Verbraucht ein Neuwagen nicht nur mehr Kraftstoff als vom Hersteller angegeben, sondern ist auch seine CO2-Emission höher als angegeben, liegt ein einheitlicher Mangel vor. Denn der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs wird ermittelt, indem seine Abgase analysiert werden. Ein höherer CO2-Anteil führt dabei zwingend zu höheren Verbrauchswerten.

LG Essen, Urteil vom 03.12.2010 – 12 O 165/09
(nachfolgend: OLG Hamm, Urteil vom 09.06.2011 – I-28 U 12/11)

Sachverhalt: Mit schriftlichem Vertrag vom 24.06.2008 kaufte der Kläger bei der Beklagten, die mit Kraftfahrzeugen handelt, ein Neufahrzeug zum Preis von 19.000 €. Mit Schreiben vom 18.03.2009 erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Kläger meint, das Fahrzeug sei mangelhaft, weil der Kraftstoffverbrauch von im kombinierten Verbrauch (außerorts und innerorts) bei 9,47 l/100 km liege. Nach der maßgeblichen Richtlinie 199/94 EG dürfe der Verbrauch innerorts bei 9,6 l, außerorts bei 5,6 l und im kombinierten Verbrauch bei 7,1 l – jeweils pro 100 km – liegen.

Gestützt auf ein im Rechtsstreit eingeholtes Gutachten hat der Kläger außerdem vorgetragen, das Fahrzeug sei auch deshalb mangelhaft, weil der CO2-Ausstoß die Angaben des Herstellers im kombinierten Fahrbetrieb um 8,45 % bzw. um 11,27 % überschreite.

Seine Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: In der Sache hat der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag vom 24.06.2008 nicht bewiesen (§§ 346, 437 Nr. 2, 434 BGB).

Nach dem Gutachten des Sachverständigen N ist nicht festzustellen, dass das Fahrzeug mit einem zum Rücktritt berechtigenden Mangel behaftet (gewesen) wäre. Zwar hat der Sachverständige Kraftstoffverbräuche festgestellt, welche die Verbräuche laut Herstellerangabe überschreiten (jeweils pro 100 km): 10,7 l statt 9,6 l innerstädtisch, 5,9 l statt 5,6 l außerstädtisch, 7,7 l statt 7,1 l kombiniert.

Die Überschreitung des Durchschnittsverbrauchs liegt allerdings mit 7,79 % noch in einem zu tolerierenden Rahmen von ca. 10 %. Auf die Entscheidung des BGH (BGH, Beschl. v. 05.08.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111) wird Bezug genommen. Das Gericht schließt sich dieser Entscheidung inhaltlich an.

Bis zur Begutachtung durch den Sachverständigen N war unstreitig, dass die Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch nicht den konkreten Verbrauch bezeichnen, sondern den unter „Laborbedingungen“ ermittelten. Auf die einschlägigen EU-Richtlinien wird in den Prospekten der Herstellerfirmen in der Regel hingewiesen. In diesem Sinne vereinbaren die Kaufvertragsparteien eine bestimmte Fahrzeugeigenschaft. Diese Eigenschaft hat der Sachverständige überprüft mit dem bereits mitgeteilten Ergebnis.

In dem Schriftsatz vom 03.11.2010 hat der Kläger erstmals behauptet, die Prospektangaben seien im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen als im Straßenverkehr real bezeichnet worden. Abgesehen davon, dass dieser Sachvortrag unsubstanziiert ist, war er als verspätet zurückzuweisen.

Im Zusammenhang mit der Formulierung der Beweisfragen bestand ausreichend Gelegenheit, die Frage des Vertragsinhalts zu problematisieren. Eine über die regelmäßige Vereinbarung des Kraftstoffverbrauchs nach den EU-Richtlinien herausgehende Zusage, dass dieser Verbrauch bei dem realen Fahrzeugbetrieb erreichbar sei, wäre durch eine Beweisaufnahme aufzuklären gewesen. Durch den späten Sachvortrag hätte sich der Rechtsstreit verzögert. Der Beklagten hätte die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden müssen, gegebenenfalls wäre Zeugenbeweis zu erheben gewesen, aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnis wohlmöglich weiterer Sachverständigenbeweis.

Der Kläger hat sein verspätetes Vorbringen nicht entschuldigt, weshalb von einem grob nachlässigen Verhalten i. S. von § 296 II ZPO auszugehen ist.

Das gilt in gleicher Weise für die Behauptung, das Fahrzeug sei auch deshalb mangelhaft, weil der CO2-Ausstoß nicht den Herstellerangaben entspreche, sondern diese … überschreite. Auch insoweit hätte der Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden müssen. Nach dem zu erwartenden Bestreiten hätte weiterer Sachverständigenbeweis angeordnet werden müssen. Dadurch wäre es zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits gekommen. Spätestens mit Kenntnis des Inhalts des Gutachtens vom 14.07.2010 kannte der Kläger die Feststellungen des Sachverständigen zu dem angeblich überhöhten CO2-Ausstoß. Mehr als drei Monate später hatte er diesen Punkt mit Schriftsatz vom 03.11.2010 so spät aufgegriffen, dass eine Klärung vor oder in dem anberaumten Verhandlungstermin nicht mehr möglich war. Dieses prozessuale Verhalten ist grob nachlässig. Der entsprechende Sachvortrag des Klägers war demzufolge auszuschließen.

Das gilt in gleicher Weise für den Einwand des Klägers, der Sachverständige sei von einem unzutreffenden Gewicht des Fahrzeugs ausgegangen. Der Ausschlussgrund ergibt sich hier aus § 296 I ZPO. Den Parteien war eine Frist von drei Wochen gesetzt worden, zu dem Inhalt des Gutachtens vorzutragen und gegebenenfalls entsprechende Fragen an den Sachverständigen zu formulieren. Diese Frist hat der Kläger um ein Vielfaches überzogen. Durch den Versuch einer weiteren Aufklärung hätte sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Das verspätete Vorbringen des Klägers war deshalb nicht mehr zuzulassen.

Einen von dem Kläger weiter gerügten Mangel hat das Gericht nicht berücksichtigt, weil es sich dabei allenfalls um eine rechtlich nicht relevante Bagatelle handelt.

In der Klageschrift hat der Kläger vorgetragen, Ende August 2008 habe er gegenüber der Beklagten einen bockenden Motor (beim Gasgeben) und Leerlaufschwankungen gerügt. Am 10.12.2008 habe er bemängelt, dass der Motor nach dem Betanken und kurzer Fahrstrecke schlecht anspringe. In der mündlichen Verhandlung vom 18.08.2009 hat der Kläger erklärt, Probleme beim Start des Motors zeigten sich insbesondere im Winter. Nach dem zweiten Anlassen laufe der Motor ordnungsgemäß.

Das in dieser Weise beschriebene Startverhalten des Motors stellt schon keinen Mangel dar, sondern ist offenbar den winterlichen Temperaturen bei dafür wohlmöglich zu knapp eingestelltem Standgas geschuldet. Der Kläger hat diesen angeblichen Mangel später auch nicht mehr aufgegriffen …

Hinweis: Mit Urteil vom 09.06.2011 – I-28 U 12/11 – hat das OLG Hamm die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

II. … Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückabwicklung des am 24.06.2008 mit der Beklagten … geschlossenen Kaufvertrags über das Neufahrzeug (§§ 346 I, 437 Nr. 2, 434 I, 323 V 2 BGB).

1. a) Der im Datenblatt, welches in dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug lag, mitgeteilte Kraftstoffverbrauch gehörte zu der Beschaffenheit, die der Käufer erwarten durfte (§ 434 I 3 BGB i. V. mit § 434 I 2 Nr. 2 BGB). Die Angabe eines Kraftstoffverbrauchs von 7,1 Liter auf 100 Kilometer im kombinierten Betrieb bezog sich allerdings nicht auf das konkret erworbene Einzelfahrzeug in der Fahrweise des individuellen Käufers, sondern wurde unter Laborbedingungen festgestellt. Im Datenblatt heißt es unmissverständlich:

„Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.“

Ein solcherart formulierter Hinweis ist nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichungsverordnung (Pkw-EnVKV) zulässig und dient der Vorbeugung vor Missverständnissen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 302). Die vorgenannte Rechtsverordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und Kohlendioxidemissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (ABlEG Nr. L 12 v. 18.01.2000, S. 16).

b) Gemäß § 47d StVZO sind die Kohlendioxidemissions- und Kraftstoffverbrauchswerte für Kraftfahrzeuge, die – wie hier – dem Anwendungsbereich der Richtlinie 80/1268/EWG des Rates vom 16.12.1980 über die Kohlendioxidemissionen und den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen (ABlEG Nr. L 375 v. 31.12.1980, S. 36) unterfallen, gemäß den Anforderungen dieser Richtlinie zu ermitteln. Entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung folgt aus der Richtlinie 80/1268/EWG (in der zuletzt maßgeblichen Fassung) nicht, dass es auf den Kraftstoffverbrauch des individuellen Fahrzeugs im jeweiligen Betrieb durch den Käufer ankommt. Das ergibt sich auch nicht daraus, dass auf das „betriebsbereite“ Fahrzeug abgestellt wird. Das bezieht sich nicht auf das vom jeweiligen Käufer erworbene und von ihm gefahrene Fahrzeug, sondern auf ein näher bestimmtes Prüffahrzeug, das bestimmte Prüfbedingungen erfüllen muss. Die Angabe des Kraftstoffverbrauchs im Datenblatt bedeutet somit nicht, dass diese Werte von dem konkreten Fahrzeugerwerber in seiner eigenen, täglichen Fahrpraxis erreichbar sein müssen. Die Herstellerangaben, die auf der vorgenannten EG-Richtlinie aufbauen, sind nicht am alltäglichen Betrieb, sondern ihrerseits nur an EG-Richtlinien zu messen (OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2008 – 1 U 97/07, NZV 2008, 414; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.10.2010 – 2 U 1487/09, BeckRS 2011, 00451; Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 306).

c) Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zu. Der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige hat festgestellt, dass das vom Kläger erworbene Fahrzeug im kombinierten Betrieb 7,7 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer verbraucht. Der Mehrverbrauch gegenüber 7,1 Litern beläuft sich damit auf 8,45 %. Eine solche Abweichung stellt zwar einen Fahrzeugmangel dar, berechtigt den Käufer jedoch nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es eine nur unerhebliche Pflichtverletzung, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 % von den Herstellerangaben abweicht (BGH, Beschl. v. 05.08.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 [zu § 323 V 2 BGB]; s. bereits Urt. v. 18. 06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94 [zu § 459 I 2 BGB a.F.]).

d) Unbeschadet dessen kommt hinzu, dass das erstinstanzliche Sacherständigengutachten einen Irrtum enthält, der sich zugunsten des Klägers auswirkt, sodass die Abweichung tatsächlich geringer als 8,45 % ausfällt. Dies hat sich bei der Anhörung des vom Senat beauftragten Sachverständigen herausgestellt. Der erstinstanzliche Gutachter hat nicht allein auf Herstellerangaben abgestellt, sondern, wie im Senatstermin erörtert worden ist, ein „Mittelding“ zwischen den Herstellerparametern und den tatsächlichen Fahrzeugparametern zugrunde gelegt.

2. Nach den Feststellungen des erstinstanzlichen Gutachters bewegt sich die Kohlendioxidemission nicht bei 169 g/km, sondern bei 178 g/km. Dies berechtigt den Kläger ebenfalls nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.

a) Zwar ist es entgegen der Ansicht der Beklagten unschädlich, dass der Kläger diesen Umstand nicht bereits in der Rücktrittserklärung mit Anwaltsschreiben vom 18.03.2009 angeführt, sondern mit Schriftsatz vom 03.11.2010 „nachgeschoben“ hat, nachdem das erstinstanzliche Sachverständigengutachten vorlag. Denn eine Rücktrittserklärung bedarf keiner Angabe des Rücktrittsgrundes (BGH, Urt. v. 08.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182 [192], Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 349 Rn. 1). Daher ist ein „Nachschieben“ von Rücktrittsgründen, das heißt die spätere Benennung weiterer, zum Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts bereits vorhandener Rücktrittsgründe, grundsätzlich zulässig (Otto/Schwarze, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 323 Rn. D 16 m. w. Nachw.).

b) Die Kohlendioxidemission stellt jedoch keinen vom Kraftstoffmehrverbrauch gesonderten Mangel dar. Beides geht vielmehr, wie im Senatstermin erörtert worden ist, technisch und mathematisch Hand in Hand. Der Verbrauch des Fahrzeugs wird dadurch ermittelt, dass allein die Abgase aufgefangen und analysiert werden. Daraus errechnet sich der Kraftstoffverbrauch. Ein höherer Kohlendioxidanteil führt, wie der vom Senat beauftragte Sachverständige ausgeführt hat, zwingend zu höheren Verbrauchswerten.

3. Die in der Rücktrittserklärung vom 18.03.2009 angeführten Startschwierigkeiten berechtigen den Kläger bereits aus formellen Gründen nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrags. Zwar hat der Kläger der Beklagten am 11.12.2008 insoweit Gelegenheit zu einem Nachbesserungsversuch gegeben. Die Nachbesserung gilt jedoch gemäß § 440 Satz 2 BGB erst nach dem zweiten erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger der Beklagten einen zweiten Nachbesserungsversuch gewährt hat. Das Nachbesserungsverlangen Anfang Februar 2009 bezog sich ausweislich der „Garantie-Rechnung“ der Beklagten vom 05.02.2009, die im Senatstermin erörtert worden ist, nur auf „übermäßigen Kraftstoffverbrauch“. Die Beklagte hat unwiderlegt bestritten, dass sich dieses Nachbesserungsverlangen auch auf die vom Kläger behaupteten Startschwierigkeiten bezog …“

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