Dass bei einem (hier 16 Jahre alten) Gebrauchtwagen sporadisch die ABS-Kontrollleuchte aufleuchtet, berechtigt den Käufer für sich genommen nicht zum Rücktritt vom Kaufvertrag. Vielmehr liegt ein erheblicher, den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel allenfalls vor, wenn tatsächlich das Antiblockiersystem (ABS) des Fahrzeugs defekt ist. Indes geht das „unmotivierte“ Aufleuchten einer Kontrollleuchte nicht zwingend mit einem Defekt desjenigen Systems einher, zu dessen Kontrolle die Leuchte gedacht ist.
LG Aschaffenburg, Beschluss vom 03.02.2015 – 32 O 290/14
Sachverhalt: Der Antragsteller erwarb von dem Antragsgegner, einem Gebrauchtwagenhändler, einen 16 Jahre alten Nissan Serena (Baujahr 1998) mit einer Laufleistung von rund 55.000 km zum Preis von 6.900 €. Im schriftlichen Kaufvertrag vom 03.02.2014 wurde auf die „umseitigen Allgemeine Geschäftsbedingungen“ des Antragsgegners Bezug genommen. Außerdem findet sich dort unter „Nebenabreden“ die handschriftlichen Eintragungen „keine“ und „siehe Beiblatt“, wobei auf dem „Beiblatt“ auf einen ADAC-Zustandsbericht verwiesen wird.
Der Antragsteller behauptet, der Antragsgegner habe ihm bei den Kaufvertragsverhandlungen zugesichert, dass der streitgegenständliche Pkw mit E10-Kraftstoff betankt werden könne und die als Zubehör gelieferten Alukompletträder originales Nissan-Zubehör seien. Beides sei jedoch tatsächlich nicht der Fall. Im Übrigen sei der Nissan Serena mangelhaft, weil die Gangschaltung schwergängig sei und die ABS-Kontrollleuchte einen Fehler signalisiere. Mehrere Nachbesserungsversuche des Antragsgegners seien erfolglos geblieben.
Der Antragsteller hat vor diesem Hintergrund mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2014 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Im Anschluss daran verlangt er vom Antragsgegner die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie den Ersatz von Fahrtkosten und vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für eine entsprechende Klage Prozesskostenhilfe zu gewähren, hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die beabsichtige Klage hat jedenfalls keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 I 1 ZPO).
1. Soweit der Antragsteller behauptet, dass der Antragsgegner ihm gegenüber mitgeteilt habe, dass das Fahrzeug über „Original-Nissan-Zubehör" verfüge, während dies in Bezug auf die Alukompletträder nicht der Fall sei, und dass seitens des Antragsgegners ferner angegeben worden sei, dass das Fahrzeug mit der Kraftstoffsorte „E10“ betankt werden könne, haben diese Umstände gerade keinen Niederschlag in den schriftlichen Kaufvertragsdokumenten … gefunden, wobei sogar beide Parteien – vom Antragsteller unterschriftlich bestätigt – schriftlich bekundeten, dass keine mündlichen oder sonstigen Garantien oder Nebenabreden mit dem Antragsgegner als Verkäufer bestehen würden.
Von einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des Gewährleistungsrechts (§ 434 I 1 BGB) kann somit nicht ausgegangen werden, da eine schriftliche Vertragsurkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit in sich trägt.
An den Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer solchen Urkunde werden strenge Anforderungen gestellt. In der Regel unerheblich ist unter diesem Gesichtspunkt das in der forensischen Praxis immer wieder anzutreffende Vorbringen, bei den Vertragsverhandlungen sei vom Vertragsgegner „dies und jenes“ gesagt worden, woran er sich nunmehr festhalten lassen müsse. Für den Vertragsinhalt sind nämlich nicht schlechthin alle Äußerungen einer Partei während der Verhandlungen, sondern nur die Erklärungen maßgeblich, die am Ende der Verhandlungen nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien verbindlich festgelegt werden. Zur Widerlegung der für den Inhalt des schriftlichen Vertrages sprechenden Vermutung würde somit nicht einmal der Nachweis genügen, dass die Parteien während der Verhandlungen über einen bestimmten Punkt einig waren; vielmehr müsste darüber hinaus konkret dargelegt und nachgewiesen werden, dass die Parteien diesen Punkt auch noch zum Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde (d. h. zum Zeitpunkt der abschließenden Unterschriftsleistung) als Vertragsinhalt wollten, denn erst zu diesem Zeitpunkt kommt ein schriftlicher Vertrag abschließend zustande.
Konkrete Darlegungen des Antragsstellers hinsichtlich bestimmter Umstände, welche die Unvollständigkeit der Urkunde erklären könnten sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.
2. Die „Schwergängigkeit“ der Gangschaltung und das sporadische – offensichtlich unmotivierte – Aufleuchten der ABS-Kontrollleuchte stellen sich – auch unter Berücksichtigung der mäßigen Kilometerlaufleistung – nach dem insoweit in sich schlüssigen und von Sachkompetenz getragenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen im Pkh-Anhörungstermin vom 03.02.2005 in Verbindung mit dessen schriftlicher Zusammenfassung vom 03.02.2015 angesichts des Alters des streitgegenständlichen Fahrzeugs (16 Jahre alt zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses) den Umständen nach als „normale Verschleiß-Gebrauchserscheinung“ dar vor dem Hintergrund diverser Alterungs- und Korrosionsprozesse.
Von einem Sachmangel im Rechtssinne i. V. mit § 434 I 2 Nr. 2 BGB kann im Ergebnis somit den Umständen nach nicht ausgegangen werden.
In rechtlicher Hinsicht ist weiterhin auszuführen; dass ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag gemäß § 437 Nr. 2 Fall 1 BGB i. V. mit § 323 V 2 BGB einen „erheblichen“ Mangel erfordern würde, während die in Rede stehenden, seitens Antragsstellers behaupteten Mängel für sich gesehen nicht einen „erheblichen“ Mangel darstellen würden.
Dies betrifft insbesondere das sporadische Aufleuchten der ABS-Kontrollleuchte, sofern nicht gleichzeitig feststehen würde, dass das Antiblockiersystem als solches bzw. dieses selbst funktionsuntüchtig ist. Das unmotivierte Aufleuchten von Kontrollleuchten ist nämlich für sich gesehen – wie dem Gericht aus anderen Verfahren, aber auch aufgrund eigener Erfahrung (der über 60 Jahre alte Einzelrichter konnte im Rahmen seines Besitzes von zwischenzeitlich knapp einem Dutzend eigener Pkw ähnliche Phänomene unmotiviert aufleuchtender diverser Kontrollleuchten gelegentlich selbst beobachten) bekannt ist – nicht zwingend regelmäßig mit einem Ausfall derjenigen Systeme verbunden, für deren Kontrolle die jeweiligen Kontrollleuchten gedacht sind.
Der Umstand, dass neben dem Aufleuchten der Kontrollleuchte jedoch das ABS-System selbst funktionsuntüchtig ist wird seitens des Antragsstellers letztlich nicht substanziiert dargelegt.
3. Ein Rücktrittsrecht … wäre auch nicht gegeben, sofern von einer konkludenten Zusicherung/Beschaffenheitsvereinbarung eines „fahrbereiten“ Fahrzeugs ausgegangen werden würde. Von einem „nicht fahrbereiten“ Fahrzeug im Rechtssinne kann im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der … vorgelegten „Sichtprüfung der Kontrollleuchte“ vom 11.04.2014 nicht ausgegangen werden.
Das vorgenannte Schriftstück dokumentiert zwar einen „erheblichen“ Mangel. Ein „nicht fahrbereites“ Fahrzeug würde nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urt. v. 21.04.1993 – VIII ZR 113/92, juris Rn. 21) jedoch lediglich gemäß den Abstufungen der Attribute in der „Richtlinie für die Beurteilung von Mängeln bei Hauptuntersuchungen von Fahrzeugen nach § 29 StVZO und Anlage VIII, Nr. 1.2 i. V. mit Nr. 3.1, 3.3 und 4.2 StVZO“ vom 17.02.1988 dann vorliegen, wenn das Fahrzeug über das Attribut „erhebliche“ Mangel hinausgehend als „verkehrsunsicher“ eingestuft werden würde, was den Umständen nach jedoch die Anordnung einer sofortigen Stilllegung des Fahrzeugs zur Folge gehabt hätte.
Zu der vorstehenden Problematik und der Einstufung der „TÜV-Note“ wird ergänzend auch auf das Urteil des LG Aachen vom 23.11.2001 – 5 S 156/01, NJW-RR 2002, 1207 – zur Vermeidung bloßer Wiederholungen Bezug genommen.
4. Soweit im Pkh-Anhörungstermin vom 03.02.2015 … angeklungen ist …, dass der Antragsstellers angesichts des nicht unerheblichen Kaufpreises in Höhe von 6.900 € gleichsam einen „gewissen Fahrzeugstandard/Fahrzeugzustand“ habe erwarten können und dürfen, ist anzumerken, dass der Kaufpreis/Wert einer Kaufsache in der Regel nicht unter den Beschaffenheitsbegriff des § 434 I BGB fällt, da dieser dem Kaufgegenstand nicht als dauerhafter Umstand immanent ist (so i. E. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 434 Rn. 11).
5. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe … scheitert letztlich hilfsweise auch daran, dass die künftige Klage vom Streitgegenstand her gerade um einen Vermögensgegenstand geführt werden soll, welcher nicht zum sogenannten Schonvermögen … zählt.
Wenn aber schon bei einer jedweden sonstigen Klageerhebung mit einem „x-beliebigen“ anderen Streitgegenstand ein Pkw der regelmäßigen (vorherigen) Vermögensverwertung unterliegt, um hierdurch liquide Geldmittel für die Bestreitung der Prozesskosten aus eigenen Mitteln zu generieren, erscheint es unter dem rechtlichen Blickwinkel des argumentum a maiore ad minus erst recht als nicht zulässig, die aus Steuergeldern – somit Geldern der Allgemeinheit – finanzierte Prozesskostenhilfe für einen Rechtsstreit zu bewilligen, welcher letztlich – bildlich und wirtschaftlich betrachtet – dem „Erhalt“ eines solchen Vermögensgegenstandes dienen soll. Andernfalls würde nämlich der Steuerzahler über den „Umweg“ der Prozesskostenhilfe gleichsam zur Finanzierung und zum Erhalt von Kraftfahrzeugen herangezogen, was im Rahmen der Pkh-Rechtsnormen ersichtlich nicht das gesetzgeberische Ziel darstellt. …