Es stellt nur ei­nen un­er­heb­li­chen Man­gel i. S. des § 323 V 2 BGB dar, wenn der Kraft­stoff­ver­brauch ei­nes Neu­wa­gens zu Un­guns­ten des Käu­fers um we­ni­ger als 10 % von den Her­stel­ler­an­ga­ben ab­weicht. Maß­geb­lich ist die Ab­wei­chung vom Durch­schnitts­wert der Fahr­zy­klen („Eu­ro-Mix“).

OLG Schles­wig, Ur­teil vom 15.12.2004 – 9 U 120/03

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt die Be­klag­te auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Neu­wa­gen­s­kaufs we­gen er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauchs in An­spruch.

Auf­grund ei­nes schrift­li­chen Kauf­ver­trags vom 12.10.2002 er­warb der Klä­ger von der Be­klag­ten ei­nen Pkw zum Preis von 21.370,01 €. In der Wer­bung des Her­stel­lers im In­ter­net, im Ver­kaufs­pro­spekt, der Ge­gen­stand der Ver­kaufs­ver­hand­lun­gen war, und auch im Rah­men des münd­li­chen Ver­kaufs­ge­sprächs mit dem Klä­ger wur­de der Kraft­stoff­ver­brauch des Fahr­zeugs mit 3,0 l bis 3,2 l Die­sel auf 100 km nach der Richt­li­nie 93/116/EG an­ge­ge­ben. Nach Über­ga­be des Pkw führ­te der Klä­ger durch No­tie­ren der Fahr­stre­cke und der Tank­men­gen ei­ge­ne Ver­brauchs­mes­sun­gen durch und kam zu dem Er­geb­nis, dass sein Fahr­zeug deut­lich mehr Kraft­stoff ver­brauch­te.

Mit Schrei­ben vom 11.12.2002 re­kla­mier­te er ge­gen­über der Be­klag­ten die­sen Mehr­ver­brauch. Die Be­klag­te un­ter­such­te dar­auf­hin das Fahr­zeug des Klä­gers in ih­rer Werk­statt und ver­wie­sen den Klä­ger mit Ant­wort­schrei­ben vom 14.01.2003 dar­auf, dass zur Man­ge­la­n­er­ken­nung ei­ne wei­ter­ge­hen­de Un­ter­su­chung durch den TÜV er­for­der­lich sei, des­sen Kos­ten im Fal­le ei­nes fest­ge­stell­ten Mehr­ver­brauchs ober­halb der To­le­ranz er­stat­tet wür­den. Hier­auf ließ sich der Klä­ger nicht ein und er­klär­te mit Schrei­ben vom 16.02.2003 die Wand­lung des Kauf­ver­trags, in die Form des Rück­tritts ge­klei­det durch wei­te­res an­walt­li­ches Schrei­ben vom 27.03.2003. Da sich die Be­klag­te un­ter Hin­weis auf die Not­wen­dig­keit ei­ner TÜV-Ver­brauchs­mes­sung ei­ner Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ver­wei­ger­te, er­hob der Klä­ger Kla­ge auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich der Ge­brauchs­vor­tei­le in Hö­he von 1.288,62 € nebst Zin­sen Zug um Zug ge­gen Über­ga­be des Pkw und auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zu­ges der Be­klag­ten.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge mit der Be­grün­dung ab­ge­wie­sen, dass es an der – nicht ent­behr­li­chen – Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung feh­le. Die Be­ru­fung des Klä­gers hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die mit der Be­ru­fung an­ge­grif­fe­ne Kla­ge­ab­wei­sung ist im Er­geb­nis nicht zu be­an­stan­den. Dem Klä­ger steht nach der vor dem Se­nat durch­ge­führ­ten Be­weis­auf­nah­me kein An­spruch auf Rück­ab­wick­lung des mit der Be­klag­ten am 12.10.2002 ge­schlos­se­nen Au­to­kauf­ver­trags ge­mäß den §§ 437 Nr. 2, 323 I BGB zu, denn die Kauf­sa­che … ist nicht mit ei­nem zum Rück­tritt be­rech­ti­gen­den er­heb­li­chen Man­gel be­haf­tet.

1. Ent­ge­gen der recht­li­chen Be­ur­tei­lung des Land­ge­richts schei­tert der gel­tend ge­mach­te Rück­tritts­an­spruch des Klä­gers nicht be­reits dar­an, dass es an ei­ner er­for­der­li­chen Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung ge­fehlt hat, wie sie von § 323 I BGB grund­sätz­lich ver­langt wird. Denn die­se Frist­set­zung ist nach § 323 II Nr. 1 BGB ent­behr­lich, wenn der Schuld­ner die Leis­tung ernst­haft und end­gül­tig ver­wei­gert. Die­ser Tat­be­stand ist vor­lie­gend da­durch er­füllt wor­den, dass die Be­klag­te vor­pro­zes­su­al durch Schrei­ben vom 14.01.2003 Män­gel­frei­heit des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs fest­ge­stellt und ei­ne wei­te­re Prü­fung auf er­höh­ten Kraft­stoff­ver­brauch ab­ge­lehnt hat. Durch die­ses Schrei­ben hat die Be­klag­te klar und un­miss­ver­ständ­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass sie kei­ne wei­te­ren Maß­nah­men zur Feh­ler­fest­stel­lung un­ter­neh­men und vor­ab auch kei­ne Kos­ten für ein an­sons­ten not­wen­di­ges TÜV-Prü­fungs­ver­fah­ren auf­brin­gen wer­de. In­dem die Be­klag­te in Ab­re­de ge­stellt hat bzw. oh­ne sach­ver­stän­di­ge Über­prü­fung nicht an­neh­men woll­te, dass das von ihr ver­kauf­te Fahr­zeug ent­spre­chend dem Vor­brin­gen des Klä­gers we­gen ei­nes zu ho­hen Kraft­stoff­ver­brauchs feh­ler­haft ist, ver­wei­ger­te sie gleich­zei­tig ei­ne Män­gel­be­sei­ti­gung. Dem Klä­ger un­ter die­ser Prä­mis­se ab­zu­ver­lan­gen, die Be­klag­te er­neut un­ter Frist­set­zung zur Nach­bes­se­rung ei­nes – be­strit­te­nen – Man­gels auf­zu­for­dern, hät­te ei­ne rei­ne För­me­lei be­deu­tet. Dar­über hin­aus ist dem Klä­ger dar­in zu­zu­stim­men, dass spä­tes­tens in der Stel­lung des Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags ei­ne end­gül­ti­ge Er­fül­lungs­ver­wei­ge­rung der Be­klag­ten zu se­hen ist (vgl. BGH, NJW 1984, 1460).

2. Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig für das Vor­han­den­sein des von ihm be­haup­te­ten Man­gels der Kauf­sa­che im Sin­ne ei­ner nicht vor­han­de­nen Ei­gen­schafts­zu­si­che­rung (§ 434 I 3 BGB) ist und bleibt je­doch der Klä­ger. Sei­ner Dar­le­gungs­last hat der Klä­ger da­durch Ge­nü­ge ge­leis­tet, dass er auf­grund der von ihm durch­ge­führ­ten Ver­gleichs­be­rech­nun­gen durch­schnitt­li­che Ver­brauchs­wer­te des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw … auf 100 km bis ma­xi­mal 5,91935 l be­haup­tet hat. Auch wenn die Ver­gleichs­be­rech­nun­gen des Klä­gers kei­ne zu­läs­si­ge und zu­ver­läs­si­ge Aus­sa­ge dar­über ge­ben konn­ten, wie hoch der tat­säch­li­che Brenn­stoff­ver­brauch un­ter den Be­din­gun­gen der Richt­li­nie 93/116/EG ist, kann von ihm nicht mehr ver­langt wer­den, denn der Käu­fer ge­nügt sei­ner Pflicht zur Män­gel­an­zei­ge, wenn er das Er­schei­nungs­bild des Feh­lers hin­rei­chend ge­nau be­schreibt (vgl. u. a. BGH, NJW 1999, 1330). Ei­ne Un­ter­su­chungs­pflicht hin­sicht­lich der Man­gel­ur­sa­chen trifft den Käu­fer zwar nicht. Den­noch stellt es kei­ne un­zu­mut­ba­re Ent­wer­tung sei­nes Ge­währ­leis­tungs­rechts dar, von ihm zu ver­lan­gen, dass er dem Ver­käu­fer nach­weist, dass die von ihm be­haup­te­te Feh­ler­haf­tig­keit vor­liegt. In­so­weit war nicht die Be­klag­te ver­pflich­tet, vor­pro­zes­su­al ei­ne auf­wen­di­ge TÜV-Ver­brauchs­mes­sung zu ver­an­las­sen, son­dern konn­te den Klä­ger auf die­sen Weg des Feh­ler­nach­wei­ses ver­wei­sen. Denn an­sons­ten kä­me man zu dem un­ge­reim­ten Er­geb­nis, dass zwar der Käu­fer die Be­weis­last für den Man­gel hat, der Ver­käu­fer aber die Kos­ten der Fest­stel­lung des Man­gels zu tra­gen hät­te. Stellt sich im nach­hin­ein her­aus, dass der ge­rüg­te Man­gel be­rech­tigt ist, kön­nen die Über­prü­fungs­kos­ten als Scha­dens­er­satz er­stat­tet ver­langt wer­den. Dies ent­spricht ei­ner in­ter­es­sen­ge­rech­ten Ri­si­ko­ver­tei­lung im Hin­blick auf die grund­sätz­li­che Be­weis­last des Käu­fers.

3. Vor­lie­gend hat es der Klä­ger auf ei­ne Fest­stel­lung des von ihm ge­rüg­ten Feh­lers im Pro­zess­ver­fah­ren an­kom­men las­sen, in dem er sich auf die Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens be­zo­gen hat. Die vom Se­nat nach­ge­hol­te Be­weis­auf­nah­me ist je­doch zu Un­guns­ten des Klä­gers aus­ge­fal­len und recht­fer­tigt des­halb im Er­geb­nis kei­ne an­de­re Ent­schei­dung.

Der durch Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten … vom 28.06.2004 feh­ler­frei fest­ge­stell­te Kraft­stoff­mehr­ver­brauch über­schrei­tet nicht die Un­er­heb­lich­keits­gren­ze des § 323 V 2 BGB, so­dass ein Rück­tritts­recht des Klä­gers da­nach aus­ge­schlos­sen ist.

Die nach den Vor­ga­ben der Rats­richt­li­nie der EG 80/1268/EWG in der Fas­sung 1999/100/EG vor­ge­nom­me­nen Mes­sun­gen … ha­ben Ab­wei­chun­gen des Kraft­stoff­ver­brauchs des Pkw des Klä­gers ge­gen­über den Her­stel­ler­an­ga­ben von +11 % un­ter städ­ti­schen Be­din­gun­gen, +7 % un­ter au­ßer­städ­ti­schen Be­din­gun­gen und +6 % im Durch­schnitt der Fahr­zy­klen er­ge­ben.

Auch wenn nach neu­em Kauf­recht die Ab­gren­zung zwi­schen er­heb­li­chen oder un­er­heb­li­chem Feh­ler im Sin­ne des frü­he­ren § 459 I 2 BGB a.F. ent­fal­len ist, bleibt die­se Un­ter­schei­dung der Ge­wich­tung des Man­gels in­so­weit von recht­li­cher Be­deu­tung, als nach § 323 V 2 BGB der Käu­fer nicht vom Ver­trag zu­rück­tre­ten kann, wenn die Pflicht­ver­let­zung be­ste­hend in der Nicht­ver­schaf­fung ei­ner man­gel­frei­en Sa­che un­er­heb­lich ist. Ge­mäß § 437 Nr. 2 BGB hat der Rück­tritt im Fal­le ei­nes Man­gels der Kauf­sa­che nach Maß­ga­be des § 323 BGB zu er­fol­gen. Nach der Ge­set­zes­be­grün­dung han­delt es sich bei § 323 V 2 BGB um die­je­ni­gen Fäl­le, die zu­vor un­ter § 459 I 2 BGB a.F. fie­len (vgl. BT-Dr. 14/6040, S. 222). Da­her greift auch wei­ter­hin die frü­he­re Recht­spre­chung zur Ab­gren­zung zwi­schen er­heb­li­chen und un­er­heb­li­chen Feh­lern. Bei ei­nem Kraft­stoff­mehr­ver­brauch ei­nes ver­kauf­ten Neu­fahr­zeugs hat der BGH in zwei grund­sätz­li­chen Ent­schei­dun­gen vor der Schuld­rechts­re­form die Er­heb­lich­keits­gren­ze bei 10 % ge­zo­gen, wo­bei für die Er­heb­lich­keit ei­ner Ab­wei­chung von den Her­stel­ler­an­ga­ben grund­sätz­lich al­lein der Ver­brauch im „Eu­ro-Mix“, dem Durch­schnitts­wert der Fahr­zy­klen, maß­geb­lich ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.02.1996 – VI­II ZR 65/95, NJW 1996, 1337; Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, NJW 1997, 2590).

In An­leh­nung an die­se Recht­spre­chung, de­ren Fort­gel­tung der er­ken­nen­de Se­nat be­für­wor­tet, lie­gen hier die er­mit­tel­ten Ist-Wer­te noch in­ner­halb der To­le­ran­zen für den Kraft­stoff­ver­brauch, auch wenn der Grenz­wert von 10 % im Fal­le des städ­ti­schen Fahr­ver­kehrs um 1 % über­schrit­ten wird. Die­se ge­rin­ge Über­schrei­tung, die bei ex­ak­ter Be­rech­nung oh­ne Be­rück­sich­ti­gung der im Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten vor­ge­nom­me­nen Run­dung mit tat­säch­lich 10,53 % noch nied­ri­ger aus­fällt, ist in­des zu ver­nach­läs­si­gen, da es ent­schei­dend auf den Ge­samt­ver­brauch im Durch­schnitt an­kommt. Ei­ne Ab­sen­kung des Grenz­wer­tes auf un­ter 10 %, wie von Rein­king (in: Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 8. Aufl. [2003], Rn. 198) ge­for­dert, lehnt der Se­nat in Über­ein­stim­mung mit der Recht­spre­chung des BGH ab, denn die für den Re­gel­fall an­ge­nom­me­ne 10 %-Gren­ze ist zum ei­nen prak­ti­ka­bel und trägt zu­gleich der in Zei­ten stei­gen­der Kraft­stoff­prei­se, er­höh­ten Um­welt­be­wusst­seins und des ho­hen tech­ni­schen Stan­dards der heu­ti­gen Au­to­pro­duk­ti­on ver­stärk­ten Be­deu­tung des Kraft­stoff­ver­brauchs Rech­nung (vgl. BGH, Urt. v. 18.06.1997 – VI­II ZR 52/96, NJW 1997, 2590 f.) …

PDF er­stel­len