Vereinbaren die Parteien eines Gebrauchtwagenkaufvertrags ausdrücklich, dass der Verkäufer ein „Schütteln im Leerlauf“ beseitigt, bevor er das Fahrzeug dem Käufer übergibt, so liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung i. S. von § 434 I 1 BGB selbst dann vor, wenn das „Schütteln“ auch bei vergleichbaren Fahrzeugen auftritt und deshalb (möglicherweise) kein Mangel im Rechtssinne ist.

OLG München, Urteil vom 06.09.2006 – 20 U 1860/06

Sachverhalt: Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen.

Er bestellte bei der Beklagten am 05.04.2003 verbindlich einen gebrauchten Pkw der Marke Audi. Den Kaufpreis in Höhe von 29.580 € finanzierte der Kläger teilweise, indem er mit der B-Bank einen Darlehensvertrag schloss; im Übrigen nahm die Beklagte ein Altfahrzeug des Klägers in Zahlung. Die Parteien vereinbarten ausdrücklich, dass die Beklagte ein „Schütteln im Leerlauf“ bei dem Audi vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger beseitigen sollte.

Nachdem ihm das Fahrzeug übergeben worden war, erhob der Kläger schon am 28.04.2003 Mängelrügen, die er unter dem 30.04.2003 schriftlich wiederholte, der Beklagten eine Frist zur Nachbesserung bis zum 16.05.2003 setzte und seinen Rücktritt vom Kaufvertrag androhte. Die Beklagte überprüfte das Fahrzeug zuletzt am 02.06.2003 und lehnte schließlich am 06.06.2003 jede weitere Nachbesserung ab.

Mit Schreiben vom 07.06.2003 erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Das Landgericht hat seine Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, weil von ihm erworbene Fahrzeug keine erheblichen Mängel aufweise. Das vom Kläger monierte „Schütteln“ des Fahrzeugs sei kein Mangel, da es auch bei vergleichbaren Fahrzeugen auftrete. Die im Übrigen gerügten Mängel seien lediglich unerheblich i. S. § 323 V 2 BGB, weil sie sich mit einem im Verhältnis zum Kaufpreis geringen Kostenaufwand beseitigen ließen.

Die Berufung des Klägers hatte Erfolg.

Aus den Gründen: II. … Der Kläger konnte wegen Mangelhaftigkeit des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten, da die Beklagte jedenfalls eine erhebliche Beschaffenheitsvereinbarung („Schütteln im Leerlauf beseitigen“) nicht eingehalten hat (§ 434 I 1 BGB).

1. Die Parteien haben für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug in der Bestellung vom 05.04.2003 eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen, nämlich „Schütteln im Leerlauf beseitigen“.

Vertragsparteien können beliebige Merkmale einer Kaufsache zur Soll-Beschaffenheit erklären und damit den Bestimmungen der §§ 433 I 2, 437 ff. BGB unterwerfen (Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 434 Rn. 7). Beschaffenheit ist mit dem tatsächlichen Zustand der Sache gleichzusetzen und umfasst jede Eigenschaft und jeden der Sache anhaftenden tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Umstand. Vereinbart ist die Beschaffenheit, wenn der Inhalt des Kaufvertrages die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die gekaufte Sache in einem bestimmten Zustand zu übereignen und zu übergeben, der im Vertrag festgelegt ist (Soll-Beschaffenheit). Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn diese vereinbarte Beschaffenheit fehlt, ohne Rücksicht auf den allgemeinen Qualitätsstandard der Sache (Palandt/Putzo, BGB, 65. Aufl., § 434 Rn. 10 ff.).

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien war die unstreitige Vereinbarung der Parteien in der Bestellung vom 05.04.2003 eine Beschaffenheitsvereinbarung für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug und begründete die Verpflichtung der Beklagten, zur Erfüllung des Kaufvertrages das Fahrzeug ohne Schütteln im Leerlauf zu übergeben und zu übereignen, unabhängig davon, ob das vom Kläger monierte Schütteln dem allgemeinen Qualitätsstandard vergleichbarer Fahrzeuge entsprach, also serienmäßig auftritt, oder eine Eigenschaft speziell des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs war.

Ausweislich des vom Landgericht erholten Gutachtens des Sachverständigen Oberingenieur Dipl.-Ing. K, an dessen Sachkunde sich keinerlei Zweifel ergeben haben, ist „die klägerseitige Behauptung, dass das Fahrzeug beim Motorlauf vibriere und sich der Schalthebel bewege“, zutreffend (Gutachten v. 19.08.2004, S. 11). Damit ist die eindeutige Beschaffenheitsvereinbarung, dass das Schütteln zu beseitigen sei, nicht erfüllt.

Dahinstehen kann, ob der Beklagten eine Verminderung des Vibrationsverhaltens durch Neueinstellung des Leerlaufs gelungen sein sollte und ihre Mechaniker das Fahrzeug im Vergleich mit anderen Fahrzeugen gleichen Typs und Alters als mangelfrei empfunden haben sollten. Auf den allgemeinen Qualitätsstandard kommt es gerade nicht an (Palandt/Putzo, a. a. O., § 434 Rn. 10 ff.), sondern allein auf die Erfüllung der konkreten Zusage. Geschuldet war keine serientypische Reduktion des Schüttelns, sondern die Beseitigung. Dies ist nach dem Sachverständigengutachten, das insoweit auch nicht angegriffen wird, nicht gelungen.

2. Die Nichterfüllung der Beschaffenheitsvereinbarung stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar (§ 323 V 2 BGB). Der Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung indiziert die Erheblichkeit (Palandt/Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 323 Rn. 32). Die Beklagte hat zur Ausräumung dieser Vermutung weder hinreichend vorgetragen noch Beweis angeboten. Allein die Behauptung, der Kläger stelle insoweit überspannte Anforderungen an die Laufruhe eines Fahrzeugs, ist nicht hinreichend.

3. Der Kläger war somit gemäß §§ 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, nachdem er unstreitig zum einen eine Frist zur Nachbesserung gesetzt und zum anderen die Beklagte am 06.06.2003 endgültig eine weitere Nachbesserung verweigert hatte. Der Rücktritt erfolgte wirksam mit Schreiben vom 07.06.2003.

Die Rückabwicklung des Vertrages folgt den Vorschriften der §§ 346 ff. BGB. Zug um Zug sind die empfangenen Leistungen zurükzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Das heißt, der Kläger hat gegen Herausgabe des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs Anspruch auf Rükgewähr der von ihm zur Vertragserfüllung erbrachten Leistungen.

Damit hat er zunächst Anspruch auf Rükgewähr des von ihm auf den Kaufpreis in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens, hilfsweise auf die hierfür vertraglich vereinbarte Summe 13.080 €. Auf etwaige Mehrerlöse der Beklagten hat der Kläger keinen Anspruch, da diese nicht in Anrechnung auf seine Kaufpreisverpflichtung von der Beklagten erzielt wurden, also neben der Erstattung der vom Kläger geleisteten Zahlungen ein ihm nicht zustehender Gewinn wären.

Des Weiteren sind dem Kläger die auf den Kaufpreis geleisteten Barzahlungen in Höhe von 16.500 € zu erstatten. Ausweislich der Bestätigung der B-Bank vom 11.07.2006 sind seine dortigen Darlehensverpflichtungen erfüllt.

Da der Kläger das Fahrzeug jedoch bislang genutzt hat, mindert sich sein Anspruch um eine Nutzungsvergütung. Bei Kraftfahrzeugen ist bei der Berechnung dieser Nutzungsvergütung auf die gefahrenen Kilometer abzustellen. Für Pkw kann die Nutzungsentschädigung gemäß § 287 ZPO auf 0,4 % bis 1 % vom Anschaffungspreis pro gefahrene 1.000 Kilometer geschätzt werden (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 346 Rn. 10 a. E.). Da das verfahrensgegenständliche Fahrzeug bereits vier Jahre alt ist, rechtfertigt sich ein Abzug von 0,7 % des Anschaffungspreises, also eines Betrages in Höhe von 207,06 € pro gefahrene 1.000 Kilometer.

Darüber hinaus muss der Kläger sich eine unfallbedingte Wertminderung des Fahrzeugs in Höhe von 150 € anrechnen lassen, die zwischen den Parteien unstreitig ist.

Damit ergibt sich im Hinblick auf die vom Kläger in bar auf das Fahrzeug geleisteten Zahlungen ein Erstattungsanspruch in Höhe von 16.350 € abzüglich der konkret zu berechnenden Nutzungsvergütung.

4. Gemäß § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit § 284 BGB kann der Kläger daneben Schadensersatz für vergebliche Aufwendungen verlangen, da die Beklagte durch Nichterfüllung der Beschaffenheitsvereinbarung schuldhaft ihre Pflichten aus dem verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag verletzt hat. Die Beklagte trägt die Beweislast dafür, dass sie diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 284 Rn. 9). Ein entsprechender Beweisantritt der Beklagten ist nicht erfolgt. Der Anspruch besteht neben dem Rückabwicklungsanspruch des Klägers nach erfolgtem Rücktritt (Palandt/Putzo, a. a. O., § 437 Rn. 40, 43a).

Zu den zu ersetzenden Aufwendungen gehören Vertragskosten wie etwa Finanzierungskosten, Zulassungskosten, Untersuchungskosten, Kosten für Zubehör und Ersatzteile (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 284 Rn. 5).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger Ersatz seiner Finanzierungskosten bei der B-Bank verlangen, die sich ausweislich des Kreditvertrages vom 05.04.2003 auf einen Betrag von 1.495,95 € belaufen. Stattdessen besteht kein abstrakter Anspruch – wie in der Berufungsbegründung beantragt – auf Ersatz von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 29.580 € seit dem 05.04.2003. Zum einen wurde dieser Betrag gar nicht finanziert, zum anderen lag der vereinbarte Zinssatz nur bei 4,90 % p. a. Ersatzfähig sind nur die tatsächlich angefallenen Finanzierungskosten, nicht fiktive.

Erstattungsfähige Aufwendungen sind ferner die Kosten für die Zulassung des Fahrzeugs und die Nummernschilder in einer Gesamthöhe von 75,80 €, die der Kläger … hinreichend nachgewiesen hat.

Auch die für das Privatgutachten aufgewandten Kosten in Höhe von 222,43 € … kann der Kläger verlangen.

Bezüglich der für das Fahrzeug aufgewandten Ersatzteile und Reparaturkosten steht dem Kläger Ersatz der Kosten für einen Ölwechsel am 14.14.2003 in Höhe von 70 €, für die Inspektion vom 28.06.2004 in Höhe von 454,44 €, für TÜV- und AU-Abnahme am 02.08.2005 in Höhe von 138,78 € und für Glühlampen in Höhe von 33,18 € gemäß Rechnung vom 14.06.2005 zu. Der Anfall dieser Aufwendungen wurde vom Kläger durch Vorlage der Rechnungen hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Dieser Nachweis genügt. Es ist dann Sache der Beklagten darzutun, dass die Aufwendungen nicht erforderlich oder rentierlich gewesen wären (MünchKomm-BGB/Ernst, 4. Aufl., § 284 Rn. 25). Das bloße Bestreiten der Beklagten hierzu ist nicht ausreichend.

Auf die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz hat sich die Beklagte, was die Tatsache der Klageerweiterung angeht, rügelos eingelassen und lediglich zum Teil in der Sache bestritten. Daher ist diese Klageerweiterung zulässig (Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 533 Rn. 5).

Die vom Kläger in der Berufungsbegründung geltend gemachten Reparaturkosten für Wasserpumpe inklusive Zahnriemen in Höhe von 693,65 € sind durch die vorgelegte Rechnung des Autohauses C vom 25.02.2006 hinreichend dargetan und unter Beweis gestellt. Das bloße Bestreiten durch die Beklagte im Schriftsatz vom 02.06.2006 ist wiederum unbehelflich. Hierfür wird auf obige Ausführungen Bezug genommen.

Die mit Schriftsatz vom 28.07.2006 erstmals geltend gemachten weiteren Inspektionskosten in Höhe von 383,77 € sind gänzlich unbestritten geblieben.

Der Kläger kann somit insgesamt Schadensersatz für vergebliche Aufwendungen gemäß § 437 Nr. 3 BGB i. V. mit § 284 BGB in Höhe von 2.072,05 € verlangen.

5. Die Beklagte ist im Annahmeverzug (§ 298 BGB). Schuldet der Gläubiger eine Zug-um-Zug-Leistung, steht das Nichtanbieten der verlangten Gegenleistung der Nichtannahme der Leistung gleich (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 298 Rn. 1) …

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