1. Ein Gebrauchtwagenkaufvertrag ist bereits dann ein Fernabsatzvertrag im Sinne von § 312c I BGB, bei dem dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zusteht, wenn für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312c II BGB verwendet werden und der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolgt. Unerheblich ist, ob dem Käufer das Fahrzeug nach Abschluss des Kaufvertrages geliefert wird oder ob er es beim Händler abholen muss.
  2. Der Umstand, dass eine ganz überwiegende Zahl von Gebrauchtwagenkäufern einen Kaufvertrag erst nach Besichtigung und gegebenenfalls Probefahrt abschließen will, schließt es nicht aus, dass auch eine erhebliche Zahl von Verbrauchern allein aufgrund einer Internetanzeige und der Beschreibung des Fahrzeugs zum Vertragsschluss bereit ist, sodass ein Händler ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem einrichtet, um auch die Wünsche dieses Personenkreises zu erfüllen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Händler Teil einer großen Gruppe von Autohändlern und -werkstätten ist und für die von ihm verkauften Gebrauchtfahrzeuge eine „Garantie“ gewährt.
  3. Ein Gebrauchtwagenhändler, der einen Kaufvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen hat, muss darlegen und beweisen, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystems erfolgt ist. Die danach bestehende widerlegliche Vermutung, dass ein unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossener Vertrag im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen wurde, verstößt nicht gegen die Verbraucherrechte-Richtlinie.

OLG Nürnberg, Urteil vom 23.08.2022 – 3 U 81/22

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug wirksam widerrufen hat und welche Ansprüche ihm deswegen gegebenenfalls zustehen.

Der Kläger wandte sich am 12.08.2020 telefonisch an die Beklagte, die gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelt und im Internet einen am 08.03.2017 erstzugelassenen Pkw Audi A3 Sportback zum Kauf angeboten hatte. Der Verkaufsmitarbeiter M der Beklagten übersandte dem Kläger daraufhin per E-Mail eine auf dieses Fahrzeug bezogene „Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs mit Garantie“, die der Kläger sodann unterschrieb und per Telefax an die Beklagte zurücksandte. Diese bestätigte ihm den „Kaufvertrag“ mit „Auftragsbestätigung“ vom 20.08.2020 und übersandte ihm mit Schreiben vom 27.08.2020 die Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II sowie die EG-Übereinstimmungsbescheinigung. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis für das Fahrzeug in Höhe von 25.325,04 € und holte das Fahrzeug am 10.09.2020 bei der Beklagten ab, wobei er wiederum das Dokument „Verbindliche Bestellung eines Kraftfahrzeugs mit Garantie“ unterzeichnete.

Nachdem es in der Folgezeit zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten über die Mangelfreiheit des Fahrzeugs gekommen war und der Kläger deshalb im November 2020 eine auf den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten gerichtete Klage gegen die Beklagte erhoben hatte, erklärte der Kläger mit an die Beklagte gerichteter E-Mail vom 20.02.2021 den fernabsatzrechtlichen Widerruf seiner Vertragserklärung vom 12.08.2020. Anschließend – mit Schriftsatz vom 29.03.2021 – änderte er seine Klage. Die Beklagte trat der Auffassung des Klägers, der streitgegenständliche Kaufvertrag sei ein Fernabsatzvertrag, mit Schriftsatz vom 29.04.2021 entgegen und machte geltend, dass der Kläger die Rückabwicklung des Kaufvertrags nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen könne.

Das Landgericht hat die Beklagte – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – entsprechend dem zuletzt gestellten Hilfsantrag des Klägers zur Zahlung von 25.325,04 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2021 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagte zum Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.501,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 verurteilt und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c I BGB handele, da die Parteien für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312c II BGB verwendet hätten. Mit seiner Erklärung vom 10.09.2020 habe der Kläger der Beklagten weder erneut den Abschluss eines Kaufvertrags angetragen noch auf sein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht verzichtet. Die Beklagte habe auch nicht hinreichend dargelegt, dass das der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems im Sinne von § 312c I Halbsatz 2 BGB erfolgt sei. Dass die Beklagte bestellte Fahrzeuge nicht versende, sondern lediglich an ihrem Geschäftssitz zur Abholung bereithält, sei rechtlich unerheblich, da § 312c BGB ausschließlich auf die Verwendung von Fernkommunikationsmitteln bei den Vertragsverhandlungen und beim Vertragsschluss abstelle. Die Vorschrift verlange auch nicht, dass der Vertrag „online“ geschlossen werde. Mangels Belehrung des Klägers über sein gesetzliches Widerrufsrecht sei der Widerruf des Klägers vom 20.02.2021 fristgerecht erfolgt. Der Kläger könne daher mit Erfolg die Rückzahlung des Kaufpreises – wenn auch nur Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pkw – verlangen. Der Anspruch des Klägers auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten ergebe sich daraus, dass die anwaltlich vertretene Beklagte die Rückzahlung des Kaufpreises unter dem 23.02.2021 ernsthaft und endgültig verweigert habe. Insofern sei die Beauftragung des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers erst nach Verzugseintritt erfolgt.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Landgericht habe ohne hinreichenden Grund angenommen, die nochmalige Unterzeichnung der Fahrzeugbestellung durch den Kläger am 10.09.2020 – die der Kläger im Übrigen in erster Instanz bis zuletzt in Abrede gestellt habe – stelle kein neues Vertragsangebot des Klägers dar. Es sei ohne Weiteres möglich, einen Kaufvertrag neu abzuschließen, zu bestätigen und auf ein Widerrufsrecht zu verzichten. Der Kläger habe am 10.09.2020 die Möglichkeit gehabt, das Fahrzeug in Augenschein zu nehmen. Im Übrigen habe sie, die Beklagte, bereits in erster Instanz vorgetragen, dass sie kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem unterhalte. Sie werbe zwar auf ihrer eigenen Internetseite sowie auf anderen Internetportalen für Fahrzeuge, sehe aber keine Möglichkeit vor, einen Kaufvertrag online abzuschließen. Insbesondere enthalte ihre Internetseite keinen „Kaufen“-Button. Ihre Angebote richteten sich überwiegend an Kunden, die Gebrauchtfahrzeuge nach Besichtigung und Probefahrt vor Ort kaufen wollten, weshalb sie, die Beklagte, auch keine Kaufverträge über Gebrauchtfahrzeuge ohne vorherige Besichtigung abschließe. Sie biete auch keinen Versand von Fahrzeugen an, sondern die Fahrzeuge müssten von den Kunden an ihrem Geschäftssitz abgeholt werden.

Darüber hinaus habe das Landgericht – so die Beklagte weiter – den Kläger rechtsfehlerhaft nur zur Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und nicht auch zu dessen Rückübereignung verurteilt und dem Kläger Zinsen zugesprochen, obwohl ihm diese wegen der Zug um Zug zu erfüllenden Gegenleistungspflicht nicht zustünden. Der Zug-um-Zug-Vorbehalt stehe auch dem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten entgegen; zudem habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass sie, die Beklagte, die Zahlung der Rechtsanwaltskosten durch den Kläger bestritten habe. Ein Annahmeverzug habe mangels eines ordnungsgemäßen Angebots des Klägers nicht eintreten können.

Die Berufung hatte teilweise Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger den Kaufvertrag nach den Regelungen zum Fernabsatzgeschäft widerrufen konnte. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen bestehen allerdings nicht im zuerkannten Umfang.

1. Dem Kläger stand im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag ein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 312g I, 355 BGB in Verbindung mit § 312c I BGB zu, welches er mit Erklärung vom 20.02.2021 wirksam ausgeübt hat.

a) Der Vertrag ist ausschließlich unter Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln geschlossen worden.

aa) Das Landgericht hat zutreffend die maßgebliche Vertragserklärung des Klägers in der Rücksendung der von ihm unterzeichneten „Verbindlichen Bestellung“ am 12.08.2020 gesehen. Sowohl nach der Überschrift des Dokuments als auch dem Inhalt der darin enthaltenen Erklärungen sowie dem Gesamteindruck, dem ein derartiges Geschehen zukommt, gab der Kläger damit ein verbindliches Kaufvertragsangebot ab. Das von ihm zur Übermittlung verwendete Telefax („Telekopie“) stellt ein Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312c II BGB dar.

bb) Die Annahme durch die Beklagte erfolgte mit dem in der Folgezeit übersandten Dokument „Auftragsbestätigung“, welches ebenfalls von einem (zustande gekommenen) Kaufvertrag spricht. Die Beklagte ist dem klägerischen Vortrag, dass dieses Dokument dem Kläger ebenfalls unter Zuhilfenahme eines Fernkommunikationsmittel im Sinne von § 312c II BGB übersandt wurde, nicht entgegengetreten (und hat statt dessen noch in der Klageerwiderung selbst ausführen lassen, es liege ein Fernabsatzgeschäft vor), zumal eine Übergabe in Präsenz aufgrund des unstreitigen Geschehensablaufs ausscheidet.

cc) Ohne Erfolg stellt die Berufung infrage, ob bei diesen Erklärungen der erforderliche Rechtsbindungswille gegeben war. Die Vorgänge im August 2020 stellten bereits aufgrund des Inhalts und der Bezeichnung der verwendeten Unterlagen ein Geschehen dar, wie es für einen Vertragsschluss ausreichend und bei einem solchen – sowohl aus juristischer Sicht als auch nach dem Empfinden eines rechtlichen Laien – üblich ist. Dafür, dass beide Parteien von einer vertraglichen Bindung ausgegangen sind, spricht auch, dass sie die geschuldeten Leistungen (mit Ausnahme der Übergabe des Fahrzeugs) in der Folgezeit ausgetauscht haben, indem der Kläger den Kaufpreis entrichtete und die Beklagte die Fahrzeugpapiere vollständig übersandte. Derartige Schritte werden regelmäßig nur dann unternommen, wenn Parteien davon ausgehen, dass es bereits eine verbindliche vertragliche Basis gibt, weil das Risiko, diese Erfüllungshandlungen ohne vertragliche Grundlage vorzunehmen, zu groß wäre.

Auch der Umstand, dass der Kläger am 10.09.2020 bei der Fahrzeugübergabe die „Verbindliche Bestellung“ erneut unterzeichnete, spricht nicht gegen einen vorangegangenen Rechtsbindungswillen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger im August 2020 gewusst oder damit gerechnet hat, dass er später erneut eine solche Erklärung abgeben müsste, um einen Vertrag verbindlich zustande kommen zu lassen.

Selbst wenn die Beklagte, wie in der Berufungsbegründung anklingt, davon ausging, dass der Kläger erneut (und erstmals verbindlich) das Vertragsdokument unterzeichnen werde, würde sich hieran nichts Entscheidendes ändern. Auch dafür, ob Erklärungen als Willenserklärungen zu verstehen sind und den dazu erforderlichen Rechtsbindungswillen aufweisen, sind die §§ 133, 157 BGB heranzuziehen und damit auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Wie ausgeführt, stellte die dem Kläger übersandte und von ihm unterschrieben zurückgesandte „Verbindliche Bestellung“ aus objektiver Sicht klar ein bindendes Vertragsangebot dar, und ebenso die nachfolgende Bestätigung der Beklagten eine Vertragsannahme. Ein entsprechender Vorbehalt der Unverbindlichkeit seitens der Beklagten hätte daher deutlich zum Ausdruck kommen müssen, was dem zugrunde zu legenden Sachverhalt nach aber nicht der Fall war.

Insoweit ist jeweils unerheblich, dass der Kläger – möglicherweise unter Verletzung seiner prozessualen Wahrheitspflicht – zunächst die nochmalige Unterzeichnung in Abrede gestellt hat.

Eine (einen Fernabsatzvertrag ausschließende, vgl. Staudinger/​Thüsing, BGB, Neubearb. 2019, § 312c Rn. 32) Situation, in der der Vertrag lediglich über ein Fernkommunikationsmittel „vorbereitend“ angebahnt, aber letzten Endes in den Geschäftsräumen des Unternehmers beziehungsweise im Nachgang von vor Ort durchgeführten Vertragsverhandlungen geschlossen wird, ist damit nicht gegeben. Es entsprach, nicht zuletzt auch aufgrund der zeitlichen Distanz zwischen Abschluss und Abholung, dem erkennbaren Willen beider Parteien, dass die andere bereits gebunden ist, da der Kläger ein Interesse hatte, das Fahrzeug zu erhalten, und die Beklagte ein solches, dass der Kläger es bezahle und abnehme. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von Fallgestaltungen, in denen lediglich Termine vereinbart werden und der Vertragsabschluss erst verbindlich im Geschäftsraum erfolgt.

b) Der Senat kann aufgrund des Sach- und Streitstands auch nicht davon ausgehen, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines Fernabsatzsystems der Beklagten zustande gekommen sei (§ 312c I Halbssatz 2 BGB); vielmehr ist er auf Grundlage des Parteivortrags davon überzeugt, dass die Beklagte ein solches eingerichtet hat.

aa) Auszugehen ist von folgenden Grundsätzen:

(1) Ein Fernabsatzvertrag setzt nach der Definition des § 312c I Halbsatz 2 BGB voraus, dass ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorhanden ist. Dieses Erfordernis soll Geschäfte aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausschließen, die eher zufällig und lediglich ausnahmsweise als Distanzgeschäft getätigt werden, weil Unternehmer dann nicht mit den erheblichen Anforderungen, die sich aus den §§ 312c ff. BGB ergeben, belastet werden sollen (BeckOGK/​Busch, Stand: 01.06.2021, § 312c BGB Rn. 25; Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, Verbraucherrecht, 3. Aufl. [2020], § 9 Rn. 39 m. w. N.).

(2) Erforderlich ist danach, dass der Unternehmer wesentliche Teile seines Vertriebs auf den Fernabsatz ausgerichtet hat, also einen eigenständigen Vertriebskanal eröffnet hat (Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 40). Somit genügt es nicht, wenn der Inhaber eines Ladengeschäfts ausnahmsweise eine E-Mail-Bestellung eines ihm bekannten Kunden empfängt und die Ware anschließend ausliefern lässt, selbst wenn er eine Website unterhält und eine E-Mail-Adresse angibt (Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 40; BeckOK-BGB/​Martens, Stand: 01.02.2022, § 312c Rn. 23: zufällige oder gelegentliche Vertragsabschlüsse). Ist ein Autohaus darauf eingerichtet, am Telefon Kaufverträge über Neuwagen anzubahnen und den Kaufvertrag auf dem Postweg zu verschicken, liegt jedoch die geforderte Planmäßigkeit vor (Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 40). Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem ist auch anzunehmen, wenn ein Gebrauchtwagenhändler ein Fahrzeugvermittlungsportal systematisch nutzt und seine personelle und sachliche Organisation darauf eingerichtet ist, Kundenanfragen, die über das Portal eingehen, auf elektronischem oder telefonischem Wege zu bearbeiten und auf diese Weise Verträge abzuschließen (OLG Brandenburg, Urt. v. 27.03.2019 – 13 U 13/18, BeckRS 2019, 42999 Rn. 24; BeckOGK/​Busch, a. a. O., § 312c BGB Rn. 28).

(3) Maßgebliche Beurteilungskriterien hierbei sind der Grad der unternehmensinternen Organisation und wie sich diese für den Außenstehenden darstellt, wobei die Werbung des Unternehmers ein Indiz bildet. Selbst wenn eine hinreichende Organisation nicht vorliegt, bleibt es bei der Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts, wenn aus Sicht eines verständigen Verbrauchers von der häufigen Abwicklung von Fernabsatzgeschäften ausgegangen werden muss (vgl. jeweils Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 42; MünchKomm-BGB/​Wendehorst, 9. Aufl. [2022]§ 312c Rn. 26; Martinek, in: Martinek/​Semler/​Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. [2016], § 10 Rn. 24 f.; BeckOK-BGB/​Martens, a. a. O., § 312c Rn. 25).

(4) An die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen sind mit Rücksicht auf den Schutzzweck des Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften und das Regel-Ausnahme-Verhältnis keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 68/15, NJW-RR 2017, 368 Rn. 51; Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 133/19, NJW 2021, 304 Rn. 13; OLG Celle, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341 Rn. 12; BeckOGK/​Busch, a. a. O., § 312c BGB Rn. 26; Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 41). Unerheblich ist der Anteil der mittels Fernkommunikationsmitteln geschlossenen Verträge am gesamten Geschäftsaufkommen des Unternehmers, solange nur der Fernabsatz planmäßig geschieht und nicht zufällig und eher gelegentlich (BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 68/15, NJW-RR 2017, 368 Rn. 51; Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 41).

(5) Entscheidend ist allein, ob das System darauf ausgelegt ist, den Vertrag im Wege des Fernabsatzes zustande kommen zu lassen; ob auch die anschließende Abwicklung und Erfüllung des Vertrags, insbesondere eine Versendung der Ware, so erfolgt, ist unerheblich (BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 68/15, NJW-RR 2017, 368 Rn. 50; Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 133/19, NJW 2021, 304 Rn. 14; OLG Celle, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341 Rn. 13; OLG Brandenburg, Urt. v. 27.03.2019 – 13 U 13/18, BeckRS 2019, 42999 Rn. 26; BeckOGK/​Busch, a. a. O., § 312c BGB Rn. 26; Staudinger/​Thüsing, a. a. O., § 312 Rn. 40)

(6) Die Beweislast für das Nichtvorliegen eines Fernabsatzsystems trägt nach dem Wortlaut und der Systematik des § 312c I BGB der Unternehmer, da die Norm in Halbsatz 2 eine entsprechende widerlegliche Vermutung aufstellt (BGH, Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16, NJW 2018, 690 Rn. 16 f.; Urt. v. 19.11.2020 – IX ZR 133/19, NJW 2021, 304 Rn. 12; Schirmbacher, in: Tamm/​Tonner/​Brönneke, a. a. O., § 9 Rn. 42; BeckOK-BGB/​Martens, a. a. O., § 312c Rn. 30; MünchKomm-BGB/​Wendehorst, a. a. O., § 312c Rn. 28).

bb) Den damit nach § 312c I Halbsatz 2 BGB der Beklagten obliegenden Vortrag und Beweis, dass der Vertragsabschluss im vorliegenden Fall unabhängig von einem derartigen System erfolgt ist, hat die Beklagte nicht gehalten beziehungsweise geführt.

(1) Wie dargestellt, ist von vornherein unerheblich, dass die Beklagte die verkauften Fahrzeuge nicht versendet. § 312c BGB stellt allein auf die Art und Weise ab, in der der Vertrag geschlossen wird, also die maßgeblichen Willenserklärungen abgegeben werden, weil später die Wahl-/​Entscheidungsfreiheit, die Ware abzunehmen und zu bezahlen, nicht mehr gegeben ist (OLG Celle, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341 Rn. 13). Eine geschäftsmäßige Versendung mag zwar, wenn sie vorliegt, ein starkes Indiz für ein Fernabsatzsystem sein, doch ist sie weder Voraussetzung für ein solches noch indiziert ihr Fehlen das Nichtvorhandensein eines Fernabsatzsystems.

(2) Ebenso ist nicht erforderlich, dass der Vertragsschluss vollständig online und/​oder automatisiert erfolgt (BGH, Urt. v. 17.10.2018 – VIII ZR 94/17, NJW 2019, 303 Rn. 20; BeckOK-BGB/​Martens, a. a. O., § 312c Rn. 22; ), wie etwa durch einen „Buy“-Button und ein entsprechendes automatisiertes Abwicklungssystem. Vielmehr genügt es, dass die beiden Willenserklärungen über Medien im Sinne von § 312c II BGB ausgetauscht werden, mag die Entscheidung über den Vertragsschluss auch individuell von menschlichen Bearbeitern getroffen und von diesen das Weitere veranlasst werden.

(3) Das Zustandekommen eines Vertrags unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln begründet nach § 312c I BGB eine widerlegliche Vermutung, dass dies im Rahmen eines Fernabsatzsystems geschehen ist (BGH, Urt. v. 23.11.2017 – IX ZR 204/16, NJW 2018, 690 Rn. 17).

Diese Vermutung ist vorliegend nicht bereits aufgrund des unstreitigen Sachverhalts widerlegt oder erschüttert. Insbesondere weist das von der Beklagten praktizierte Vorgehen keine Aspekte auf, die es von vornherein als ausgeschlossen oder fernliegend erschienen ließen, dass damit eine allgemeine Anweisung oder Praxis der Unternehmensleitung – die für ein Fernabsatzsystem ausreichen würde – umgesetzt wurde. Die Übersendung eines entsprechend bezeichneten Dokuments, welches unterschrieben zurückgesandt werden soll, stellt einen typischen Weg des Vertragsschlusses unter Abwesenden dar. Der Vorgang konnte offenbar innerhalb kürzester Zeit sachgerecht und reibungslos abgewickelt werden, was die Vermutung eines entsprechenden Systems begründet beziehungsweise verstärkt (vgl. OLG Celle, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341 Rn. 12). Auch für den Kläger und jeden anderen Käufer in seiner Situation stellte sich die Situation so dar, als sei die Beklagte auf ein Begehren wie das des Klägers professionell vorbereitet. Dafür, dass die Beklagte lediglich auf besonderes Drängen des Klägers im Einzelfall und/​oder wegen einer verfestigten Geschäftsbeziehung gefälligkeitshalber so vorgegangen ist oder aus anderen Gründen ein Ausnahmefall vorlag, während sie an sich nicht bereit ist, Verträge auf diesem Weg zu schließen, hat die Beklagte dagegen nichts aufgezeigt.

(4) Dem Senat ist durchaus bewusst, dass – was auch die Beklagte geltend macht – eine ganz überwiegende Zahl von Gebrauchtwagenkäufern eine verbindliche Kauferklärung erst nach einer Besichtigung und gegebenenfalls einer Probefahrt abgeben möchte (ebenso OLG Celle, Urt. v. 03.06.2020 – 7 U 1903/19, NJW 2020, 2341 Rn. 12). Dies schließt aber nicht aus, dass auch eine signifikante Zahl von Verbrauchern allein aufgrund einer Internetannonce und der Fahrzeugbeschreibung einen Vertrag zu schließen bereit ist und die Beklagte dementsprechend einen Vertriebskanal eingerichtet hat, um die Wünsche auch dieser Personengruppe zu bedienen. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund, dass die Beklagte zum einen, was sie nicht grundlegend in Abrede stellt, Teil einer großen Gruppe von Autohändlern und -werkstätten ist und zum anderen für die von ihr verkauften Gebrauchtfahrzeuge eine „Garantie“ abgibt. Die damit beim Kunden geweckte Erwartung besonderer Seriosität und Qualität kann durchaus Veranlassung dazu geben, ohne Besichtigung verbindlich ein Kraftfahrzeug zu erwerben. Zudem ist der allgemeinkundige Umstand zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich und auch bereits im Jahr 2020 Internetplattformen bestehen, die ausschließlich auf diesem Weg Fahrzeuge vertreiben.

Auch die Beklagte hat sich lediglich dahin eingelassen, dass Käufer „üblicherweise“ aufgrund des Internetangebots Kontakt aufnehmen und einen Besichtigungstermin vereinbaren. Dies schließt nicht aus, sondern impliziert sogar, dass es eine signifikante Zahl von Kunden gibt, die bei einem Kauf von ihr mit Garantie von einer Besichtigung absehen und für die daher die Einrichtung eines entsprechenden Vertriebskanals unternehmerisch geboten erscheint.

(5) Soweit die Beklagte behauptet hat, es würden bei ihr keine Kaufverträge über die Gebrauchtfahrzeuge ohne vorherige Besichtigung abgeschlossen, ist dies bereits durch den verfahrensgegenständlichen Vorgang widerlegt. Dafür, dass der vorliegende Vorgang einen Einzelfall bildete, hat sie keinen Beweis angeboten. Sie hat auch nicht zu erklären versucht, aufgrund welcher Umstände es dennoch hierzu gekommen ist, oder ausgeführt, dass dem Kläger deutlich gemacht worden sei, dass man lediglich in seinem Fall gefälligkeitshalber so vorgehe.

cc) Dem Senat ist bewusst, dass die maßgebliche Verbraucherrechte-Richtlinie1Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2011 L 304, 64 eine Beweislastverteilung, wie sie der nationale Gesetzgeber in § 312c I BGB vorgesehen hat, so nicht enthält und diese Richtlinie vollharmonisierenden Charakter besitzt (vgl. BeckOGK/​Busch, a. a. O., § 312c BGB Rn. 31 f.). Die Statuierung einer widerleglichen Vermutung, dass ein unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommener Vertrag im Rahmen eines Fernabsatzsystems geschlossen wurde, durch den nationalen Gesetzgeber ist jedoch richtlinienkonform (BT-Drucks. 17/12637, S. 50; BeckOK-BGB/​Martens, a. a. O., § 312c Rn. 30; Erman/Koch, BGB, 16. Aufl. [2020], § 312c Rn. 9). Insbesondere trägt sie dem Umstand, dass der Verbraucher regelmäßig nicht wissen kann, welche organisatorischen Strukturen der Unternehmer aufweist, und deshalb sachgerechten Vortrag zu halten nicht in der Lage ist, Rechnung; die Regelung verschiebt damit auch nicht entgegen dem Willen des europäischen Gesetzgebers Prozessführungslasten und -risiken in gravierender oder sonst unbilliger Weise zum Nachteil des Unternehmers.

Überdies würde der Senat selbst dann, wenn die gesetzliche Vermutung nicht bestünde, aufgrund der gesamten Umstände des vorliegenden Falls eine dem Kläger günstige Überzeugung im Sinne von § 286 I 1 ZPO gewinnen und daher zum selben Ergebnis kommen. Der Kläger hat einen Sachverhalt geschildert, aus dem sich ergibt, dass die Beklagte Kommunikationskanäle für Kunden eröffnet hat, dass es problemlos möglich war, die Beklagte zu dem Vorgehen zu veranlassen, und dass der Vertragsabschluss reibungslos erfolgte. Damit hat er das äußere Bild eines Unternehmens, welches sich objektiv und erst recht aus Sicht eines Kunden auf derartige Vertragsabschlüsse eingerichtet hat, vorgetragen. Das bloße Bestreiten der Beklagten und der Hinweis, über ein entsprechendes System nicht zu verfügen, stellen sich in dieser Situation als substanzlos dar. Die Beklagte hätte jedenfalls aufgrund der Grundsätze zur sekundären Darlegungslast ausführen müssen, wie es trotz Fehlens entsprechender organisatorischer Vorkehrungen zu dem Vertragsschluss auf diesem Weg kam, oder, dass sie nur aufgrund von besonderen Umständen dem Kläger im Einzelfall entgegenkommen wollte. Das pauschale Behaupten, sie habe kein Fernabsatzsystem errichtet, stellt insoweit kein genügendes Bestreiten dar; zumindest ist es nicht stark genug, um zu verhindern, dass der Senat aufgrund der unstreitigen Umstände zu einer entsprechenden Überzeugung im Sinne von § 286 I 1 ZPO gelangt.

c) Die nochmalige Unterzeichnung des Bestellformulars am 10.09.2020 bewirkte nicht den Verlust des damit gesetzlich entstandenen Widerrufsrechts.

aa) Aus der in § 361 II BGB enthaltenen Unabdingbarkeit der Bestimmungen zum verbraucherschützenden Widerrufsrecht folgt ein grundsätzliches Verbot, das Widerrufsrecht zum Nachteil des Verbrauchers auszuschließen.

Nach überwiegender Auffassung kann der Verbraucher auf ein entstandenes Widerrufsrecht nicht wirksam nachträglich verzichten (so z. B. MünchKomm-BGB/​Fritsche, 9. Aufl. [2022], § 361 Rn. 16; BeckOGK/Rosenkranz, Stand: 01.06.2021, § 361 Rn. 19.1). Selbst wenn man einen solchen Verzicht zulässt, würde dieser voraussetzen, dass der Verbraucher zuvor über sein Widerrufsrecht in vollständiger, das heißt den gesetzlichen Bestimmungen entsprechender Weise belehrt wurde (vgl. MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 361 Rn. 16). Bei jeder anderen Sichtweise würde unterlaufen, dass der Unternehmer grundsätzlich nur durch eine Nachbelehrung bewirken kann, dass die Frist anläuft und so das Widerrufsrecht nicht ewig beziehungsweise zumindest ein Jahr lang besteht. An einer solchen eindrücklichen Belehrung fehlt es vorliegend, weil dem Kläger nicht offengelegt wurde, dass er ein solches Recht besitze.

bb) Selbst wenn man daher die erneute Unterzeichnung der „Verbindliche[n] Bestellung“ als erneuten Abschluss des Kaufvertrags zu bewerten hätte, würde sich nichts zugunsten der Beklagten ergeben. Es müsste nämlich davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich bereits aufgrund seiner früheren Erklärung gebunden sah, das heißt nicht wusste, dass er sich erneut frei für und gegen den Vertrag entscheiden kann, und nur deshalb die Erklärung abgab, was einer entsprechenden Verzichtswirkung entgegenstand.

Der Senat hat allerdings erhebliche Zweifel, in dem Vorgang einen erneuten Abschluss eines inhaltsgleichen Kaufvertrags zu sehen. Dies mag zwar rechtlich möglich sein und für die Parteien auch nicht die in der Berufungserwiderung aufgezeigten nachteiligen Folgen nach sich ziehen, wenn man mit dem Neuabschluss eine konkludente Aufhebung des vorangegangenen Vertrags verbindet. Da ein solches Vorgehen aber äußerst ungewöhnlich wäre und keinen erkennbaren Mehrwert für die Parteien, insbesondere vorliegend den Kläger, hätte, kann typischerweise nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien derartiges rechtsverbindlich wollen. Vielmehr wird die Vertragspartei die nochmalige Unterzeichnung eines Vertragsdokuments regelmäßig als zusätzliche Dokumentation des bereits zustandegekommenen Konsenses verstehen. Anders könnte der Fall nur dann liegen, wenn zumindest Zweifel an der Wirksamkeit des vorangegangenen Vertragsschlusses bestehen. Solche sind dem Kläger vorliegend aber nicht kommuniziert worden und waren auch objektiv nicht erkennbar. Im Hinblick auf den Schutzzweck des verbraucherschützenden Widerrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften und die dabei geltende Unabdingbarkeit wäre es wiederum erforderlich, dem Verbraucher unmissverständlich klarzumachen, dass er sich nunmehr erneut und völlig losgelöst von früheren Erklärungen binden solle, woran es vorliegend fehlt.

cc) Insoweit ist auch unerheblich, dass der Kläger sich am 10.09.2020 ein Bild von der Kaufsache hätte machen können und damit, isoliert gesehen, die Verwirklichung des Normzwecks des § 312c BGB nicht mehr erforderlich war. Solange zu befürchten ist, dass sich der Verbraucher an seine mit Fernabsatzmitteln zustande gekommene Verpflichtung gebunden fühlt, muss jedoch konsequenterweise der vom Gesetzgeber gesehene Bedarf, sich von der Verpflichtung mittels Widerrufs lösen zu können, als fortbestehend angenommen werden.

2. Aufgrund der Widerrufserklärung des Klägers, die auch im Übrigen die Voraussetzungen des § 355 I BGB erfüllt, wurde der Kaufvertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis nach Maßgabe des § 357 BGB umgewandelt. Die Beklagte schuldet daher Rückzahlung des bereits erhaltenen Kaufpreises; hierzu ist sie jedoch nur, wie das Landgericht im Kern zutreffend erkannt hat, gegen Rückgewähr der bereits dem Kläger zugeflossenen Sachleistung verpflichtet.

a) Nach § 357 IV BGB, welcher Art. 13 III der Verbraucherrechte-Richtlinie umsetzt, kann der Unternehmer bei Vorliegen eines Fernabsatzvertrags die Rückzahlung des Kaufpreises bis zum Rückerhalt der gelieferten Ware oder der Erbringung des Nachweises ihrer Absendung durch den Verbraucher verweigern. Die Vorschrift statuiert insoweit eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers. Diese weist unter anderem die Besonderheiten auf, dass die fehlende Leistungserbringung durch den vorleistungspflichtigen Verbraucher nicht bereits die Fälligkeit seines eigenen Anspruchs ausschließt, sondern nach dem klaren Gesetzeswortlaut („kann verweigern“) und der Intention des Gesetzgebers lediglich ein im Wege der Einrede geltend zu machendes Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers begründet (BeckOGK/​Mörsdorf, Stand: 01.02.2022, § 357 BGB Rn. 19 f.). Diese „beständige Vorleistungspflicht“ des Verbrauchers soll das Interesse des Unternehmers am Rückerhalt der Ware sichern, zumal in Fernabsatzfällen typischerweise die im deutschen Recht übliche Abwicklung Zug um Zug unpraktikabel ist (BeckOGK/​Mörsdorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 21.1; Kohler, VuR 2018, 203, 204). Der Unternehmer kann daher durch prozessuale wie außerprozessuale Erhebung der Einrede des § 357 IV BGB die Leistung verweigern, was zur Folge hat, dass die Klage als zurzeit unbegründet abzuweisen ist (BGH, Urt. v. 14.06.2022 – XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 17; Urt. v. 26.07.2022 – XI ZR 186/21 Rn. 20; BeckOGK/​Mörsdorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 29; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, Stand: 01.02.2022, § 357 Rn. 8). Der klagende Verbraucher kann diese Folge nur dadurch vermeiden, dass er bis zum Ende der mündlichen Verhandlung das Vorliegen eines der Beendigungstatbestände des § 357 IV BGB beweist und hierdurch dem Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers den Boden entzieht; der Unternehmer ist dann zur Zahlung zu verurteilen (BeckOGK/​Mörsdorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 29). § 274 BGB findet auf dieses Zurückbehaltungsrecht grundsätzlich keine Anwendung (MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 357 Rn. 15; Kohler, VuR 2018, 203, 204).

Die Beklagte hat sich durch den (zweiten) Schriftsatz vom 29.04.2021 in der Sache auf dieses Zurückbehaltungsrecht berufen.

b) Auch wenn auf die aus § 357 IV BGB resultierende Vorleistungspflicht die §§ 273 f. BGB nicht unmittelbar anzuwenden sind, kann auch bei ihr eine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgen, um dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Streit über die Wirksamkeit des Widerrufs besteht, Rechnung zu tragen (vgl. Kohler, VuR 2018, 203, 204 ff.; MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 357 Rn. 15). Hierzu kann entsprechend den Regelungen zum Annahmeverzug in den §§ 293 bis 297 BGB ein bloß wörtliches Angebot der Rückgabe ausreichen, um einen Annahmeverzug auszulösen (BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307, Rn. 24, entgegen Kohler, VuR 2018, 203, 205 f.; zuvor ebenso OLG Brandenburg, Urt. v. 27.03.2019 – 13 U 13/18, BeckRS 2019, 42999 Rn. 35; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.06.2022 – XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 17). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach § 357 IV BGB die Rückgabepflicht des Verbrauchers eine Bring- oder Schickschuld darstellt, sodass das Angebot auch beinhalten muss, dass die Rückgabe am Sitz des Unternehmers erfolgen soll (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2020 – XI ZR 498/19, BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307, Rn. 24).

c) Die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs waren vorliegend seit dem 04.03.2021 erfüllt.

aa) Ein wörtliches Angebot des Schuldners begründet nach § 295 Satz 1 Fall 1 BGB den Annahmeverzug unter anderem, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde.

bb) Der Kläger hat in seiner E-Mail vom 20.02.2021, in der er den Widerruf erklärt hat, die Übergabe am Sitz der Beklagten angeboten, was aus der Formulierung „wann ich … zurückbringen kann“ hervorgeht. Die Beklagte hat die Rücknahme unter dem 23.02.2021 abgelehnt. Zwar erklärt ein Gläubiger, der vor und während des Rechtsstreits die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs bestreitet, dadurch noch nicht zwangsläufig, dass er die Leistung nicht annehmen werde, da hierin keine Äußerung zur Frage liegt, ob er das Fahrzeug entgegennehmen würde, wenn es denn tatsächlich angeboten würde (BGH, Urt. v. 14.06.2022 – XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 18). Die Beklagte hat jedoch nicht nur ihren Standpunkt mitteilen lassen, dass dem Kläger nach ihrer Auffassung vorliegend kein Widerrufsrecht zusteht, sondern auch, dass dem Anliegen des Klägers – welches im Text zuvor wörtlich wiedergegeben wird – nicht entsprochen werden könne. Sie hat damit erklärt, dass sie keinen Grund zur Rückgabe des Fahrzeugs, zu der sich der Kläger an sich uneingeschränkt und unbedingt bereit erklärt hatte und die er lediglich aus Gründen der besseren Organisation von der Nennung eines Termins abhängig machen wollte, sehe. Die Äußerung der Beklagten durch ihre anwaltliche Vertreterin ist daher als Verweigerung der Leistungsannahme zu bewerten.

cc) Diese Äußerung machte allerdings ein nachgehendes wörtliches Angebot des Klägers im Sinne von § 295 BGB nicht entbehrlich. Vielmehr bedurfte es noch eines nachfolgenden (vgl. zu diesem Erfordernis BeckOGK/​Dötterl, Stand: 01.03.2022, § 295 BGB Rn. 37; MünchKomm-BGB/​Ernst, 8. Aufl. [2019], § 295 Rn. 7) wörtlichen Angebots des Klägers.

Von einem wörtlichen Angebot nach der vorherigen Ablehnung der Leistungsannahme kann grundsätzlich nicht abgesehen werden (vgl. MünchKomm-BGB/​Ernst, a. a. O., § 295 Rn. 7). Dies folgt bereits daraus, dass es nahezu immer so wäre, dass sich das wörtliche Angebot als Förmelei darstellt, nachdem eine den Voraussetzungen des § 295 Satz 1 Fall 1 BGB genügende Äußerung des Gläubigers erfolgt ist. Der Gesetzgeber hat insoweit dem Umstand, dass es nach einer entsprechenden Verlautbarung des Gläubigers dem Schuldner nicht zuzumuten ist, die Kosten und Mühen eines tatsächlichen Angebots – wie es nach der Grundregel des § 293 BGB erforderlich ist – auf sich zu nehmen, bereits dadurch entsprochen, dass nunmehr ein wörtliches Angebot ausreicht. Eine weitergehende Erleichterung hat der demgegenüber nicht vorgenommen.

Auch hiervon sind zwar wegen § 242 BGB Ausnahmen anerkannt, sofern sich das erneute Angebot als offensichtlich aussichtslos darstellen würde. Maßgeblich sind aber stets die Umstände des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 21.02.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 Rn. 30; MünchKomm-BGB/​Ernst, a. a. O., § 295 Rn. 7; BeckOGK/​Dötterl, a. a. O. § 295 BGB Rn. 30 ff.). Solche besonderen Umstände kann der Senat jedoch vorliegend nicht erkennen. Insbesondere war die Erklärung vom 23.02.2021 zwar von der anwaltlichen Vertreterin der Beklagten verfasst, doch erfolgte sie zu einem Zeitpunkt, bevor der Beklagten mitgeteilt wurde, woraus sich das ausgeübte Widerrufsrecht ergebe; es kann in einem solchen Fall nicht als ausgeschlossen angesehen werden, dass der Unternehmer nach entsprechender juristische Argumentation seine Auffassung ändert. Noch wichtiger scheint, dass mit der Kundgabe der Position, dass der Kläger den Vertrag nicht wirksam habe widerrufen können und die Beklagte daher keinen Anlass für eine Rückabwicklung einschließlich der Rücknahme sieht, nicht zwingend zum Ausdruck kommt, sie werde sich einer Rückgabe – sei es im Rahmen einer Einigung, sei es vorsichtshalber – definitiv versperren. Insoweit muss der Senat berücksichtigen, dass sich die Erklärung vom 23.02.2021 zwar nicht in der Zurückweisung des Widerrufs erschöpfte und auch erkennen ließ, dass die Beklagte keinen Anlass für eine Rücknahme des Fahrzeugs sah, Letzteres aber mit dem Vorgenannten verknüpft war und daher nicht automatisch ausschließen sollte und konnte, dass die Beklagte, sollte der Kläger auf seinem Begehren beharren, diesem entsprechen würde. Die Auslegung der gläubigerseitigen Erklärung ergibt mithin nicht, dass alle Türen zugeschlagen sind und der Gläubiger die Entgegennahme der Leistung nicht ernsthaft und endgültig verweigert (BeckOGK/​Dötterl, a. a. O. § 295 BGB Rn. 34), sodass der Schuldner wörtlich anbieten musste.

dd) Der Kläger hat daraufhin durch seinen nunmehrigen Prozessbevollmächtigten im Schreiben vom 01.03.2021 erneut anbieten lassen, sodass sich die Beklagte seither in Annahmeverzug befindet. Das nachfolgende Schreiben der Beklagtenvertreterin vom 04.03.2021, in dem sie darlegte, dass die Beklagte trotz Erhalt des ausführlichen Schreibens des Klägervertreters vom 01.03.2021 bei ihrer Entscheidung verbleibe, enthielt eine entsprechende definitive Ablehnung. Aufgrund dieser endgültigen und klaren Äußerung kommt es auch nicht entscheidend darauf an, dass der Kläger der Beklagten eine Gelegenheit zur Rücknahme bis 12.03.2021 eingeräumt hatte.

ee) Selbst wenn man wegen der Besonderheiten des § 357 IV ZPO als Voraussetzung einer Zug-um-Zug-Verurteilung einen Klägerantrag verlangt (MünchKomm-BGB/​Fritsche, a. a. O., § 357 Rn. 15), wäre dieser nunmehr gegeben, indem der Kläger die landgerichtliche Entscheidung in der Berufungserwiderung insoweit ausdrücklich verteidigt.

ff) Das Landgericht hat daher zutreffend eine Verurteilung Zug um Zug ausgesprochen und den Annahmeverzug festgestellt; dieser setzte jedoch erst später ein.

d) Zur vollständigen Rückabwicklung der vom Kläger empfangenen Leistung gehört – wie das Landgericht auch in seinen Entscheidungsgründen, allerdings nicht im Tenor – ausgedrückt hat, nicht nur die Verschaffung des Besitzes an dem Fahrzeug, sondern auch die Übertragung des Eigentums an diesem. Dementsprechend war in den Zug-um-Zug-Vorbehalt auch die Übereignung aufzunehmen.

3. Aus diesen Gründen kann auch die Verurteilung zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten keinen Bestand haben.

a) Der Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs nicht gegeben.

Das Bestehen des sich aus § 357 IV BGB ergebenden Zurückbehaltungsrechts verhindert bereits als solches nach materiellem Recht den Eintritt des Schuldnerverzugs des Unternehmers bezüglich der Rückzahlungsverpflichtung (BeckOGK/​Mörsdorf, a. a. O, § 357 BGB Rn. 30); insoweit sind die Grundsätze heranzuziehen, die hier für die Einrede des nichterfüllten Vertrags gelten (dazu MünchKomm-BGB/​Ernst, a. a. O., § 286 Rn. 25). Schuldnerverzug konnte somit erst eintreten, als die Beklagte in Annahmeverzug mit der vom Kläger geschuldeten Leistung geriet (vgl. BGH, Urt. v. 14.06.2022 – XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 21; Urt. v. 21.02.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 Rn. 27). Dieser trat erst durch das in dem Anwaltsschreiben vom 01.03.2021 enthaltene Angebot ein; die Kosten für dieses Schreiben können somit keinen Verzugsschaden darstellen.

b) Die unberechtigte Zurückweisung eines Widerrufs begründet keine sonstige Pflichtverletzung im Sinne von § 280 I BGB, auf die ein Schadensersatzverlangen gestützt werden könnte (BGH, Urt. v. 19.09.2017 – XI ZR 523/15, BeckRS 2017, 133090 Rn. 22; Urt. v. 27.11.2018 – XI ZR 174/17, BKR 2019, 243 Rn. 17 m. w. N.).

c) Darauf, ob die Geschehnisse ausreichen, um von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsablehnung und einer daraus resultierenden Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch nach §§ 280 I, III, 281 BGB ausgehen zu können, kommt es mithin nicht mehr entscheidend an.

4. Ebenso sind die Ansprüche auf Verzinsung des Zahlbetrags erst ab dem Tag nach Eintritt des Verzugs (§ 286 Abs. 1, § 288 BGB) und damit ab dem 5. März 2021 gegeben. …

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