1. Der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs kann, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als „Bagatellschäden“ gekommen ist (im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20).
  2. Einen Gebrauchtwagenhändler trifft keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit, ein Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen; zu einer Überprüfung des Fahrzeugs kann er vielmehr nur aufgrund besonderer Umstände, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen, gehalten sein (im Anschluss an BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14 m. w. Nachw.). Solche Umstände liegen vor, wenn ein Gebrauchtwagenhändler beim Ankauf eines Fahrzeugs unspezifisch über einen „reparierten Frontschaden“ informiert wird, bezüglich dessen Reparaturrechnungen nicht vorgelegt werden können, und wenn bei einer bloßen fachmännischen Sichtprüfung Nachlackierungen an der Front, an der Seite und am Heck des Fahrzeugs sowie Glassplitter und Blutspritzer im Fahrzeuginneren erkennbar sind.

OLG Naumburg, Urteil vom 30.05.2022 – 2 U 195/19
(vorangehend: BGH, Beschluss vom 08.09.2021 – VIII ZR 258/20)

Sachverhalt:  Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Dieses am 10.08.2016 erstzugelassene Fahrzeug kaufte die Klägerin von der Beklagten mit Vertrag vom 07.04.2018 zum Preis von 31.850 €. Ausweislich des Kaufvertrags betrug die Gesamtlaufleistung des Pkw seinerzeit 7.840 km. In dem Abschnitt des Vertragsformulars, in dem „Schäden lt. Vorbesitzer“, „offene Schäden“ sowie „techn. opt. Mängel“ vermerkt werden konnten, wurde jeweils auf ein Gebrauchtwagen-Zertifikat verwiesen, das dem Kaufvertrag nicht beigefügt war, sondern nachgereicht werden sollte. Im unteren Viertel der Vertragsurkunde befindet sich ein kleingedruckter, 16-zeiliger Fließtext mit Regelungen unter Anderem zur Verjährung der Ansprüche des Käufers wegen Sach- und Rechtsmängeln, zum Eigentumsvorbehalt des Verkäufers bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises und zum Ausschluss der Haftung für Angaben zum Fahrzeug im Internet. Außerdem wurde festgehalten, dass die Klägerin eine Probefahrt unternommen habe, vor Abholung des Pkw eine (weitere) Anzahlung leisten müsse und die „Zulassung selbst am Wohnort“ veranlassen werde. Sodann heißt es:

„Kundin wurde über Vorschaden Front und allgemeine Nachlackierungen vorab informiert, welche nicht nach Herstellerrichtlinien repariert wurden. Art und Umfang unbekannt. HU und AU bis 08.2019.“

Die Parteien vereinbarten eine Barzahlung in Höhe von insgesamt 5.000 €; hinsichtlich des restlichen Kaufpreises vermittelte die Beklagte der Klägerin einen mit der B-Bank AG geschlossenen Darlehensvertrag.

Der Pkw wurde der Klägerin am 23.04.2018 übergeben. Bei der Übergabe legte der Verkaufsmitarbeiter der Beklagten der Klägerin diverse Dokumente zur Unterzeichnung vor, so eine „Empfangsbestätigung“ mit einer Auflistung der übergebenen Unterlagen (u. A. Kaufvertrag, Rechnung, Bordmappe, Gebrauchtwagen-Zertifikat) sowie ein mit „Vergleich“ überschriebenes Dokument. Die Klägerin leistete die geforderten Unterschriften und übernahm das Fahrzeug.

Nachdem die Klägerin bei ersten Fahrten mit dem Pkw in dessen Innenraum Blutspritzer und Glassplitter entdeckt hatte, suchte sie am 30.04.2018 eine Vertragswerkstatt auf. Dort wurde sie darauf aufmerksam gemacht, dass in der Herstellerdatenbank verzeichnet sei, dass bei dem Pkw im Januar 2018 bei einem Kilometerstand von circa 8.900 der Motor ausgetauscht worden sei. Das Fahrzeug habe einen schweren Unfall erlitten, bei dem die Frontairbags ausgelöst worden seien und der einen Reparaturaufwand in einer Größenordnung 15.000 € nach sich gezogen habe. Die Klägerin wurde außerdem über diverse Mängel des Fahrzeugs informiert, hinsichtlich derer keine Herstellergarantie bestehe, weil vorherige Reparaturen nicht in einer Fachwerkstatt durchgeführt worden seien.

Mit E-Mail vom 01.05.2018 erklärte die Klägerin vor diesem Hintergrund gegenüber der Beklagten den Rücktritt von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag. Die Beklagte wies den Rücktritt mit anwaltlichem Schreiben vom 04.05.2018 als unbegründet zurück.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.03.2019 erklärte die Klägerin vorsorglich auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und bot der Beklagten – erfolglos – die Rückabwicklung des Kaufvertrags an.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.11.2019 stattgegeben. Es hat diese Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags habe, weil der von ihr erklärte Rücktritt (mindestens) auf zwei Mängel gestützt werden könne und daher wirksam sei. Die Angabe der Gesamtlaufleistung des Pkw sei objektiv unrichtig gewesen; die Widersprüche in den Fahrzeugdokumenten – so das Landgericht – habe die Beklagte der Klägerin arglistig verschwiegen. Das Fahrzeug habe zudem einen erheblichen Unfallschaden aufgewiesen, über den die Beklagte die Klägerin pflichtwidrig nicht aufgeklärt habe.

Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten Berufung hat die Beklagte eine arglistige Täuschung in Abrede gestellt und behauptet, sie habe keine Kenntnis von dem Motoraustausch gehabt. Dass ihrem Geschäftsführer die widersprüchlichen Angaben zur Laufleistung diversen Dokumenten nicht aufgefallen seien, begründe allenfalls den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Hinsichtlich des Unfallschadens hat die Beklagte auf einen Hinweis im Kaufvertrag verwiesen, ausweislich dessen sie als Verkäuferin den Pkw nicht auf Unfallschäden untersucht habe. Jedenfalls habe sie – die Beklagte – die Klägerin auf einen „Vorschäden Front und allgemeine Nachlackierungen“ hingewiesen, deren „Art und Umfang unbekannt“ sei, und auf ein (nachzureichendes) Gebrauchtwagen-Zertifikat verwiesen. Damit habe sie den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügt. Schließlich hat die Beklagte gerügt, das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ihr – der Beklagten – eine Nutzungsentschädigung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer zahlen müsse.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts mit Urteil vom 06.08.2020 im Wesentlichen bestätigt. Es hat der Beklagten lediglich eine Nutzungsentschädigung zugesprochen.

Auf die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der VIII. Zivilsenat des BGH das Berufungsurteil mit Beschluss vom 08.09.2021 – VI­II ZR 258/20 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden war. Im Umfang der Aufhebung hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat der VIII. Zivilsenat des BGH ausgeführt, das Berufungsgericht habe den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihr unter Beweis gestelltes erstinstanzliches Vorbringen fallen gelassen habe, wonach ihr Mitarbeiter V die Klägerin vor dem Abschluss des schriftlichen Kaufvertrags – bei der Besichtigung des Fahrzeugs – ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der Pkw einen erheblichen (mittelschweren) Frontschaden erlitten habe, dem Anschein nach nicht gemäß den Herstellerrichtlinien instand gesetzt worden sei und die Beklagte das Fahrzeug in repariertem Zustand von einem gewerblichen Zwischenhändler gekauft habe, ohne eine Dokumentation über den Umfang des Unfallschadens und die durchgeführten Reparaturarbeiten erhalten zu haben. Ein möglicher Widerspruch zwischen dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten und deren Berufungsvorbringen sei – so der BGH – im Rahmen der Beweiswürdigung nach einer hier gebotenen Beweisaufnahme zu bewerten. Das Beweisangebot der Beklagten sei auch nicht auf eine – prozessual unzulässige – Ausforschung gerichtet.

Das Berufungsgericht hat daraufhin am 08.04.2022 Beweis über die vorgenannten Behauptungen der Beklagten erhoben, und zwar durch die persönliche Anhörung der Klägerin sowie die Vernehmung des Zeugen V und des – gegenbeweislich benannten – Zeugen L, des Lebensgefährten der Klägerin.

Schlussendlich hatte die (zulässige) Berufung der Beklagten nur geringfügig Erfolg.

Aus den Gründen: B. … Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags – Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs – hat und sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet. Die hiergegen im Berufungsverfahren erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Bei der Rückabwicklung sind bezüglich des Anspruchs zur Höhe die von der Klägerin gezogenen Nutzungen zu berücksichtigen.

I. Der vorgenannte Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist dem Grunde nach gemäß § 433 I 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB (Gewährleistungsrecht) gerechtfertigt. Die Klägerin ist wirksam vom Kaufvertrag vom 07.04.2018 zurückgetreten, denn das Kaufobjekt wies zum Zeitpunkt der Übergabe zumindest einen erheblichen Sachmangel auf. Es handelte sich entgegen der kaufvertraglichen Vereinbarung um ein Fahrzeug, welches einen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als einem sogenannten Bagatellschaden gekommen war.

1. Die Parteien gehen übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihnen ein Kaufvertrag ist, für welchen die gesetzlichen Regelungen des BGB anwendbar sind.

2. Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht zur Erkenntnis gelangt, dass die Klägerin ihren Rücktritt vom Kaufvertrag vom 07.04.2018 wirksam darauf stützen kann, dass das Fahrzeug ein sogenannter Unfallwagen ist.

a) Auch bei dem Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeuges kann der Käufer, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass das Fahrzeug keinen Unfall erlitten hat, bei dem es zu mehr als sogenannten Bagatellschäden gekommen ist (vgl. nur BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 330/06, NJW 2008, 53 Rn. 20 m. w. Nachw.).

b) Solche besonderen Umstände lagen hier nicht vor.

aa) Bis zum Abschluss des Kaufvertrags vom 07.04.2018 durch die beiderseitige Unterzeichnung der Vertragsurkunde erfolgte keine hinreichende Information der Klägerin über den objektiv vorliegenden schweren Vorschaden aus einem Unfall. Dies ergibt sich in der Gesamtschau der durchgeführten Beweisaufnahme.

(1) Der Senat geht davon aus, dass im Vorfeld des Termins am 07.04.2018 keine Informationen über die Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallfahrzeug an die Klägerin geflossen sind. Die Beklagte hat Gleichartiges weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Deswegen kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, dass der Zeuge L, der Lebensgefährte der Klägerin, ausgesagt hat, dass er den Besichtigungstermin am 07.04.2018 bei der Beklagten telefonisch verabredet habe und dass er sich während dieses Telefonats auch nach einem Vorschaden erkundigt habe. Dies sei verneint und mit dem Hinweis bekräftigt worden, dass es sich bei der Beklagten um ein seriöses Autohaus handle.

(2) Der Termin am 07.04.2018 begann nach den übereinstimmenden Angaben aller drei Teilnehmer – der Klägerin und der Zeugen V und L – mit der gemeinsamen Besichtigung des Fahrzeugs auf dem Betriebsgelände der Beklagten in der Märkischen Allee 80a.

(a) Der Zeuge V hat hierzu angegeben, dass er sich trotz seiner langjährigen Tätigkeit als Autoverkäufer und insbesondere auch seiner circa zehnjährigen Tätigkeit für die Beklagte an diesen Termin wegen der Person der Klägerin und wegen der Besonderheiten des Fahrzeugs sehr gut erinnern könne. Seiner Aussage ist eindeutig zu entnehmen gewesen, dass er der Klägerin keine Information über einen Vorschaden des Fahrzeugs gegeben hat, sondern deren Lebensgefährten als Ansprechpartner für technische Fragen ansah. Insoweit hat er die Beweisbehauptung der Beklagten nicht bestätigt. Gegenüber dem Zeugen L habe er anlässlich der Öffnung der Motorhaube und der Besichtigung des „blitzblanken“ Inneren des Motorraums in einem „Superzustand“ geäußert, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit nachlackiert worden sei. Bei dieser Gelegenheit habe er den Unfallschaden an der Front erwähnt.

(b) Die Klägerin persönlich hat – mit der vorgeschilderten Aussage des Zeugen V korrespondierend – angegeben, dass ihr gegenüber ein Unfallschaden des Fahrzeugs nicht erwähnt worden sei.

(c) Der Zeuge L hat den Verlauf der Besichtigung hinsichtlich des hier maßgeblichen Umstands abweichend geschildert. Er hat angegeben, dass er bei der Besichtigung eine kleine Delle in der Karosserie hinten rechts bemerkt und V danach gefragt habe, ob das Fahrzeug einen Unfall gehabt habe. Ihm sei die Auskunft erteilt worden, dass es sich um einen Leasingrückläufer handle und die Delle auf einen Steinschlag zurückgehe. Deswegen sei die Stelle nachlackiert worden. Der Zeuge L hat auf ausdrückliche Nachfrage bekräftigt, dass V die Frage nach einem Unfall verneint habe.

(d) Bereits bei isolierter Betrachtung der sich widersprechenden Zeugenangaben V und L vermag der Senat eine Überzeugung von der Richtigkeit der Angaben des Zeugen V nicht zu gewinnen. Für einen seriösen Autohändler, als der sich der Zeuge V mehrfach gerierte, wäre es geboten gewesen, die Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen deutlich herauszustellen, und zwar im Gespräch mit der Kundin. Ihm war bewusst, dass die Klägerin das Fahrzeug erwerben wollte und deswegen seine Hauptansprechpartnerin hätte sein sollen. Selbst die nach der vom Zeugen V geschilderten beiläufigen Erwähnung eines Unfalls, noch dazu in dem bloßen Kontext des Hinweises auf eine vorgenommene und unter Umständen nicht den Herstellerrichtlinien entsprechende Nachlackierung, wäre nicht geeignet gewesen, die notwendige Aufklärung der Klägerin über ein – in das Wissen des Zeugen V gestellten – mittelschweren Unfallschaden herbeizuführen. Der Senat hat jedoch selbst an der Übermittlung der bagatellisierenden Information über einen Unfall erhebliche Zweifel, denn nach dem persönlichen Eindruck, welchen der Senat vom Zeugen L gewonnen hat, wäre dieser bei einer solchen Information nicht reaktionslos zur nächsten Frage übergegangen und hätte insbesondere auch die anwesende Klägerin an seinem Informationsgewinn teilhaben lassen.

(3) Nach übereinstimmender Darstellung aller drei Auskunftspersonen schloss sich an die Besichtigung zunächst eine Verhandlung über und eine Prüfung der Finanzierungsgrundlagen an. Dem folgte die Ausfüllung der Kaufvertragsurkunde. Aus dem Verlauf der Fertigstellung der Vertragsurkunde schließt der Senat darauf, dass der Zeuge V während der Besichtigung des Fahrzeugs keinen Hinweis auf einen vorherigen Unfall des Fahrzeugs gegeben hat.

(a) In der Kaufvertragsurkunde selbst wurden vom Zeugen V in den dafür vorgesehenen Formularfeldern „Vorschäden lt. Vorbesitzer“, „offene Schäden“ und „techn. opt. Mängel“ jeweils keinerlei Vorschäden angegeben. Auch auf Nachfrage, ob Teile der Vertragsurkunde gegebenenfalls bereits vorbereitet waren, hat der Zeuge V bekräftigt, dass jede Eintragung im Kaufvertragsformular im Beisein der Klägerin und des Zeugen L während dieses Verkaufsgesprächs von ihm vorgenommen worden sei. Danach ist es aber unverständlich, dass der Zeuge, der wenige Minuten vorher dem Lebensgefährten der Klägerin ausdrücklich gesagt haben will, dass das Fahrzeug laut Vorbesitzer einen Unfall erlitten habe und dass es – im Hinblick auf die Nachlackierung – optische Mängel aufweise, bei der Ausfüllung des Vertragsformulars diese Angaben nicht wiederholte, sondern – sehr viel aufwendiger – jeweils eintrug, dass hierüber erst aufgrund eines – nicht beigefügten und noch einzuholenden – Gebrauchtfahrzeug-Zertifikats Auskunft erteilt werden könne.

(b) Insoweit hat der Senat weiter berücksichtigt, dass das Vorgehen der Beklagten nicht plausibel ist. Einerseits hat der Zeuge V ausgesagt, dass die Beklagte als seriöses Autohaus bei Gebrauchtwagen für ihre Kunden regelmäßig ein Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat einhole, um den Kunden beim Abschluss des Kaufvertrags eine zusätzliche Sicherheit zu vermitteln. Andererseits hatte die Beklagte hier das Fahrzeug bereits seit Wochen auf dem Gelände und im Internet beworben, es hatte nach Angaben des Zeugen V vor dem – auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichteten – Termin mit der Klägerin mindestens bereits eine Besichtigung mit einem anderen Kunden gegeben, aber das Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat war noch nicht eingeholt worden. Der Zeuge L hat darüber hinaus angegeben, dass die Klägerin zu einer raschen Entscheidung gedrängt worden sei mit dem Argument, dass das Fahrzeug gut nachgefragt werde und ein zeitnaher Verkauf in Aussicht stehe. In dieser Situation, also mit Blick auf einen zeitnahen Verkauf, ging die Beklagte bewusst ohne ein Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat in das Verkaufsgespräch und beabsichtigte, wie regelmäßig, sich im Kaufvertrag auf das fehlende Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat zu berufen.

(c) Soweit in dem außerordentlich klein gedruckten, keiner systematischen Ordnung folgenden Fließtext unterhalb der Eingabefelder im letzten Absatz bei den sonstigen Vereinbarungen der Halbsatz „Kundin wurde über Vorschaden Front und allgemeinen Nachlackierungen vorab informiert.“ aufgeführt ist, bietet diese Formulierung keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass ein mittelschwerer Unfallschaden bestand. Der dort erwähnte Vorschaden wurde in den Zusammenhang mit allgemeinen Nachlackierungen gestellt. Ein Unfall wurde nicht erwähnt. Diese schriftliche Fixierung entspricht dem, was der Senat als Ergebnis seiner Würdigung der Angaben der Auskunftspersonen festgehalten hat. Es war eine Information über eine (unter Umständen auch nicht den Herstellerrichtlinien entsprechende) Nachlackierung – und zwar im Hinblick auf einen Steinschlagschaden – gegeben worden, aber keine Information über einen mittelschweren Unfall. Unter Berücksichtigung der glaubhaften Angaben des Zeugen L erfolgte diese Information auch allenfalls beiläufig. Diskussionspunkt war die Angabe zum Kilometerstand, welche von der Anzeige im Internet abwich. Das bestätigt die Wertung einer allenfalls bagatellisierenden Informationsweitergabe.

(4) Insgesamt ist im Ergebnis der Beweisaufnahme aus den Urkunden festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Abgabe der verbindlichen Willenserklärungen beider Vertragsparteien insbesondere aus der Sicht der Klägerin keine konkreten Anhaltspunkte für einen nicht unerheblichen Unfallschaden bestanden. Der unspezifische Verweis auf einen reparierten Frontschaden und die in diesem Zusammenhang erwähnten Nachlackierungen durften von der Klägerin als Bagatellreparaturen verstanden werden und gaben ihr keinen Anlass, vom Vorliegen eines mittelschweren Unfallschadens auszugehen. Verglichen mit der objektiven Schadenslage waren die Nachlackierungen gegenüber einem Austausch des Motors, einer vollständigen Wiederherstellung der Frontkarosserie und eines Austauschs der beim Unfall ausgelösten Airbags harmlos und nicht mit Substanzeingriffen in das Fahrzeug verbunden.

bb) Die Beklagte hat das Vorbringen der Klägerin in erster Instanz nicht erheblich bestritten, wonach der Mitarbeiter der Beklagten der Klägerin vor der Übergabe des Fahrzeugs am 23.04.2018 keine weiteren inhaltlichen Informationen gegeben habe. Er habe ihr lediglich diverse Dokumente zur Unterschrift vorgelegt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die diesbezüglichen Gründe in seinem Urteil vom 06.08.2020, gegen welche die Beklagte keine durchgreifenden Einwendungen mehr erhoben hat. Soweit die Beklagte erstinstanzlich noch behauptet hat, dass der Klägerin vom Zeugen V angeboten worden sei, selbst ein Gebrauchtwagengutachten in Auftrag zu geben beziehungsweise das Fahrzeug untersuchen zu lassen, hat dies der Zeuge V in seiner Aussage jeweils nicht bestätigt.

cc) Die am 23.04.2018 von der Klägerin und dem Mitarbeiter der Beklagten unterzeichneten Dokumente bewertet der Senat weder bei isolierter Betrachtung noch in der Gesamtschau als eine Änderung des zuvor ohne hinreichenden Hinweis auf einen erheblichen Unfallschaden geschlossenen Kaufvertrags.

(1) Das nachgereichte Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat (Anlage K 7) war aus der Sicht des Senats für eine hinreichende Information eines Käufers, hier der Klägerin, über das Vorliegen eines erheblichen Unfallschadens am Fahrzeug untauglich.

In dem Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat wurden die – hier nicht interessierenden – Fahrzeugkenndaten und der Fahrzeugzustand als fahrbereit und verkehrssicher angegeben. Unter der Rubrik „Sonderausstattung/​Ausrüstung“ wurden weitere Angaben zum Fahrzeugzustand mit dem Satz eingeleitet, dass das Fahrzeug dem Fahrzeugalter und der Kilometerlaufleistung entsprechende „typische Gebrauchsspuren“ aufweise. Beispielhaft wurden vor allem kleine Verschrammungen und Dellen benannt. Dann folgte eine Erklärung zur Art und Weise der Vornahme der Prüfung auf Vorschäden, nämlich beschränkt auf eine Messung der Lackschichtdicke und eine äußere Sichtung. Schließlich folgte ein Verweis darauf, dass das Fahrzeug „instand gesetzt und nachlackiert“ worden und dass die Reparatur der Vorschäden nicht nach Herstellervorgaben erfolgt sei.

Der Senat bewertet diese Angaben als stark verharmlosend und bagatellisierend. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin als Adressatin des Zertifikats ergab sich hieraus kein genügender Anhaltspunkt dafür, dass das Fahrzeug entgegen ihrem bisherigen Kenntnisstand aus den Kaufvertragsverhandlungen und aus der Kaufvertragsurkunde einen erheblichen Unfallschaden aufwies. Soweit die Beklagte darauf abgestellt hat, dass allein die Verwendung des Begriffs „Instandsetzung“ auf erhebliche Substanzeingriffe habe schließen lassen, folgt der Senat dieser Bewertung nicht. In ihrem Gesamtzusammenhang suggerierte die Zustandsbeschreibung im Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat ebenfalls, dass es sich bei den Karosserieschäden allenfalls um leichte Blech- oder gar nur um Lackschäden handelte, welche im Übrigen in den sachlichen Zusammenhang mit „typischen Gebrauchsspuren“ gestellt wurden. Angesichts des Umstands, dass es sich bei dem am Kaufobjekt vorhandenen Schäden unstreitig um erhebliche Unfallschäden handelte, die mit einem Kostenaufwand in der Größenordnung von 15.000 € zu beseitigen waren und unter Anderem den Wechsel des Motors erforderlich gemacht hatten, bleibt die von der Beklagten mit dem Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat an die Klägerin weitergeleitete Information vollkommen substanzlos.

Danach kommt es nicht mehr darauf an, dass das Gebrauchtfahrzeug-Zertifikat an erheblichen formellen Mängeln litt, weil aus ihm weder der Aussteller erkennbar noch das Zertifikat unterzeichnet und gestempelt war.

(2) Die der Klägerin zur Unterzeichnung vorgelegte „Vereinbarung“ (Anlage K 5) enthielt keine Informationen über die Eigenschaft des Fahrzeugs als Gebrauchtwagen mit einem erheblichen Unfallschaden.

(3) Gleiches gilt im Ergebnis bei wertender Betrachtung für den Text des „Vergleichs“ vom 23./​24.04.2018 (Anlage K 6).

(a) Der Vergleich bezog sich nach seinem wesentlichen Inhalt darauf, dass die Beklagte der Klägerin einen Preisnachlass für „Beulen, Kratzer und dem Alter und der Laufleistung entsprechende Gebrauchsspuren“ in Höhe von 250 € gewährte. Mit dieser Formulierung setzte die Beklagte die Verschleierung der Dimension der Vorschäden fort.

(b) Der Vergleichstext beinhaltete sodann die Regelung, dass der Preisnachlass nicht etwa beim Kaufpreis berücksichtigt werden sollte, sondern lediglich gegen die ansonsten anfallenden Kosten für Serviceleistungen, wie die Einholung des Gebrauchtfahrzeug-Zertifikats, verrechnet wurde. Diese Regelung war geeignet, die Aufmerksamkeit eines flüchtigen Lesers weiter zu verringern.

(c) Soweit im unteren Teil dieser Urkunde im Fließtext angeführt wurde, dass das Fahrzeug „laut vorliegendem Zertifikat“ teilweise instand gesetzt und nachlackiert worden sei, wurde die Angabe sogleich dahin eingeschränkt, dass eine Aussage über den Umfang der seinerzeitigen Beschädigung nicht abgegeben werden könne. Sodann folgte die Formulierung, dass die Beklagte deswegen „keine Händlerzusicherung zur Unfallfreiheit“ abgebe und nunmehr vereinbart werde, dass der Pkw nicht unfallfrei sei.

Der Senat sieht in der kommentarlosen Vorlage eines Vergleichs mit diesem Satz in dem vorbeschriebenen Kontext keinen hinreichenden Hinweis darauf, dass das Fahrzeug einen erheblichen Unfallschaden aufwies.

(aa) Die Klägerin durfte diese Formulierung aus ihrer objektivierten Sicht als eine Vereinbarung im sachlichen Zusammenhang mit den zuvor genannten teilweisen Instandsetzungen und Nachlackierungen verstehen; insoweit gilt das zum Erklärungsgehalt des Gebrauchtfahrzeug-Zertifikats Vorausgeführte entsprechend. Darüber hinaus vermag der bloße Versuch einer Haftungsfreizeichnung jedenfalls in der hier gegebenen Situation den gebotenen Hinweis auf das – entgegen den Vereinbarungen im bereits abgeschlossenen Kaufvertrag vom 07.04.2018 gegebene – Vorliegen eines erheblichen Unfallschadens nicht zu ersetzen.

(bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat die Klägerin auch nicht etwa durch die Vorlage des vorgerichtlichen Schriftsatzes ihres ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 29.05.2018 (Anlage K 11) eingeräumt, dass sie aufgrund des Textes des Vergleichs vom 23./​24.04.2018 Kenntnis von einem Unfallschaden am Fahrzeug erlangt habe. Die Klägerin hat zu den inneren Tatsachen in der Klageschrift ausdrücklich vorgetragen, dass sie von der Eigenschaft des Fahrzeugs als Unfallwagen erst Ende April 2018 durch den Hinweis der von ihr beauftragten Werkstatt erfahren habe; dieser ausdrückliche Sachvortrag hat Vorrang. Das Landgericht hat diesen Sachvortrag in den Tatbestand seines Urteils als unstreitig aufgenommen, ohne dass die Beklagte dies beanstandet hat. Darüber hinaus hat die Klägerin sich auf den vorprozessualen Schriftsatz vom 29.05.2018 (Anlage K 11) nur wegen des Nachweises der vorgerichtlichen Aufforderung zur Streitbeilegung durch eine freiwillige Rückabwicklung des Kaufvertrags bezogen. Schließlich hat sie bereits vorgerichtlich klargestellt, dass sie Kenntnis vom Unfallschaden und dessen Ausmaßen erst durch die Überprüfung des Fahrzeugs am 30.04.2018 erhalten habe (vgl. Schriftsatz vom 25.03.2019, Anlage K 14).

(cc) Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass etwaige Zweifel an der Auslegung des Textes des Vergleichs zulasten der Beklagten gehen. Denn das für den Vergleich verwendete Vertragsformular ist rechtlich nach §§ 305 I, 310 III Nr. 2 BGB als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten zu bewerten. Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen nach § 305c II BGB zulasten des Verwenders.

Darüber hinaus sieht der Senat die Haftungsfreizeichnung für Unfallschäden in dem von der Beklagten in einer unbestimmten Vielzahl von Geschäften verwendeten Formular des Vergleichs (s. Anlage K 17b sowie die von der Beklagten vorgelegten, ihre Geschäftstätigkeit betreffenden Urteile des Kammergerichts vom 07.09.2012 – 7 U 256/11 – und des LG Berlin vom 11.12.2014 – 13 O 327/14) auch als eine überraschende Klausel i. S. v. § 305c I BGB an. Denn in dem Angebot eines Preisnachlasses für Gebrauchsspuren in Höhe von 250 € muss ein Verbraucher keinen so weitreichenden Verzicht auf seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte erwarten.

c) Bei der Übergabe des Fahrzeugs lag eine nach dem Kaufvertrag geschuldete Unfallfreiheit nicht vor.

3. Danach kann offenbleiben, ob das Landgericht zu Recht zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die Klägerin ihren Rücktritt vom Kaufvertrag wirksam auch auf die objektiv unrichtige Angabe der Laufleistung des Gebrauchtwagens stützen kann.

II. Unabhängig von den Vorausführungen ist der geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags dem Grunde nach auch aufgrund seiner Nichtigkeit gemäß §§ 123 I Fall 1, II, 142 I BGB sachlich gerechtfertigt, denn die Klägerin hat ihre auf den Abschluss des Kaufvertrags vom 07.04.2018 gerichtete Willenserklärung wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.

1. Die Klägerin erklärte gegenüber der Beklagten am 25.03.2019 ausdrücklich die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung i. S. von § 123 I Fall 1 BGB.

Die Anfechtungserklärung war wirksam; sie war insbesondere fristgerecht angebracht worden. Die Anfechtungsfrist betrug nach § 124 BGB ein Jahr ab Kenntnis von der Täuschung. Diese Kenntnis erlangte die Klägerin erst am 30.04.2018 aufgrund der Informationen der von ihr aufgesuchten Fachwerkstatt.

2. Der Senat folgt dem Landgericht in der Feststellung, dass die Klägerin zum Abschluss des Kaufvertrags dadurch bestimmt worden ist, dass die Beklagte ihr im Vorfeld des Vertragsschlusses nicht nur objektiv unrichtige Informationen über die bisherige Laufleistung des Fahrzeugs, sondern vor allem auch stark bagatellisierende Daten über den Umfang der Vorschäden gab. Die Beklagte hat die Klägerin durch das Unterlassen eines hinreichenden Hinweises getäuscht; diese Täuschung war rechtswidrig. Insoweit wird auf die Vorausführungen Bezug genommen.

3. Die Beklagte handelte dabei vorsätzlich und arglistig, wie sich aus den Gesamtumständen der Geschäftsabwicklung ergibt.

a) Die von der Beklagten an die Klägerin weitergeleiteten Informationen über die Vorschäden waren objektiv in einem erheblichen Maße unvollständig und verharmlosend. In keinem der vielen Vertragsdokumente benannte die Beklagte ausdrücklich einen – ihr nach eigenen Angaben bekannten – mittelschweren Unfallschaden. Sie beschrieb Gebrauchsspuren und Nachlackierungen und verschwieg umfangreiche Karosseriearbeiten und den unfallbedingt notwendigen Austausch des Motors und der Airbags. Sämtliche Informationen über Vorschäden waren in den Texten der einzelnen Dokumente versteckt. Sie befanden sich jeweils an unerwarteter Stelle. Die Informationen waren inhaltlich unzureichend und bewusst bagatellisierend formuliert. Sowohl bei der Fahrzeugbesichtigung als auch im Verkaufsgespräch wurde das Thema allenfalls beiläufig erwähnt. Dabei war von Vorschäden jeweils nur im Zusammenhang mit dem Alter und mit der Laufleistung entsprechenden Gebrauchsspuren die Rede. Insbesondere die wiederkehrend verwendete Formulierung einer „allgemeinen Nachlackierung“ erweckte eher den Anschein einer besonderen Zusatzleistung als denjenigen einer unter Umständen nicht vollständigen Instandsetzung eines die Funktionstauglichkeit des Fahrzeugs beeinträchtigenden Vorschadens.

b) Der Senat ist im Ergebnis seiner Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte vorsätzlich handelte.

aa) Bei dem angekauften Fahrzeug handelte es – angesichts der Diskrepanz zwischen dem Ankaufpreis und der Laufleistung des Fahrzeugs und angesichts der bewusst vagen Angaben zu den Vorschäden – um einen für eine fachkundige Händlerin wie die Beklagte eindeutig erkennbaren „klassischen“ Unfallwagen. Wenn sogar bei der insoweit unerfahrenen Klägerin in der ersten Nutzungswoche des Fahrzeugs begründete Zweifel aufkamen, so ist es lebensfremd, dass die Beklagte das Fahrzeug trotz der vagen Angaben im Ankaufvertrag nicht geprüft und die Hinweise auf ein erhebliches Unfallgeschehen nicht bemerkt haben will. Zuletzt hat die Beklagte sich wieder darauf berufen, dass ihr bekannt gewesen sei, dass das Fahrzeug einen „mittelschweren“ Unfall erlitten habe. Da sämtliche Unterlagen über den Unfall und über die Reparatur beim Ankauf fehlten, war offenkundig, dass keine Reparatur nach den Herstellerrichtlinien erfolgt war.

bb) Darüber hinaus teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagte als stationäre gewerbliche Kfz-Händlerin mit angeschlossener Werkstatt angesichts der ihr zugänglichen Informationen aus dem Ankaufvertrag verpflichtet war, nähere Informationen zur Art und zum Umfang des „Frontschadens“ einzuholen beziehungsweise durch eigene Untersuchungen zu erlangen. Soweit die Beklagte diese Pflicht verletzte, musste sie mit der Unrichtigkeit beziehungsweise Unvollständigkeit ihrer Angaben rechnen.

(1) Allerdings wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine allgemeine Untersuchungspflicht eines gewerblichen Kfz-Händlers im Gebrauchtwagengeschäft verneint; sie kann nur aus konkreten Umständen hergeleitet werden, welche für ihn – den Fachmann – einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen (vgl. schon BGH, Urt. v. 03.11.1982 – VIII ZR 282/81, NJW 1983, 217 = juris Rn. 25; ferner BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14, NJW 2015, 1669 Rn. 14; beide m. w. Nachw.). So liegt der Fall hier.

(2) Wird ein Gebrauchtwagenhändler, wie hier die Beklagte, beim Ankauf eines Fahrzeugs unspezifisch über einen „reparierten Frontschaden“ informiert, für den Reparaturrechnungen jedoch nicht vorgelegt werden, und sind bei bloßer Sichtprüfung für einen Fachmann einerseits Nachlackierungen an der Front, an der Seite und am Heck des Fahrzeugs sowie andererseits Glassplitter und Blutspritzer im Fahrzeuginneren erkennbar, wie sie hier von der Klägerin in der ersten Woche der Fahrzeugnutzung festgestellt wurden, so drängt sich ein konkreter Verdacht eines erheblichen Unfallgeschehens geradezu auf. Diesem konkreten Verdacht hätte die Beklagte nachgehen müssen; sie wäre hierzu in eigener Werkstatt in der Lage gewesen, und der damit verbundene Aufwand war ihr vor einem Angebot des Fahrzeugs zum Weiterverkauf auch zumutbar. Im Falle einer Untersuchung hätte die Beklagte ohne Eingriffe in die Fahrzeugsubstanz die erhebliche Unfallbetroffenheit des Fahrzeugs festgestellt, wie dies später der von der Klägerin am 30.04.2018 eingeschalteten Werkstatt möglich war.

cc) Der Zeuge V hat zu dem routinemäßigen Procedere der Beklagten ausgesagt, dass durch die Unterzeichnung des als Vergleich überschriebenen Formulars erreicht werden solle, dass sich die Beklagte gegen eine etwaige Inanspruchnahme im Rahmen der Gewährleistung durch den Käufer „doppelt und dreifach“ absichere. Eine solche Absicherung wäre einfacher und pflichtgemäß durch eine klare, eindeutige und vollständige Information über die für den Erwerb maßgeblichen Eigenschaften des Fahrzeugs zu erreichen gewesen. Der „Umweg“ über ein den Sachverhalt verharmlosendes, dem Käufer lange Zeit nach dem verbindlichen Abschluss des Kaufvertrags in einem Wust von lediglich die technische Vertragsabwicklung betreffenden Unterlagen vorgelegtes Schreiben lässt auf die Arglist der Beklagten rückschließen.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts nach § 144 I BGB durch die Handlungen der Klägerin am 23.04.2018 bei Abholung des Fahrzeugs nicht vor.

a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung werden sehr strenge Anforderungen an die Annahme einer solchen Bestätigung gestellt. Für die Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäfts ist ein Verhalten des Anfechtungsberechtigten erforderlich, welches den Willen offenbart, trotz der erkannten Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts, hier des Kaufvertrags, an diesem festzuhalten. Das Verhalten des Anfechtungsberechtigten darf nur dann als Kundgabe eines Bestätigungswillens gewertet werden, wenn jede andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung dieses Verhaltens ausscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.1990 – V ZR 266/88, BGHZ 110, 220 = juris Rn. 7 m. w. Nachw.; vgl. auch BGH, Urt. v. 01.04.1992 – XII ZR 20/91, NJW-RR 1992, 779 = juris Rn. 10).

b) Diese Voraussetzungen hat die Beklagte schon nicht schlüssig dargelegt. Nach den Feststellungen des Landgerichts, welche auch der Entscheidung des Senats zugrunde zu legen sind, hat der Mitarbeiter der Beklagten am 23.04.2018 mündlich keine weiteren Informationen an die Klägerin erteilt. Die zur Unterzeichnung vorgelegten Dokumente verschafften der Klägerin nach den Vorausführungen keine Kenntnis über das Vorliegen eines erheblichen Unfallschadens. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass das Kammergericht in der von ihr vorgelegten Entscheidung in der Unterzeichnung eines Vergleichs, welcher dem Vergleich vom 23./​24.04.2018 zwischen den Prozessparteien entsprochen habe, eine Bestätigung i. S. von § 144 BGB gesehen habe, vermag der erkennende Senat hieraus keine entgegenstehenden Argumente abzuleiten. Denn das Kammergericht hat sich mit den vorzitierten Voraussetzungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht – jedenfalls nicht ausdrücklich – befasst.

5. Die wirksame Anfechtung führte nach § 142 I BGB zur Nichtigkeit des Kaufvertrags und zur sogenannten bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Leistungsaustauschs nach § 812 I 1 Fall 1 BGB.

III. Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landgericht die Herausgabe der gezogenen Nutzungen nicht berücksichtigt hat.

1. Allerdings bedarf es hierzu entgegen der Auffassung der Beklagten keines Rückgriffs auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätze der Vorteilsausgleichung (vgl. nur BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.).

a) Nach § 346 I BGB, welcher über § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB anzuwenden ist, umfasst der Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung die Rückgewähr aller empfangenen Leistungen und die Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Auf eine ausdrückliche Einrede der Beklagten kam es nicht an. Das Angebot der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung der Klägerin musste per se die Herausgabe der gezogenen Nutzungen umfassen.

b) Die Beklagte rügt deswegen zu Recht, dass das Landgericht von Amts wegen auf diesen Mangel im Antrag der Klägerin sowie im Klagevorbringen hätte hinweisen und auf eine sachdienliche Antragstellung beziehungsweise eine Ergänzung des Vorbringens hätte hinwirken müssen. Dieser Verfahrensfehler ist im Berufungsverfahren jedoch geheilt worden; der Senat hat der Klägerin auch rechtliches Gehör zu diesem Aspekt gewährt. Inzwischen hat die Klägerin erklärt, dass sie sich – zumindest hilfsweise – einen angemessenen Wert der von ihr gezogenen Nutzungen von dem zurückzuerstattenden Kaufpreis abziehen lässt. Sie hat auch den hierfür erforderlichen Sachvortrag gehalten.

c) Da die gezogenen Nutzungen in Gestalt der Verwendung des Fahrzeugs als Transport- und Fortbewegungsmittel nicht in Natur herausgegeben werden können, ist für sie nach § 346 II 1 Nr. 1 BGB Wertersatz zu leisten.

d) Auch im Rahmen der Rückgewähr der Leistungen wegen ungerechtfertigter Bereicherung sind die gezogenen Nutzungen nach § 818 I BGB herauszugeben, und zwar nach § 818 II BGB hier in Form eines Wertersatzes.

2. Die gezogenen Nutzungen sind mit einem Betrag von 230 € zu berücksichtigen.

a) Ein angemessener Wert der gezogenen Nutzungen ist vom Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen. Der Senat bemisst im Rahmen der Vorteilsausgleichung im Bereich des Schadensersatzrechts, deren Grundsätze auf die Ermittlung des Wertersatzes i. S. von § 346 II BGB beziehungsweise nach § 818 II BGB jeweils übertragbar sind, den Wert der gezogenen Nutzungen nach der Formel

$$\text{Entschädigung} = {\frac{\text{Bruttokaufpreis}\times\text{vom Käufer gefahrene Kilometer}}{\text{Restlaufleistung (km)}}}.$$

Dabei wird als Restlaufleistung des Fahrzeugs die Differenz zwischen der (ebenfalls geschätzten) Gesamtfahrleistung und der bei Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer bereits absolvierten (Fremd-)Laufleistung in Ansatz gebracht.

b) Nach diesen Maßgaben ergibt sich hier Folgendes:

aa) Beide in der Formel genannten Laufleistungen sind davon abhängig, von welchem Kilometerstand des Fahrzeugs man bei Übergabe am 23.04.2018 ausgeht. Dieses Datum steht nicht fest. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die im Kaufvertrag angegebene Laufleistung nicht zutraf. Da die im Januar 2018, das heißt etwa drei Monate vor der Übergabe abgelesene Fahrleistung circa 8.900 km betrug, muss der Wert mindestens in dieser Höhe angesetzt werden. Berücksichtigt der Senat weiter, dass ab Januar 2018 die Reparatur des Unfallschadens und kurz darauf die Veräußerung des Fahrzeugs an die Beklagte erfolgten und dass das Fahrzeug bei der Beklagten selbst – außer gegebenenfalls zu Probefahrten – nicht genutzt wurde, ist es angemessen, zur Zeit der Übergabe von einer absolvierten Fahrleistung von circa 9.000 km auszugehen.

bb) Die Laufleistung des Fahrzeugs betrug zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 08.04.2022 nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin etwa 11.100 km.

cc) Die Gesamtfahrleistung eines S. mit Benzinmotor bemisst der erkennende Senat zurückhaltend mit 300.000 km.

dd) Hieraus ergibt sich folgende Berechnung:

$${\frac{\text{31.850 €}\times\text{(11.100 km − 9.000 km)}}{\text{300.000 km − 9.000 km}}} = {\frac{\text{31.850 €}\times\text{2.100 km}}{\text{291.000 km}}} = \text{229,84 €}.$$

Der Senat rundet den Betrag im Rahmen seiner Schätzung auf 230 €. Hierin liegt keine Verschlechterung der Beklagten gegenüber dem Berufungsurteil vom 06.08.2020, denn in der dort nach demselben Rechenweg ermittelten Betrag ist ein Schreibfehler enthalten, der nach § 319 I ZPO zu berichtigen war.

IV. Der Antrag auf Feststellung des Eintritts des Annahmeverzugs der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs ist zulässig und begründet.

1. Das Feststellungsinteresse besteht, weil mit der Feststellung Erleichterungen im Zwangsvollstreckungsverfahren verbunden sind. Hiergegen sind mit der Berufung keine gesonderten Einwendungen erhoben worden.

2. Der Antrag ist begründet. Die Klägerin hat die Rückgabe des Fahrzeugs spätestens mit dem anwaltlichen Schriftsatz vom 25.03.2019 (Anlage K 14) ordnungsgemäß i. S. von §§ 294, 295 BGB angeboten. Dort ist die vollständige Rückabwicklung – auch unter Abzug einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer – angeboten worden. Das schloss die Rückabwicklung des Darlehensvertrags (einschließlich der dort vereinbarten Sicherungsübereignung) ein, welche jedoch ohne eine Erklärung der Beklagten über eine Anerkennung des Rücktritts nicht eingeleitet werden konnte.

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