Eine Klausel in einem Bestellformular für einen Gebrauchtwagen, wonach der Käufer an seine Bestellung zehn Tage gebunden ist, verstößt im Regelfall – insbesondere wenn das Fahrzeug vorrätig ist – gegen § 308 Nr. 1 BGB und ist deshalb unwirksam.
AG Northeim, Urteil vom 12.02.2009 – 3 C 820/08
Sachverhalt: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der in Insolvenz geratenen Autohaus G-GmbH & Co. KG.
Die Beklagte bestellte dort am 31.05.2007 verbindlich einen gebrauchten Ford Fiesta zum Preis von 9.500 €. Es wurde Barzahlung vereinbart. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Autohaus G-GmbH & Co. KG heißt es: „An diese verbindliche Bestellung ist der Besteller 10 Tage … gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme der Bestellung innerhalb dieser Frist schriftlich bestätigt oder die Lieferung ausgeführt ist.“
Nachdem die Beklagte die Bestellung unterschrieben hatte, recherchierte sie im Internet und stellte dabei fest, dass der von ihr soeben erworbene Wagen von der Verkäuferin im Internet günstiger – nämlich für 9.380 € – angeboten wurde. Der Vater der Beklagten setzte sich daraufhin am 04.06.2007 mit der Verkäuferin in Verbindung und schlug vor, den Kaufpreis angesichts des Angebots im Internet um 210 € zu reduzieren. Dies lehnte der zuständige Mitarbeiter der Verkäuferin ab. Daraufhin erklärte der Vater der Beklagten in deren Vollmacht den Rücktritt vom Vertrag mündlich und mit Schreiben vom selben Tage schriftlich. Ebenfalls am 04.06.2007 bestätigte die Verkäuferin schriftlich die Bestellung der Beklagten vom 31.05.2007.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Insolvenzverwalter von der Beklagten Schadensersatz wegen Nichtabnahme des Fahrzeugs, und zwar – entsprechend den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Verkäuferin – in Höhe von pauschal 10 % des Kaufpreises. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag in Verbindung mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu. Ein wirksamer Kaufvertrag ist nämlich zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des LG Bremen (Urt. v. 09.09.2003 – 1 O 565/03, NJW 2004, 1050) an. Der vom LG Bremen entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden in jeder Hinsicht vergleichbar. Auch das Amtsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Annahmefrist von zehn Tagen in dem Bestellformular der Verkäuferin wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Danach ist eine Bestimmung mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sich der Verwender unangemessen lange Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots vorbehält.
Die Frage, ob eine vorbehaltene Frist unangemessen lang ist, ist unter einer wertenden Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien festzustellen, wobei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Ist die Annahmefrist wesentlich länger als die in § 147 II BGB umschriebene, übersteigt sie also den Zeitraum erheblich, der für die Übermittlung der Erklärung notwendig ist und eine angemessene Bearbeitungs- und Überlegungsfrist einschließt, so ist diese Fristbestimmung nur dann wirksam, wenn der Verwender ein schutzwürdiges Interesse hat, das hinter dem Interesse des Kunden am baldigen Wegfall der Bindung zurückstehen muss (LG Bremen, Urt. v. 09.09.2003 – 1 O 565/03, NJW 2004, 1050; BGH, NJW 2001, 303; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rn. 1078). Im vorliegenden Fall ist die Beklagte an ihre Bestellung einseitig für zehn Tage gebunden, während die Verkäuferin innerhalb dieser Frist nach Belieben verfahren kann. Das Gericht vermag – ebenso wie das LG Bremen in dem von diesem entschiedenen Fall – kein schutzwürdiges Interesse der Verkäuferin an einer solchen einseitigen zehntägigen Bindungsfrist festzustellen. Das Fahrzeug war vorrätig, so dass nicht zu klären war, ob die Verkäuferin ein entsprechendes Fahrzeug fristgerecht beschaffen kann. Es war Barzahlung vereinbart, sodass nicht etwa erst geprüft werden musste, ob eine Finanzierung durch eine Bank zustande kommt. Es war auch keine Inzahlungnahme vereinbart, die etwa erst eine technische Überprüfung des in Zahlung zu nehmenden Fahrzeugs erforderlich gemacht hätte. Mit anderen Worten ist kein Grund ersichtlich, der die Verkäuferin daran gehindert hätte, unmittelbar bei Entgegennahme der verbindlichen Bestellung diese anzunehmen und zu bestätigen.
Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene 10-Tages-Frist stellt sich unter diesen Umständen als unangemessene Benachteiligung dar und ist deshalb gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam.
Damit gilt im vorliegenden Fall die gesetzliche Annahmefrist des § 147 II BGB. Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Unterzeichnung der „verbindlichen Bestellung“ durch die Beklagte um die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Kaufvertrages. Dieser Antrag erlischt gemäß § 146 BGB, wenn er nicht rechtzeitig gemäß § 147 BGB angenommen wird. Nach § 147 II BGB kann ein Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Das ist im vorliegenden Fall aufgrund der oben beschriebenen Umstände unmittelbar nach Unterschrift der „verbindlichen Bestellung“ der Fall gewesen, spätestens am darauffolgenden Tag. Die Verkäuferin hatte keinen Anlass, weiter zu zögern, da sie nichts weiter bearbeiten oder überlegen musste. Damit war der Antrag der Beklagten jedenfalls bei Zugang des Bestätigungsschreibens der Verkäuferin vom 04.06.2007 gemäß § 146 BGB erloschen. Das Bestätigungsschreiben vom 04.06.2007 gilt damit gemäß § 150 I BGB als neuer Antrag, der jedoch durch die Beklagte nie angenommen wurde. Damit ist es unter den Parteien zu keinem wirksamen Vertragsschluss gekommen, so dass dem Kläger auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung durch die Beklagte zusteht …