1. Ein Kauf­ver­trag über ein Wohn­mo­bil, der zwi­schen ei­nem Ver­brau­cher als Käu­fer und ei­nem Un­ter­neh­mer als Ver­käu­fer in dem – auf ei­nem auf ei­nem öf­fent­li­chen Cam­ping­platz ab­ge­stell­ten – Fahr­zeug ge­schlos­sen wird, ist ein au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ner Ver­trag i. S. von § 312b I 1 Nr. 1 BGB, so­fern der Un­ter­neh­mer sei­ne Tä­tig­keit nicht für ge­wöhn­lich in dem Wohn­mo­bil aus­übt. Dem Ver­brau­cher steht des­halb grund­sätz­lich ein Wi­der­rufs­recht zu (§ 312g I BGB i. V. mit § 355 BGB). Das gilt auch dann, wenn die Par­tei­en von vorn­her­ein den Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags in Be­tracht ge­zo­gen ha­ben. Denn das Wi­der­rufs­recht be­steht un­ab­hän­gig da­von, ob der Un­ter­neh­mer den Ver­brau­cher über­rum­pelt hat oder die­ser sich in ei­ner Druck­si­tua­ti­on be­fand.
  2. Die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts ist nicht an ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se des Ver­brau­chers ge­knüpft, son­dern es ist sei­nem frei­en Wil­len über­las­sen, ob und aus wel­chen Grün­den er sei­ne Ver­trags­er­klä­rung wi­der­ruft.

LG Müns­ter, Ur­teil vom 28.06.2024 – 08 O 275/23

Sach­ver­halt: Der Klä­ger nimmt den Be­klag­ten auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags über ein ge­brauch­tes Wohn­mo­bil Ahorn CA­NA­DA AE in An­spruch, nach­dem er sei­ne auf den Ab­schluss die­ses Ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung wi­der­ru­fen hat.

Das Fahr­zeug hat­te der un­ter­neh­me­risch han­deln­de Be­klag­te in ei­nem In­ter­net­por­tal zum Kauf an­ge­bo­ten. Nach­dem der Klä­ger dort auf das Wohn­mo­bil auf­merk­sam ge­wor­den war, kon­tak­tier­te er den Be­klag­ten und ver­ein­bar­te mit ihm ein Tref­fen zur Be­sich­ti­gung ei­nes ver­gleich­ba­ren Fahr­zeugs. Das im In­ter­net zum Kauf an­ge­bo­te­ne Wohn­mo­bil konn­te sei­ner­zeit nicht be­sich­tigt wer­den, weil es noch als Miet­fahr­zeug ge­nutzt wur­de.

Am 26.07.2023 sen­de­te der Klä­ger dem Be­klag­ten ei­ne Text­nach­richt des In­halts, dass er das Wohn­mo­bil kau­fe, wenn er bei der Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs al­les sei­nen Vor­stel­lun­gen ent­spre­che. Am 29.07.2023 tra­fen sich die Par­tei­en auf ei­nem öf­fent­li­chen Wohn­mo­bil­stell­platz in R. Dort be­sich­tig­te der Klä­ger das Wohn­mo­bil, mit dem der Be­klag­te zum Treff­punkt ge­kom­men war, und be­fand es für gut. An­schlie­ßend schlos­sen die Par­tei­en in dem Wohn­mo­bil ei­nen Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug, der kei­ne Wi­der­rufs­be­leh­rung ent­hält. Auf den Kauf­preis in Hö­he von 55.000 € leis­te­te der Klä­ger ei­ne An­zah­lung in Hö­he von 5.500 €. Der rest­li­che Kauf­preis soll­te bei der Über­ga­be des Wohn­mo­bils ge­zahlt wer­den. Die­se fand En­de Au­gust 2023 statt, wo­bei der Klä­ger auch die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil II (Fahr­zeug­brief) zu dem Fahr­zeug er­hielt.

Mit Schrei­ben vom 15.10.2023 er­klär­te der Klä­ger den Wi­der­ruf sei­ner auf den Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung. Die­sen wies der Be­klag­te zu­rück.

Dar­auf­hin er­klär­te der spä­te­re Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers vor­sorg­lich er­neut ei­nen Wi­der­ruf, und zwar mit Schrei­ben vom 07.11.2023. Die­ses Schrei­ben war an den spä­te­ren Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Be­klag­ten ge­rich­tet. Zu ei­ner Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags kam es in der Fol­ge­zeit nicht.

Der Klä­ger meint, er ha­be den Kauf­ver­trag über das Wohn­mo­bil wi­der­ru­fen kön­nen, weil die­ser Ver­trag ein au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ner Ver­trag i. S. von § 312b I 1 BGB sei. Mit sei­ner Kla­ge hat er den Be­klag­ten auf Zah­lung von 55.000 € nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be – hilfs­wei­se: Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung – des streit­ge­gen­ständ­li­chen Wohn­mo­bils in An­spruch ge­nom­men. Au­ßer­dem hat der Klä­ger die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Fahr­zeugs spä­tes­tens seit dem 18.11.2023 in Ver­zug sei, und die Frei­stel­lung von vor­ge­richt­lich ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 2.14 7,83 € nebst Rechts­hän­gig­keits­zin­sen ver­langt.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, und be­haup­tet, dass er am 29.07.2023 kein Kauf­ver­trags­for­mu­lar bei sich ge­habt ha­be. Er sei erst auf den aus­drück­li­chen Wunsch des Klä­gers los­ge­fah­ren und ha­be das For­mu­lar ge­holt. Über Ge­schäfts­räu­me ver­fü­ge er nicht. Der Be­klag­te meint, dass im Streit­fall kei­ne vom Schutz­zweck des § 312b I BGB er­fass­te Über­rum­pe­lungs­si­tua­ti­on vor­lie­ge. Zu­dem sei das Wohn­mo­bil in dem Zeit­punkt, in dem der streit­ge­gen­ständ­li­che Kauf­ver­trag ge­schlos­sen wor­den sei, sein Ge­schäfts­raum im Sin­ne die­ser Vor­schrift ge­we­sen. Da der Klä­ger be­reits mit dem Wohn­mo­bil ge­fah­ren sei, sei sein – von Kaufreue ge­präg­ter – Wi­der­ruf rechts­miss­bräuch­lich. Soll­te der Wi­der­ruf wirk­sam sein, müs­se der Klä­ger Wert­er­satz für die mit dem Wohn­mo­bil ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter leis­ten.

Hilfs­wei­se für den Fall der Wi­krk­sam­keit des Wi­der­rufs hat sich der Be­klag­te die Auf­rech­nung mit ei­ner For­de­rung in Hö­he von 4.500 € vor­be­hal­ten. Ihm sei­en Miet­ein­nah­men in die­ser Hö­he des­halb ent­gan­gen, weil der Klä­ger das Wohn­mo­bil schnellst­mög­lich hät­te ha­ben wol­len.

Die Kla­ge hat­te im We­sent­li­chen Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Die Kla­ge ist zu­läs­sig.

Das LG Müns­ter ist zu­stän­dig. Die ört­li­che Zu­stän­dig­keit er­gibt sich aus § 29 I ZPO, die sach­li­che Zu­stän­dig­keit aus § 1 ZPO, § 23 Nr. 1, § 71 I GVG.

Das für den An­trag auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se liegt vor. Die­ses folgt aus § 756 I, § 765 I Nr. 1 ZPO. Da­nach kann der Gläu­bi­ger bei Zug-um-Zug-Ur­tei­len nur oh­ne tat­säch­li­ches An­ge­bot der dem Schuld­ner ge­büh­ren­den Leis­tung voll­stre­cken, wenn des­sen An­nah­me­ver­zug durch ei­ne ihm zu­ge­stell­te öf­fent­li­che Ur­kun­de, hier al­so das Ur­teil, be­wie­sen ist.

II. Die Kla­ge ist über­wie­gend be­grün­det.

1. Der Klä­ger hat … ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch ge­mäß § 355 III 1, § 357 I BGB auf Zah­lung von 55.000 €, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nunq des Wohn­mo­bils der Mar­ke Ahorn CA­NA­DA AE, Fahr­zeug-Iden­ti­fi­zie­rungs­num­mer: …, weil der er­klär­te Wi­der­ruf wirk­sam und nicht ver­fris­tet ist.

a) Der Klä­ger hat wirk­sam den Wi­der­ruf des am 29.07.2023 zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ver­trags über den Kauf ei­nes Wohn­mo­bils er­klärt.

aa) Die §§ 312 ff. BGB sind ge­mäß § 312 I BGB grund­sätz­lich an­wend­bar. Der Klä­ger hat als Ver­brau­cher i. S. des § 13 BGB von dem Be­klag­ten als Un­ter­neh­mer i. S. des § 14 BGB ge­gen Zah­lung ei­nes Kauf­prei­ses in Hö­he von ins­ge­samt 55.000 € ein ge­brauch­tes Wohn­mo­bil zur pri­va­ten Nut­zung er­wor­ben.

bb) Das Wi­der­rufs­recht des Klä­gers folgt aus § 312g I BGB. Da­nach steht dem Ver­brau­cher bei au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trä­gen ein Wi­der­rufs­recht ge­mäß § 355 BGB zu.

Es han­delt sich vor­lie­gend um ei­nen au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trag i. S. des § 312b I 1 Nr. 1 BGB.

Ein au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ner Ver­trag ist ein Ver­trag, der bei gleich­zei­ti­ger kör­per­li­cher An­we­sen­heit des Ver­brau­chers und des Un­ter­neh­mers an ei­nem Ort ge­schlos­sen wird, der kein Ge­schäfts­raum des Un­ter­neh­mers ist.

Die­se Vor­aus­set­zung ist er­füllt, da es sich bei dem Wohn­mo­bil, in dem der Ver­trag ge­schlos­sen wur­de, nicht um ei­nen Ge­schäfts­raum i. S. von § 312b II BGB han­delt. Da­nach sind Ge­schäfts­räu­me un­be­weg­li­che Ge­wer­be­räu­me, in de­nen der Un­ter­neh­mer sei­ne Tä­tig­keit dau­er­haft aus­übt, und be­weg­li­che Ge­wer­be­räu­me, in de­nen der Un­ter­neh­mer sei­ne Tä­tig­keit für ge­wöhn­lich aus­übt. Be­weg­li­che Ge­schäfts­räu­me sind al­le nicht fest mit dem Erd­bo­den ver­bun­de­nen In­fra­struk­tu­ren, die aus der Sicht des Ver­brau­chers als Vor­rich­tun­gen er­kenn­bar sind, von de­nen aus Un­ter­neh­mer ent­gelt­li­che Leis­tun­gen ver­trei­ben. An die­ser Er­kenn­bar­keit fehlt es hier. Bei dem Wohn­mo­bil han­delt es sich um ein ge­wöhn­li­ches Wohn­mo­bil oh­ne ex­klu­si­ve Bü­ro­ein­rich­tung. Im vor­lie­gen­den Fall stell­te dies ge­ra­de das Be­sich­ti­gungs­ob­jekt dar. Auch aus der Be­haup­tung des Be­klag­ten, dass er kein Ver­trags­for­mu­lar bei sich hat­te und dies auf Wunsch des Klä­gers erst ho­len muss­te, was zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist, geht her­vor, dass der Be­klag­te dort nicht für ge­wöhn­lich sei­ne Tä­tig­keit aus­übt. An­dern­falls hät­te er ein Ver­trags­for­mu­lar im Wohn­mo­bil ge­habt, was er ver­neint. Auch han­delt es sich bei dem Stell­platz um ei­nen der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­li­chen Cam­ping­platz und nicht um das Be­triebs­ge­län­de des Be­klag­ten.

So­weit der Be­klag­te vor­trägt, er ver­fü­ge über kei­ne Ge­schäfts­räu­me, hat er dies nicht be­wie­sen. Ins­be­son­de­re ver­fügt der Be­klag­te nach ei­ge­nen An­ga­ben über ei­ne Hal­le zum Un­ter­stel­len von Wohn­mo­bi­len.

Der wort­laut­ge­treu­en An­wen­dung von § 312b BGB steht auch nicht der Sinn und Zweck der Vor­schrift ent­ge­gen. Wenn­gleich grund­sätz­lich maß­geb­lich für das Be­ste­hen ei­nes Wi­der­rufs­rechts sein soll, dass die Ge­fahr ei­ner Über­rum­pe­lung des Ver­brau­chers be­steht, hat der Ge­setz­ge­ber wohl be­wusst in­so­weit kei­ne Aus­nah­me vom Be­ste­hen des Wi­der­rufs­rechts vor­ge­se­hen. In Er­wä­gungs­grund 21 der RL 2011/83/EU1Richt­li­nie 2011/83/EU des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.10.2011 über die Rech­te der Ver­brau­cher, zur Ab­än­de­rung der Richt­li­nie 93/13/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes so­wie zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 85/577/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 97/7/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes, ABl. 2011 L 304, 64 (im Fol­gen­den: Ver­brau­cher­rech­te-Richt­li­nie)., die dem ak­tu­el­len Recht un­ter an­de­rem zu au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trä­gen zu­grun­de liegt, heißt es wie folgt:

„Ein au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ner Ver­trag soll­te de­fi­niert wer­den als ein Ver­trag, der bei gleich­zei­ti­ger kör­per­li­cher An­we­sen­heit des Un­ter­neh­mers und des Ver­brau­chers an ei­nem Ort, der nicht zu den Ge­schäfts­räu­men des Un­ter­neh­mers ge­hört, ge­schlos­sen wird, al­so bei­spiels­wei­se in der Woh­nung oder am Ar­beits­platz des Ver­brau­chers. Au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men steht der Ver­brau­cher mög­li­cher­wei­se psy­chisch un­ter Druck oder ist ei­nem Über­ra­schungs­mo­ment aus­ge­setzt, wo­bei es kei­ne Rol­le spielt, ob der Ver­brau­cher den Be­such des Un­ter­neh­mers her­bei­ge­führt hat oder nicht. …“

Wort­laut und Sys­te­ma­tik sind ein­deu­tig: Er­wä­gungs­grund 21 Satz 1 be­schreibt, wie der Rechts­be­griff des au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trags de­fi­niert wer­den soll. Da­nach soll es maß­geb­lich nur auf den Ort des Ver­trags­schlus­ses an­kom­men. Er­wä­gungs­grund 21 Satz 2 er­läu­tert le­dig­lich das Schutz­be­dürf­nis des Ver­brau­chers bei Ver­trä­gen, die au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men des Un­ter­neh­mers ge­schlos­se­nen wer­den. Es han­delt sich da­bei in Zu­sam­men­schau mit Satz 1 nicht um Ein­schrän­kun­gen der­ge­stalt, dass au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge ei­ne Druck­si­tua­ti­on oder ein Über­ra­schungs­mo­ment er­for­dern. Dies wird auch da­durch be­stä­tigt, dass aus­drück­lich an­ge­merkt wird, dass es kei­ne Rol­le spie­le, ob der Ver­brau­cher den Be­such des Un­ter­neh­mers her­bei­ge­führt hat oder nicht.

Auch Art. 2 Nr. 8 lit. a der Ver­brau­cher­rech­te-Richt­li­nie, in dem der Aus­druck „au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ab­ge­schlos­se­ner Ver­trag“ im Sin­ne der Richt­li­nie be­zeich­net wird, be­nennt hier­für je­den Ver­trag zwi­schen dem Un­ter­neh­mer und dem Ver­brau­cher, der bei gleich­zei­ti­ger kör­per­li­cher An­we­sen­heit des Un­ter­neh­mers und des Ver­brau­chers an ei­nem Ort ge­schlos­sen wird, der kein Ge­schäfts­raum des Un­ter­neh­mers ist. Dies kor­re­spon­diert eben­falls mit Er­wä­gungs­grund 21.

Dem­entspre­chend ent­hält auch der Wort­laut des § 312b I Satz 1 Nr. 1, mit dem Art. 2 Nr. 8 lit. a der Ver­brau­cher­rech­te-Richt­li­nie um­ge­setzt wur­de, kei­ner­lei Ein­schrän­kung da­hin, dass et­wa ein Über­ra­schungs­mo­ment oder ei­ne Druck­si­tua­ti­on tat­säch­lich vor­lie­gen muss.

Da­her ist es ir­re­le­vant, dass sich die Par­tei­en auf dem Wohn­mo­bil­stell­platz be­wusst ver­ab­re­det ha­ben und sich der Klä­ger bei Ver­trags­schluss mög­li­cher­wei­se nicht in ei­ner Über­rum­pe­lungs­si­tua­ti­on be­fand.

Die vom Be­klag­ten an­ge­führ­te Recht­spre­chung steht dem nicht ent­ge­gen. Die Ent­schei­dung des OLG Ol­den­burg vom 12.03.2020 (OLG Ol­den­burg, Urt. v. 12.03.2020 – 14 U 284/19) be­fasst sich mit der Fra­ge, wann ein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs- und Dienst­leis­tungs­sys­tem vor­liegt. An­ders als in § 312b BGB ist in § 312c BGB die Aus­nah­me ent­hal­ten, dass der Ver­trags­schluss nicht im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems er­folgt. Ei­nen sol­chen Aus­schluss ent­hält der Tat­be­stand des § 312b BGB ge­ra­de nicht.

Wenn der Be­klag­te, wie er be­haup­tet, ein Ge­schäft oh­ne Ge­schäfts­räu­me be­treibt, dann muss er die Wi­der­rufs­mög­lich­keit des Ver­brau­chers hin­neh­men. Die in den nicht nach­ge­las­se­nen Schrift­sät­zen des Klä­gers vom 10.06.2024 und des Be­klag­ten vom 25.06.2024 an­ge­führ­ten Rechts­auf­fas­sun­gen ver­mö­gen nichts dar­an zu än­dern.

b) Der mit Schrei­ben vom 15.10.2023 er­klär­te Wi­der­ruf er­folg­te auch nicht ver­fris­tet. Die vier­zehn­tä­gi­ge Wi­der­rufs­frist des § 355 II BGB ist ge­mäß § 356 III 1 BGB nicht in Gang ge­setzt wor­den, da es der Be­klag­te ver­säumt hat, den Klä­ger ent­spre­chend den An­for­de­run­gen des Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 oder des Art. 246b § 2 I EGBGB zu un­ter­rich­ten.

c)  Das Wi­der­rufs­recht ist auch nicht ge­mäß § 356 III 2 BGB i. V. mit § 356 II Nr. 1 lit. a BGB er­lo­schen. Da­nach er­lischt das Wi­der­rufs­recht spä­tes­tens ein Jahr und zwei Wo­chen nach dem Er­halt der Wa­re. Die Über­ga­be des Wohn­mo­bils er­folg­te En­de Au­gust 2023 und der Wi­der­ruf wur­de erst­ma­lig am 15.10.2023 durch den Klä­ger ge­gen­über dem Be­klag­ten und er­neut am 07.11.2023 durch den Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ge­gen­über dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Be­klag­ten er­klärt.

d) Die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts ist auch nicht nach § 242 BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt der un­zu­läs­si­gen Rechts­aus­übung we­gen Ver­sto­ßes ge­gen Treu und Glau­ben aus­ge­schlos­sen. Ob der Klä­ger ei­nen sach­li­chen Grund für sei­nen Wi­der­ruf hat­te oder die Ent­schei­dung durch die vom Be­klag­ten be­haup­te­te „Kaufreue“ ge­prägt war, ist un­er­heb­lich, da das Wi­der­rufs­recht des Ver­brau­chers an kei­ne ge­son­der­ten Vor­aus­set­zun­gen ge­knüpft ist. Auch aus dem Zeit­punkt der Wi­der­rufs­er­klä­rung lässt sich kein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten des Klä­gers her­lei­ten. Es lag in der Hand des Be­klag­ten, den Klä­ger über sein Wi­der­rufs­recht zu be­leh­ren. Hät­te er dies ge­tan, hät­te der Klä­ger zu dem Zeit­punkt kein Wi­der­rufs­recht mehr aus­üben kön­nen.

e) Als Rechts­fol­ge sind die emp­fan­ge­nen Leis­tun­gen ge­mäß § 357 I BGB spä­tes­tens nach 14 Ta­gen zu­rück­zu­ge­wäh­ren, so­weit die Wil­lens­er­klä­rung wi­der­ru­fen wur­de. Dem fol­gend muss der Be­klag­te den Kauf­preis in Hö­he von 55.000 € an den Klä­ger zu­rück­zah­len. Im Ge­gen­zug muss der Klä­ger das Wohn­mo­bil an den Be­klag­ten her­aus­ge­ben und rück­über­eig­nen.

f) Der An­spruch ist auch nicht ge­mäß § 389 BGB durch die Hilfs­auf­rech­nung un­ter­ge­gan­gen. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Be­klag­ten ge­gen den Klä­ger ist aus kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt er­sicht­lich. Ins­be­son­de­re be­steht der An­spruch nicht aus § 280 I BGB. Es fehlt be­reits an ei­ner Pflicht­ver­let­zung des Klä­gers. Es liegt al­lein im Ri­si­ko­be­reich des Be­klag­ten, ein ver­mie­te­tes Fahr­zeug zu ver­kau­fen und sich ver­trag­lich dop­pelt zu bin­den.

2. Dar­über hin­aus hat der Klä­ger ei­nen An­spruch auf Ver­zin­sung des An­spruchs ge­mäß § 286 I 1, II Nr. 2, § 288 I BGB. Der Be­klag­te be­fand sich mit Ab­lauf der in § 357 I BGB be­stimm­ten Höchst­frist von 14 Ta­gen in Ver­zug. Der Be­klag­te war seit dem 30.10.2023 in Ver­zug. Das Ge­richt ist je­doch ge­mäß § 308 I ZPO an den An­trag des Klä­gers ge­bun­den, wes­halb Ver­zugs­zin­sen ab dem 18.11.2023 zu zah­len sind.

3. Auch der Kla­ge­an­trag zu 2 ist be­grün­det. Der Klä­ger hat ei­nen An­spruch auf Fest­stel­lung, dass sich der Be­klag­te mit der Rück­nah­me des Wohn­mo­bils in An­nah­me­ver­zug be­fin­det. Der Be­klag­te be­fin­det sich ge­mäß §§ 293, 295 BGB auf­grund der Auf­for­de­rung des Klä­gers zur Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags mit Schrei­ben vom 15.10.2023 in An­nah­me­ver­zug.

4. Der Kla­ge­an­trag zu 3 ist teil­wei­se be­grün­det. Der Klä­ger hat ge­gen den Be­klag­ten ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gungs­kos­ten aus § 280 I, II, § 286 I 1, II Nr. 3, § 257 BGB da we­der der Klä­ger noch des­sen Rechts­schutz­ver­si­che­rung die vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten be­zahlt ha­ben. Der Klä­ger ist ak­tiv­le­gi­ti­miert, da er sei­ner Rechts­schutz­ver­si­che­rung ge­gen­über ver­pflich­tet ist, die vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­kos­ten im ei­ge­nen Na­men gel­tend zu ma­chen. Nach­dem der Be­klag­te den vom Klä­ger er­klär­ten Wi­der­ruf in­ner­halb der ge­setz­ten Frist nicht an­er­kann­te, be­fand er sich mit der Rück­ab­wick­lung des Ver­trags in Ver­zug (§ 286 I 1, II Nr. 3 BGB). Die Be­auf­tra­gung des Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers nach Ver­zug­s­ein­tritt stellt da­mit ei­nen Ver­zugs­scha­den dar, den der Klä­ger nach § 280 I und II BGB er­setzt ver­lan­gen kann. Bei ei­nem Streit­wert von 55.000 € be­lau­fen sich die vor­ge­richt­li­chen An­walts­kos­ten auf 2.147,83 €.

5. So­weit der Klä­ger die Zah­lung der 55.000 € nur Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be be­an­tragt, war der Kla­ge nicht voll­um­fäng­lich statt­zu­ge­ben, da der Klä­ger auch zur Rück­über­eig­nung des Wohn­mo­bils ver­pflich­tet ist.

6. So­weit Zah­lung der Rechts­an­walts­kos­ten be­an­tragt war, war der Kla­ge nicht statt­zu­ge­ben, da die­se noch nicht ge­zahlt wur­den. Aus den­sel­ben Grün­den schei­det der Ver­zin­sungs­an­spruch aus.

7. Über den Hilfs­an­trag war nicht mehr zu ent­schei­den, da der Haupt­an­trag im We­sent­li­chen be­grün­det ist und in­so­weit mit dem Hilfs­an­trag über­ein­stimmt. …

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