Zur Auf­klä­rungs­pflicht des als Ab­schluss­ver­tre­ter auf­tre­ten­den Ge­braucht­wa­gen­händ­lers, der nach der Un­fall­frei­heit des Wa­gens ge­fragt wor­den ist.

BGH, Ur­teil vom 29.06.1977 – VI­II ZR 43/76

Die­se Ent­schei­dung ist zum „al­ten“ Schuld­recht und vor In­kraft­tre­ten der ZPO-Re­form 2002 er­gan­gen. Sie kann nicht oh­ne Wei­te­res auf das seit dem 01.01.2002 gel­ten­de Recht über­tra­gen wer­den (so ist z. B. an die Stel­le der Wan­de­lung der Rück­tritt vom Kauf­ver­trag ge­tre­ten). Die ge­nann­ten Vor­schrif­ten exis­tie­ren heu­te mög­li­cher­wei­se nicht mehr oder ha­ben ei­nen an­de­ren In­halt.

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb im Sep­tem­ber 1972 ei­nen ge­brauch­ten Pkw Ford Tau­nus für 7.700 DM. Bei dem Kauf trat der Be­klag­te, ein Kfz-Händ­ler, na­mens und im Auf­trag des Ver­käu­fers (des frü­he­ren Erst­be­klag­ten) auf, dem er für den Wa­gen 5.700 DM ge­zahlt hat­te. Der Be­klag­te hän­dig­te der Klä­ge­rin ei­ne fo­to­ko­pier­te Er­klä­rung des Ver­käu­fers aus, nach der der Wa­gen un­fall­frei war, und über­ließ ihr ei­ne Vi­si­ten­kar­te, auf der er selbst die tech­ni­schen Da­ten des Pkw ver­merkt und den Zu­satz „un­fall­frei“ hin­zu­ge­fügt hat­te. Als die Klä­ge­rin den Pkw am 01.08.1973 dem TÜV vor­führ­te, wur­den Schweiß­näh­te, ein Rah­menscha­den und ei­ne Ver­bie­gung der Len­kung fest­ge­stellt, die dar­auf hin­deu­te­ten, dass der Wa­gen ei­nen Un­fall er­lit­ten hat­te. Die Klä­ge­rin fuhr den Pkw wei­ter. Nach ih­rer Be­haup­tung er­litt er am 15.06.1975 ei­nen To­tal­scha­den.

Be­reits am 22.10.1973 hat­te die Klä­ge­rin ge­gen den Ver­käu­fer (den frü­he­ren Erst­be­klag­ten) und den Be­klag­ten Kla­ge auf Zah­lung von 7.700 DM Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Wa­gens, hilfs­wei­se auf Zah­lung von 1.012,16 DM nebst Zin­sen er­ho­ben. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ge­gen den Ver­käu­fer ab­ge­wie­sen, weil An­sprü­che ge­gen die­sen ver­jährt sei­en, und den Be­klag­ten zur Zah­lung von 5.800 DM ge­gen Rück­ga­be des Pkw ver­ur­teilt. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auch die Kla­ge ge­gen den Be­klag­ten ab­ge­wie­sen. Auf die Re­vi­si­on der Klä­ge­rin wur­de die­ses Ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: I. Nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts hat­te der Be­klag­te als Ver­tre­ter des Ver­käu­fers den Pkw an die Klä­ge­rin ver­äu­ßert. In­fol­ge­des­sen haf­te er im Hin­blick auf die Zu­si­che­rung der Un­fall­frei­heit des Pkw aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss. Ein An­spruch sei in­des­sen ver­jährt, weil die Ver­jäh­rung ei­nes der­ar­ti­gen An­spruchs sich nach § 477 I BGB und nicht nach § 195 BGB rich­te. An­ders wä­re es nur, wenn der Be­klag­te den Vor­scha­den arg­lis­tig ver­schwie­gen hät­te, was in­des­sen nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me nicht an­ge­nom­men wer­den kön­ne.

II. Dem kann nicht in al­lem ge­folgt wer­den.

1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat un­ter­stellt, dass der Pkw vor der Ver­äu­ße­rung an die Klä­ge­rin ei­nen Un­fall er­lit­ten ha­be. In dem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass der Pkw nicht un­fall­frei war.

2. Hät­te der Pkw vor der Ver­äu­ße­rung ei­nen Un­fall er­lit­ten, so könn­te die Klä­ge­rin an sich den Be­klag­ten aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss in An­spruch neh­men, wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend an­ge­nom­men hat.

a) Denn im Kraft­fahr­zeug­ge­wer­be nimmt der Fach­händ­ler bei ei­nem Ver­kauf von Ge­braucht­wa­gen als Ver­mitt­ler und Ab­schluss­ver­tre­ter ei­ne Sach­wal­ter­stel­lung für den Ver­käu­fer ein, wie der Se­nat im Ur­teil vom 29.01.1975 (VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 = NJW 1975, 642 = WM 1975, 309) ein­ge­hend dar­ge­legt hat. Da­von, dass der Be­klag­te Ver­tre­ter des Ver­käu­fers war, ist das Be­ru­fungs­ge­richt zu Recht aus­ge­gan­gen. Das er­gibt sich aus dem „Kauf­an­trag für ein Kraft­fahr­zeug“, wo­nach der Be­klag­te „na­mens und im Auf­trag“ des Ver­käu­fers han­del­te. In ei­nem der­ar­ti­gen Fall schenkt der Käu­fer auch dann, wenn ei­ne Be­stä­ti­gung der Un­fall­frei­heit des Pkw durch den ihm un­be­kann­ten Ver­käu­fer vor­ge­legt wird, sein Ver­trau­en in der Re­gel nicht die­sem, son­dern sei­nem Ver­hand­lungs­part­ner, dem Ver­tre­ter des Ver­käu­fers, weil er er­war­tet, dass die­ser den Pkw be­sich­tigt und et­wai­ge Vor­schä­den be­merkt ha­be. Das gilt je­den­falls dann, wenn sich der Käu­fer, wie es hier die Klä­ge­rin tat, die Un­fall­frei­heit des Pkw von dem Ver­hand­lungs­part­ner noch­mals aus­drück­lich zu­si­chern lässt. Die Klä­ge­rin ver­trau­te al­so vor al­lem der Zu­si­che­rung des Be­klag­ten. Er war die Ver­trau­ens­per­son der Klä­ge­rin. Es kommt hin­zu, dass der Be­klag­te ein ei­ge­nes wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se am Ab­schluss des Kauf­ver­trags hat­te (vgl. BGH, Urt. v. 17.09.1954 – V ZR 32/53, BGHZ 14, 313 [318]). Nach sei­nem Vor­brin­gen hat­te er näm­lich dem Ver­käu­fer 5.700 DM für den Pkw ge­zahlt, von der Klä­ge­rin aber un­strei­tig 7.700 DM ver­langt und er­hal­ten.

b) Die Haf­tung des Ver­tre­ters geht al­ler­dings nicht wei­ter als die­je­ni­ge des Ver­käu­fers aus dem Ver­trag (BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [388]). Der Klä­ge­rin wä­re da­her ei­ne In­an­spruch­na­he des Be­klag­ten nicht mög­lich, wenn der Ver­käu­fer sich mit Er­folg auf ei­nen ver­ein­bar­ten Haf­tungs­aus­schluss be­ru­fen könn­te.

aa) So­wohl im Kauf­an­trag wie in den um­sei­tig ab­ge­druck­ten Ge­schäfts­be­din­gun­gen für den Ver­kauf ge­brauch­ter Kraft­fahr­zeu­ge ist ei­ne Ge­währ­leis­tung für Män­gel des Ge­braucht­fahr­zeugs aus­ge­schlos­sen. In ähn­lich ge­la­ger­ten Fäl­len hat der er­ken­nen­de Se­nat den Ge­währ­leis­tungs­aus­schluss als wirk­sam an­ge­se­hen (BGH, Urt. v. 08.10.1969 – VI­II ZR 20/68, LM BGB § 138 (Bb) Nr. 26 = NJW 1970, 29 = WM 1969, 1391; Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [388]; Urt. v. 16.03.1977 – VI­II ZR 283/75, NJW 1977, 1055 = WM 1977, 584). Auch hier gilt nichts an­de­res.

bb) Da je­doch die Ge­währ­leis­tung nur in den durch § 476 BGB ge­zo­ge­nen Gren­zen aus­ge­schlos­sen wer­den kann (BGH, Urt. v. 16.03.1977 – VI­II ZR 283/75, NJW 1977, 1055 = WM 1977, 584), greift ein ver­ein­bar­ter Haf­tungs­aus­schluss nicht ein, wenn ein Un­fall arg­lis­tig ver­schwie­gen wor­den wä­re. Dann ver­jähr­te zu­dem ein Ge­währ­leis­tungs­an­spruch nicht ge­mäß § 477 I BGB in sechs Mo­na­ten, son­dern ge­mäß § 195 BGB BGB in 30 Jah­ren. Das trifft auch auf ei­nen auf arg­lis­ti­ges Ver­hal­ten ei­nes Ver­tre­ters ge­stütz­ten An­spruch aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss zu. Denn es wä­re nicht ge­recht­fer­tigt, § 477 I BGB recht­s­ähn­lich auf ei­nen An­spruch aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss an­zu­wen­den, wenn die­se Vor­schrift un­mit­tel­bar auf ei­nen Ge­währ­leis­tungs­an­spruch nicht an­ge­wen­det wer­den kann. Ob das Land­ge­richt den An­spruch ge­gen den Ver­käu­fer zu Recht als ver­jährt an­ge­se­hen hat, kann da­hin­ge­stellt blei­ben. Ei­ne Ver­jäh­rung des An­spruchs ge­gen den Ver­käu­fer ist näm­lich oh­ne Ein­fluss auf die Ver­jäh­rung des An­spruchs ge­gen den Be­klag­ten (vgl. § 425 II BGB).

3. Die Re­vi­si­on macht da­her in ers­ter Li­nie gel­tend, dass der Be­klag­te ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts arg­lis­tig ge­han­delt ha­be.

a) Auf die Rü­ge der Re­vi­si­on, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be zu Un­recht die Aus­sa­ge des Zeu­gen D nicht be­rück­sich­tigt, kommt es nicht an, weil das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts aus an­de­ren Grün­den nicht auf­recht­er­hal­ten wer­den kann.

b) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auf­grund der Aus­sa­ge des Ver­käu­fers des Pkw fest­ge­stellt, dass die­ser dem Be­klag­ten ei­ne Be­schä­di­gung des vor­de­ren lin­ken Kot­flü­gels und der vor­de­ren Stoß­stan­ge mit­ge­teilt hat­te.

aa) Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob, wie die Re­vi­si­on meint, der Be­klag­te den Pkw hät­te un­ter­su­chen müs­sen, nach­dem er von die­sen Be­schä­di­gun­gen er­fah­ren hat­te, die An­zei­chen für ei­nen Un­fall des Pkw sein konn­ten.

bb) In je­dem Fal­le traf den Be­klag­ten ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht. Denn die Klä­ge­rin hat­te aus­drück­lich da­nach ge­fragt, ob der Ge­braucht­wa­gen in ei­nen Un­fall ver­wi­ckelt war. In ei­nem sol­chen Fall ist der Ver­käu­fer oder des­sen Ver­tre­ter ver­pflich­tet, Be­schä­di­gun­gen des Ge­braucht­wa­gens auch dann mit­zu­tei­len, wenn es sich nach sei­ner Auf­fas­sung le­dig­lich um et­wai­ge „Blech­schä­den“ oh­ne wei­te­re nach­tei­li­ge Fol­gen han­del­te. Denn es kann kei­nes­falls dem Er­mes­sen des aus­drück­lich um Auf­klä­rung ge­bo­te­nen Ver­käu­fers oder sei­nes Ver­tre­ters über­las­sen blei­ben, den er­lit­te­nen Scha­den für un­er­heb­lich, für den Käu­fer nicht we­sent­lich und des­halb nicht der Mit­tei­lung für wert zu er­ach­ten (BGH, Urt. v. 20.03.1967 – VI­II ZR 288/64, LM BGB § 123 Nr. 35 = NJW 1967, 1222 = VersR 1967, 858). Der Ver­käu­fer muss viel­mehr, um den Vor­wurf der Arg­list zu ver­mei­den, durch die Mit­tei­lung des­sen, was ihm be­kannt ge­ge­ben wur­de, dem Käu­fer den Ent­schluss über­las­sen, ob er den Wa­gen über­haupt bzw. zu die­sem Prei­se er­wer­ben will.

cc) Der Be­klag­te hat­te da­her der Klä­ge­rin auf de­ren Fra­ge, ob der Wa­gen ei­nen Un­fall er­lit­ten ha­be, al­les mit­zu­tei­len, was er in­so­weit wuß­te. Denn er hat­te der Klä­ge­rin al­le für de­ren Ent­schlie­ßung mög­li­cher­wei­se er­heb­li­chen Um­stän­de be­kannt­zu­ge­ben. Er durf­te in­fol­ge­des­sen auch dann, wenn ihm der Ver­käu­fer des Pkw zwar des­sen Un­fall­frei­heit be­stä­tigt, aber mit­ge­teilt hat­te, dass der Pkw Be­schä­di­gun­gen er­lit­ten ha­be, die­se Mit­tei­lung der Klä­ge­rin je­den­falls dann nicht vor­ent­hal­ten, wenn es sich, wie hier, nicht er­sicht­lich um aus­ge­spro­che­ne „Ba­ga­tell­schä­den“ wie et­wa blo­ße Lack­schä­den han­del­te. Da der Be­klag­te das nicht tat und nicht ganz un­er­heb­li­che Be­schä­di­gun­gen des Pkw ver­schwieg, ob­wohl er da­von Kennt­nis hat­te, trifft ihn zu­min­dest der glei­che Vor­wurf, wie wenn er ins Blaue hin­ein un­rich­ti­ge An­ga­ben ge­macht hät­te (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.1975 – VI­II ZR 101/73, BGHZ 63, 382 [387]). Auch im vor­lie­gen­den Fal­le fällt da­her dem Be­klag­ten Arg­list zur Last. Denn zum arg­lis­ti­gen Han­deln ge­nügt be­din­ger Vor­satz, mit­hin auch das Be­wusst­sein, dass das Ver­schwei­gen von Um­stän­den für die Ent­schlie­ßung des an­de­ren Teils ur­säch­lich sein kön­ne (BGH, Urt. v. 13.05.1957 – II ZR 56/56, NJW 1957, 988 = MDR 1958, 207). Wenn aber je­mand sei­ne Auf­klä­rungs­pflicht ver­letzt hat, so trifft ihn in­so­weit die Be­weis­last, als in­fra­ge steht, wie der an­de­re Teil ge­han­delt hät­te, wenn er pflicht­ge­mäß ins Bild ge­setzt wor­den wä­re (BGH, Urt. v. 19.02.1975 – VI­II ZR 144/73, BGHZ 64, 46 [51]). Dass die Klä­ge­rin den Pkw zu den glei­chen Be­din­gun­gen ge­kauft hät­te, wenn sie um die Vor­schä­den ge­wusst hät­te, hat der Be­klag­te in­des­sen nicht be­haup­tet.

c) Der Be­klag­te kann da­her ge­gen­über dem An­spruch aus Ver­schul­den bei Ver­trags­schluss nicht Ver­jäh­rung gel­tend ma­chen. Da­ne­ben könn­te mög­li­cher­wei­se ein An­spruch aus § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB be­ste­hen, der gleich­falls nicht ver­jährt wä­re.

III. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kann so­mit kei­nen Be­stand ha­ben. Ei­ne ab­schlie­ßen­de Ent­schei­dung ist dem Se­nat schon des­we­gen nicht mög­lich, weil das Be­ru­fungs­ge­richt nicht fest­ge­stellt hat, dass der Pkw be­reits vor der Ver­äu­ße­rung an die Klä­ge­rin ei­nen Un­fall ge­habt hat­te. Da es dem­nach wei­te­rer Fest­stel­lun­gen be­darf, war das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­zu­he­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, das auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on zu ent­schei­den ha­ben wird.

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