1. Bei der Bewertung, ob der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht, kommt es nicht auf den tatsächlichen Verbrauch des Fahrzeugs im normalen Betrieb an. Entscheidend ist vielmehr, wie hoch der Verbrauch im Vergleich zu den Herstellerangaben bei Anwendung des in der Richtlinie 80/1268/EWG bestimmten Messverfahrens ist.
  2. Weicht der Kraftstoffverbrauch eines Neufahrzeugs um weniger als 10 % zum Nachteil des Käufers von den Herstellerangaben ab, liegt nur ein unerheblicher Mangel vor, der den Käufer nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt (§ 323 V 2 BGB).

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.12.2011 – 25 U 162/10

Sachverhalt: Der Kläger erwarb von der Beklagten einen Pkw zu einem Kaufpreis von 58.619,98 €. Die in dem für diesen Fahrzeugtyp von der Herstellerin aufgelegten Prospekt veröffentlichten „Technischen Daten“ enthalten unter anderem zum Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen mit 6-Gang-Schaltgetriebe und Tiptronic (Angaben in Klammern) folgende Angaben:

„Kraftstoffart Diesel nach EN 590, Kraftstoffverbrauch in l/100 km innerorts: 11,4 (11,9), außerorts 6,2 (6,7), kombiniert 8,1 (8,6)“.

Außerdem finden sich zum Kraftstoffverbrauch unter Fußnote 8 folgende Erklärungen:

„Die angegebenen Werte wurden nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt. Die Angaben beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein den Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen.“

Die Erstzulassung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs erfolgte am 17.07.2007. Nach Übergabe des Fahrzeugs rügte der Kläger gegenüber der Beklagten und der Herstellerin einen erhöhten Kraftstoffverbrauch. Mit Schreiben vom 30.06.2009 erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch. Er behauptet, bei mehreren Messfahrten sei ein Mehrverbrauch gegenüber den Herstellerangaben von etwa 50 % festgestellt worden. Selbst bei unrealistischer Fahrweise, nämlich einer gleichmäßigen Fahrt bei einem Tempo von 130 km/h mit Tempomat, habe sich immer noch ein weit überhöhter Wert von 10,43 Litern pro 100 Kilometer ergeben. Für ihn sei kaufentscheidend gewesen, dass das Fahrzeug entsprechend den Prospekt- und Werbeunterlagen lediglich 8,1 l auf 100 km verbrauche. Dieser Verbrauch sei ihm auch vom Verkäufer der Beklagten anlässlich der geführten Kaufverhandlungen zugesagt worden.

Der Kläger meint, dass ihm auf jeden Fall ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises um mindestens 5.000 € zustehe, sofern nur ein geringer Mehrverbrauch festgestellt werden könne.

Mit Urteil vom 29.09.2010 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 43.685,34 € Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw der Marke M mit dem amtlichen Kennzeichen … gemäß §§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 V BGB, §§ 346 ff. BGB. Ein wirksamer Rücktritt des Klägers von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag scheitert bereits deshalb, weil es an einem ihm zustehenden Rücktrittsrecht fehlt.

Gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB kann der Käufer nach den §§ 440, 323 BGB und 326 V BGB vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Kaufgegenstand mangelhaft ist. Dem eigenen Vorbringen des Klägers lässt sich indes nicht entnehmen, dass das von ihm von der Beklagten erworbene und übergebene Fahrzeug der Marke M bei Gefahrübergang bzw. Übergabe im Juli 2007 einen Sachmangel gemäß § 434 I BGB aufwies.

Gemäß § 434 I 1 BGB liegt ein Sachmangel unter anderem dann vor, wenn die erworbene Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Vereinbart ist die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrags von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in dem Zustand zu übereignen und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist, wobei die Vereinbarung auch konkludent und stillschweigend zustande gekommen sein kann (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl. [2011], § 434 Rn. 15, 17 m. w. Nachw.).

Vorliegend haben die Parteien die Kaufvertragsverhandlungen unstreitig auf der Grundlage des Verkaufsprospekts der M-AG … geführt, der technische Daten zu dem Fahrzeugtyp, unter anderem auch Angaben zum Kraftstoffverbrauch, enthielt. Demgemäß ist zwar davon auszugehen, dass zwischen den Parteien mit Kaufvertragsabschluss eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich des Kraftstoffverbrauchs des Fahrzeugs entsprechend den Angaben im Prospekt der M-AG getroffen worden ist. Es fehlt aber an schlüssigem Vortrag des Klägers dazu, dass das ihm nach Abschluss des Kaufvertrags übergebene und erstmals am 17.07.2007 zugelassene Fahrzeug die vereinbarte Beschaffenheit nicht aufwies.

Bei dem in den technischen Daten des Prospekts mitgeteilten Kraftstoffverbrauch von „innerorts 11,9 l/100 km, außerorts 6,7 l/100 km, kombiniert 8,6 l/100 km“ handelte es sich nämlich um Kraftstoffverbrauchsangaben der M-AG als Herstellerin, die sich nicht auf das konkret vom Kläger erworbene Einzelfahrzeug und dessen Fahrweise als Käufer bezogen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus der Erläuterung Nr. 8 zum Kraftstoffverbrauch im Prospekt der M-AG, wonach die angegebenen Werte nach den vorgeschriebenen Messverfahren (RL 80/1268/EWG in der gegenwärtig geltenden Fassung) ermittelt wurden und sich die Angaben „nicht auf ein einzelnes Fahrzeug beziehen und nicht Bestandteil des Angebots sind, sondern allein den Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen dienen“. Damit war – auch für den Kläger als Erklärungsempfänger – erkennbar, dass die Herstellerangaben vielmehr auf einer verobjektivierenden Grundlage beruhten, und dass sich der bei der individuellen Fahrweise erzielte Kraftstoffverbrauch mit den angegebenen Werten nicht decken musste (vgl. hierzu allgemein BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94; OLG Hamm, Urt. v. 09.06.2011 – 28 U 12/11; OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2008 – 1 U 97/07, NJW-RR 2008, 1735).

Bei der Bewertung der Frage, ob der Kraftstoffverbrauch eines Fahrzeugs der vereinbarten Beschaffenheit entspricht, kommt es mithin nicht auf den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs im normalen Betrieb, sondern darauf an, wie hoch der Verbrauch entsprechend den Herstellerangaben bei Anwendung des Messverfahrens nach der EG-Richtlinie ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VIII ZR 52/96, BGHZ 136, 94; Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 300 m. w. Nachw.).

Demgegenüber hat sich der Kläger auf den Vortrag beschränkt, bei mehreren Messfahrten mit seinem Fahrzeug habe er einen Mehrverbrauch von etwa 50 % festgestellt, wobei sich selbst bei unrealistischer Fahrweise, nämlich einer gleichmäßigen Fahrt bei Tempo 130 km/h mit Tempomat, noch immer ein weit überhöhter Wert von 10,43 l/100 km ergeben habe, und das Fahrzeug tatsächlich im Schnitt weit über 12 l/100 km verbrauche. Darauf kommt es indes nicht an.

Von einer abweichenden Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien dahin gehend, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte des dem Kläger übergebenen Fahrzeugs und nicht lediglich die Laborwerte nach der EG-Richtlinie maßgeblich sein sollten, kann nicht deshalb ausgegangen werden, weil der für die Beklagte die Kaufvertragsverhandlungen führende persönlich haftende Gesellschafter, Herr G, nach dem Vortrag des Klägers erklärt haben soll, der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs liege bei 8,1 l (gemeint waren wohl 8,6 l/100 km kombiniert, weil das vom Kläger erworbene Fahrzeug mit Tiptronic ausgestattet war, was er offensichtlich im Rahmen der Klagebegründung übersehen hat) und sich der Kläger daraufhin zum Erwerb des Fahrzeugs entschlossen hat. Abgesehen davon, dass sich die Erklärung des Komplementärs der Beklagten nach Aussage der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugin Z auf die Werksangaben des Herstellers, also die Laborwerte, bezogen hat, handelt es sich insoweit von vornherein nicht um eine Erklärung zur Beschaffenheit des Fahrzeugs, sondern allenfalls um anpreisende technische Erläuterungen des für die Beklagte handelnden Komplementärs auf der Grundlage der Angaben zum Kraftstoffverbrauch im Prospekt der M-AG.

Ebenso wenig hat die gleichwohl vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben, dass der Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs des Klägers so weit über den Herstellerangaben liegt, dass ein erheblicher Sachmangel i. S. von § 434 I 1 BGB zu bejahen ist. Nach den Feststellungen des Sachverständigen S in seinem schriftlichen Gutachten vom 27.04.2010 verbraucht das vom Kläger erworbene Fahrzeug innerorts/städtisch 12,8 l, außerorts/außerstädtisch 7,1 l und kombiniert/insgesamt 9,2 l, jeweils auf 100 km. Demgegenüber beträgt der Verbrauch nach den Herstellerangaben, wie bereits ausgeführt, innerorts/städtisch 11,9 l, außerorts/außerstädtisch 6,7 l und kombiniert/insgesamt 8,6 l, jeweils auf 100 km. Ausgehend davon hat der Sachverständige einen Mehrverbrauch gegenüber den Herstellerangaben von 7,6 % (innerorts/städtisch), 6,0 % (außerorts/außerstädtisch) und 7,8 % (kombiniert/insgesamt) ermittelt.

Dabei bestehen für den Senat keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen, der nach seinen Ausführungen im Gutachten die Kraftstoffverbrauchsmessung auf einem speziell klimatisierten Abgas-Rollenprüfstand gemäß EG-Richtlinie 80/1268/EWG i. V. mit 70/220/EWG vorgenommen hat. Außerdem hat der Sachverständige nach seinen weiteren Ausführungen im schriftlichen Gutachten entgegen der Auffassung des Klägers auch die richtigen Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch zugrunde gelegt. Das Fahrzeug des Klägers verfügt nämlich, wie ebenfalls bereits festgestellt, nicht über ein 6-Gang-Schaltgetriebe, sondern ist mit einer Tiptronic ausgestattet, womit der Verbrauch nach den Herstellerangaben nicht 8,1 l/100 km, sondern 8,6 l/100 km kombiniert beträgt. Hierneben hat der Sachverständige zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs des klägerischen Fahrzeugs die maßgeblichen bzw. richtigen Richtlinien herangezogen.

Unter Zugrundelegung des so vom Sachverständigen ermittelten Kraftstoffverbrauchs des Fahrzeugs des Klägers ist damit zwar von einem Sachmangel auszugehen, weil dessen tatsächliche Beschaffenheit von der vereinbarten abweicht. Insoweit handelt es sich aber nur um einen unerheblichen Mangel bzw. um eine unerhebliche Pflichtverletzung gemäß § 323 V 2 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, stellt es nämlich nur eine unerhebliche Pflichtverletzung i. S. von § 323 V 2 BGB dar, wenn der Kraftstoffverbrauch eines verkauften Neufahrzeugs um weniger als 10 % von den Herstellerangaben abweicht (vgl. zuletzt BGH, Beschl. v. 08.05.2007 – VIII ZR 19/05, NJW 2007, 2111 m. w. Nachw.).

So liegen die Dinge hier, womit dem Kläger ein Rücktrittsgrund nicht zur Seite steht.

Die Beklagte haftet dem Kläger auch nicht aufgrund einer Garantieübernahme gemäß § 443 BGB.

Bei der angeblich abgegebenen Erklärung des Komplementärs der Beklagten anlässlich der Kaufvertragsverhandlungen, der Verbrauch des Fahrzeugs liege bei circa 8 l/100 km in der täglichen Praxis, handelt es sich nicht um eine Garantieübernahmeerklärung. Von einer Garantieerklärung kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für die Beschaffenheit übernehmen will und zu erkennen gegeben hat, dass er für alle Folgen des Fehlers einstehen wird. Vorliegend handelt es sich bei den vom Komplementär der Beklagten abgegebenen Erklärungen vielmehr lediglich – wie oben ausgeführt – um eine anpreisende Beschreibung des Fahrzeugtyps an sich, sodass die Annahme, es handele sich um eine Garantieerklärung, nicht in Betracht kommt (vgl. zur anpreisenden Beschreibung allgemein BGH, Urt. v. 17.03.2010 – VIII ZR 253/08, NJW-RR 2010, 1329). Demnach kann von der Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie durch die Beklagte selbst dann nicht ausgegangen werden, wenn ihr Komplementär die vom Kläger behaupteten Erklärungen zum Kraftstoffverbrauch abgegeben hat. Auf das Ergebnis der vom Landgericht im ersten Rechtszug durchgeführten Beweisaufnahme kommt es insoweit mithin nicht an.

Der Kläger ist nach alledem zum Rücktritt von dem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag nicht berechtigt, sodass ihm auch die gegen die Beklagte mit den Klageanträgen zu 2 und 3 geltend gemachten Ansprüche ebenso wenig zustehen wie der im vorliegenden Berufungsverfahren mit der erweiterten Klage gegen die Beklagte verfolgte Anspruch auf Herausgabe bzw. Vorlage des Schriftverkehrs zwischen ihr und der M-AG im Zusammenhang mit seinen Mängelrügen.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass dem Kläger selbst dann, wenn man ein Rücktrittsrecht bejahen würde, gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein mit dem Klageantrag zu 3 geltend gemachter Anspruch auf Zahlung von „Schadensersatz für gezogene Nutzungen in Höhe von 14.934,64 €“ zusteht. Soweit sich der Kläger hierzu auf das Urteil des BGH vom 11.02.2009 – VIII ZR 200/05, NJW 2009, 427 – stütz, wird übersehen, dass dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf bei Rückgewähr der mangelhaften Sache gegen den Käufer ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder deren Wertersatz nur im Falle der Lieferung einer mangelfreien Sache zum Zwecke der Nacherfüllung gemäß § 439 IV BGB nicht zusteht. Darum geht es vorliegend indes nicht, weil der Kläger die Beklagte nicht auf Neulieferung einer mangelfreien Fahrzeugs, sondern auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in Anspruch nimmt.

Die Klage ist insgesamt unbegründet. Die Berufung des Klägers gegen das seine Klage abweisende Urteil des Landgerichts war damit in vollem Umfange zurückzuweisen, wobei im Übrigen die im Berufungsverfahren erweiterte Klage, mit der der Kläger von der Beklagten die Herausgabe des zwischen ihr und der M-AG geführten Schriftverkehrs begehrt hat, abzuweisen war.

Da es am Vorliegen eines erheblichen Sachmangels fehlt, gilt das gleichermaßen hinsichtlich des vom Kläger im Berufungsverfahren neuerlich gestellten Hilfsantrags, mit dem er die Minderung des Kaufpreises um 5.000 € begehrt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klage insoweit von vornherein wegen entgegenstehender Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils als unzulässig abzuweisen war, nachdem bereits das Landgericht die hilfsweise erhobene Klage mit dem angefochtenen Urteil ebenfalls abgewiesen und sich der Kläger mit seiner Berufung lediglich gegen die Abweisung der von ihm im ersten Rechtszug gestellten Hauptanträge gewendet hat. …

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