1. Ein Gebrauchtwagen, dessen Motorsteuergerät so eingestellt ist, dass immer wieder grundlos die Motorkontrollleuchte aufleuchtet, ist mangelhaft (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Ein Gebrauchtwagenkäufer muss es nicht hinnehmen, dass ihn die in unregelmäßigen Abständen aufleuchtende Kontrollleuchte zwingt, wegen eines möglichen Motor- oder Getriebeproblems eine Werkstatt aufzusuchen, obwohl tatsächlich kein Problem besteht.
  2. Ob ein Sachmangel erheblich ist, richtet sich nicht allein danach, in welchem Verhältnis die Kosten für die Behebung des Mangels zum Kaufpreis stehen. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Interessenabwägung, bei der auch zu berücksichtigen ist, dass der Verkäufer den Käufer vielfach abgewimmelt und so zum Ausdruck gebracht hat, dass er dessen Problem nicht ernst nimmt.

OLG Naumburg, Urteil vom 13.12.2006 – 6 U 146/06

Sachverhalt: Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw in Anspruch, nachdem er von diesem Vertrag zurückgetreten ist.

Der Kläger erwarb von der Beklagten auf der Grundlage einer schriftlichen Bestellung vom 15.07.2004 einen Pkw zum Preis von 24.000 €. Das Fahrzeug war damals seit sechs Monaten zugelassen und wies eine Laufleistung von 11.000 km auf. Es war so umgerüstet worden, dass es sowohl mit Benzin als auch mit Autogas (LPG) betrieben werden kann.

Bereits kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs – und danach noch etwa zehnmal – wurde der Kläger bei der Beklagten wegen Aufleuchtens der Motorkontrollleuchte vorstellig. Die Beklagte hielt keine Reparatur für nötig und brachte jeweils nur die Kontrollleuchte zum Erlöschen.

Nachdem die Beklagte am 27.04.2005 weitere Reparaturarbeiten wegen der Motorkontrollleuchte abgelehnt hatte, erklärte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 11.05.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte lehnte sein Rückabwicklungsbegehren ab.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass nach wie vor die Motorkontrollleuchte seines Fahrzeugs leuchte, was ihm gemäß der Bedienungsanleitung ein Problem des Motors oder des Getriebes signalisiere und ihm gebiete, schnellstmöglich eine Werkstatt aufzusuchen. Er könne nicht unterscheiden, ob ein Fehler oder nur eine Fehlfunktion der Leuchte vorliege.

Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und der Klage nach mündlicher Anhörung des Sachverständigen weitgehend stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte nach den §§ 437 Nr. 2, 323 I, 346 I BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw, zu. Das Fahrzeug sei nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) B mangelhaft, weil die Elektronik nicht einwandfrei arbeite. Dass die – korrekt funktionierende – Motorkontrollleuchte aufleuchte, liege daran, dass im Motorsteuerteil ein Grenzwert überschritten werde, was wiederum auf der Systemeinstellung beruhe. Die Fahrweise des Klägers habe hierauf keinen Einfluss. Dem Kläger könne auch nicht angesonnen werden, das Aufleuchten der Anzeige stets zu ignorieren.

Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg; die Anschlussberufung des Klägers war hingegen überwiegend erfolgreich.

Aus den Gründen: II. … Das Landgericht hat der Klage mit einer Begründung stattgegeben, die von seinen Tatsachenfeststellungen getragen wird und nicht auf Rechtsfehlern beruht. Hiernach steht dem Kläger gegen die Beklagte … gemäß den §§ 346 I, 348, 437 Nr. 2, 440, 323 I BGB ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises abzüglich der gezogenen Nutzungen und des Wertersatzes wegen Verschlechterung des Kraftwagens zu, der 20.468,70 € beträgt.

Die Anschlussberufung des Klägers ist hingegen überwiegend erfolgreich. Sie führt über das angefochtene Urteil hinaus zur Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz in Höhe von 487,08 € (§ 280 I 1 BGB). Für die weitergehende Forderung besteht kein Rechtsgrund.

1. Die Forderung des Klägers gründet auf § 346 I BGB. Nach dieser Bestimmung sind im Falle des Rücktritts durch eine Vertragspartei, der ein gesetzliches Rücktrittrecht zusteht, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien sind nach § 348 Satz 1 BGB Zug um Zug zu erfüllen.

2. Der Kläger war bei Erklärung des Rücktritts am 11.05.2005 kraft Gesetzes berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten, weil der erworbene Pkw … mangelhaft war.

a) Nach § 437 Nr. 2 BGB kann der Käufer nach Maßgabe der §§ 440, 323 BGB und § 326 V BGB vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache mangelhaft ist. Eine Sache ist gemäß § 434 I 2 BGB mangelhaft, wenn sie sich bei Gefahrübergang nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1) oder sie sich zwar für die gewöhnliche Verwendung eignet, ihr aber die Beschaffenheit fehlt, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2).

b) Der vom Kläger erworbene Pkw … wies bei Übergabe einen Mangel der in § 434 I 2 Nr. 2 BGB beschriebenen Art auf. Er eignete sich zwar für die gewöhnliche Verwendung, war aber nicht so beschaffen, wie es bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Denn ihm haftet ein Fehler im Motorsteuergerät an, der dazu führt, dass die Motorprüfungsanzeigeleuchte immer wieder grundlos aufleuchtet. Durch dieses Aufleuchten wird dem Kläger gemäß der Bedienungsanleitung signalisiert, dass im System der Abgasreinigung, des Motors oder des Automatikgetriebes ein Problem aufgetreten ist, das eine schnellstmögliche Überprüfung durch einen M-Vertragshändler erfordert. Darin liegt ein Mangel, weil ein Grund für das Alarmsignal nicht vorliegt.

aa) Dieser Fehler ist bereits kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs erstmals aufgetreten und zeigt sich seitdem regelmäßig wieder. Er ist trotz acht- bis zehnmaliger Vorstellung des Klägers von der Beklagten nicht abgestellt worden. Das folgt aus dem unbestrittenen Tatsachenvortrag des Klägers im ersten Rechtszug (§ 138 III ZPO). Dieses Vorbringen hat die Beklagte entgegen ihrer Berufungsbegründung nicht etwa „durchgängig“ bestritten, sondern überhaupt nicht. Aus ihren übrigen Erklärungen geht auch nicht die Absicht hervor, diese Tatsachen bestreiten zu wollen.

bb) Der Grund für das Aufleuchten der Motorprüfungsanzeigeleuchte liegt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B in der Überschreitung der vorgegebenen Motorbetriebsbedingungen (Kennfeldgrößen im Motorsteuerteil) während des Gasbetriebs des Motors. Eine Fehlfunktion der Motorprüfungsanzeigeleuchte hat der Sachverständige nicht festgestellt; sie funktioniere einwandfrei. Abgeholfen werden könne dieser Toleranzfeldüberschreitung durch eine Optimierung der Kennfelddaten der Steuerteile der Motor- und der Gasanlage.

cc) Darin hat das Landgericht mit Recht einen Mangel gesehen. Denn die Einstellung des Motorsteuerteils in einer Weise, die immer wieder grundlos die Motorprüfungsanzeigeleuchte aufleuchten lässt, weicht von der Beschaffenheit ab, die bei Personenkraftwagen üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB). Der Kläger muss es nicht hinnehmen, dass in unregelmäßigen Abständen seine Motorprüfungsanzeigeleuchte aufleuchtet und ihn wegen der Anzeige eines Motor- oder Getriebeproblems zwingt, eine Werkstatt aufzusuchen, obwohl diesem Signal gar kein wirklicher Fehler zugrunde liegt. Das hat sich bei seinen acht bis zehn Besuchen bei der Beklagten auch gezeigt. Hierbei hat die Beklagte jeweils keine Reparatur durchgeführt, sondern „nach exakter Prüfung und Feststellung, dass das Motorsystem ordnungsgemäß funktioniert“ … stets nur die Leuchte ausgestellt.

dd) An den Feststellungen des Sachverständigen wirft die Berufungsbegründung keine durchgreifenden Zweifel auf. Ihre vereinzelten Beanstandungen stellen einerseits den hier angeführten Befund nicht infrage; andererseits bilden sie unzulässigen neuen Tatsachenvortrag, den die Beklagte entgegen § 531 II Nr. 3 aus Nachlässigkeit nicht im ersten Rechtszug geltend gemacht hat.

3. Der Kläger ist deshalb nach § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit den §§ 440, 323 BGB und § 326 V BGB zum Rücktritt berechtigt.

a) Für den Rücktritt bedarf es im Streitfall der sonst nach § 323 I BGB erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 440 Satz 1 BGB nicht, weil die Nachbesserung fehlgeschlagen ist. Die von der Beklagten acht- bis zehnmal durch Ausstellen der Leuchte probierte Nachbesserung gilt gemäß § 440 Satz 2 BGB als fehlgeschlagen, weil sie zweimal erfolglos geblieben ist und sich aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen nichts anderes ergibt.

b) Der Rücktritt des Klägers ist nicht nach § 323 V 2 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger, dessen Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat, vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

aa) Ob eine Pflichtverletzung – hier ein Sachmangel eines verkauften Kraftfahrzeugs – unerheblich ist, richtet sich nicht allein nach dem vom Landgericht herangezogenen Verhältnis des Behebungsaufwands zum Kaufpreis (2–3 %), sondern ergibt sich nach einer umfassenden Interessenabwägung (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 323 Rn. 32 m. w. Nachw.). Diese ergibt im Streitfall, dass dem Kläger die Hinnahme des grundlosen Aufleuchtens der Motorprüfungsanzeigeleuchte, die ihn jedes Mal Motor- oder Getriebeschäden befürchten lässt, nicht zumutbar ist. Denn dasjenige, was dem Rücktrittsberechtigten an Pflichtverletzungen in Gestalt von Sachmängeln zumutbar ist, richtet sich danach aus, was ein vernünftig denkender Käufer an Leistung erwarten kann. So hat der Senat bereits entschieden, dass einem Autokäufer die Hinnahme von andauernden Quietschgeräuschen eines Pkw nicht zuzumuten ist, mag ihre Ursache mit geringem Aufwand behebbar sein (Urt. v. 17.11.2004 – 6 U 65/04). Dafür kam es ebenso wie im vorliegenden Fall nicht auf den zur Behebung des Mangels eigentlich erforderlichen Aufwand an.

bb) Dahinstehen kann deshalb, ob die Feinabstimmung zwischen Motor- und Gassteuergerät, die die Toleranzfeldüberschreitung und damit die Signalgabe der Motorprüfungsanzeigeleuchte minimieren kann, einen Reparaturzeitaufwand von zwölf (Gutachter) oder nur von zwei Stunden (Beklagte) erfordert und der Mangelbeseitigungsaufwand nur einen unter 2 % des Kaufpreises liegenden Wert ausmacht. Denn für die Interessenabwägung im Rahmen des § 323 V 2 BGB fällt auch ins Gewicht, dass nach dem unstreitigen Sachverhalt die Beklagte den Kläger mit seinem berechtigten Anliegen vielfach „abgewimmelt“ und dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass sie sein Problem nicht ernst nimmt. Dieses Verhalten verstärkt die Pflichtverletzung der Beklagten für sich genommen so, dass sie auch deshalb nicht mehr als unerheblich gelten kann.

c) Der Rücktritt des Klägers ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil er für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist (§ 323 VI Fall 1 BGB). Hierfür sind keine hinreichenden Umstände festgestellt.

aa) Ohne Grund beanstandet die Beklagte, das Aufleuchten der Motorprüfungsanzeigeleuchte liege an der unangepassten Fahrweise des Klägers. Sie hat selbst vorgebracht, dass die zum Leuchtsignal führende Toleranzwertüberschreitung auf einem erhöhten Gemischkorrekturwert beruht, der durch eine Störung des Kraftstoffgemischs verursacht wird. Wie dem durch die Fahrweise des Klägers abgeholfen werden kann, ist nicht ersichtlich. Auch der Sachverständige hat nicht feststellen können, durch welche Fahrweise der Kläger dem Fehlsignal der Motorprüfungsanzeigeleuchte dauerhaft abhelfen könnte.

bb) Unerheblich ist auch, ob der Kläger den Termin für die Einjahresinspektion seiner Flüssiggasanlage im Juni 2005 versäumt hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war der Fehler schon vielfach aufgetreten, von der Beklagten seine Nachbesserung endgültig verweigert und vom Kläger der Rücktritt vom Vertrag erklärt worden.

4. Infolge des Rücktritts des Klägers wandelt sich das Vertragsverhältnis nach § 346 I BGB in ein Abwicklungsschuldverhältnis um (vgl. Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 346 Rn. 4). In dessen Vollzug sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, die gezogenen Nutzungen herauszugeben und gegebenenfalls nach Maßgabe des § 346 II und III BGB Wertersatz zu leisten. Diese nach § 348 Satz 1 BGB Zug um Zug zu erbringenden Leistungen der Parteien hat das Landgericht der Höhe nach zutreffend bestimmt. Beanstandungen hiergegen sind im Berufungsverfahren nicht erhoben worden.

5. Auf die Anschlussberufung des Klägers ist ihm der überwiegende Teil des begehrten Schadensersatzanspruchs in Höhe von 487,08 € zuzuerkennen. Das anderslautende Urteil des Landgerichts hat keinen Bestand.

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte nach § 280 I 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 487,08 €. Denn die Beklagte hat mit der unterlassenen und schließlich ganz verweigerten Nachbesserung des Fahrzeugmangels eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis mit dem Kläger verletzt.

b) Hierdurch ist dem Kläger in Gestalt des Aufwandes für Anwaltskosten … eine Vermögensminderung entstanden, die nach § 249 I BGB einen zu ersetzenden Schaden bildet …

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