1. Zum Widerruf einer auf den Abschluss eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen, mit einem Darlehensvertrag verbundenen Kfz-Kaufvertrags gerichteten Willenserklärung und den Rechtsfolgen des Widerrufs.
  2. Ein Verbraucher kann seine auf den Abschluss eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung auch dann gemäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB widerrufen, wenn der Kaufvertrag i. S. von § 358 III 1, 2 BGB mit einem Darlehensvertrag verbunden ist und dem Verbraucher hinsichtlich des Darlehensvertrags ein – gemäß § 358 II BGB auch den Kaufvertrag erfassendes – Widerrufsrecht (§§ 495 I, 355 BGB) zusteht. Denn § 312g III BGB, wonach ein Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen unter anderem dann nicht besteht, wenn der Verbraucher bereits aufgrund des § 495 I BGB i. V. mit § 355 BGB ein Widerrufsrecht hat, ist nur einschlägig, wenn die konkurrierenden Widerrufsrechte originär denselben Vertrag betreffen.
  3. Bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag (hier: einem Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen) steht dem Verbraucher – anders als nach § 312 III Nr. 1 BGB a.F. – grundsätzlich auch dann ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB zu, wenn er den Vertrag selbst angebahnt hat.

LG Braunschweig, Urteil vom 22.09.2020 – 5 O 2947/19

Sachverhalt: Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger seine auf den Abschluss eines Kfz-Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat, und welche Folgen der Widerruf gegebenenfalls für einen mit dem Kfz-Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag hat.

Nachdem der Kläger mit der Streithelferin der Beklagten, die ein Autohaus betreibt, telefonisch über den Kauf eines Gebrauchtwagens verhandelt hatte, übergab die Streithelferin der Beklagten dieses Fahrzeug dem Kläger am 01.02.2018 an dessen Wohnsitz. Bei dieser Gelegenheit unterzeichnete der Kläger einen Kaufvertrag über den Pkw, der einen Kaufpreis von 13.900 € vorsah. Außerdem unterzeichnete der Kläger insbesondere einen auf den 29.01.2018 datierten, an die B-Bank – eine Zweigniederlassung der Beklagten – gerichteten Darlehensantrag, um den Kaufpreis für das Fahrzeug vollständig zu finanzieren. Diesen Antrag, der Informationen zu einem Widerrufsrecht des Klägers enthielt, nahm die B-Bank, der das streitgegenständliche Fahrzeug sicherungsübereignet wurde, später an.

In der Folgezeit – von März bis Mai 2018 – zahlte der Kläger die ersten drei Darlehensraten in Höhe von jeweils 222,23 €.

Der Kläger behauptet, er habe seine auf den Abschluss des Kfz-Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung mit anwaltlichen Schreiben vom 05.02.2019, das am 06.02.2019 vorab per Telefax versandt worden sei, widerrufen. Dieser Widerruf sei auch der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt festzustellen, dass die Beklagte ihn nicht mehr aus dem Darlehensvertrag in Anspruch nehmen kann. Darüber hinaus hat er die Rückzahlung der geleisteten Raten – insgesamt 666,69 € – nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkw, und die Feststellung verlangt, dass die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug ist. Schließlich hat der Kläger von der Beklagten den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen begehrt.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Außerdem hat sie gegen den Kläger eine auf Zahlung von 3.125,22 € nebst Zinsen gerichtete Teilwiderklage erhoben und im Wege einer Hilfswiderklage die Feststellung begehrt, dass der Kläger verpflichtet sei, Wertersatz für jedweden Umgang mit dem streitgegenständlichen Pkw zu leisten, der zur Prüfung von Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war.

Die Beklagte und ihre Streithelferin behaupten, der Kläger sei nicht nur auf Deutsch, sondern auch in seiner Heimatssprache über sein hinsichtlich des Darlehensvertrags bestehendes Widerrufsrecht informiert worden. Darüber hinaus hat die Streithelferin der Beklagten geltend gemacht, dass dem Kläger ein – auf den Kfz-Kaufvertrag bezogenes – Widerrufsrecht nach § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB gemäß § 312g III BGB nicht zugestanden habe. Zudem sei der Kläger nicht überrumpelt worden, sodass sein Widerruf unwirksam sei.

Die Klage hatte teilweise Erfolg; die Teilwiderklage und die Hilfswiderklage waren erfolglos.

Aus den Gründen: 1. Der negative Feststellungsantrag zu 1 aus der Klageschrift vom 14.05.2019 ist begründet. Der Beklagten stehen gegen den Kläger keine Ansprüche mehr auf Zahlung aus dem Darlehensvertrag (Anlage B 3) zu.

a) Der Kläger, der hier unstreitig als Verbraucher handelte, ist an diesen Darlehensvertrag gemäß § 358 I BGB nicht mehr gebunden. Der Darlehensvertrag war mit dem Kaufvertrag über das Fahrzeug … vom 01.02.2018 (Anlage B 2) verbunden i. S. des § 358 I, III 1, 2 BGB. Das Darlehen wurde unstreitig zu dem Zweck bewilligt, dass das vom Kläger für das Fahrzeug aufgrund des Kaufvertrags geschuldete Entgelt beglichen wird. An diesen Kaufvertrag ist der Kläger nicht mehr gebunden.

b) Der Kläger hat seine auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam gemäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312g I, 312b BGB widerrufen.

aa) Der Kaufvertrag wurde außerhalb von Geschäftsräumen i. S. des § 312b I 1, II 1 BGB geschlossen. Die Kaufverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Autohaus, der Streithelferin, fanden zunächst telefonisch statt. Das Fahrzeug wurde dann am 01.02.2018 von einem Fahrer der Streithelferin an den damaligen Wohnsitz des Klägers in X. geliefert. Erst vor Ort am Wohnsitz des Klägers, bei Lieferung des Fahrzeugs, kam es zum Abschluss des Kaufvertrags. Denn bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger in X. ließ der Fahrer der Streithelferin den Kläger den schriftlichen Kaufvertrag unterschreiben. Anders als das Vertragsformular suggeriert, leistete der Kläger damit seine Unterschrift unstreitig nicht in S., dem Sitz der Streithelferin, sondern in X., an seinem Wohnsitz.

Der Abschluss des schriftlichen Kaufvertrags am Wohnsitz des Klägers führt zur Anwendbarkeit des Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312g I, 312b I BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Das Widerrufsrecht für Fernabsatzverträge gemäß § 355 BGB i. V. mit § 312g I, § 312c BGB ist vorliegend nicht anwendbar. Denn der vorstehend geschilderte Geschehensablauf macht deutlich, dass der Vertragsschluss nicht ausschließlich durch Fernkommunikationsmittel zustande gekommen ist. Die wesentlichen Vertragsverhandlungen mögen zwar telefonisch erfolgt sein. Die vor Ort in X. geleistete Unterschrift des Klägers macht aber deutlich, dass es telefonisch noch nicht zum verbindlichen Abschluss des Kaufvertrags gekommen sein kann.

bb) Der Kläger hat seine Widerrufserklärung betreffend den Kaufvertrag wirksam mit anwaltlichen Schreiben vom 05.02.2019 (Anlage K 9) erklärt. Die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß § 355 II BGB war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen. Denn sie hatte zu diesem Zeitpunkt gemäß § 356 III 1 BGB noch nicht begonnen. Die Streithelferin hat es versäumt, den Kläger entsprechend den in § 356 III 1 BGB genannten Anforderungen zu unterrichten.

Diese Anforderung sehen für den hiesigen Fall vor, dass dem Kläger die Informationen entsprechend den Anforderungen aus Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB zur Verfügung gestellt werden. Die formalen Anforderungen an die Erfüllung dieser Informationspflichten gemäß Art. 246a § 4 II EGBGB wurden vorliegend nicht eingehalten. Danach muss bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag der Unternehmer die Informationen grundsätzlich in Papierform zur Verfügung stellen. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Ob der Kläger überhaupt über sein Widerrufsrecht informiert wurde, ist zwar zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte und die Streithelferin behaupten unter Beweisantritt, dass der Zeuge Z den Kläger sogar in dessen Heimatssprache … belehrt habe. Dieser Zeuge war aber nicht zu vernehmen. Denn weder die Beklagte noch die Streithelferin behaupten hierzu näher, dass diese Information schriftlich bzw. auf einem dauerhaften Datenträger erfolgt sei. Ein derartiges Dokument ist auch nicht vorgelegt worden. Aus dem Kaufvertrag selbst (Anlage K 1) ergibt sich Derartiges nicht. Vor dem Hintergrund, dass dies der Kläger insbesondere im Schriftsatz vom 21.08.2019 ergänzend bestritten hat und weder die Beklagte noch die Streithelferin näher etwas dazu erklärt haben, kann deren Vortrag nur so zu verstehen sein, dass die Widerrufsinformationen mündlich … erfolgt seien. Dies ist aber im Hinblick auf die formalen Anforderungen gemäß Art. 246a § 4 II EGBGB nicht ausreichend.

cc) Das Widerrufsrecht ist auch nicht gemäß § 356 III 2 BGB erloschen. Denn zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung vom 05.02.2019 bzw. 06.02.2019 war die dort genannte Frist von zwölf Monaten und 14 Tagen nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. dem Erhalt der Ware am 01.02.2018 noch nicht abgelaufen.

Soweit die Beklagte den Widerruf an sich und damit auch dessen rechtzeitigen Zugang bestreitet, ist ihr dies gemäß § 138 IV ZPO nicht möglich. Sie erklärt sich nicht zu dem Vortrag des Klägers, dass er auch der Beklagten den Widerruf gegenüber dem Autohaus zur Kenntnisnahme habe zukommen lassen. Zudem trägt sie selbst vor „Mitte März 2019“ von dem Widerruf Kenntnis erlangt zu haben. Ihren Kenntnisstand zum genauen Zeitpunkt des Eingangs des Widerrufs teilt sie entgegen § 138 IV ZPO jedoch nicht mit.

dd) Das Widerrufsrecht ist auch – anders als die Streithelferin meint – nicht gemäß § 312g III BGB ausgeschlossen. Danach besteht ein Widerrufsrecht aus §§ 312g I, 355 BGB zwar nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits aufgrund der §§ 495, 506 bis 513 BGB oder nach §  305 I bis VI KAGB ein Widerrufsrecht zusteht. Dies ist vorliegend aber nicht – auch nicht im Hinblick auf das Widerrufsrecht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag gemäß §§ 495 I, 355 BGB – der Fall.

Dem Kläger stand zwar grundsätzlich ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 I, 355 BGB im Hinblick auf den mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag zu. Dieses Widerrufsrecht bezieht sich aber nur auf den mit der Beklagten abgeschlossenen Darlehensvertrag und nicht auf den mit der Streithelferin abgeschlossenen Kaufvertrag. Lediglich Letzteren hat der Kläger aber widerrufen. Die Subsidiaritätsregel des § 312g III BGB bezieht sich nur auf den Vertrag, der widerrufen wird. Es wird – soweit ersichtlich – nicht vertreten, dass diese Regelung so auszulegen sei, dass sie auch dann eingreift, wenn dem Verbraucher ein anderweitiges Widerrufsrecht im Hinblick auf den verbundenen Vertrag zusteht. Ein derartig weitgehendes Verständnis der Subsidiaritätsregel würde auch der Zweck dieser Regelung nicht erfordern. Nach der Gesetzesbegründung soll diese Regelung sicherstellen, dass keine konkurrierenden Widerrufsrechte bestehen. Zugleich soll der Vorrang unionsrechtlich vorgegebener Widerrufsrechte nach der Verbraucherrechterichtlinie1Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. 2011 L 304, 64. gewahrt bleiben (BeckOGK/Busch, Stand: 15.7.2020, § 312g BGB Rn. 75.2). Eine solche Konkurrenz besteht aber nur dann, wenn sich die konkurrierenden Widerrufsrechte auf denselben Vertrag beziehen. Zwar hätte der Kläger auch im vorliegenden Fall grundsätzlich die Wahl gehabt, ob er den Kaufvertrag, den Darlehensvertrag oder gegebenenfalls beide widerruft. Diese Widerrufsrechte konkurrieren aber nicht miteinander, sondern beziehen sich auf unterschiedliche Verträge und ziehen unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich.

ff) Das Widerrufsrecht scheitert auch – anders als die Streithelferin meint – nicht daran, dass es an der für einen Widerruf erforderlichen „Überrumpelungssituation“ fehlt. Die Definition für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen in § 312b I 1 BGB ist weiter als diejenige in § 312 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung für Haustürgeschäfte. Die frühere Ausnahme aus § 312 III Nr. 1 BGB a.F. für durch den Verbraucher bestellte Besuche gibt es nicht mehr (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., sect; 312b Rn. 1).

gg) Der Widerruf ist auch nicht – wie die Beklagte meint – rechtsmissbräuchlich. Es ist unbeachtlich, dass der Kläger den Verkäufer der Streithelferin bereits im Spätsommer 2018 kontaktiert hatte, um den Kaufvertrag aufzuheben. Ebenso ist es unbeachtlich, dass die Klagepartei selbst ihre eigenen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag schon seit Juni 2018 nicht mehr erfüllte und die Beklagte ihrerseits zur außerordentlichen Kündigung des Vertrags berechtigt gewesen wäre. Die Motivation des Klägers für den Widerruf des Kaufvertrags ist irrelevant.

2. Der Zahlungsantrag zu 2 aus dem Schriftsatz vom 30.07.2020 ist teilweise begründet.

a) Aufgrund des wirksamen Widerrufs des verbundenen Kaufvertrags ist der mit der Beklagten abgeschlossene Darlehensvertrag gemäß § 358 IV 1, §§ 355 III, 357a BGB rückabzuwickeln. Danach hat die Beklagte dem Kläger die unstreitig gezahlten 669,69 € zurückzugewähren.

b) Dieser Rückzahlungsanspruch besteht allerdings, anders als beantragt, nicht lediglich Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs an die Beklagte, sondern erst nach Rückgabe des Fahrzeugs. Die Beklagte kann gemäß § 357 IV 1 BGB die Rückzahlung verweigern, bis sie das Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware abgesandt hat. Eine Zug-um-Zug-Rückabwicklung findet hier nicht statt (Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 357 Rn. 5).

Diese Vorleistungspflicht des Klägers gilt auch im Verhältnis zur Beklagten. Denn diese tritt nach § 358 IV 5 BGB in die Rechte und Pflichten der Streithelferin ein und kann deren Rechte aus §§ 355 III, 357 I, IV 1 BGB geltend machen. Das Darlehen ist der Streithelferin, wie es § 358 IV 5 BGB voraussetzt, vor dem Widerruf zugeflossen. Dies tragen die Parteien zwar nicht ausdrücklich vor, ist aber aufgrund der Gesamtumstände anzunehmen, da andernfalls dem Kläger das Fahrzeug nicht überlassen worden wäre und er nicht zur Zahlung der Raten herangezogen worden wäre.

Die Anwendbarkeit des § 357 IV 1 BGB scheitert auch nicht daran, dass diese Norm in unmittelbarer Anwendung die Rückzahlung des Kaufpreises betrifft. Die Kaufpreisrückzahlung findet vorliegend nicht statt. Sie wird von dem Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Raten konsumiert. Denn im Rahmen der Rückabwicklung gemäß § 358 IV 5 BGB muss der Kläger auch den Nettokreditbetrag, der an den Verkäufer geflossen ist, nicht an den Darlehensgeber zurückzahlen. Für eine Rückzahlung des Nettokreditbetrags durch den Verbraucher ist kein Raum, da es durch den Eintritt des Darlehensgebers in die Rechte und Pflichten des Unternehmers insoweit zur Konsumtion kommt. Der Anspruch des Verbrauchers gegen den Darlehensgeber in der Rolle des Unternehmers auf Rückzahlung des Kaufpreises wird mit dem Anspruch des Darlehensgebers gegen den Verbraucher auf Rückzahlung des Darlehens ex lege saldiert (Staudinger/Herresthal, BGB, Neubearb. 2016, § 358 Rn. 199).

Dies führt zur Verurteilung lediglich „nach Rückgabe“ des Fahrzeugs anstelle der beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung. Einen derartigen Antrag hat der Kläger zwar nicht – auch nicht hilfsweise – gestellt. Dies kann dem Kläger dennoch im Rahmen des § 308 I ZPO zugesprochen werden. Denn die Verurteilung „nach Rückgabe“ ist als „Weniger“ in dem gestellten Antrag enthalten. Die Verurteilung zu einer bedingten Leistung ist auch grundsätzlich möglich (vgl. § 726 ZPO). Eine Abweisung des Zahlungsanspruchs als derzeit unbegründet (so aber BeckOGK/Mörsdorf, Stand: 15.02.2020, § 357 BGB Rn. 29) ist vor diesem Hintergrund nicht nötig.

c) Der Zahlungsanspruch scheitert nicht an dem von der Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht bis zur Vorlage von Angaben zur Berechnung eines etwaigen Wertersatzanspruchs. Die Vorlage derartiger Angabe gehört nicht zu den Pflichten des Klägers aus § 355 III BGB. Vielmehr ist die Beklagte durch die vorstehend dargestellte Vorleistungspflicht des Klägers ausreichend geschützt.

d) Der Zahlungsanspruch ist allerdings nicht, wie beantragt, gemäß §§ 286 I, 288 I BGB seit dem 21 .02.2019 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Das Bestehen des Zurückbehaltungsrechts aus § 357 IV 1 BGB hindert den Eintritt des Schuldnerverzugs des Unternehmers bezüglich der Rückzahlungsverpflichtung (BeckOGK/Mörsdorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 30).

3. Der Feststellungsantrag zu 3 aus der Klageschrift vom 14.05.2019 ist zulässig, aber unbegründet. Die Zulässigkeit dieses Antrags gemäß § 256 I ZPO folgt zwar aus dem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs wegen der Regelungen in den §§ 756 I, 765 Nr. 1 ZPO. Der Feststellungsantrag ist aber unbegründet. Die Beklagte ist nicht in Annahmeverzug. Wie vorstehend dargestellt, ist der Zahlungsanspruch nicht Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sondern erst nach Rückgabe des Fahrzeugs von der Beklagten zu erfüllen.

4. Der Antrag zu 4 aus der Klageschrift vom 14.05.2019 auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 950,51 € an die Rechtschutzversicherung und in Höhe von weiteren 150 € an den selbstbeteiligungsverpflichteten Kläger ist begründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich zwar nicht als Verzugsfolge aus §§ 280 I, II, 286 BGB. Wie vorstehend dargestellt, war die Beklagte mangels Rückgabe des Fahrzeugs nie in Verzug. Ein solcher Anspruch ergibt sich aber aus § 280 I BGB in Verbindung mit dem Darlehensvertrag. Die Beklagte hat durch ihre vorgerichtliche Ablehnung der Rückabwicklung und unberechtigte Androhung der Wideraufnahme des Lastschriftverfahrens (vgl. Schreiben vom 11.03.2019, Anlage K 15) den Kläger dazu veranlasst, sich weiter rechtlich beraten zu lassen. Dieser Anspruch ist auch gemäß § 286 I 2, § 291, § 288 I, BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Die Klage ist der Beklagten am 17.06.2019 zugestellt worden.

5. Die unbedingt gestellte Widerklage aus dem Schriftsatz vom 11.07.2019 auf Zahlung der Raten aus dem Darlehensvertrag ist unbegründet. Wie vorstehend dargestellt, ist der Kläger an diesen Darlehensvertrag aufgrund des wirksamen Widerrufs des verbundenen Kaufvertrags nicht mehr gebunden.

6. Auch der Hilfswiderklageantrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 17.08.2020 auf Feststellung der Wertersatzpflicht ist unbegründet.

a) Der Bedingungsfall für die Hilfswiderklage ist vorliegend eingetreten. Die Beklagte formuliert zwar die Bedingung nicht ausdrücklich. Aufgrund der Umstände ist ihr Vortrag aber so zu verstehen, dass sie die Hilfswiderklage für den Fall stellt, dass das Gericht von der Wirksamkeit des Widerrufs ausgeht.

b) Der Feststellungsantrag ist gemäß § 256 I ZPO zulässig. Das grundsätzliche Rechtsschutzinteresse an dieser Feststellung folgt daraus, dass die von §§ 355 III, 357, 357a BGB grundsätzlich vorgesehene Verrechnung (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2016 – IX ZR 132/15, BGHZ 209, 179 = juris Rn. 30) der wechselseitigen Ansprüche derzeit nicht möglich ist. Denn mangels Kenntnis über den Zustand des Fahrzeugs ist eine Berechnung der Wertersatzansprüche der Beklagten nicht möglich.

c) Der Wertersatzspruch der Beklagten aus § 358 IV 5, §§ 355 III, 357 VII BGB ist jedoch unbegründet. Die Beklagte tritt zwar in die Rechte und Pflichten der Streithelferin ein und kann deren Wertersatzansprüche aus § 357 VII BGB geltend machen. Vorliegend scheitert die Wertersatzpflicht aber daran, dass die Streithelferin den Kläger nicht gemäß § 357 VII Nr. 2 BGB nach Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Diese Unterrichtung ist nach dem Wortlaut der Norm Voraussetzung für die Wertersatzansprüche.

Dagegen spricht nicht, dass in der Literatur mit guten Gründen vertreten wird, dass die Unterrichtungspflicht nicht bei einer entsprechenden Anwendung des § 357 VII BGB über § 358 IV 1 BGB einschlägig ist (so Herresthal, ZIP 2018, 753, 763). Dies gilt jedenfalls nur, soweit § 357 VII BGB gemäß § 358 IV 1 BGB im Rahmen der Rückabwicklung eines mit einem widerrufenen Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Geschäfts „entsprechend" zur Anwendung kommt (BeckOGK/Mörsdorf, a. a. O., § 357 Rn. 74; a. A. Nordholz/Bleckwenn, NJW 2017, 2497, 2499). Vorliegend geht es aber nicht um die entsprechende Anwendung des § 357 VII BGB nach dem Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrags, sondern um die direkte Anwendung des § 357 VII BGB nach dem Widerruf des Kaufvertrags. Für diesen Fall ist die Regelung in § 357 VII Nr. 2 BGB eindeutig.

7. …

8. Die Streitwertfestsetzung … orientiert sich an dem Darlehensgesamtbetrag, über dessen Rückzahlungspflicht die Parteien im Rahmen des negativen Feststellungsantrags zu 1 streiten. Die Rechtsprechung des BGH, wonach sich der Gesamtstreitwert nach der Höhe des Nettodarlehensbetrags ohne Zinsen und Nutzungen richtet (BGH, Beschl. v. 07.04.2015 – XI ZR 121/14, juris Rn. 3), ist vorliegend nicht anwendbar, da es nicht um den Widerruf eines Darlehensvertrags, sondern um den Widerruf eines Kaufvertrags geht, mit dem ein Darlehensvertrag verbunden ist.

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