Ein Gebrauchtwagen ist nicht deshalb mangelhaft, weil er in geringem Umfang – hier: über höchstens 5.000 Kilometer bei einer Gesamtlaufleistung von rund 98.000 Kilometern – als Fahrschulwagen genutzt wurde.
OLG Köln, Urteil vom 19.02.2013 – 14 U 15/12
(vorangehend: LG Aachen, Urteil vom 15.05.2012 – 8 O 29/11)
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der Beklagten am 17.08.2010 einen gebrauchten Pkw mit einer Laufleistung von 97.258 Kilometern. Der Kaufpreis betrug 13.950 €. Bei einer am 18.08.2010 durchgeführten Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO wurden keine Mängel an dem Fahrzeug festgestellt.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.09.2010 bemängelte die Klägerin gegenüber der Beklagten das Abspringen eines Rippenriemens von der Riemenscheibe und setzte der Beklagen zur Mangelbeseitigung eine Frist bis zum 23.09.2010. Am 23.09.2010 führte sie das Fahrzeug dem X-Prüfzentrum in B. zur Untersuchung vor. Die im Untersuchungsprotokoll aufgeführten Beanstandungen machte sie mit Anwaltsschreiben vom 28.09.2010 bei der Beklagten als zu beseitigende Mängel geltend.
Mit Schreiben vom 13.10.2010 erklärte die Klägerin sodann den Rücktritt vom Kaufvertrag.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin ihr Rückabwicklungsverlangen auch darauf gestützt, dass das Fahrzeug als Fahrschulwagen benutzt worden sei. Die Beklagte hat bestritten, dass das Fahrzeug bei Übergabe an die Klägerin mangelhaft gewesen sei. Von einer Nutzung als Fahrschulwagen habe sie keine Kenntnis gehabt; im Übrigen habe diese Nutzung auch nur einen geringen Umfang gehabt.
Das LG Aachen hat die Beklagte weitgehend antragsgemäß verurteilt, an die Klägern 11.190,38 € – das ist der Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung – nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, zu zahlen. Es hat ausgeführt, dass die Klägerin wegen der Nutzung des Fahrzeugs als Fahrschulwagen die Rückabwicklung des Kaufvertrags habe verlangen dürfen. In der Nutzung als Fahrschulwagen, die über Jahre erfolgt sei und von der die Beklagte keine Kenntnis gehabt habe, liege ein Mangel, auch wenn das Fahrzeug nur im Rahmen einer Nebentätigkeit als Fahrschulwagen verwendet worden sei. Immerhin habe es eine Strecke von etwa 95.000 Kilometern zurückgelegt.
Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … [D]ie Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zu. Ein solcher Anspruch nach §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, 440, 323 BGB wäre nur dann gegeben, wenn zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein zum Rücktritt berechtigender Mangel vorgelegen hätte.
Eine Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 I 1 BGB). Eine solche Beschaffenheitsvereinbarung haben die Parteien im Kaufvertrag nicht getroffen. Die im Formularvertrag vorgesehene Rubrik „Das Kraftfahrzeug wurde lt. Vorbesitzer als Taxi/Miet-/Fahrschulwagen genutzt“ ist weder bei „ja“ noch bei „nein“ angekreuzt.
Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, ist die Sache gemäß § 434 I 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Rücktritt ist nach § 323 V 2 BGB allerdings ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung der nicht vertragsgemäßen Erfüllung nur unerheblich ist.
Im vorliegenden Fall ist ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel nicht gegeben.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat zwar eine Nutzung des gekauften Fahrzeugs als Fahrschulwagen stattgefunden. Dabei kann im vorliegenden Rechtsstreit offenbleiben, ob eine solche Nutzung aus technischer Sicht überhaupt die Beschaffenheit des Fahrzeugs verändert, und ob die auf dem Pkw-Markt vorhandene negative Einschätzung solcher Fahrzeuge nicht eher auf einer gefühlsmäßigen Abneigung beruht (so Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 3188). Mit dem in der Rechtsprechung entschiedenen Fall, dass eine langjährige ununterbrochene Nutzung als Fahrschulwagen einen Mangel der Kaufsache darstellt (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3207 m. w. Nachw.), ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar. Die Nutzung kann im vorliegenden Fall angesichts ihres geringen Umfangs nicht als Mangel bezeichnet werden.
Der Zeuge Z hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat glaubhaft geschildert, dass er das Fahrzeug zwar als Fahrschulwagen gekauft habe, insbesondere wegen des dadurch erheblich günstigeren Kaufpreises. Er sei aber fast ausschließlich zu seiner Arbeitsstelle damit gefahren, was auch die relativ hohe Kilometerzahl erkläre. Er sei nebenberuflich auch als Fahrlehrer an Wochenenden tätig gewesen. Der dazu benötigte Wagen sei von der jeweiligen Fahrschule gestellt worden. Nur ganz ausnahmsweise habe er gelegentlich auf seinem eigenen Wagen geschult. Es könnten vielleicht 5.000 Kilometer auf diese Nutzung entfallen sein, wenn überhaupt.
Die von der Klägerin behauptete langjährige ununterbrochene Nutzung als Fahrschulwagen bestand danach nicht. Angesichts der gesamten Laufleistung von 98.000 Kilometern fällt die geringfügige Nutzung als Fahrschulwagen nicht ins Gewicht.
Auch soweit die Klägerin ihr Rückabwicklungsverlangen auf eine Pflichtverletzung bei Vertragsabschluss stützen will, ist ihre Klage nicht begründet. Die Beklagte traf keine Verpflichtung, darüber aufzuklären, dass sie das Fahrzeug nicht von dem zuletzt in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Halter erworben hatte. Die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung (OLG Brandenburg, Urt. v. 12.01.2011 – 7 U 158/09, juris; OLG Bremen, Urt. v. 08.10.2003 – 1 U 40/03, NJW 2003, 3713) betrifft Fallgestaltungen, in welchen der Verkäufer das Auto von einem ihm nicht bekannten und nicht identifizierbaren „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hatte. In einem solchen Fall besteht redlicherweise eine Aufklärungspflicht, weil der Verdacht naheliegt, dass eine Manipulation am Tachometer des Fahrzeugs vorgenommen worden sein könnte und deshalb der abgelesene Kilometerstand wesentlich geringer als die tatsächliche Laufleistung sein könnte. Diese Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Die Zwischenhändler sind bekannt, die Kaufverträge sind vorgelegt. In einem solchen Fall besteht kein Grund, von dem Verkäufer zu verlangen, ungefragt sich darüber zu erklären, dass er den Wagen nicht von dem zuletzt in den Papieren eingetragenen Halter erworben hat (so auch Rinking/Eggert, a. a. O., Rn. 3227 f.).
Die Angabe im Kaufvertrag, dass im Brief (gemeint wohl: Zulassungsbescheinigung Teil II gem. § 12 FZV) nur ein Halter eingetragen ist, trifft zu und begründet keine Haftung für den Umstand, dass es nicht eingetragene Zwischenerwerber gibt.
Soweit die Klägerin vorgerichtlich und in erster Instanz technische Mängel des Fahrzeugs gerügt hatte, ist sie darauf in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen. Es ist schon aus diesem Grund davon auszugehen, dass es sich allenfalls um geringe Mängel handelt, die nach § 323 V 2 BGB keine Rückabwicklung des Vertrags rechtfertigen. …