1. Ein – hier fa­brik­neu­es – Mo­tor­rad, bei dem der zwei­te Gang in den Leer­lauf springt, wenn mit­hil­fe der Mo­tor­brem­se, ins­be­son­de­re beim Ein­fah­ren in ei­ne Kur­ve, ein Gang­wech­sel vor­ge­nom­men wer­den soll, ist man­gel­haft i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F. Das Fahr­zeug eig­net sich näm­lich we­der für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung, das heißt die pro­blem­lo­se Nut­zung im Stra­ßen­ver­kehr, noch weist es ei­ne üb­li­che und des­halb von ei­nem Käu­fer zu er­war­ten­de Be­schaf­fen­heit auf.
  2. Die Lie­fe­rung ei­nes man­gel­haf­ten Mo­tor­rads stellt kei­ne nur un­er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zung des Ver­käu­fers i. S. von § 323 V 2 BGB dar, wenn der Man­gel die Fahr­si­cher­heit des Mo­tor­rads be­ein­träch­tigt und des­halb als er­heb­lich an­zu­se­hen ist.
  3. Bei der Be­rech­nung des Nut­zungs­wert­er­sat­zes, den der Käu­fer ei­nes fa­brik­neu­en Mo­tor­rads dem Ver­käu­fer bei ei­ner Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags schul­det, ist von ei­ner zu er­war­ten­den Ge­samt­lauf­leis­tung von 100.000 km aus­zu­ge­hen. Die An­nah­me ei­ner zu er­war­ten­den Lauf­leis­tung von 250.000 bis 300.000 km wie bei Pkw kommt nicht in Be­tracht, da Mo­tor­rä­der ei­nen ge­rin­ge­ren Hub­raum als Pkw ha­ben.
  4. Wa­ren Auf­wen­dun­gen (§ 284 BGB) ei­nes Fahr­zeug­käu­fers, der we­gen ei­nes Man­gels wirk­sam vom Kauf­ver­trag zu­rück­ge­tre­ten ist, nicht voll­stän­dig ver­geb­lich, weil er das Fahr­zeug – ge­ge­be­nen­falls mit man­gel­be­ding­ten Ein­schrän­kun­gen – tat­säch­lich ge­nutzt hat, so ist die Hö­he der vom Ver­käu­fer zu er­set­zen­den Auf­wen­dun­gen nach der For­mel er­stat­tungs­fä­hi­ge Auf­wen­dun­gen = ge­sam­te Auf­wen­dun­gen − (ge­sam­te Auf­wen­dun­gen × xx) zu be­rech­nen. Da­bei ist x = \frac{\text{ge­fah­re­ne Ki­ko­me­ter}}{\text{er­war­te­te Ge­samt­lauf­leis­tung}}.

LG Müns­ter, Ur­teil vom 24.05.2024 – 10 O 94/21

Sach­ver­halt: Der Klä­ger er­warb von der Be­klag­ten, die ge­werb­lich mit Mo­tor­rä­dern han­delt, im No­vem­ber 2019 ein Mo­tor­rad. Zur Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses in Hö­he von 17.275 € schloss der Klä­ger ei­nen Dar­le­hens­ver­trag mit ei­ner Lauf­zeit von sie­ben Jah­ren zu ei­nem Zins­satz von 2,87 % p. a.

Der Klä­ger er­setz­te den Ori­gi­nal­schalt­he­bel des Mo­tor­rads durch ei­nen Zu­be­hör­schalt­he­bel, für den er 129,95 € auf­wand­te. Zu­dem er­warb der Klä­ger für das Mo­tor­rad ver­schie­de­ne An­bau- und Zu­be­hör­tei­le (u. a. ei­nen Hal­ter von ein Na­vi­ga­ti­ons­ge­rät, ei­nen Sturz­bü­gel, ei­nen Tan­kruck­sack mit Ad­ap­ter­ring und ei­ne Hin­ter­ra­dab­de­ckung), die auf die Ma­schi­ne zu­ge­schnit­ten sind und für die er an­der­wei­tig kei­ne Ver­wen­dung hat. Hier­für wand­te der Klä­ger ins­ge­samt 1.063,97 € auf.

Im Ju­ni 2020 wand­te sich der Klä­ger erst­mals an ei­ne Nie­der­las­sung des Mo­tor­rad­her­stel­lers und rüg­te die Funk­ti­ons­tüch­tig­keit von Schal­tung be­zie­hungs­wei­se Ge­trie­be des Mo­tor­rads in Ver­bin­dung mit der Mo­tor­brem­se. Dar­über in­for­mier­te der Her­stel­ler die Be­klag­te. Dar­auf­hin wur­de das Mo­tor­rad in Ab­stim­mung mit der Be­klag­ten mehr­fach in der Nie­der­las­sung des Her­stel­lers un­ter­sucht. Ein kon­kre­ter Man­gel konn­te zwar nicht fest­ge­stellt wer­den, doch wur­den vor­sorg­lich ver­schie­de­ne Tei­le des Mo­tor­rads aus­ge­tauscht.

Nach ei­ni­gen Pro­be­fahr­ten mit dem Mo­tor­rad rüg­te der Klä­ger, dass wei­ter­hin Pro­ble­me mit dem zwei­ten Gang be­stün­den. Der Her­stel­ler konn­te bei wei­te­ren Un­ter­su­chun­gen des Mo­tor­rads kei­nen Feh­ler fest­stel­len.

Am 19.02.2021 setz­te der Klä­ger der Be­klag­ten – er­folg­los – ei­ne Frist von 14 Ta­gen zur Be­sei­ti­gung des Man­gels. Mit E-Mail vom 15.04.2021 un­ter­brei­te­te er der Be­klag­ten fol­gen­den Vor­schlag:

„Mein An­ge­bot, um die Sa­che oh­ne Ge­richt zeit­nah aus der Welt zu schaf­fen, wä­re ei­ne Er­stat­tung von 16.700 €. […] Bit­te tei­len Sie [mei­nem Rechts­walt] mor­gen schrift­lich mit, wie Sie wei­ter vor­ge­hen möch­ten.“

Zu­gleich bat der Klä­ger die Be­klag­te, schrift­lich mit sei­nem Rechts­an­walt zu kom­mu­ni­zie­ren.

Die Be­klag­te re­agier­te zu­nächst nicht.

Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 22.04.2021 setz­te der Klä­ger der ei­ne wei­te­re, am 14.05.2021 en­den­de Frist zur Nach­bes­se­rung. Die Be­klag­te bat mit Schrei­ben vom 26.04.2021 um ei­ne Ver­län­ge­rung der Nach­bes­se­rungs­frist, weil die Werk­statt ak­tu­ell über­las­tet sei und es Schwie­rig­kei­ten bei der Er­satz­teil­lie­fe­rung ge­be. Ei­ne Frist­ver­län­ge­rung lehn­te der spä­te­re Pro­zess­be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers mit Schrei­ben vom 29.04.2021 ab und for­der­te die Be­klag­te auf, bis zum 14.05.2021 „ein ver­nünf­ti­ges, rea­li­täts­na­hes – der Sach- und Rechts­la­ge an­ge­pass­tes – An­ge­bot für die ein­ver­nehm­li­che Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags zu un­ter­brei­ten“. Dar­auf­hin er­klär­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 14.05.2021, sie neh­me das Ver­gleichs­an­ge­bot des Klä­gers vom 15.04.2021 an.

Der Klä­ger er­klär­te mit Schrei­ben vom 19.05.2021 den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag über das Mo­tor­rad und for­der­te die Be­klag­te zur Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses ab­züg­lich ei­nes Nut­zungs­wert­er­sat­zes in Hö­he von 922,48 €, mit­hin zur Rück­zah­lung von 16.352,52 € auf. Zu­dem ver­lang­te er Auf­wen­dungs­er­satz in Hö­he von (129,95 € + 1.063,97 € =) 1.193,92 € so­wie den Er­satz von Fi­nan­zie­rungs­kos­ten in Hö­he von 445,62 €.

Im Zeit­punkt des Rück­tritts wies das Mo­tor­rad ei­ne Lauf­leis­tung von 8.010 km auf.

Der Klä­ger be­haup­tet, erst­mals im Mai 2020 sei es zu ei­nem Pro­blem mit der Gang­schal­tung be­zie­hungs­wei­se dem Ge­trie­be des Mo­tor­rads ge­kom­men. Wenn man das Mo­tor­rad bei ein­ge­leg­tem zwei­ten Gang mit­tels der Mo­tor­brem­se ab­brem­se und, ins­be­son­de­re beim Ein­fah­ren in ei­ne Kur­ve, die Gän­ge wech­se­le, sprän­gen die­se plötz­lich her­aus.

Er ist der Auf­fas­sung, dass er sich mit der Be­klag­ten nicht ein­ver­nehm­lich auf ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­ei­nigt ha­be. Sein An­ge­bot vom 15.04.2021 sei be­fris­tet ge­we­sen („mor­gen“); je­den­falls aber ha­be es die Be­klag­te am 14.05.2021 nicht mehr an­neh­men kön­nen (§ 147 II BGB). Mit ih­rem Schrei­ben vom 14.05.2021 ha­be ihm die Be­klag­te da­her al­len­falls ih­rer­seits ein An­ge­bot un­ter­brei­tet (§ 150 I BGB), das er je­doch nicht an­ge­nom­men ha­be.

Bei der Be­mes­sung des Wert­er­sat­zes – so meint der Klä­ger – sei ei­ne zu er­war­ten­de Ge­samt­lauf­leis­tung von 150.000 km an­zu­set­zen.

Die Be­klag­te hat die Ab­wei­sung der Kla­ge be­an­tragt und be­haup­tet, dass bei dem Mo­tor­rad der zwei­te Gang her­aus­sprin­ge, sei dar­auf zu­rück­zu­füh­ren, dass der Klä­ger den Ori­gi­nal­schalt­he­bel nach der Über­ga­be des Mo­tor­rads durch ei­nen Zu­be­hör­schalt­he­bel aus­ge­tauscht ha­be. Ab­ge­se­hen da­von – so hat die Be­klag­te gel­tend ge­macht – ge­he der am 19.05.2021 er­klär­te Rück­tritt des Klä­gers ins Lee­re, weil sich die Par­tei­en zu­vor ein­ver­nehm­lich auf ei­ne Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags ge­ei­nigt hät­ten. Je­den­falls sei der Wert­er­satz, den ihr der Klä­ger im Fal­le ei­ner Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags schul­de, an­hand ei­ner zu er­war­ten­den Ge­samt­lauf­leis­tung von 80.000 km zu be­rech­nen. Auf­wen­dun­gen müs­se sie dem Klä­ger al­len­falls Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be der von dem Klä­ger er­wor­be­nen An­bau- und Zu­be­hör­tei­le er­set­zen.

Die Kla­ge hat­te größ­ten­teils Er­folg.

Aus den Grün­den: I. Der An­trag zu 1 ist über­wie­gend be­grün­det. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te ei­nen An­spruch auf Zah­lung von 15.891,27 €, Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­rads, aus § 433 I 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 1 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, 346 I, II 1 Nr. 1, §§ 348, 320 I 1 BGB. Der An­spruch setzt sich aus dem zu­rück­zu­zah­len­den Kauf­preis in Hö­he von 17.275 € ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 1.383,73 € zu­sam­men.

1. Die Par­tei­en ha­ben im No­vem­ber 2019 ei­nen Kauf­ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Mo­tor­rad ge­schlos­sen. Auf das Ver­trags­ver­hält­nis sind die kauf­recht­li­chen Be­stim­mun­gen in der bis ein­schließ­lich 31.12.2021 gel­ten­den Fas­sung an­wend­bar (Art. 229 § 58 EGBGB).

2. Das Fahr­zeug war im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs auch man­gel­haft.

a) Es eig­ne­te sich nach der Über­zeu­gung des Ge­richts je­den­falls nicht für die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung und es wies nicht die Be­schaf­fen­heit auf, die bei Sa­chen der glei­chen Art üb­lich ist und die der Käu­fer nach der Art der Sa­che er­war­ten kann (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F.).

Die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ei­ner Sa­che ist da­bei ob­jek­tiv aus der Art der Sa­che und den Ver­kehrs­krei­sen, de­nen der Käu­fer an­ge­hört, ab­zu­lei­ten. Die ge­wöhn­li­che und er­wart­ba­re Be­schaf­fen­heit ist die Nor­mal­be­schaf­fen­heit von Sa­chen der­sel­ben Art mit dem­sel­ben Qua­li­täts­stan­dard, die ein Durch­schnitts­käu­fer er­war­ten kann (vgl. hier­zu ins­ge­samt Grü­ne­berg/​Wei­den­kaff, BGB, 83. Aufl. [2024], § 434 Rn. 27).

Die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung ei­nes Mo­tor­rads ist die Nut­zung im Stra­ßen­ver­kehr. Ins­be­son­de­re bei ei­nem Neu­kauf geht der Käu­fer be­rech­tig­ter­wei­se da­von aus, dass er das Fahr­zeug dort pro­blem­los fort­be­we­gen kann. Er darf er­war­ten, dass Schal­tung und Ge­trie­be ein­wand­frei funk­tio­nie­ren (vgl. Grü­ne­berg/​Wei­den­kaff, a. a. O., § 434 Rn. 67), ins­be­son­de­re, dass sich al­le Gän­ge pro­blem­los hoch- und run­ter­schal­ten las­sen.

Das Ge­richt ist nach er­folg­ter Be­weis­auf­nah­me durch Ein­ho­lung ei­nes Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens samt Er­gän­zungs­gut­ach­ten da­von über­zeugt, dass bei dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­rad der zwei­te Gang in den Leer­lauf springt, wenn man mit dem Mo­tor­rad mit­tels Mo­tor­brem­se bei ein­ge­leg­tem zwei­ten Gang beim An­brem­sen, ins­be­son­de­re auf Grund der Ein­fahrt in ei­ne Kur­ve, die Gän­ge wech­selt. Denn zu die­sem Er­geb­nis ist der ge­richt­lich be­stell­te Sach­ver­stän­di­ge nach ein­ge­hen­der Be­gut­ach­tung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Fahr­zeugs samt meh­re­rer mit ei­ner Ka­me­ra do­ku­men­tier­ter Pro­be­fahr­ten ge­langt. Der Gut­ach­ter konn­te die vom Klä­ger be­schrie­be­nen Schalt­pro­ble­me in sei­nem ers­ten Gut­ach­ten voll­um­fäng­lich be­stä­ti­gen (Bl. 6 des Gut­ach­tens vom 05.04.2022). Im Rah­men ei­ner Pro­be­fahrt auf ei­ner Stre­cke von 26 km ist der zwei­te Gang nach An­ga­ben des Gut­ach­ters ins­ge­samt vier­mal im Schub­be­trieb in den Leer­lauf ge­sprun­gen (Bl. 6 des Gut­ach­tens vom 05.04.2022). Dies be­stä­tigt auch die Fo­to­do­ku­men­ta­ti­on (An­la­ge 3 zum Gut­ach­ten).

Die­se Fehl­funk­ti­on ba­siert zur Über­zeu­gung des Ge­richts nicht auf ei­ner Fehl­be­die­nung des Klä­gers be­zie­hungs­wei­se des Sach­ver­stän­di­gen. Die Ein­wen­dung der Be­klag­ten, dass das Her­un­ter­schal­ten vom drit­ten in den zwei­ten Gang so­wohl durch den Klä­ger als auch durch den Gut­ach­ter bei zu ho­hen Dreh­zah­len er­folgt sei, über­zeugt nicht. Das Hand­buch gibt hier­zu kei­nen kon­kre­ten Rah­men für ein Her­un­ter­schal­ten vor. Et­wai­ge Warn­hin­wei­se be­schrän­ken sich dar­auf, dass ein Her­un­ter­schal­ten bei zu ho­hen Mo­tor­dreh­zah­len zu ei­nem Blo­ckie­ren des Hin­ter­rads oder zu ei­ner Be­schä­di­gung des Mo­tors füh­ren könn­te (Ab­schnitt „Schal­ten“ des Fah­rer­hand­buchs). Die wei­te­ren Vor­ga­ben zum Schal­ten (kraft­vol­le Pe­dal­be­we­gung mit Durch­lauf des ge­sam­ten Stell­wegs) wur­den durch den Sach­ver­stän­di­gen ein­ge­hal­ten. Es ist zu­dem nicht dar­ge­legt, wel­che Dreh­zah­len „zu hoch“ sein sol­len, um ein Her­un­ter­schal­ten vor­zu­neh­men. Das Hand­buch ent­hält kei­nen Hin­weis dar­auf, in ei­nem be­stimm­ten Dreh­zahl­be­reich nicht zu schal­ten, da­mit der Gang nicht her­aus­springt. Die Dreh­zahl­an­zei­ge reicht bis zu 12.000 U/min, und auf der An­zei­ge ist le­dig­lich der Be­reich ab 10.000 U/min rot mar­kiert. Die Nenn­leis­tung des Mo­tor­rads ent­fal­tet sich nach An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen bei 9.500 U/min Dass der Dreh­zahl­be­reich zwi­schen 5.000 und 8.000 U/min, in dem der Sach­ver­stän­di­ge schal­te­te, zu hoch sein könn­te, um ein Her­un­ter­schal­ten bei ei­nem man­gel­frei­en Mo­tor­rad pro­blem­los durch­füh­ren zu kön­nen, ist vor die­sem Hin­ter­grund nicht an­zu­neh­men. Ein Be­die­nungs­feh­ler ist un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen nicht er­sicht­lich.

Der Sach­ver­stän­di­ge konn­te auch plau­si­bel den Ein­wand der Be­klag­ten, dass er die Ge­trie­be­tei­le nicht aus­ge­baut und un­ter­sucht ha­be, ent­kräf­ten. Er ha­be ei­ne Un­ter­su­chung der ge­gen­ständ­li­chen Ge­trie­be­bau­tei­le bis­her we­gen Ga­ran­tie­an­sprü­chen un­ter­las­sen. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten ist des­halb aber nicht of­fen, ob das Ge­trie­be tat­säch­lich ei­nen Feh­ler auf­weist. Der Sach­ver­stän­di­ge konn­te auf­grund sei­ner Be­fun­de bei den Pro­be­fahr­ten si­cher sa­gen, dass das Ge­trie­be ei­nen Feh­ler auf­weist, da an­de­re Ur­sa­chen, ins­be­son­de­re ein fal­sches Schalt­ver­hal­ten, nicht in Be­tracht kä­men. An­ders lässt sich auch nicht er­klä­ren, war­um sich das Pro­blem nur beim zwei­ten Gang zeig­te. Ein Aus­bau der Ge­trie­be­tei­le war zur voll­stän­di­gen Be­ant­wor­tung der Be­weis­fra­gen da­her nicht not­wen­dig und konn­te un­ter­blei­ben.

b) Nach der Über­zeu­gung des Ge­richts lag der Man­gel am streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­rad auch be­reits bei Ge­fahr­über­gang am 14.11.2019 vor.

aa) Für das Vor­lie­gen des Man­gels be­reits bei Ge­fahr­über­gang ist der Klä­ger nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet. Auf die Ver­mu­tung des § 477 BGB a.F. kann sich der Klä­ger nicht be­ru­fen, da er ein Auf­tre­ten des Man­gels in­ner­halb der ers­ten sechs Mo­na­te nach Über­ga­be (bis zum 14.05.2020) nicht nach­wei­sen konn­te. Die von der Be­klag­ten be­strit­te­ne Be­haup­tung des Klä­gers, das Her­aus­sprin­gen des zwei­ten Gangs sei erst­mals im Mai 2020 auf­ge­tre­ten, hat der Klä­ger nicht un­ter Be­weis ge­stellt. Viel­mehr gibt er so­gar selbst in ei­ner E-Mail vom 16.02.2021 an: „Das Gan­ze läuft seit 06.2020.“

bb) Der Klä­ger konn­te aber be­wei­sen, dass der Man­gel be­reits bei Über­ga­be vor­lag.

Für Ge­währ­leis­tungs­rech­te ist es aus­rei­chend, wenn der Man­gel im Zeit­punkt der Über­ga­be noch nicht auf­ge­tre­ten ist, aber die Ur­sa­che schon be­stand. Dann ist der Kauf­ge­gen­stand be­reits we­gen der be­ste­hen­den Ur­sa­che man­gel­haft (BGH, Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 35; Grü­ne­berg/​Wei­den­kaff, a. a. O., § 434 Rn. 7).

So liegt der Fall hier, da der nach­träg­li­che Ein­bau des Zu­be­hör­schalt­he­bels – als ein­zi­ge in Be­tracht kom­men­de Ver­än­de­rung an dem Fahr­zeug – zur Über­zeu­gung des Ge­richts nicht zu der Fehl­funk­ti­on ge­führt hat. Der Sach­ver­stän­di­ge stell­te nach­voll­zieh­bar dar, dass zwi­schen dem Zu­be­hör­schalt­he­bel und dem Rah­men nach sei­ner Mes­sung noch 0,8 mm lä­gen, so­dass die Gän­ge durch­weg voll­stän­dig ge­schal­tet wer­den könn­ten. Auch die Über­prü­fung mit ein­ge­bau­tem Ori­gi­nal­schalt­he­bel wei­se kei­ne er­heb­li­chen Un­ter­schie­de zwi­schen den He­beln auf, die die He­be­kraft be­ein­flus­sen könn­ten. Bei ei­ner wei­te­ren Pro­be­fahrt auf ei­ner Stre­cke von 24 km hät­ten sich die vor­be­zeich­ne­ten Schalt­pro­ble­me auch mit dem Ori­gi­nal­schalt­he­bel ge­zeigt. Aus tech­ni­scher Sicht be­stün­den zwi­schen dem se­ri­en­mä­ßi­gen Schalt­he­bel und dem Zu­be­hör­schalt­he­bel au­ßer der op­ti­schen Er­schei­nung kei­ne Un­ter­schie­de (Bl. 8 des Er­gän­zungs­gut­ach­tens vom 31.1.2024 und Ab­bil­dung 5 auf Bl. 9 die­ses Gut­ach­tens). Da bei­de He­bel gleich lang sei­en, ha­be der Zu­be­hör­schalt­he­bel kei­nen Ein­fluss auf das Ein­le­gen der Gän­ge ge­habt.

c) Das Ge­richt schließt sich den Aus­füh­run­gen des Sach­ver­stän­di­gen voll­um­fäng­lich an, da die­ser von ei­ner rich­ti­gen und voll­stän­di­gen Tat­sa­chen­grund­la­ge aus­ge­gan­gen ist und kei­ne Zwei­fel an sei­ner fach­li­chen Kom­pe­tenz oder Un­par­tei­lich­keit be­ste­hen.

3. Der Klä­ger hat auch ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist zur Nach­er­fül­lung ge­setzt (§ 323 I BGB).

Die Frist soll dem Schuld­ner ei­ne letz­te Ge­le­gen­heit zur Er­brin­gung der ge­schul­de­ten Leis­tung er­öff­nen und braucht da­her nicht so be­mes­sen zu wer­den, dass der Schuld­ner die noch nicht be­gon­ne­ne Leis­tung erst an­fan­gen und fer­tig­stel­len kann. Der Schuld­ner soll viel­mehr in die La­ge ver­setzt wer­den, die be­reits in An­griff ge­nom­me­ne Leis­tung zu voll­enden (Grü­ne­berg/​Grü­ne­berg, BGB, 83. Aufl. [2024], § 323 Rn. 14, § 281 Rn. 10). Im Rah­men von Ge­währ­leis­tungs­rech­ten ist die maß­geb­li­che Leis­tung die Nach­er­fül­lung ge­mäß § 439 I BGB. Der Be­klag­ten war seit Ju­ni 2020 be­kannt, dass es am klä­ge­ri­schen Mo­tor­rad Pro­ble­me mit dem zwei­ten Gang gab. Der Klä­ger setz­te ihr erst­mals am 19.02.2021 ei­ne Frist von 14 Ta­gen zur Nach­er­fül­lung. Die­se war in An­be­tracht des be­reits vor­an­ge­gan­ge­nen Zeit­raums, in der die Be­klag­te das Pro­blem kann­te und auch die Mög­lich­keit hat­te, das Pro­blem zu fin­den, an­ge­mes­sen.

Auf die wei­te­re an­walt­li­che Frist­set­zung vom 22.04.2021 bis zum 14.05.2021, die im Üb­ri­gen eben­falls er­folg­los ab­lief, kommt es da­her nicht an.

4. Der Klä­ger hat den Rück­tritt auch ge­mäß § 349 BGB mit Schrei­ben vom 19.05.2021 er­klärt. Hier­durch hat sich das Ver­trags­ver­hält­nis in ein Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis um­ge­wan­delt.

5. Der Rück­tritt ist schließ­lich auch nicht aus­ge­schlos­sen.

a) Zu­nächst ha­ben die Par­tei­en kei­nen au­ßer­ge­richt­li­chen Ver­gleich über die Rück­ab­wick­lung des Mo­tor­rad­kauf­ver­trags vor Aus­übung des Rück­tritts­rechts ge­schlos­sen. Zwar hat der Klä­ger der Be­klag­ten ge­gen­über mit Schrei­ben vom 15.04.2021 er­klärt, dass er be­reit sei, das Fahr­zeug ge­gen Zah­lung von 16.700 € zu­rück­zu­ge­ben. Die­ses An­ge­bot ist al­ler­dings er­lo­schen (§ 146 Fall 2 BGB).

Es kann da­hin­ste­hen, ob die Auf­for­de­rung am En­de der E-Mail, sich bis „mor­gen“ bei dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers zu mel­den, nach Aus­le­gung vom ob­jek­ti­ven Emp­fän­ger­ho­ri­zont ge­mäß §§ 133, 157 BGB als Be­fris­tung i. S. des § 148 BGB an­zu­se­hen ist. Je­den­falls ist das An­ge­bot nach § 147 II BGB am 14.05.2021 nicht mehr an­nah­me­fä­hig ge­we­sen.

Nach § 147 II BGB kann der ei­nem Ab­we­sen­de ge­mach­te An­trag nur bis zu dem Zeit­punkt an­ge­nom­men wer­den, bis zu dem der An­tra­gen­de den Ein­gang der Ant­wort un­ter re­gel­mä­ßi­gen Um­stän­den er­war­ten darf. Die nach § 147 II BGB zu be­mes­sen­de Bin­dungs­frist be­steht aus drei Kom­po­nen­ten, der Trans­port­frist des An­ge­bots, der Über­le­gungs­frist („De­li­be­ra­ti­ons­frist“) des An­ge­bots­emp­fän­gers und der Trans­port­frist für die An­nah­me­er­klä­rung (MünchKomm-BGB/​Bu­sche, 9. Aufl. [2021], § 147 Rn. 35).

Die Trans­port­frist für An­ge­bot und An­nah­me­er­klä­rung sind bei dem ge­nutz­ten E-Mail-Ver­kehr zu ver­nach­läs­si­gen. Hin­sicht­lich der De­li­be­ra­ti­ons­frist ist vor­lie­gend zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Be­klag­te als Un­ter­neh­me­rin mit der Pro­ble­ma­tik be­reits vor­be­fasst war und sämt­li­che Um­stän­de be­kannt wa­ren. Der Klä­ger hat deut­lich zum Aus­druck ge­bracht, dass er zum ei­nen an ei­ner schnel­len Lö­sung in­ter­es­siert ist und zum an­de­ren ei­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on über sei­nen Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten wünscht. Die Be­klag­te kor­re­spon­dier­te im An­schluss zwar mit dem Pro­zess­be­voll­mäch­tig­ten, ging aber im Schrei­ben vom 26.04.2021 nicht auf das An­ge­bot vom 15.04.2021, son­dern auf das an­walt­li­che Schrei­ben vom 22.04.2021 ein. Spä­tes­tens ab die­sem Zeit­punkt muss­te der Klä­ger un­ter die­sen Um­stän­den nach ob­jek­ti­vem Maß­stab nicht mehr da­mit rech­nen, dass sein An­ge­bot vom 15.04.2021 noch an­ge­nom­men wer­den wür­de.

Die An­nah­me­er­klä­rung der Be­klag­ten vom 14.05.2021 geht als sol­che ins Lee­re und ist ge­mäß § 150 I BGB als ein neu­es An­ge­bot zu wer­ten, wel­ches der Klä­ger je­doch sei­ner­seits nicht an­ge­nom­men hat.

b) Des Wei­te­ren ist die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten nicht un­er­heb­lich i. S. des § 323 V 2 BGB. Die Er­heb­lich­keits­prü­fung er­for­dert ei­ne um­fas­sen­de In­ter­es­sen­ab­wä­gung (Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 32). Der Man­gel be­ein­flusst die Fahr­si­cher­heit des Mo­tor­rads und ist des­we­gen als er­heb­lich an­zu­se­hen.

6. Der An­spruch auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses für das Mo­tor­rad be­steht nur ab­züg­lich ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung in Hö­he von 1.383,73 € (§ 346 I, II 1 Nr. 1 BGB).

Die Be­klag­te hat im Rah­men des Rück­ge­währ­schuld­ver­hält­nis­ses ei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Nut­zungs­ent­schä­di­gung für den Ge­brauch des Mo­tor­rads durch den Klä­ger. Dem steht der Man­gel nicht ent­ge­gen. Der Klä­ger konn­te das Mo­tor­rad trotz des Pro­blems mit dem zwei­ten Gang nut­zen. Wür­de er kei­nen Nut­zungs­er­satz zah­len müs­sen, wä­re er zu Un­recht be­rei­chert.

a) Da Ge­brauchs­vor­tei­le (§ 100 BGB) nicht in na­tu­ra her­aus­ge­ge­ben wer­den kön­nen, ist Wert­er­satz zu leis­ten (vgl. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 323 Rn. 8).

b) Für die Be­rech­nung des Nut­zungs­er­sat­zes hat das Ge­richt die fol­gen­de For­mel zu­grun­de ge­legt (vgl. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 346 Rn. 10; Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, Der Au­to­kauf, 14. Aufl., Rn. 3563):

{\frac{\text{Kauf­preis}\times\text{ge­fah­re­ne Ki­lo­me­ter}}{\text{er­war­te­te Ge­samt­lauf­leis­tung}}}.

Nach den in­so­weit un­strei­ti­gen An­ga­ben der Par­tei­en be­lief sich der Ki­lo­me­ter­stand im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung des Klä­gers auf 8.010 km. Ei­ne wei­te­re Nut­zung des Mo­tor­rads – mit Aus­nah­me der Pro­be­fahr­ten durch den Sach­ver­stän­di­gen – wur­de nicht vor­ge­tra­gen. Die ab­wei­chen­de An­ga­be des Sach­ver­stän­di­gen in sei­nem Erst­gut­ach­ten (An­la­ge 1, Bild 5) be­ruh­te auf ei­ner Ver­wech­se­lung mit den Ki­lo­me­tern, die bis zum nächs­ten Ser­vice­ter­min in der Werk­statt ge­fah­ren wer­den konn­ten.

Das Ge­richt schätzt die Ge­samt­lauf­leis­tung ei­nes durch­schnitt­li­chen Mo­tor­rads der Mar­ke Tri­umph M. (Bau­jahr 2019) ana­log § 287 ZPO auf 100.000 km. Bei Au­tos ist ei­ne Ge­samt­lauf­leis­tung von 250.000 bis 300.000 km an­er­kannt (Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 346 Rn. 10). Da Mo­tor­rä­der im Ver­gleich zu Au­tos ei­nen ge­rin­ge­ren Hub­raum ha­ben, ha­ben sie auch ei­ne ge­rin­ge Ge­samt­lauf­leis­tung. Zu­dem wird ein Mo­tor­rad schon aus Wit­te­rungs­grün­den auf das Jahr ge­se­hen we­ni­ger ge­nutzt als ein Au­to. Der Wert von 100.000 km liegt auch im Be­reich des­sen, was in an­de­ren Ur­tei­len an­ge­nom­men wird (vgl. zur Lauf­leis­tung die Recht­spre­chungs­über­sicht von Eg­gert, in: Rein­king/​Eg­gert, a. a. O., Rn. 3574).

Den un­strei­ti­gen Kauf­preis in Hö­he von 17.275 € zu­grun­de ge­legt, er­gibt sich fol­gen­de Be­rech­nung:

{\frac{\text{11.275 €}\times\text{8.010 km}}{\text{100.000 km}} = \text{1.383,73 €}}.

7. Der An­spruch auf Zah­lung von (17.275 € − 1.383,73 €) = 15.891,27 € ist Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­rads an die Be­klag­te durch­setz­bar (§§ 348, 320 I 1 BGB).

II. Der Fest­stel­lungs­an­trag zu 2 ist be­grün­det. Der Klä­ger hat der Be­klag­ten die Rück­ga­be des Fahr­zeugs Zug um Zug ge­gen Rück­über­eig­nung des Kauf­prei­ses an­ge­bo­ten § 295 Satz 1 Fall 2 BGB). Die­ses An­ge­bot wur­de je­den­falls durch die Kla­ge­er­wi­de­rung zu­rück­ge­wie­sen.

III. Der Klä­ger hat in Be­zug auf die Fi­nan­zie­rungs­kos­ten zu­dem ei­nen An­spruch ge­gen die Be­klag­te auf Zah­lung von 1.162,62 € aus §§ 433 I 2 BGB, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB.

Ge­mäß § 284 BGB kann der Gläu­bi­ger an­stel­le des Scha­dens­er­sat­zes statt der Leis­tung Er­satz der Auf­wen­dun­gen ver­lan­gen, die er im Ver­trau­en auf den Er­halt der Leis­tung ge­macht hat und bil­li­ger­wei­se ma­chen durf­te, es sei denn, de­ren Zweck wä­re auch oh­ne die Pflicht­ver­let­zung des Schuld­ners nicht er­reicht wor­den. Der An­spruch kann ge­mäß § 325 BGB auch bei ei­nem Rück­tritt gel­tend ge­macht wer­den.

1. Die Vor­aus­set­zun­gen des Scha­dens­er­sat­zes statt der Leis­tung ge­mäß § 281 BGB sind er­füllt. Die Be­klag­te hat trotz an­ge­mes­se­ner Frist­set­zung den Man­gel am Mo­tor­rad nicht be­ho­ben oder ei­ne an­de­re Ma­schi­ne nach­ge­lie­fert (§ 439 I BGB). Die Pflicht­ver­let­zung war auch aus den ge­zeig­ten Grün­den nicht un­er­heb­lich i. S. des § 281 I 3 BGB. Die Be­klag­te hat ih­re Pflicht­ver­let­zung auch zu ver­tre­ten, da sie sich nicht ent­las­tet hat (§ 280 I 2 BGB).

2. Bei Fi­nan­zie­rungs­kos­ten in Form von Dar­le­hens­zin­sen han­delt es sich grund­sätz­lich auch um Auf­wen­dun­gen. Auf­wen­dun­gen sind vom Gläu­bi­ger im Hin­blick auf den Er­halt der Leis­tung er­brach­te frei­wil­li­ge Ver­mö­gens­op­fer. Sie kön­nen auch in der Ein­ge­hung von Ver­bind­lich­kei­ten be­ste­hen (vgl. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 284 Rn. 3). Auch Kos­ten ei­ner nutz­los ge­wor­de­nen Fi­nan­zie­rung sind über § 284 BGB er­satz­fä­hig (Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 284 Rn. 3).

Der Klä­ger hat ei­nen Dar­le­hens­ver­trag mit sie­ben­jäh­ri­ger Lauf­zeit zu 2,87 % Zin­sen p. a. ab­ge­schlos­sen, um den Kauf des Mo­tor­rads zu ei­nem Preis von 17.275 € fi­nan­zie­ren zu kön­nen.

3. Die­se Auf­wen­dung hat der Klä­ger auch im Ver­trau­en auf den Er­halt der Leis­tung durch die Be­klag­te ge­tä­tigt, das heißt im Ver­trau­en dar­auf, dass die­se man­gel­frei leis­tet oder je­den­falls nach­er­füllt (zum Ver­trau­en s. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 284 Rn. 6).

4. Der Bil­lig­keit der Auf­wen­dung ste­hen un­ter dem Ge­sichts­punkt des § 254 BGB kei­ne Be­den­ken ent­ge­gen (zur Bil­lig­keit s. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 284 Rn. 6).

5. Al­ler­dings sind Auf­wen­dun­gen nur in­so­weit er­satz­fä­hig, wie ihr Zweck durch die Schlecht­leis­tung ver­ei­telt wor­den ist (vgl. BGH, Urt. v. 13.10.2015 – X ZR 126/14 Rn. 31).

In­fol­ge des Man­gels am streit­ge­gen­ständ­li­chen Mo­tor­rad ist nicht die ge­sam­te Fi­nan­zie­rung für den Klä­ger nutz­los ge­wor­den. Be­züg­lich der in der Zeit vom 12.11.2019 bis zur Er­klä­rung des Rück­tritts am 19.05.2021 ge­fah­re­nen 8.010 km wa­ren die auf­ge­wand­ten Dar­le­hens­zin­sen nicht nutz­los. Wä­re das Mo­tor­rad nicht man­gel­haft ge­we­sen, hät­ten die Fi­nan­zie­rungs­kos­ten und der Ver­zehr des Kauf­prei­ses bis zum Er­rei­chen der Ge­samt­lauf­leis­tung ne­ben­ein­an­der­ge­stan­den und bei­des hät­te vom Klä­ger ge­tra­gen wer­den müs­sen. Bei­de Kos­ten­fak­to­ren wä­ren dann aber durch die ent­spre­chen­de Nut­zung des Mo­tor­rads durch den Klä­ger auf­ge­wo­gen wor­den (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2005 – 28 U 60/05). Dies gilt grund­sätz­lich auch für die Nut­zung des Mo­tor­rads bis zum Rück­tritt. Der Klä­ger hat an die Be­klag­te für die tat­säch­li­che Nut­zung des Fahr­zeugs – wie ge­zeigt – ei­ne Nut­zungs­ver­gü­tung zu ent­rich­ten. In­so­weit tritt in Be­zug auf den tat­säch­li­chen Ge­brauch durch den Klä­ger kei­ne Frus­tra­ti­on der Fi­nan­zie­rungs­kos­ten ein (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 08.09.2005 – 28 U 60/05). Die bei der Rück­ab­wick­lung ei­nes Kauf­ver­trags zu ent­rich­ten­de Nut­zungs­ver­gü­tung er­fasst auf­grund ih­rer li­nea­ren Be­rech­nung aus­schließ­lich die Ab­schrei­bung des Kauf­prei­ses. In­so­weit wer­den die mit den Fi­nan­zie­rungs­kos­ten ver­schaff­ten Nut­zungs­mög­lich­kei­ten von der Zah­lung der Nut­zungs­ver­gü­tung nicht er­fasst. Erst der Weg­fall der tat­säch­li­chen Nut­zungs­mög­lich­keit nach dem Rück­tritt lässt die im Ver­trau­en auf ei­nen un­ge­stör­ten Ge­brauch des Fahr­zeugs vor­ge­nom­me­ne Fi­nan­zie­rung des Kauf­prei­ses nutz­los wer­den.

Vor­lie­gend sind un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser Er­wä­gun­gen 1.662,62 € er­stat­tungs­fä­hig.

Für die Be­rech­nung der frus­trier­ten Auf­wen­dun­gen hat das Ge­richt die fol­gen­de For­mel zu­grun­de ge­legt (vgl. OLG Bran­den­burg, Urt. v. 18.3.2020 – 4 U 53/19): er­stat­tungs­fä­hi­ge Auf­wen­dun­gen = ge­sam­te Fi­nan­zie­rungs­kos­ten − (ge­sam­te Fi­nan­zie­rungs­kos­ten × x), wo­bei x = \frac{\text{ge­fah­re­ne Ki­ko­me­ter}}{\text{er­war­te­te Ge­samt­lauf­leis­tung}}.

Das be­deu­tet im vor­lie­gen­den Fall: x = \frac{\text{8.010 km}}{\text{100.000 km}} = 0,08 = 8\,\%, so­dass gilt: er­stat­tungs­fä­hi­ge Auf­wen­dun­gen = 1.807,20 € − (1.807,20 € × 8 %) = 1.662,62 €.

6. Oh­ne die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten wä­re der Zweck der Auf­wen­dung voll­stän­dig er­reicht wor­den (zur Ren­ta­bi­li­tät s. Grü­ne­berg/Grü­ne­berg, a. a. O., § 284 Rn. 7).

IV. Der Klä­ger hat ge­gen die Be­klag­te zu­dem ei­nen An­spruch auf Auf­wen­dungs­er­satz für die fol­gen­den An­bau­tei­le in Hö­he von ins­ge­samt 1.193,92 € aus § 433 I 2, § 434 I 2 Nr. 2 BGB a.F., § 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB:

Zu­be­hör­schalt­he­bel 129,95 €
Hal­ter für Na­vi­ga­ti­ons­sys­tem 107,64 €
Wind­schutz­schei­be (Pu­ig) 101,18 €
Som­mer­wind­schutz­schei­be (Görz) 82,80 €
Sturz­bü­gel (HEED) 304,00 €
Küh­ler­schutz und Ga­bel­pro­tek­tor 105,51 €
Tan­kruck­sack mit Ad­ap­ter­ring 202,85 €
Hin­ter­ra­dab­de­ckung 159,99 €

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 281 BGB lie­gen vor. Der je­wei­li­ge Er­werb der An­bau- be­zie­hungs­wei­se Zu­be­hör­tei­le stellt auch ei­ne bil­li­ge Auf­wen­dung dar, die für den Klä­ger durch die Rück­ga­be des Fahr­zeugs im Rah­men des Rück­tritts nutz­los wird. Der Klä­ger hat die Auf­wen­dun­gen im Ver­trau­en dar­auf ge­tä­tigt, die ein­zel­nen Tei­le lang­fris­tig an dem Fahr­zeug nut­zen zu kön­nen. Er kann die ein­zel­nen Tei­le auch nicht an­der­wei­tig ver­wen­den, da es sich um maß­an­ge­fer­tig­te Pro­duk­te han­delt. Oh­ne die Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten wä­ren die Auf­wen­dun­gen auch nicht nutz­los ge­wor­den.

Der An­spruch ist aber nur Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be der im Te­nor nä­her be­zeich­ne­ten Tei­le an die Be­klag­te durch­setz­bar (§§ 348, 320 I 1 BGB), da der Klä­ger sonst zu Un­recht be­rei­chert wä­re.

V. Die Zins­an­sprü­che … be­ste­hen ge­mäß §§ 291, 288 I 2 BGB, § 187 I BGB ana­log erst ab dem 15.07.2021. Ver­zugs­zin­sen ab ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt sind man­gels dar­ge­leg­ten Ver­zugs nicht be­grün­det. Grün­de für ei­ne ent­behr­li­che Frist­set­zung sind nicht er­sicht­lich.

VI. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 92 I 1 Fall 2 ZPO.

Da in Be­zug auf den An­trag zu 4 ei­ne Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung aus­zu­spre­chen war, ist dies bei den Kos­ten zu be­rück­sich­ti­gen. Es ist ein fik­ti­ver Streit­wert zu bil­den. Der Wert des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts be­trägt da­bei 100 % der dies­be­züg­li­chen Kla­ge­for­de­rung, al­so 1.193,92 €. …

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