1. Ein Kfz-Kauf­ver­trag ist nicht schon dann ein Fern­ab­satz­ver­trag i. S. § 312c I BGB, wenn er un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln zu­stan­de ge­kom­men ist. Er­for­der­lich ist viel­mehr auch, dass der Ver­trag im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ge­schlos­sen wor­den ist (§ 312c I Halb­satz 2 BGB). Ein sol­ches Sys­tem be­steht, wenn der Kfz-Händ­ler als Ver­käu­fer mit – nicht not­wen­dig auf­wen­di­ger – per­so­nel­ler und sach­li­cher Aus­stat­tung in­ner­halb sei­nes Be­triebs die not­wen­di­gen or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen ge­schaf­fen hat, um re­gel­mä­ßig im Fern­ab­satz zu tä­ti­gen­de Ge­schäf­te zu be­wäl­ti­gen. Da­bei sind an die An­nah­me ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ins­ge­samt kei­ne ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len; nur bei Ge­schäf­ten, die un­ter ge­le­gent­li­chem, eher zu­fäl­li­gem Ein­satz von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­sen wer­den, soll kein fern­ab­satz­recht­li­ches Wi­der­rufs­recht be­ste­hen.
  2. Dem­entspre­chend be­steht man­gels ei­nes für den den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs­sys­tems kein fern­ab­satz­recht­li­ches Wi­der­rufs­recht, wenn sich ein Kfz-Händ­ler nur aus­nahms­wei­se dar­auf ein­lässt, ei­nen Kauf­ver­trag über ei­nen Ge­braucht­wa­gen mit ei­nem Ver­brau­cher un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln zu schlie­ßen, wäh­rend er üb­li­cher­wei­se sol­che Ver­trä­ge im An­schluss an ei­ne Fahr­zeug­be­sich­ti­gung „vor Ort“ schließt. Dar­an än­dert nichts, dass der Händ­ler das ver­kauf­te Fahr­zeug auf sei­ner ei­ge­nen In­ter­net­sei­te oder auf ei­ner In­ter­net­platt­form wie „mobile.​de“ be­wor­ben hat.
  3. In­dem ein Kfz-Händ­ler ei­nem Kauf­in­ter­es­sen­ten nach Er­halt ei­ner Fahr­zeug­be­stel­lung den Kauf­preis in Rech­nung stellt, nimmt er re­gel­mä­ßig den in der Be­stel­lung lie­gen­den An­trag auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags (§ 145 BGB) an. Denn die Auf­for­de­rung zur Zah­lung des Kauf­prei­ses ist aus der maß­geb­li­chen Sicht des Kauf­in­ter­es­sen­ten (§§ 133, 157 BGB) so zu ver­ste­hen, dass der Ver­käu­fer den ihm an­ge­tra­ge­nen Kauf­ver­trag schlie­ßen will, zu­mal er an­dern­falls die Zah­lung des Kauf­prei­ses gar nicht ver­lan­gen dürf­te.
  4. Hän­digt ein Kfz-Händ­ler ei­nem Kun­den, der ein Fahr­zeug be­stellt und – auf Auf­for­de­rung in Ge­stalt ei­ner Rech­nung – den Kauf­preis für die­ses Fahr­zeug ge­zahlt hat, die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I und Teil II aus, da­mit der Kun­de das Fahr­zeug schon vor der Über­ga­be zu­las­sen kann, so nimmt er spä­tes­tens da­mit den in der Be­stel­lung des Kun­den lie­gen­den An­trag auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags (§ 145 BGB) an. Denn durch die Über­ga­be der Fahr­zeug­pa­pie­re er­füllt der Händ­ler kauf­ver­trag­li­che Pflich­ten (§ 433 I BGB). Da­mit bringt er aus der maß­geb­li­chen Sicht des Kun­den (§§ 133, 157 BGB) ein­deu­tig zum Aus­druck, dass er den ihm an­ge­tra­ge­nen Kauf­ver­trag schlie­ßen will.

OLG Ol­den­burg, Ur­teil vom 12.03.2020 – 14 U 284/19
(vor­an­ge­hend: LG Os­na­brück, Ur­teil vom 16.09.2019 – 2 O 683/19)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin be­gehrt die Rück­ab­wick­lung ei­nes mit der Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags über ei­nen ge­brauch­ten Pkw, nach­dem sie ih­re auf den Ab­schluss die­ses Ver­trags ge­rich­te­te Er­klä­rung wi­der­ru­fen hat.

Die Be­klag­te be­treibt in Wiet­mar­schen (Ems­land) ei­nen Ge­braucht­wa­gen­han­del. Sie bie­tet Fahr­zeu­ge auf ih­rer In­ter­net­sei­te und viel­fach auch auf den In­ter­net­platt­for­men „mobile.​de“ und „Au­to­Scou­t24“ zum Kauf an. Auf das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, ei­nen ge­brauch­ten BMW 320d GT, wur­de die Klä­ge­rin bei „mobile.​de“ auf­merk­sam und teil­te der Be­klag­ten te­le­fo­nisch mit, dass sie das Fahr­zeug kau­fen wol­le. Der Ver­kaufs­mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten M über­sand­te der Klä­ge­rin dar­auf­hin am 12.01.2018 per E-Mail ein ent­spre­chen­des Be­stell­for­mu­lar mit der Bit­te, es un­ter­schrie­ben per E-Mail an ihn zu­rück­zu­sen­den. In die­sem Be­stell­for­mu­lar, in dem der Kauf­preis für den BMW 320d GT mit 25.299 € an­ge­ge­ben ist und dem die Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten bei­ge­fügt wa­ren, heißt es:

„Der Kauf­ver­trag ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Ver­käu­fer die An­nah­me der Be­stel­lung in­ner­halb der in den Ge­braucht­fahr­zeug­ver­kaufs­be­din­gun­gen ge­re­gel­ten Fris­ten schrift­lich be­stä­tigt oder die Lie­fe­rung aus­führt.“

Fer­ner heißt es un­ter „Zah­lungs­wei­se und sons­ti­gen Ver­ein­ba­run­gen“:

„Be­zah­lung vor­ab per Über­wei­sung. Aus­lie­fe­rung nach Geld­ein­gang bei der B-GmbH.“

Die Ge­braucht­wa­gen-Ver­kaufs­be­din­gun­gen der Be­klag­ten ent­hiel­ten im Ab­schnitt I fol­gen­de Re­ge­lung:

„1.​Der Kauf­ver­trag ist ab­ge­schlos­sen, wenn der Ver­käu­fer die An­nah­me der Be­stel­lung des nä­her be­zeich­ne­ten Kauf­ge­gen­stan­des in­ner­halb der ge­nann­ten Frist in Text­form be­stä­tigt oder die Lie­fe­rung aus­führt.“

Die Klä­ge­rin un­ter­schrieb das Be­stell­for­mu­lar und sand­te es per E-Mail an die Be­klag­te zu­rück. Die­se über­sand­te der Klä­ge­rin un­ter dem 17.01.2018 per Post ei­ne Rech­nung über den ver­ein­bar­ten Kauf­preis. Nach­dem die Klä­ge­rin die­sen Be­trag an die Be­klag­te über­wie­sen hat­te, er­hielt sie von der Be­klag­ten per Post un­ter an­de­rem die Zu­las­sungs­be­schei­ni­gung Teil I und Teil II, um das Fahr­zeug an ih­rem Wohn­ort zu­las­sen zu kön­nen. Nach er­folg­ter Zu­las­sung – am 27.01.2018 – hol­te der Ehe­mann E der Klä­ge­rin das Fahr­zeug bei der Be­klag­ten ab.

Mit Schrei­ben vom 15.11.2018 er­klär­te die Klä­ge­rin den Wi­der­ruf ih­rer auf den Ab­schluss des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung.

Sie meint, die­ser Kauf­ver­trag sei ein Fern­ab­satz­ver­trag i. S. von § 312c I BGB sei. Sie ha­be des­halb ein fern­ab­satz­recht­li­ches Wi­der­rufs­recht ge­habt und die­ses auch am 15.11.2018 noch wirk­sam aus­üben kön­nen, weil die Be­klag­te sie – in­so­weit un­strei­tig – nicht über das Wi­der­rufs­recht in­for­miert ha­be. Die Be­klag­te be­haup­tet dem­ge­gen­über, dass sie kein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tem un­ter­hal­te. Sie be­wer­be Fahr­zeu­ge zwar auf ih­rer ei­ge­nen In­ter­net­sei­te und auf In­ter­net­plat­for­men, doch ge­be es kei­ne Mög­lich­keit, ei­nen Kauf­ver­trag on­line zu schlie­ßen. Viel­mehr rich­te sich ihr An­ge­bot über­wie­gend an Kauf­in­ter­es­sen­ten aus der Um­ge­bung, die ein Fahr­zeug kauf­ten, nach­dem sie es be­sich­tigt und Pro­be ge­fah­ren hät­ten. Zu­dem hät­ten Kun­den die Mög­lich­keit, die Be­stel­lung bzw. den Kfz-Kauf­ver­trag zu stor­nie­ren, wenn sie vor Ort fest­stell­ten, dass ih­nen das be­stell­te Fahr­zeug nicht ge­fal­le.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge nach in­for­ma­to­ri­scher An­hö­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten G ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, die Klä­ge­rin ha­be kein fern­ab­satz­recht­li­ches Wi­der­rufs­recht (§ 355 I BGB i. V. mit §§ 312c, 312g I BGB) ge­habt, weil der streit­ge­gen­ständ­li­che Kauf­ver­trag kein Fern­ab­satz­ver­trag i. S. des § 312c I BGB sei. Zum ei­nen ha­be die Be­klag­te den An­trag der Klä­ge­rin auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags nicht schon da­durch an­ge­nom­men, dass sie der Klä­ge­rin den Kauf­preis für das be­stell­te Fahr­zeug in Rech­nung ge­stellt ha­be. Die An­nah­me sei viel­mehr erst bei der per­sön­li­chen Über­ga­be des Fahr­zeugs an E er­klärt wor­den, so­dass für den Ver­trags­schluss nicht aus­schließ­lich Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel ver­wen­det wor­den sei­en. Zum an­de­ren ha­be die Be­klag­te die Ver­mu­tung, dass der Kauf­ver­trag im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ge­schlos­sen wor­den sei (§ 312c I Halb­satz 2 BGB wi­der­legt. Die Be­klag­te un­ter­hal­te kein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs­sys­tem, weil ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trä­ge nicht im Fern­ab­satz ab­ge­wi­ckelt wür­den.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung rich­te­te sich die Be­ru­fung der Klä­ge­rin. Sie hat gel­tend ge­macht, das Land­ge­richt ha­be den hier in­ter­es­sie­ren­den Kauf­ver­trag fälsch­li­cher­wei­se nicht als Fern­ab­satz­ver­trag qua­li­fi­ziert. Die Be­klag­te ha­be ih­ren An­trag auf Ab­schluss die­ses Ver­trags da­durch an­ge­nom­men, dass sie ihr den Kauf­preis in Rech­nung ge­stellt ha­be. Je­den­falls ha­be ei­ne An­nah­me des An­trags in der Über­sen­dung der Fahr­zeug­pa­pie­re ge­le­gen. Die Ver­mu­tung, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Kauf­ver­trag im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ge­schlos­sen wor­den sei (§ 312c I Halb­satz 2), ha­be die Be­klag­te – ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Land­ge­richts – nicht wi­der­legt. Ab­zu­stel­len sei in­so­weit al­lein auf den Ver­trags­schluss; wie ein aus­schließ­lich un­ter Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­se­ner Ver­trag ab­ge­wi­ckelt wer­de, sei be­lang­los. Den hier in­ter­es­sie­ren­den Wi­der­ruf – so hat die Klä­ge­rin be­haup­tet – ha­be sie er­klärt, weil ihr beim Auf­zie­hen von Win­ter­rei­fen Kle­be­strei­fen an dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeug auf­ge­fal­len sei­en, die auf ei­nen ver­schwie­ge­nen Un­fall­scha­den hin­ge­deu­tet hät­ten.

Die Be­klag­te hat das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ver­tei­digt und ge­meint, die Klä­ge­rin ha­be ein ihr mög­li­cher­wei­se zu­ste­hen­des Wi­der­rufs­recht rechts­miss­bräuch­lich aus­ge­übt. Denn die Klä­ge­rin – so hat die Be­klag­te be­haup­tet – ha­be von An­fang an die Ab­sicht ge­habt, ih­re auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung zu wi­der­ru­fen.

Das Land­ge­richt hat in die­sem Zu­sam­men­hang fest­ge­stellt, dass die Klä­ge­rin schon ein­mal ei­nen Kfz-Ver­käu­fer ge­richt­lich auf Rück­ab­wick­lung ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags in An­spruch ge­nom­men hat, nach­dem sie ih­re auf die­sen Ver­trag ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung un­ter Be­ru­fung auf ein fern­ab­satz­recht­li­ches Wi­der­rufs­recht wi­der­ru­fen hat­te. Den von die­sem Wi­der­ruf be­trof­fe­nen Pkw hat­te die Klä­ge­rin am 27.03.2017 er­wor­ben.

Die Be­ru­fung hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Die Klä­ge­rin hat ge­gen die Be­klag­te kei­nen An­spruch aus § 357 I BGB auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Fahr­zeugs. Zwar ist der Kauf­ver­trag aus­schließ­lich un­ter Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln zu­stan­de ge­kom­men, aber nicht im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- und Dienst­leis­tungs­sys­tems (§ 312c I BGB).

Im Ein­zel­nen:

1. Das An­ge­bot auf Ab­schluss des Kauf­ver­trags liegt in der durch die Klä­ge­rin per E-Mail vom 12.01.2018 über­sand­ten Be­stel­lung, die An­nah­me­er­klä­rung der Be­klag­ten in der durch die Be­klag­te pos­ta­lisch über­sand­ten Rech­nung vom 17.01.2018, spä­tes­tens in der pos­ta­li­schen Über­sen­dung der Fahr­zeug­pa­pie­re.

Mit Recht hat das Land­ge­richt an­ge­nom­men, dass die Klä­ge­rin mit ih­rer Be­stel­lung vom 12.01.2018 der Be­klag­ten ein An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags über den streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zum Kauf­preis von 25.299 € ge­macht hat. Die Be­stel­lung ent­hält al­le we­sent­li­chen Ver­trags­be­stim­mun­gen; aus ihr geht fer­ner her­vor, dass sich die Klä­ge­rin recht­lich bin­den woll­te. Die­ses An­ge­bot über­mit­tel­te die Klä­ge­rin per E-M;ail, mit­hin durch ein Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel.

An­ders als das Land­ge­richt be­grün­det hat, ist mit der pos­ta­li­schen Über­sen­dung der Rech­nung die An­nah­me die­ses An­ge­bots kon­klu­dent er­klärt wor­den. Die An­nah­me­er­klä­rung als emp­fangs­be­dürf­ti­ge Wil­lens­er­klä­rung ist so aus­zu­le­gen, wie sie der Er­klä­rungs­emp­fän­ger nach Treu und Glau­ben un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Ver­kehrs­sit­te ver­ste­hen muss­te (§§ 133, 157 BGB). Nach die­sen Maß­stä­ben hat die Be­klag­te vor­lie­gend mit Über­sen­dung der Rech­nung, die als Zah­lungs­auf­for­de­rung zu ver­ste­hen ist, die An­nah­me des An­ge­bots auf Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags er­klärt. Denn ein Käu­fer darf, wenn er zur Leis­tung auf­ge­for­dert wird, den Schluss zie­hen, dass auch der Ver­käu­fer sei­ner Leis­tungs­pflicht nach­kom­men und den Ver­trag schlie­ßen will. Oh­ne Ver­trags­schluss wä­re der Ver­käu­fer über­dies über­haupt nicht be­rech­tigt, den Käu­fer ak­tiv zur Zah­lung auf­zu­for­dern. Denn erst mit Ein­tritt der Fäl­lig­keit kann der Gläu­bi­ger die Leis­tung erst­mals ver­lan­gen (§ 271 II BGB), was ei­nen Ver­trags­schluss vor­aus­setzt.

Aus der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung er­gibt sich nichts an­de­res.

Aus der Re­ge­lung „Be­zah­lung vor­ab per Über­wei­sung.“ lässt sich nicht her­lei­ten, dass sich die Be­klag­te nicht be­reits mit Rech­nungs­stel­lung bin­den woll­te. Viel­mehr er­schöpft sich der Re­ge­lungs­ge­halt die­ser Klau­sel dar­in, die Mo­da­li­tä­ten der Kauf­preis­zah­lung und Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs zu kon­kre­ti­sie­ren. Mit der For­mu­lie­rung „vor­ab“ woll­te der Ver­käu­fer hin­ge­gen nicht zum Aus­druck brin­gen, dass ei­ne Zah­lung der Klä­ge­rin vor Ver­trags­schluss er­fol­gen soll­te mit der Fol­ge, dass die vor­ge­la­ger­te Zah­lungs­auf­for­de­rung/Rech­nung der Be­klag­ten nicht die Ver­trags­an­nah­me dar­stel­len wür­de. Denn der Be­klag­ten ging es er­kenn­bar vor al­lem dar­um, dass die Klä­ge­rin den Kauf­preis vor Aus­lie­fe­rung des Fahr­zeugs über­weist. Dies er­gibt sich zwangs­los aus der nach­fol­gen­den For­mu­lie­rung „ Aus­lie­fe­rung nach Geld­ein­gang bei der B-GmbH.“ Hier­aus folgt zwar ei­ne Vor­leis­tungs­pflicht des Käu­fers, nicht aber ei­ne Pflicht zur Zah­lung des Kauf­prei­ses vor Ver­trags­schluss.

Auch die Re­ge­lung der Be­klag­ten, dass der Ver­trag erst mit schrift­li­cher Be­stä­ti­gung oder Aus­füh­rung der Lie­fe­rung zu­stan­de kommt, steht der Ver­trags­an­nah­me durch Rech­nungs­stel­lung nicht ent­ge­gen. Die Rech­nungs­stel­lung kann zwangs­los als schrift­li­che – wenn auch kon­klu­den­te – Be­stä­ti­gung in die­sem Sin­ne an­ge­se­hen wer­den.

Die An­nah­me­er­klä­rung ist auch nicht for­mun­wirk­sam. Weil die Klau­seln in­so­weit wi­der­sprüch­lich sind, als zum ei­nen Schrift­form ver­ein­bart wur­de, zum an­de­ren aber Text­form aus­rei­chen soll­te, wä­ren die­se Klau­seln ent­we­der we­gen Ver­sto­ßes ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot (§ 307 I 2 BGB) un­wirk­sam oder sie müss­ten we­gen Aus­le­gungs­zwei­feln (§ 305c II BGB) je­den­falls da­hin ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass ei­ne Be­stä­ti­gung der Be­stel­lung in Text­form aus­rei­chend ist.

So­fern man die Ver­trags­an­nah­me nicht be­reits in der Rech­nungs­stel­lung er­blickt, er­gibt sich die­se je­den­falls aus der Über­sen­dung der Fahr­zeug­pa­pie­re. Denn durch die dar­in lie­gen­de teil­wei­se Er­fül­lung der von ihr auf­grund des Kauf­ver­trags ge­mäß § 433 I BGB ge­schul­de­ten Leis­tung brach­te die Be­klag­ten ein­deu­tig zum Aus­druck, den Kauf­ver­trag mit der Klä­ge­rin schlie­ßen zu wol­len.

2. Der Se­nat ist auf­grund der An­hö­rung des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten G da­von über­zeugt, dass der Ab­schluss des Ver­trags nicht im Rah­men ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- und Dienst­leis­tungs­sys­tems er­folgt ist.

Ein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs- und Dienst­leis­tungs­sys­tem liegt vor, wenn der Un­ter­neh­mer mit – nicht not­wen­dig auf­wen­di­ger – per­so­nel­ler und sach­li­cher Aus­stat­tung in­ner­halb sei­nes Be­triebs die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen ge­schaf­fen hat, die not­wen­dig sind, um re­gel­mä­ßig im Fern­ab­satz zu tä­ti­gen­de Ge­schäf­te zu be­wäl­ti­gen. Da­bei sind an die An­nah­me ei­nes sol­chen Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ins­ge­samt kei­ne ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len (BT-Drs. 17/12637, S. 50). Nur Ge­schäf­te, die un­ter ge­le­gent­li­chem, eher zu­fäl­li­gem Ein­satz von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ab­ge­wi­ckelt wer­den, sol­len aus dem An­wen­dungs­be­reich des Fern­ab­satz­wi­der­rufs aus­schei­den (BeckOGK/Busch, Stand: 01.01.2020, § 312c BGB Rn. 25). Die Gren­ze zum or­ga­ni­sier­ten Fern­ab­satz­sys­tem ist aber dann über­schrit­ten, wenn der In­ha­ber ei­nes Ge­schäfts Wa­ren nicht nur ge­le­gent­lich ver­sen­det, son­dern sys­te­ma­tisch auch mit dem An­ge­bot te­le­fo­ni­scher Be­stel­lung und Zu­sen­dung der Wa­ren wirbt. Die Ab­gren­zung im Ein­zel­fall ist der Recht­spre­chung vor­be­hal­ten (BT-Drs. 14/2658, S. 30 f.).

Nach der Über­zeu­gung des Se­nats han­delt es sich vor­lie­gend um ei­nen Ver­trag, den die Be­klag­te aus­nahms­wei­se un­ter Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­sen hat.

Der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten hat in sei­ner An­hö­rung glaub­haft an­ge­ge­ben, dass nur sehr we­ni­ge Kauf­ver­trä­ge ge­schlos­sen wer­den, oh­ne dass die Käu­fer das Fahr­zeug zu­vor be­sich­tigt ha­ben. Wenn das ein­mal vor­kä­me, han­de­le es sich üb­li­cher­wei­se um neu­wer­ti­ge Fahr­zeu­ge, wie auch bei dem Test­kauf der Klä­ge­rin un­ter ih­rem Mäd­chen­na­men im Fe­bru­ar 2020. Der Se­nat ist von der Rich­tig­keit die­ser An­ga­ben ins­be­son­de­re des­halb über­zeugt, weil sie zum ei­nen mit der Er­fah­rung aus der ge­richt­li­chen Pra­xis – dem Se­nat hat bis­her noch kein wei­te­rer Sach­ver­halt zur Ent­schei­dung vor­ge­le­gen, in dem ein Ge­brauch­t­ahr­zeug oh­ne vor­he­ri­ge Be­sich­ti­gung ge­kauft wor­den ist – über­ein­stim­men und zum an­de­ren der all­ge­mei­nen Le­bens­er­fah­rung ent­spre­chen.

Ge­gen die Rich­tig­keit der An­ga­ben spricht nicht, dass die Be­klag­te in der von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­ten E-Mail vom Fe­bru­ar 2020 an­ge­bo­ten hat, das Fahr­zeug auch zum Wohn­ort der Klä­ge­rin zu lie­fern. Wie der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten G un­wi­der­spro­chen an­ge­ge­ben hat, er­folg­te die­ses An­ge­bot auf aus­drück­li­che Nach­fra­ge der Klä­ge­rin. Aus der Zu­sa­ge ge­gen­über der Klä­ge­rin lässt sich al­so nicht ent­neh­men, dass die Be­klag­te re­gel­mä­ßig ih­ren Kun­den die Lie­fe­rung – nach Ab­schluss ei­nes im We­ge des Fern­ab­sat­zes zu­stan­de ge­kom­me­nen Ver­trags – zu­sagt.

Glei­ches gilt für die An­ga­ben, die der Ge­schäfts­füh­rer der Be­klag­ten X aus­weis­lich des von der Klä­ge­rin vor­ge­leg­ten Ar­ti­kels aus der Neu­en Os­na­brü­cker Zei­tung vom 23.08.2016 ge­macht ha­ben soll. Er spricht dort le­dig­lich von ei­ner Ver­kaufs­an­bah­nung über das In­ter­net. Das ent­spricht auch den An­ga­ben des Ge­schäfts­füh­rers G ge­gen­über dem Se­nat, der ge­schil­dert hat, dass die Käu­fer üb­li­cher­wei­se auf­grund des An­ge­bots im In­ter­net Kon­takt auf­neh­men und ei­nen Be­sich­ti­gungs­ter­min ver­ein­ba­ren. Aus die­sem Grund wird der Ge­schäfts­füh­rer U wohl auch die gu­te Ver­kehrs­an­bin­dung über die Au­to­bahn 31 her­vor­ge­ho­ben ha­ben.

In die­sem Um­stand, dass der Kauf oh­ne Be­sich­ti­gung des Fahr­zeugs und mit­hin oh­ne per­sön­li­chen Kon­takt die ab­so­lu­te Aus­nah­me dar­stellt, liegt auch der maß­geb­li­che Un­ter­schied zu dem Sach­ver­halt, der der Ent­schei­dung des BGH vom 07.07.2016 (I ZR 68/15, NJW 2017, 1024) zu­grun­de lag. Streit­ge­gen­ständ­lich war dort ein Mak­ler­ver­trag, der je­weils schon dann zu­stan­de kommt, wenn auf te­le­fo­ni­sche An­fra­ge ein Ex­posé über­sandt oder ein Be­sich­ti­gungs­ter­min ver­ein­bart wird. Dem­entspre­chend kommt es bei Kon­takt­auf­nah­me mit dem Mak­ler auf­grund des­sen An­ge­bots auf ei­ner In­ter­net­platt­form re­gel­mä­ßig zu Ver­trags­schlüs­sen mit­tels Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln.

3. Auf die Fra­ge, ob die Klä­ge­rin auf der kon­kre­ten Ab­wick­lung des Kauf­ver­trags und auf dem Ab­schluss des Ver­trags un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln nur des­halb be­stan­den hat, weil sie von vorn­her­ein be­ab­sich­tigt hat, den Kauf­ver­trag zu wi­der­ru­fen, und des­halb die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts miss­bräuch­lich sein könn­te, kommt es da­her nicht an.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 I ZPO. Die Ent­schei­dung über die vor­läu­fi­ge Voll­streck­bar­keit be­ruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Der Schrift­satz der Klä­ge­rin vom 28.02.2020 gab kei­nen An­lass, die münd­li­che Ver­hand­lung wie­der zu er­öff­nen. Die An­ga­ben des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten U, wie sie in dem mit die­sem Schrift­satz über­reich­ten Zei­tungs­ar­ti­kel aus der Neu­en Os­na­brü­cker Zei­tung vom 23.08.2016 wie­der­ge­ge­ben sind, ste­hen – wie aus­ge­führt – nicht im Wi­der­spruch zu den An­ga­ben des Ge­schäfts­füh­rers der Be­klag­ten G in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat.

Die Re­vi­si­on war nicht zu­zu­las­sen. Die Sa­che weist we­der grund­sätz­li­che Be­deu­tung auf, noch er­for­dert die Fort­bil­dung des Rechts oder die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung ei­ne Ent­schei­dung durch den BGH. Der Se­nat weicht ins­be­son­de­re nicht von der Ent­schei­dung des BGH vom 07.07.2016 (I ZR 68/15, NJW 2017, 1024) ab.

PDF er­stel­len