Die Angabe des Kilometerstands in einem Kaufvertrag über ein gebrauchtes Kraftfahrzeug führt regelmäßig zu einer Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 I 1 BGB a.F.) des Inhalts, dass das Fahrzeug eine entsprechende – für den Käufer entscheidende – Laufleistung aufweist.
OLG Brandenburg, Urteil vom 24.08.2022 – 4 U 78/20
Sachverhalt: Der Kläger erwarb als Verbraucher von der als Unternehmerin handelnden Beklagten für 45.400 € einen gebrauchten Pkw Porsche Carrera S. Dieses importierte Fahrzeug hatte die Beklagte auf einer Internetplattform zum Kauf angeboten und dabei – und auch später – einen Kilometerstand von 26.200 angegeben.
Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug habe, als es ihm übergeben worden sei, eine Laufleistung von mindestens 112.000 km gehabt, und mit dieser Begründung den Kaufpreis um 20.157,60 € gemindert. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Angabe des Kilometerstands habe insbesondere deshalb nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung geführt, weil der Porsche Carrera S ein Importfahrzeug sei, das sie lediglich als Kommissionsgut weiterverkauft habe.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Angabe des Kilometerstands habe nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung geführt; vielmehr handele es sich dabei lediglich um eine Wissensmitteilung. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liege nur vor, wenn für den Käufer keine Zweifel daran verbleiben könnten, dass der gewerbliche Gebrauchtwagenhändler eine bestimmte Fahrzeugbeschaffenheit verbindlich zusagen wolle. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt.
Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der damit sein Klagebegehren – Zahlung von 20.157,60 € nebst Zinsen sowie Ersatz außergerichtlich angefallener Anwaltskosten (1.171,67 € nebst Zinsen) – weiterverfolgte, hatte zum Teil Erfolg: Sie führte zu einer Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 5.175,60 € nebst Zinsen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Aus den Gründen: II. … Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 433 I 2 BGB, § 434 I 1 BGB a.F., § 437 Nr. 2 Fall 2, § 441 BGB.
1. Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag zustande gekommen. Dass die Beklagte dabei lediglich als Vertreterin einer (unbekannt gebliebenen) dritten Partei aufgetreten ist, ist nicht ersichtlich. Dies würde gemäß § 164 I BGB voraussetzen, dass die Beklagte ihr Handeln unter fremden Namen beim Vertragsschluss wenigsten konkludent zum Ausdruck gebracht hat. Dies ist hier jedoch mit der Bezeichnung der Rechnung als „Kommissionsrechnung“ und der ohne Angabe des vermeintlich Vertretenen nicht verständlichen Angabe „Fahrzeug wird durch den Vermittler o. g. … verkauft“ nicht hinreichend erfolgt. Auch folgt eine Vertretung gerade nicht aus dem Umstand, dass es sich um ein importiertes Fahrzeug handelt.
2. Das Fahrzeug ist mangelhaft, da es nicht der vereinbarten Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB a.F. entspricht.
Wie der Sachverständige nachvollziehbar und zur Überzeugung des Senat festgestellt hat, betrug die Laufleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Übergabe tatsächlich 112.000 km statt der im Vertrag genannten 26.200 km.
Die Angabe des Kilometerstands eines gebrauchten Kraftfahrzeugs im Rahmen eines Kaufvertrages ist regelmäßig – so auch hier – als vereinbarte Beschaffenheit i. S. des § 434 I 1 BGB a.F. anzusehen (vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, 8. Aufl. [2019], § 434, Rn. 61–72). Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Parteien mit „26.200 km“ eine Laufleistung vereinbart haben und nicht etwa nur den Stand des Tachometers. Eine solche Kilometerangabe ist aus der maßgeblichen Sicht eines Kaufinteressenten nicht als Wiedergabe des Tachometerstands, sondern als Angabe der Laufleistung zu verstehen. Dem Kaufwilligen kommt es, wie allgemein bekannt ist, nicht auf den Tachometerstand, sondern auf die Laufleistung an. Er kann und darf daher davon ausgehen, dass eine ohne Einschränkung oder deutlichen gegenteiligen Hinweis gemachte Kilometerangabe sich auf die für ihn entscheidende Laufleistung des Fahrzeugs bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2006 – VIII ZR 92/06, BGHZ 170, 86 = NJW 2007, 1346 Rn. 15). Die vom Landgericht zitierten Entscheidungen betreffen im Wesentlichen die Voraussetzungen des § 444 BGB, auf den es hier nicht ankommt. Denn insbesondere auf einen Ausschluss der Sachmängelgewährleistung kann sich die Beklagte wegen § 476 I BGB hier nicht berufen.
3. Die Höhe des tenorierten Minderungsanspruchs ergibt sich aus § 441 III BGB. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Den Wert der mangelfreien Sache zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hat der Sachverständige auf 46.500 € und den wirklichen Wert auf 41.200 € bestimmt, woraus sich eine Minderung von 11,4 % ergibt. Gemessen am vereinbarten Kaufpreis ergibt sich daraus ein Minderungsbetrag von 5.175,60 €.
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 I, II Nr. 1, § 288 I BGB, nachdem der Kläger die Beklagte mit Frist zum 24.12.2018 zur Zahlung aufgefordert hat.
5. Einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten hat der Kläger nicht. Die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch nach § 437 Nr. 3 Fall 1 BGB sind nicht gegeben, da es an einem Verschulden der Beklagten mangelt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Beklagten (bzw. einem Wissensvertreter der Beklagten i. S. des § 31 BGB) der falsche Tachometerstand bekannt war. Auch aus Verzugsgesichtspunkten sind außergerichtliche Anwaltskosten nicht zu erstatten, weil die Anwaltsbeauftragung bereits vor Eintritt des Verzugs erfolgte.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 I 1 ZPO. …