Auch der Käufer eines Neuwagens, der vom VW-Abgasskandal betroffen ist, muss dem Verkäufer grundsätzlich Gelegenheit zur Nacherfüllung geben, bevor er vom Kaufvertrag zurücktreten darf. Eine Nachbesserung ist dem Käufer insbesondere nicht deshalb unzumutbar, weil sie erst frühestens Anfang September 2016 wird erfolgen können. Auch kann der Käufer im Regelfall nicht mit Erfolg geltend machen, der Verkäufer habe ihn arglistig getäuscht.

LG Stralsund, Urteil vom 03.03.2016 – 6 O 236/15

Sachverhalt: Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages.

Er erwarb am 16.05.2014 von der Beklagten einen Neuwagen (Škoda Fabia) zum Preis von 16.660 €. Der Motor dieses Fahrzeugs stammt von der Volkswagen AG und ist ein sogenannter Schummelmotor: Er gehört zu jenen Motoren, die mit einer mit Blick auf die Abgaswerte problematischen Software versehen wurden.

Mit Schreiben vom 16.10.2015 äußerte der Kläger deshalb gegenüber der Beklagten den Wunsch, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Die Beklagte lehnte eine Rückabwicklung ab.

Daraufhin erklärte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 23.10.2015 den Rücktritt vom Kaufvertrag und lehnte zugleich eine Nachbesserung seines Fahrzeugs ab.

Er behauptet, durch die vorgesehenen Nachbesserungsmaßnahmen werde es zu einem Leistungsverlust und einem höheren Treibstoffverbrauch kommen. Sein Fahrzeug – so meint der Kläger – sei derzeit nur „vorübergehend“ zum Straßenverkehr zugelassen, und eine Frist zur Nachbesserung habe er der Beklagten jedenfalls deshalb nicht setzen müssen, weil er arglistig getäuscht worden sei.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Insbesondere hat er keinen Anspruch auf Rückabwicklung des mit der Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrages aufgrund des § 437 Nr. 2 BGB i. V. mit den §§ 440, 323, 326 V BGB.

Voraussetzung für diesen Anspruch ist, dass der dem Kläger verkaufte Pkw mangelhaft ist. Mangelhaft ist eine Kaufsache gemäß § 434 I 1 BGB dann, wenn die tatsächliche Beschaffenheit nicht der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Nach Maßgabe dessen kann die Installation einer speziellen Manipulationssoftware eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB darstellen. Gegebenenfalls kommt auch ein Sachmangel in Betracht i. S. des § 434 I 3 BGB, weil der Hersteller öffentliche Äußerungen über die Einhaltung bestimmter Abgasnormen, zum Beispiel in Prospekten oder auf Internetseiten, gemacht hat.

Die Frage kann aber letztlich ebenso dahinstehen wie die Frage, ob dem Recht zum Rücktritt der Umstand entgegensteht, dass ein derartiger Mangel gegebenenfalls unerheblich ist (§ 437 Nr. 2 BGB i. V. mit § 323 V 2 BGB).

Das Vorliegen eines Mangels im beschriebenen Sinne allein vermag ein Rücktrittsrecht allerdings aus einem anderen Grunde nicht zu begründen. Denn dem Verkäufer ist zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung in Form der Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache zu geben, wie sich aus § 439 I BGB ergibt. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben; der Kläger hat sogar ausdrücklich eine Nachbesserung abgelehnt.

Das Nacherfüllungsbegehren kann allerdings – ausnahmsweise – entbehrlich sein.

Eine Entbehrlichkeit nach § 323 II BGB ist weder dargetan noch ersichtlich; insbesondere ist es nicht so, dass die Beklagte die Nacherfüllung bzw. Nachbesserung verweigert hat.

In Betracht kommt ferner, dass eine Nachbesserung bzw. Nacherfüllung für den Kläger unzumutbar ist (§ 440 BGB). So liegt der Fall aber hier nicht. Der Vortrag des Klägers, es würde nach dem Softwareupdate zu einem Leistungsverlust kommen mit einem höheren Treibstoffverbrauch, ist nicht nur von der Beklagten bestritten worden. Es handelt sich auch ersichtlich um ein Vorbringen aufs Geratewohl, ins Blaue hinein, welches nicht zu berücksichtigen ist. Denn es fehlen jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte für diesen vorgetragenen Sachverhalt (vgl. BGH, Urt. v. 20.09.2002 – V ZR 170/01, juris Rn. 9 f.).

Zur Unzumutbarkeit führt auch nicht der Umstand, dass die Nachbesserung frühestens in der 36. Kalenderwoche wird erfolgen können. Dem Kläger ist zuzugeben, dass dieser Zeitraum sehr großzügig bemessen ist. Indes handelt es sich bei der beanstandeten Software nicht um einen Einzelfall oder einen von wenigen Fällen, vielmehr um gewissermaßen ein Massenphänomen. Hinzu kommt, dass die Manipulationssoftware als solche den Betrieb des Fahrzeugs nicht beeinträchtigt, wie es beispielsweise bei defekten Bremsen der Fall wäre.

Ohne Erfolg trägt der Kläger in diesem Zusammenhang weiter vor, die Unzumutbarkeit folge aus einer arglistigen Täuschung. Es kann dahingestellt sein, ob ein arglistiges Handeln bei den Verantwortlichen von Škoda bzw. des VW-Konzerns vorliegt. Allerdings wird man nicht ersthaft annehmen können, dass auch deren Vertragshändler eingeweiht waren; eine Möglichkeit der Zurechnung ist nicht erkennbar, insbesondere ist der Fahrzeughersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Vertragshändlers, also des Verkäufers (vgl. Revilla, ZfS 2016, 10 f.).

Nach alledem ist der Kläger auf die Möglichkeit der Nacherfüllung beschränkt …

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