­an­grif­fen je­den­falls im Er­geb­nis stand.

a) Die Re­vi­si­on räumt ein, der Zweit­be­klag­te sei am Ab­schluss des Kauf­ver­trags über den Mer­ce­des stark in­ter­es­siert ge­we­sen und ha­be aus dem Ge­schäft per­sön­li­chen Nut­zen zie­hen wol­len, wes­halb er aus­nahms­wei­se selbst aus dem Rechts­grund des Ver­schul­dens bei Ver­trags­schluss auf Scha­dens­er­satz in An­spruch ge­nom­men wer­den kön­ne, so­fern ihm ein sol­ches Ver­schul­den an­zu­las­ten sei (vgl. da­zu RGZ 120, 249 [253]). Letz­te­res müs­se in­des­sen ver­neint wer­den.

Das trifft je­doch nicht zu.

b) In der Tat steht das ei­ge­ne In­ter­es­se, das die per­sön­li­che Haf­tung des Ver­tre­ters aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss aus­löst, im vor­lie­gen­den Fal­le der­art im Vor­der­grund, dass die Fra­ge ei­ner Haf­tung we­gen der In­an­spruch­nah­me per­sön­li­chen Ver­trau­ens kei­ner ab­schlie­ßen­den Prü­fung be­darf.

Ei­ge­nes In­ter­es­se am Ver­kauf des Mer­ce­des hat­te der Zweit­be­klag­te, weil er dem Erst­be­klag­ten be­reits bei Über­nah­me des Ver­mitt­lungs­auf­tra­ges am 11.03.1976 den von die­sem aus ei­nem Wei­ter­ver­kauf ver­lang­ten Min­dest­preis von 2.900 DM aus­ge­zahlt hat. Der Zweit­be­klag­te muss­te al­so al­les dar­an­set­zen, um den auf­ge­wen­de­ten Be­trag wie­der her­ein­zu­be­kom­men. Sein ei­ge­nes In­ter­es­se am Wei­ter­ver­kauf zu ei­nem hö­he­ren Be­trag wur­de über­dies da­durch be­stimmt, dass er statt ei­ner Pro­vi­si­on den er­ziel­ten Mehr­er­lös als Ge­winn be­hal­ten durf­te.

Das wirt­schaft­li­che In­ter­es­se am Wei­ter­ver­kauf lag da­mit al­lein beim Zweit­be­klag­ten und mach­te ihn zum Qua­si-Ver­käu­fer. Dem Erst­be­klag­ten blieb dem­ge­gen­über auch mit Rück­sicht auf den weit­ge­hen­den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss le­dig­lich die rein for­ma­le Ver­käu­fer­stel­lung.

c) Da die Vor­in­stanz als wahr un­ter­stellt hat, der Be­klag­te zu 2 ha­be die Män­gel des Fahr­zeugs nicht ge­kannt und sich um sei­nen Zu­stand nicht ge­küm­mert, muss da­von auch in der Re­vi­si­ons­in­stanz aus­ge­gan­gen wer­den. Das be­freit den Zweit­be­klag­ten je­doch nicht vom Vor­wurf des Ver­schul­dens bei Kauf­ver­trags­ab­schluss.

Ge­stützt auf das Gut­ach­ten des Sach­ver­stän­di­gen H hat das Be­ru­fungs­ge­richt in tat­säch­li­cher Hin­sicht fest­ge­stellt, dass die ers­ten Mo­del­le des Fahr­zeug­typs, zu dem der ver­kauf­te Wa­gen ge­hör­te, an be­stimm­ten Ka­ros­se­rie­tei­len weit über­durch­schnitt­lich ro­st­an­fäl­lig ge­we­sen sei­en, der Be­klag­te zu 2 und sei­ne An­ge­stell­ten als Fach­leu­te um die be­son­de­re Ro­st­an­fäl­lig­keit des Wa­gens nach Fahr­zeug­typ und Al­ter ge­wusst hät­ten, mit­hin auch bei dem hier in Re­de ste­hen­den Pkw mit star­ken Durch­ros­tun­gen ge­rech­net hät­ten.

Das Wis­sen um die Mög­lich­keit star­ker Rost­schä­den bei dem zum Ver­kauf an­ge­bo­te­nen Mer­ce­des 250/8 be­grün­de­te, wie die Vor­in­stanz mit Recht her­vor­ge­ho­ben hat, die Pflicht des Zweit­be­klag­ten und sei­ner Mit­ar­bei­ter, das Fahr­zeug auf sol­che Schä­den hin zu un­ter­su­chen (BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [386]). Un­ter­lie­ßen sie zu tun, was nach La­ge der Din­ge ge­bo­ten war, so muss­ten sie den Klä­ger dar­über in un­miss­ver­ständ­li­cher Wei­se auf­klä­ren, ihm al­so mit­tei­len, dass der Fahr­zeug­typ in Fach­krei­sen be­kann­ter­ma­ßen als in be­son­de­rem Ma­ße ro­st­an­fäl­lig gel­te, wes­halb auch bei dem an­ge­bo­te­nen Mer­ce­des an­ge­sichts sei­nes Al­ters mit star­ken Durch­ros­tun­gen zu rech­nen sei. Das ist nicht ge­sche­hen. Das Un­ter­las­sen die­ses Hin­wei­ses, der maß­geb­li­chen Ein­fluss auf den Kauf­ent­schluss des Klä­gers ge­habt hät­te, ist nach den in der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung, ins­be­son­de­re des er­ken­nen­den Se­nats (BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [388]) ent­wi­ckel­ten Grund­sät­zen arg­lis­tig i. S. des § 476 BGB, so­dass der vom Be­klag­ten zu 2 ge­wünsch­te Haf­tungs­aus­schluss nich­tig ist. …

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