- Das Berufungsgericht muss einen bereits in erster Instanz angehörten Sachverständigen anhören, wenn es die Erläuterungen des Sachverständigen abweichend von der Vorinstanz würdigen will. Insbesondere bedarf es einer erneuten Anhörung des Sachverständigen, wenn das Berufungsgericht ein anderes Verständnis der Ausführungen des Sachverständigen zugrunde legen und damit andere Schlüsse aus diesen Ausführungen ziehen will als der Erstrichter.
- Nicht jede Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 139 ZPO) ist auch eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG). Eine solche liegt vielmehr nur vor, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte.
BGH, Beschluss vom 23.08.2016 – VIII ZR 219/14
Sachverhalt: Der Kläger kaufte mit Vertrag vom 27.05.2005 von der beklagten Kfz-Händlerin einen Neuwagen. Den Kaufpreis in Höhe von 46.908,02 € zahlte er bei Auslieferung des Fahrzeugs am 22.07.2005.
Zwischen dem 22.07.2005 und März 2006 – der genaue Zeitpunkt ist nicht festgestellt – kam es zu einem Marderverbiss im Motorraum des Fahrzeugs. Die Zeugen E und S, Freunde des Klägers, haben vor dem Landgericht erklärt, dass Ende Dezember 2005 in einem Winterurlaub, an dem sie teilgenommen hätten, diverse Funktionen des Fahrzeugs nicht mehr verfügbar gewesen seien. So habe zum Beispiel bei ausgeschaltetem Motor die Heckklappe nicht vollständig geöffnet werden können, die Standheizung habe nicht funktioniert, und die Batterie habe einen schwachen Ladezustand gezeigt.
Im März 2006 wurde der Marderschaden im Autohaus A repariert und ein technisches Gerät („Marderschreck“) in das Fahrzeug eingebaut, das direkt an die Batterie angeschlossen wird und Marder vom Motorraum fernhalten soll.
Im November 2006 rügte der Kläger gegenüber der Beklagten diverse Mängel, unter anderem Stromprobleme. Sein Fahrzeug war daraufhin im Dezember 2006 bei der Beklagten zur Reparatur. Diese teilte dem Kläger mit Schreiben vom 21.12.2006 mit, dass die Stromprobleme von dem eingebauten Marderschreck kämen.
Mit Schreiben vom 18.04.2007 erklärte der Kläger wegen diverser Mängel, unter anderem unter Hinweis auf Batterie- und Stromprobleme, den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Am 28.12.2007 beantragte der Kläger die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens unter anderem zu der Frage, ob sich die Stromprobleme als Mangel des Fahrzeugs darstellten. Zu den Stromproblemen führte der mit der Gutachtenerstellung betraute Sachverständige Dipl.-Ing. W in seinem Ergänzungsgutachten vom 10.02.2010 aus, diese hätten ihre Ursache – auch bei Ausschaltung des Marderschrecks – darin, dass trotz einwandfreier Funktion der Lichtmaschine an der Batterie zu schwache Ladeströme ankämen, um jene ausreichend zu laden. Weiter gab er an, einen Ladestrom von (nur) 4 A gemessen zu haben. Bei seinen Untersuchungen hatte der Sachverständige W den Marderschreck nicht (vollständig) ausgebaut.
Im vorliegenden Verfahren hat das Landgericht den Kfz-Techniker-Meister R als Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zur Mangelursache beauftragt. R verglich bei seinen Untersuchungen sowohl die Ladeströme als auch die Ruheströme des Fahrzeugs mit denen eines Vergleichsfahrzeugs. In seinem Gutachten vom 16.07.2012 kam er zu dem Ergebnis, dass bei dem an den Kläger verkauften Fahrzeug der Ladestrom – entgegen dem von dem Sachverständigen W gefundenen Ergebnis – mit 35,65 A nicht zu beanstanden sei, jedoch der an der Batterie liegende Ruhestrom nur dann innerhalb der Norm liege, wenn der Marderschreck ausgebaut sei. Sei er hingegen eingebaut, sei der Ruhestrom signifikant höher und entlade die Batterie sehr schnell. Als Ursache identifizierte R eine Überhitzung der Platine. Die entscheidenden Passagen seines Gutachtens lauten:
„Es ist vielmehr so, dass durch den Einsatz eines defekten Marderschrecks die Stromversorgung des Fahrzeugs im Ruhezustand, das heißt bei ausgeschalteter Zündung, dauerhaft mit Ruhestromverbrauch beaufschlagt wurde. Dadurch ist es möglich, dass die Batterie des Fahrzeugs Schaden nahm und deshalb die Batterie bei vier Testversuchen immer unterschiedliche Ergebnisse aufwies und die Batterie nach einer Standzeit des Fahrzeugs beim Ingenieurbüro P komplett entladen war. Nach Ausbau des Marderschrecks und Installation einer neuen Batterie sind die angegebenen Fehler nicht mehr aufgetreten …
Da der Fehler am Fahrzeug nachweislich auf einen defekten Marderschreck und eine geschwächte Batterie zurückzuführen ist, ist davon auszugehen, dass der Fehler am Fahrzeug mit Einbau des Marderschrecks in das Fahrzeug angelegt wurde.“
Ergänzend führte R aus, zum Zustand des Fahrzeugs vor dem Einbau des Marderschrecks könne er keine Angaben machen; möglicherweise habe es zuvor eine andere Mangelursache gegeben.
Zu den von W gemessenen Ladeströmen, die von seinen Untersuchungsergebnissen signifikant abweichen, führte R aus, W habe eine Messzange mit einem wesentlich höheren Messbereich (bis zu 1.800 A) verwendet, er – R – verwende hingegen eine Zange mit einem Messbereich „bis zu 50 A“, was für die Prüfung einer Autobatterie völlig ausreiche. Er könne daher nicht ausschließen, dass die Messergebnisse des Sachverständigen W aufgrund der Verwendung der anderen Messzange, verfälscht worden seien. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht führte der Sachverständige ergänzend aus, er sei sich sicher, dass seine Messergebnisse zuträfen, weil er eine Vergleichsmessung an einem solchen Fahrzeug durchgeführt habe.
Das Landgericht hat die unter anderem auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Klage abgewiesen; das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils im Wesentlichen stattgegeben.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Es könne nach den Aussagen der Zeugen E und S nicht ausgeschlossen werden, dass bereits Ende Dezember 2005, mithin innerhalb der Frist des § 476 BGB, Stromprobleme am streitgegenständlichen Fahrzeug vorgelegen hätten. Es könne vermutet werden, dass deren Ursache in einem Marderverbiss im Motorraum gelegen hätten; letztlich sei dies allerdings nicht mehr aufklärbar. Nach dem Gutachten des Sachverständigen R stehe fest, dass die Stromprobleme nach Beseitigung des Marderverbisses und dem Einbau des Marderschrecks im März 2006 allein an dem eingebauten Gerät gelegen hätten, da dieses zu viel Ruhestrom von der Batterie beansprucht habe. Dessen Einbau falle indes nicht in die Verantwortung der Beklagten. Selbst wenn während der ersten sechs Monate seit Übergabe ein Sachmangel vorgelegen hätte, wäre dieser beseitigt worden und habe jedenfalls im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (18.04.2007) nicht mehr vorgelegen.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner der Klage im Wesentlichen stattgebenden Entscheidung, soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, ausgeführt:
Der Kläger sei nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 440, 323 ff. BGB zum Rücktritt berechtigt, da das Fahrzeug im Zeitpunkt des Gefahrübergangs am 22.07.2005 mit einem Sachmangel behaftet gewesen sei. Denn die Batterie sei von der Lichtmaschine nur unzureichend geladen worden und habe deshalb eine mangelhafte Leistung aufgewiesen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen W sei davon auszugehen, dass bis zum Tag der Untersuchung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen und damit auch bis zum Zeitpunkt des Rücktritts (18.04.2007) die mangelhafte Batterieleistung jedenfalls auch daran gelegen habe, dass der von der Lichtmaschine an der Batterie ankommende Ladestrom mit etwa 4 A zu gering gewesen sei. Denn die Zeugen hätten bereits vor Einbau des Marderschrecks von – innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 476 BGB – bestehenden Problemen an der Heckklappe und der Standheizung berichtet. Der zu geringe Ladestrom sei ein Sachmangel.
Dass der Gutachter R die alleinige Ursache der Stromprobleme in dem nach der Beseitigung des Marderverbisses eingebauten Marderschreck gesehen habe, schließe die Feststellungen des Sachverständigen W nicht aus. Vielmehr hätten während der Messungen des Gutachters W „wohl beide technischen Fehler parallel“ vorgelegen; den abfließenden Ruhestrom durch den Marderschreck habe der Sachverständige W übersehen, was aber nicht ausschließe, dass daneben (auch) ein zu schwacher Ladestrom zu verzeichnen gewesen sei.
Soweit der Gutachter R, der einen ausreichenden Ladestrom gemessen habe, die Ursache der voneinander abweichenden Messergebnisse in den von den Sachverständigen verwendeten (unterschiedlichen) Messzangen sehe, stelle dies die Feststellungen des Sachverständigen W nicht infrage. Der Gutachter R habe sich zu den Zangen nur „spekulativ“ geäußert und versucht „einen Grund zu finden, warum sein Gutachten und seine Messungen richtiger sind als die des Sachverständigen W“, nachdem er, R, keinen so starken Spannungsabfall zwischen Lichtmaschine und Batterie festgestellt habe wie der Sachverständige W. Dafür, dass das Messgerät des Gutachters W zutreffende Werte angezeigt und ordnungsgemäß gearbeitet habe, spreche mangels anderweitiger Feststellungen die Tatsache, dass sein Messgerät Kommawerte angegeben habe. Auch ergebe sich aus dem schriftlichen Gutachten des W, dass dieser bei seiner Untersuchung eine Messzange mit einem Messbereich von bis zu 100 A zur Verfügung gehabt habe, sich aber dennoch für eine Messzange mit einem Messbereich von bis zu 1.800 A entschieden habe; daraus sei der Schluss zu ziehen, dass W von einer ausreichenden Messgenauigkeit der 1.800-A-Zange ausgegangen sei.
Entscheidend für die Beurteilung sei, dass das Gutachten des W erklären könne, warum die Batterie bereits vor Einbau des Marderschrecks im Dezember 2005 nicht ordnungsgemäß funktioniert habe, während der Sachverständige R und die Klägerin hierfür keine Erklärung hätten anbieten können. Einer nochmaligen Anhörung der beiden Sachverständigen bedürfe es entgegen dem Antrag der Beklagten nicht, weil beide Gutachten in sich schlüssig seien und sich die dort getroffenen Feststellungen nicht gegenseitig ausschlössen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Aus den Gründen: [22] II. … Das Berufungsgericht hat den Sachverständigen R entgegen §§ 529 I Nr. 1, 398 I, 402 ZPO nicht erneut angehört, obwohl es dessen Ausführungen in für die Bewertung entscheidenden Teilen anders gewürdigt hat als das Landgericht. Dadurch hat es den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 I GG verletzt.
[23] 1. Nach § 529 I Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb erneute Feststellungen gebieten. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen können sich auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht – wie vorliegend – das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigt als das Gericht der Vorinstanz (Senat, Urt. v. 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, juris Rn. 26; Beschl. v. 24.03.2010 – VIII ZR 270/09, juris Rn. 6; Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 266/03, BGHZ 162, 313 [317]; jeweils m. w. Nachw.). Wenn sich das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung nicht zu überzeugen vermag, so ist es an die erstinstanzliche Beweiswürdigung, die es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält, nicht gebunden, sondern zu einer erneuten Tatsachenfeststellung nicht nur berechtigt, sondern – was das Berufungsgericht im Streitfall verkannt hat – sogar verpflichtet (Senat, Beschl. v. 24.03.2010 – VIII ZR 270/09, juris Rn. 6).
[24] Beim Sachverständigenbeweis bedarf es einer erneuten Anhörung des Sachverständigen durch das Berufungsgericht dann, wenn das Berufungsgericht Erläuterungen eines Sachverständigen abweichend von der Vorinstanz würdigen will, insbesondere ein anderes Verständnis der Ausführungen des Sachverständigen zugrunde legen und damit andere Schlüsse aus diesen ziehen will als der Erstrichter (Senat, Beschl. v. 24.03.2010 – VIII ZR 270/09, juris Rn. 8; BGH, Urt. v. 08.06.1993 – VI ZR 192/92, NJW 1993, 2380 [unter II 2 a]; Urt. v. 03.12.1985 – VI ZR 106/84, NJW 1986, 1540 [unter II 2]).
[25] 2. So verhält es sich im Streitfall.
[26] a) Das Landgericht hat die Ursache der Stromprobleme am streitgegenständlichen Fahrzeug, gestützt auf die gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen R, allein in dem nicht von der Beklagten in das Fahrzeug eingebauten Marderschreck gesehen; dieses Gerät habe den Ruhestromverbrauch des Fahrzeugs zu stark beansprucht. Der Ladestrom sei entgegen den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen W vielmehr völlig ausreichend gewesen, sodass innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 476 BGB ein von der Beklagten zu verantwortender Mangel am Fahrzeug nicht festgestellt werden könne. Soweit die vernommenen Zeugen von bereits vor Einbau des Marderschrecks aufgetretenen Stromproblemen im Dezember 2005 berichtet hätten, sei zu vermuten, dass diese von dem Marderverbiss gekommen seien; jedenfalls lasse sich eine eindeutige Ursache hierfür nicht mehr feststellen. Selbst wenn während der ersten sechs Monate seit Übergabe ein Sachmangel vorgelegen hätte, wäre dieser beseitigt worden und habe jedenfalls im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung (18.04.2007) nicht mehr vorgelegen.
[27] b) Im Widerspruch hierzu hat das Berufungsgericht hingegen angenommen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Begutachtung im selbstständigen Beweisverfahren und auch noch im Zeitpunkt des Rücktritts (18.04.2007) wegen des unzureichenden Ladestroms mangelhaft gewesen sei und dieser Mangel auch die Ursache für die von den Zeugen beschriebenen und innerhalb der Frist des § 476 BGB aufgetretenen Probleme mit dem Fahrzeug gewesen seien.
[28] Damit hat das Berufungsgericht die Gutachten in zentralen Punkten anders gewürdigt als das Landgericht. Diese abweichende Würdigung durfte das Berufungsgericht zumindest nicht ohne erneute Anhörung des vom Landgericht mündlich angehörten Sachverständigen R vornehmen; inwieweit sich daraus noch zusätzlich die Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung auch des Sachverständigen W oder die Einholung eines von der Beschwerde angesprochenen weiteren Gutachtens hätte ergeben können, kann hier dahinstehen.
[29] c) Die Beschwerde rügt ferner zu Recht, dass das Berufungsgericht die hinsichtlich der Ladeströme erheblich voneinander abweichenden Messergebnisse der beiden Sachverständigen mit Erwägungen begründet hat, die eine technische Sachkunde voraussetzten, ohne dass dargelegt oder ersichtlich wäre, dass das Berufungsgericht über eine solche Sachkunde verfügt hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 16.06.2015 – VI ZR 332/14, VersR 2015, 1293 Rn. 8; Beschl. v. 29.10.2008 – IV ZR 272/06, NJW-RR 2009, 517 Rn. 14). Dies gilt insbesondere für die Überlegungen des Berufungsgerichts, die von dem Sachverständigen W verwendete Messzange habe ordnungsgemäß gemessen, da seine Ergebnisse „Kommawerte“ ergeben hätten. Auch ist nicht nachvollziehbar, dass der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dem Sachverständigen W habe auch eine andere Messzange (100 A Messbereich) zur Verfügung gestanden, diese sei aber nicht eingesetzt worden, für eine ausreichende Messgenauigkeit der verwendeten Messzange sprechen soll.
[30] d) Das angefochtene Urteil beruht auf den oben beschriebenen Gehörsverletzungen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gekommen wäre, wenn es den Sachverständigen R angehört hätte.
[31] 3. Es kann dahinstehen, ob – wie die Beschwerde meint – das Berufungsgericht darüber hinaus verpflichtet gewesen wäre, die Beklagte gemäß § 139 ZPO darauf hinzuweisen, dass es den von der Beklagten gehaltenen und mit einem Beweisangebot (Zeuge L) versehenen Vortrag, „das Fahrzeug sei bei Übergabe mangelfrei“ gewesen, für nicht ausreichend substanziiert hielt. Denn nicht jede Verletzung der richterlichen Hinweispflicht nach § 139 ZPO ist auch eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG). Eine solche liegt nur vor, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschl. v. 17.01.1994 – 1 BvR 245/93, NJW 1994, 1274 f.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 29.05.1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188 [190]; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., vor § 128 Rn. 6a m. w. Nachw.).
[32] So verhält es sich im Streitfall nicht. Die Frage der vom Kläger behaupteten Stromprobleme ist, angefangen von dem selbstständigen Beweisverfahren, der Kern des Streits zwischen den Parteien und des vorliegenden Verfahrens. Es musste daher einer gewissenhaften und kundigen Prozesspartei bereits bei der Formulierung eines beweisbewehrten Vortrags hierzu, spätestens aber nach Vorliegen des Gutachtens des Sachverständigen R, das in entscheidenden Punkten in Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen W steht, bewusst sein, dass es bei der Formulierung des Beweisthemas zu den Bekundungen des Zeugen L nicht mit der pauschalen Behauptung der Mangelfreiheit bei Fahrzeugübergabe getan sein konnte, sondern eine weitere Substanziierung zu den Wahrnehmungen des Zeugen erforderlich sein würde. Insofern war die wegen mangelnder Substanziierung erfolgte Zurückweisung des Beweisangebots im Urteil des Berufungsgerichts keine das rechtliche Gehör des Klägers verletzende Überraschungsentscheidung, mit der eine sorgfältige Prozesspartei nicht hätte rechnen müssen.
[33] Sollte die Beklagte den bisher nur in der Revisionsinstanz gehaltenen Sachvortrag hinsichtlich der in die Wahrnehmung des Zeugen L gestellten Tatsachen zum Zustand des Fahrzeugs bei Übergabe im neuen Berufungsverfahren wiederholen, entbinden die vorstehenden Ausführungen das Berufungsgericht nicht von der Prüfung, ob dieser Vortrag unter den Voraussetzungen des § 531 II 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen ist (vgl. hierzu Senat, Beschl. v. 23.08.2016 – VIII ZR 178/15 [unter II 2 b bb (1)], zur Veröffentlichung bestimmt).
[34] 4. Bei der nach allem gebotenen Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 I 2 ZPO Gebrauch, der im Beschlussverfahren nach § 544 VII ZPO entsprechend herangezogen werden kann (BGH, Beschl. v. 01.02.2007 – V ZR 200/06, NJW-RR 2007, 1221 Rn. 12).