Wird ein Pkw als „Diebstahlsrückläufer“ ohne Hinweis auf eine veränderte Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) zum Kauf angeboten und überprüft der gewerblich mit Kraftfahrzeugen handelnde Käufer vor Abschluss des Kaufvertrags nicht, ob die in der Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil II eingetragene mit der am Fahrzeug angebrachten Fahrzeug-Identifizierungsnummer übereinstimmt, handelt der Käufer grob fahrlässig i. S. von § 442 I 2 BGB, ohne dass dem Verkäufer Arglist zur Last fällt.
OLG Rostock, Urteil vom 01.06.2021 – 4 U 156/19
Sachverhalt: Der Kläger, der ebenso wie der Beklagte mit Gebrauchtwagen handelt, begehrt die Rückabwicklung eines mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrags über einen gebrauchten Ford Kuga (Ausstattungsvariante „Titanium“). Dieses Fahrzeug hatte der Beklagte auf der Internetplattform „mobile.de“ zum Preis von 13.790 € zum Kauf angeboten; gekauft hat es der Kläger schließlich mit Vertrag vom 10.04.2014 für 13.400 €.
Der Beklagte hatte den streitgegenständlichen Pkw seinerseits am 26.03.2014 als „Diebstahlsrückläufer“ erworben, wobei er darauf hingewiesen worden war, dass die Fahrzeug-Identifizierungsnummer („Fahrgestellnummer“) verfälscht worden sei.
Der Kläger macht geltend, dass der Beklagte ihn vor Abschluss des hier interessierenden Kaufvertrags nicht darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass das Fahrzeug eine verfälschte „Fahrgestellnummer“ aufweise. Er, der Kläger, habe die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) erst nach Abschluss des Kaufvertrags und Zahlung des Kaufpreises überprüfen können, weil die Fahrzeugpapiere erst bei der Abholung des Pkw seinem Mitarbeiter M ausgehändigt worden seien. Hätte der Beklagte ihn auf die verfälschte Fahrzeug-Identifizierungsnummer hingewiesen, hätte er den Pkw niemals erworben. Denn weil die in den Fahrzeugpapieren vermerkte Fahrzeug-Identifizierungsnummer nicht mit der am Fahrzeug angebrachten Fahrzeug-Identifizierungsnummer übereinstimme, könne er den Pkw praktisch nicht weiterverkaufen. Die verfälschte Fahrzeug-Identifizierungsnummer zu entfernen und stattdessen die richtige Fahrzeug-Identifizierungsnummer anzubringen, sei mit einem erheblichen (Kosten-)Aufwand verbunden. Der Beklagte sei gleichwohl nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrags bereit, obwohl er, der Kläger, mehrfach die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt habe. Hinzu komme, dass in der Reparaturhistorie des Ford Kuga am 09.08.2012 ein Kilometerstand von 84.283 vermerkt worden sei; der Kilometerstand könne daher bei Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags (14.04.2014) nicht 67.900 betragen haben.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung von 13.698,26 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Ford Kuga, sowie den Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten beansprucht. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass der Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug ist.
Der Beklagte hat eine arglistige Täuschung in Abrede gestellt und behauptet, er habe den Kläger vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Ford Kuga um ein gestohlenes Fahrzeug handele, das von der Versicherung zurückgeführt worden sei. Bei der Abholung des Fahrzeugs – nach Zahlung des Kaufpreises – habe der Mitarbeiter des Klägers M die verfälschte „Fahrgestellnummer“ zwar beanstandet. M habe das Fahrzeug nach telefonischer Rücksprache mit dem Kläger dann aber doch mitgenommen. Eine Änderung der verfälschten Fahrzeug-Identifizierungsnummer sei ohne Weiteres möglich und erfordere einen Kostenaufwand von maximal 70,50 €.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Schwerin, Urt. v. 14.11.2019 – 5 O 160/14). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe gegen den Beklagten einen mangelbedingten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises (13.400 €), Zug um Zug gegen Rückgewähr des Ford Kuga. Das Fahrzeug sei bereits bei der Übergabe an den Kläger mangelhaft gewesen. Es sei nicht zulassungsfähig, weil an drei Stellen (Bodenblech, Tür, Windschutzscheibe) jeweils eine verfälschte Fahrzeug-Identifizierungsnummer angebracht sei. Dieser Mangel, den der Beklagte dem Kläger vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrags unstreitig nicht offenbart habe, sei nicht geringfügig i. S. von § 323 V 2 BGB. Ein – wie hier – behebbarer Mangel sei in der Regel schon dann nicht mehr geringfügig, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises übersteige. Hier verlaufe die Grenze deshalb angesichts eines Kaufpreises von 1.340 € (brutto) bei 670 €, und diese Grenze sei überschritten. Denn nach dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen S betrage der Kostenaufwand für die „Wiedereinrichtung“ der in den (echten) Fahrzeugpapieren vermerkten Fahrzeug-Identifizierungsnummer voraussichtlich insgesamt 1.574,32 € (brutto). Der Kläger habe die falsche Fahrzeug-Identifizierungsnummer bei der Übernahme des Fahrzeugs nicht akzeptiert. Vielmehr habe er den streitgegenständlichen Kaufvertrag – auch nach der Schilderung des Beklagten – schon kurze Zeit nach der Übernahme des Pkw rückgängig machen wollen, was der Beklagte verweigert habe. Über die Rückzahlung des Kaufpreises hinaus könne der Kläger von dem Beklagten den Ersatz nutzloser Aufwendungen (u. a. Fahrkosten) sowie vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten beanspruchen. Auch sei festzustellen, dass der Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug sei.
Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: I. Die Berufung ist zulässig und begründet.
A. Der Zulässigkeit der Berufung stand weder die Formulierung des (ursprünglichen) Berufungsantrags des Beklagten entgegen noch eine unzureichende Begründung des Rechtsmittels.
1. Der Fassung des Antrags des Beklagten in seiner fristgerecht eingereichten Berufungsbegründung war bei isolierter Betrachtung abweichend von § 520 III 2 Nr. 1 ZPO nicht zu entnehmen, dass er das erstinstanzliche Urteil (überhaupt) anfocht und dessen Abänderung beantragte; denn dieser Antrag ging dahin, der Klage antragsgemäß stattzugeben, was ausweislich der Entscheidung des Landgerichts im ersten Rechtszug schon geschehen war (vgl. auch OLG Hamburg, Urt. v. 26.09.1986 – 1 U 2/85, BeckRS 9998, 57575: Unzulässigkeit des Rechtsmittels ohne Sachbitte um eine in der Sache günstigere Entscheidung). Allerdings reicht es aus, wenn sich die Sachbitte zumindest durch Auslegung der Rechtsmittelbegründungsschrift feststellen lässt. Insoweit lag in der Zusammenschau von Antrag und Begründung dem Ersteren ein offensichtliches Schreibversehen zugrunde, nachdem der Beklagte über mehrere Seiten dazu argumentierte, warum das landgerichtliche Urteil unrichtig sei, und damit ersichtlich war, dass er in dessen Abänderung mit seinem Rechtsmittel tatsächlich eine Abweisung der Klage erstrebte (vgl. zu einer Auslegung von Berufungsanträgen bei offensichtlichen Schreibfehlern etwa auch OLG Koblenz, Urt. vom 16.09.2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 48; OLG Köln, Beschl. v. 17.07.2017 – 22 U 60/16, juris Rn. 2; OLG Düsseldorf, Urt. v. 02.09.2010 – 2 U 24/10, juris Rn. 3). Die entsprechend geänderte Antragstellung in der mündlichen Berufungsverhandlung hatte vor diesem Hintergrund lediglich deklaratorische Bedeutung.
2. Ebenso genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 III 2 ZPO.
a) Die Berufungsbegründung muss danach erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Die genannten Vorschriften dienen dem Zweck, eine Klarstellung und Konzentration des Streitstoffs für die Berufungsinstanz zu erreichen. Deshalb muss der Berufungsführer mit der Berufungsbegründung klarstellen, in welchen Punkten und mit welcher Begründung er das Berufungsurteil angreift. Im Falle der uneingeschränkten Anfechtung muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil infrage zu stellen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl. [2020], § 520 Rn. 33 m. w. Nachw.).
b) Dem wird die Begründung des Rechtsmittels des Beklagten schon insofern gerecht, als er unter anderem eine Nachbesserungsaufforderung als Voraussetzung eines Rücktritts des Klägers sowie eine ausreichende Rücktrittserklärung vermisst. Zudem hat der Beklagte die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten für eine Wiedereinrichtung der richtigen Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) im Hinblick auf die für eine Rückabwicklung des Kaufvertrags notwendige Überschreitung der Geringfügigkeitsschwelle infrage gestellt, soweit der Gutachter eine Wiederherstellung des korrodierten Bodenblechs, das jedenfalls für sich genommen dem Gewährleistungsausschluss unterfalle, in diesen Aufwand mit einbezogen hat. Weder die Schlüssigkeit noch auch nur die Vertretbarkeit der Begründung sind darüber hinaus Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels (vgl. BGH, Beschl. v. 21.05.2003 – VIII ZB 133/02, juris Rn. 10 m. w. Nachw.).
B. Die Berufung ist auch begründet, weil die zulässige Klage ihrerseits unbegründet ist.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 13.698,35 €.
Abweichend von der Bezifferung der Hauptforderung im Klageantrag zu 1 mit 13.698,26 € ist von dem eingangs genannten, um 0,09 € höheren Betrag auszugehen, weil nunmehr umgekehrt der Angabe des Klägers bei seiner Antragsformulierung ein offensichtliches Schreib- bzw. Rechenversehen zugrunde liegt; so ist ihm hinsichtlich des Ergebnisses der Multiplikation der Kilometer für die Fahrtstrecke mit der betreffenden Pauschale in den Dezimalstellen ein Zahlendreher – 170,01 € statt (richtig) 170,10 € – unterlaufen.
a) Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.400 € ergibt sich für den Kläger weder aus § 433 I 2, §§ 434 I BGB, § 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323 I, II, 326 V BGB, §§ 346 I, 349 BGB noch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB (Leistungskondiktion) i. V. mit § 123 I Fall 1, § 142 I BGB.
aa) Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag ist nicht aufgrund eines von dem Kläger erklärten und von dem Landgericht ausschließlich geprüften Rücktritts rückabzuwickeln.
(1) Die in dem Schriftsatz vom 16.05.2014 wegen der geänderten Fahrzeug-Identifizierungsnummer (ausdrücklich) erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung enthält zugleich einen Rücktritt, zumindest im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB; der Kläger hat unmissverständlich erkennen lassen, dass er ungeachtet des verwendeten Begriffs der Anfechtung den mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag auf jeden Fall und damit unter jedem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt rückabgewickelt wissen wollte, wobei zur wirksamen Erklärung eines Rücktritts ein Gebrauch dieses Wortes nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 182/08, juris Rn. 15 f. m. w. Nachw.).
(2) Der Kläger kann aber zum einen keine Gewährleistungsrechte aufgrund der unrichtig angezeigten Laufleistung geltend machen, auch wenn diese als Mangel des streitgegenständlichen Fahrzeugs unabhängig davon einzuordnen ist, ob es sich bei ihr um eine vereinbarte Beschaffenheit handelt (vgl. dazu OLG Köln, Urt. v. 13.03.2007 – 22 U 170/06, juris Rn. 6 f. m. w. Nachw.); es ist nämlich ein Verlust diesbezüglicher Gewährleistungsrechte des Klägers aufgrund einer Versäumung seiner Rügeobliegenheiten gemäß § 377 I bis III HGB eingetreten.
(a) Der streitgegenständliche Kaufvertrag war für beide Parteien ein Handelsgeschäft i&nbs;S. von §§ 1 I, 343 I HGB, weil es sich bei ihnen jeweils um gewerbliche Fahrzeughändler handelt und der Erwerb bzw. die Veräußerung von Kraftfahrzeugen zu dem Betrieb ihres Handelsgewerbes gehört; das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob eine ordnungsgemäß Mängelrüge vorliegt (vgl. Steimle/Dornieden, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. [2019], § 377 Rn. 85 m. w. Nachw.).
(b) Eine Rüge, welche den Anforderungen des § 377 I bis III HGB entspräche, ist hinsichtlich des unrichtig angezeigten Kilometerstands nicht ersichtlich.
(aa) Notwendig ist eine Rüge jedes einzelnen Mangels; die Rüge des einen wirkt nicht in Bezug auf einen anderen (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1997 – VIII ZR 231/96, juris Rn. 26 m. w. Nachw.). Neben der hinreichend konkreten Bezeichnung der Mängel muss die Rüge erkennen lassen, dass der Käufer von den aus dem Mangel für ihn hervorgehenden Rechten Gebrauch machen will; Erklärungen oder Anzeigen eines Dritten zu einem Mangel sind deshalb nicht ausreichend (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 04.01.2012 – 5 U 980/11, juris Rn. 10 m. w. Nachw.). Für einen entdeckten Mangel beträgt die Rügefrist ein bis zwei Tage (vgl. Leyens, in: Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. [2021], § 377 Rn. 35 m. w. Nachw.), wobei gemäß § 377 IV HGB die rechtzeitige Absendung der Anzeige genügt. Erfüllt der Käufer seine Rügeobliegenheit nicht oder verspätet, gilt die Ware gemäß § 377 II und III Halbsatz 2 HGB als genehmigt und der Käufer verliert sämtliche Ansprüche, welche sich aufgrund der vertraglichen Beziehungen wegen des (konkreten) Mangels ergeben (vgl. Steimle/Dornieden, in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, a. a. O., § 377 Rn. 68 f. m. w. Nachw.).
(bb) Der von dem Kläger zu einem höheren als dem angezeigten Kilometerstand vorgelegte Auszug aus der Datenbank des Herstellers des Wagens, aus dem er eine unrichtige Anzeige der Laufleistung erkannte, datiert vom 23.04.2014; eine diesbezügliche Rüge geht dagegen erst aus dem über drei Wochen später gefertigten Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16.05.2014 hervor, der eine Rücktrittserklärung wegen dieses Umstands enthält. Es lag damit keine i. S. von § 377 I bis III HGB rechtzeitige Mängelrüge vor.
(c) Der Annahme des Rechtsverlusts des Klägers bezogen auf seine Gewährleistungsansprüche steht schließlich nicht gemäß § 377 V HGB entgegen, dass der Beklagte arglistig gehandelt hätte.
(aa) Im Hinblick auf ein dafür notwendiges vorsätzliches Handeln des Beklagten verweist der Kläger schon lediglich auf für jenen bestehende Untersuchungspflichten sowie darauf, dass der Beklagte wegen der Eigenschaft des hier betroffenen Fahrzeugs als Diebstahlsrückläufer eine höhere Laufleistung „für möglich gehalten haben müsste“. Diesen Formulierungen lässt sich höchstens eine Fahrlässigkeit des Beklagten entnehmen, abgesehen davon, dass bei dem Alter des Wagens von fünfeinhalb Jahren eine Laufleistung von 67.900 km keine Zweifel begründen mussten, dass ein nach üblichen Maßstäben zu geringer Kilometerstand ausgewiesen werde (vgl. so zu einer durchschnittlichen Laufleistung eines „normalen“ Gebrauchtfahrzeugs von 13.000 km/Jahr auch OLG Köln, Urt. v. 13.03.2007 – 22 U 170/06, juris Rn. 7 m. w. Nachw.).
(bb) Eine arglistige Täuschung durch die Zusicherung des Vorliegens oder Fehlens bestimmter Umstände ohne gesicherte Erkenntnisgrundlage „ins Blaue hinein“ ist wiederum nur anzunehmen, wenn ein Verkäufer eine den Kaufgegenstand betreffende Behauptung ohne Hinweis auf seinen begrenzten Kenntnisstand in einer Weise aufstellt, dass beim Käufer der Eindruck vermittelt wird, dies geschehe auf der Basis verlässlicher Erkenntnisse (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.2006 – VIII ZR 209/05, BGHZ 168, 64 = juris Rn. 15). Derartige Umstände liegen hier deshalb nicht vor, weil die Erklärung des Beklagten im schriftlichen Kaufvertrag zu dem ausgewiesenen Kilometerstand mit dem einschränkenden Zusatz „soweit ihm bekannt“ versehen ist.
(3) Zum anderen mag auch die Veränderung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer einen Sachmangel ausmachen, weil ihrer Authentizität im deutschen Fahrzeughandel eine maßgebliche Bedeutung insofern zukommt, als diese Kennzeichnung in Verbindung mit den Fahrzeugpapieren dem Nachweis der Eigentumsverhältnisse dient; umgekehrt deutet die Veränderung der ursprünglich eingeprägten Fahrzeug-Identifizierungsnummer regelmäßig darauf hin, dass das Fahrzeug gestohlen wurde (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 09.04.2015 – 28 U 207/13, juris Rn. 73 m. w. Nachw.). Gewährleistungsrechte des Klägers sind in diesem Zusammenhang allerdings gemäß § 442 I 2 BGB ausgeschlossen.
(a) Zwar finden sich kein Angebot eines unmittelbaren Beweises oder auch nur eine direkte Behauptung des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 80. Aufl. [2021], § 442 Rn. 6 m. w. Nachw.) dahin gehend, dass der von dem Kläger zur Abholung des Fahrzeugs entsandte Mitarbeiter die Verfälschung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer vor dem Abschluss des Kaufvertrags i. S. von § 442 I 1 BGB erkannt hätte. Zwischen den Parteien ist allein die von dem Beklagten mehrfach in Bezug genommene Dauer der Untersuchung des Autos durch den betreffenden Mitarbeiter streitig. Unabhängig davon, ob diese nun lediglich eine Viertelstunde oder doch zwei Stunden gedauert hat, lässt sich daraus in keinem Fall auch nur im Wege eines Indizes mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Schluss darauf ziehen, dass die veränderte Fahrzeug-Identifizierungsnummer dabei entdeckt worden ist und der Kläger den Mangel in der Folge bei Vertragsschluss positiv gekannt hat.
(b) Die Verfälschung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ist dem Kläger dann jedoch nach § 442 I 2 BGB wegen grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, ohne dass der Beklagte den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit des Pkw abgegeben hätte.
(aa) Grob fahrlässig handelt der Käufer, wenn er die verkehrserforderliche Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt und dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
[1] Der Käufer ist dabei prinzipiell nicht zu einer Untersuchung der Kaufsache oder gar zur Zuziehung eines Sachverständigen verpflichtet; das gilt auch bei einem Handelskauf, weil § 377 HGB eine Untersuchung erst unverzüglich nach der Ablieferung vorsieht. In der Ausnahme von diesem Grundsatz muss der Käufer jedoch Erkundigungen einziehen, wenn die Umstände des Falls ihn zu besonderer Vorsicht mahnen oder wenn er über eine besondere Sachkunde verfügt. Wird der Käufer darüber hinaus durch den Verkäufer oder einen Dritten auf einen Mangel hingewiesen, begründet dies in der Regel bereits Kenntnis des Mangels i. S. von § 442 I 1 BGB. Jedenfalls ist es aber als grob< fahrlässig anzusehen, wenn der Käufer dem Hinweis dann nicht durch eine eigene Untersuchung des Kaufgegenstands oder anderweitige Informationsbeschaffung nachgeht; denn ein ausdrücklicher Hinweis auf eine Mangelhaftigkeit ist als besonderer Umstand anzusehen, der dem Käufer Anlass zu einer eigenständigen Überprüfung gibt und damit eine entsprechende Sorgfaltspflicht auslöst, deren Verletzung den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigt (vgl. BeckOK-BGB/Faust, Stand: 01.02.2021, § 442 Rn. 22 f.; BeckOGK/Stöber, Stand: 01.08.2018, § 442 BGB Rn. 29, jeweils m. w. Nachw.).
[2] Nach diesen Maßstäben kann hier nicht außer Acht gelassen werden, dass der Beklagte dem Kläger jedenfalls offengelegt hat, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Auto um einen Diebstahlsrückläufer handele, und es sich bei Letzterem um einen gewerblichen Kraftfahrzeughändler handelt, der über erhöhte Fachkenntnisse hinsichtlich damit verbundener Risiken verfügt. Dies musste für ihn eine Überprüfung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer unabhängig davon nahelegen, mit welcher (streitigen) Häufigkeit solche Verfälschungen bei gestohlenen Fahrzeugen auftreten; bereits allgemein lässt sich sagen, dass bei Sachen, die besonders dem Risiko des Diebstahls ausgesetzt sind oder – wie hier – bekanntermaßen schon Objekt eines solchen waren, eine Pflicht zu bejahen ist, jedenfalls unmittelbar vor einem Vertragsschluss Erkundigungen einzuziehen (vgl. so zu Prüfungspflichten des Verkäufers auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.09.2004 – 8 U 97/04, juris Rn. 63 ff.: Wird ein Gebrauchtfahrzeug außerhalb der „offiziellen“ Vertriebswege [dort: aufgrund eines Angebots im Internet] erworben, ist es einem gewerblichen Kraftfahrzeughändler wegen des hohen Diebstahlsrisikos zumutbar, Erkundigungen über die Herkunft des Fahrzeugs einzuholen; im Rahmen dieser Prüfung ist die im Fahrzeugbrief vermerkte Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit der im Fahrzeug eingeschlagenen Nummer zu vergleichen.). Hat der Kläger derartige Untersuchungsschritte unterlassen, rechtfertigt dies den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.
(bb) Während eine von dem Beklagten abgegebene Beschaffenheitsgarantie von vornherein nicht im Raum steht, fehlt es ebenso an den Voraussetzungen eines arglistigen Handelns des Beklagten, welches einem zu seinen Gunsten eingreifenden Haftungsausschluss entgegenstünde.
[1] Eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen bedingt das Bestehen einer Aufklärungs- beziehungsweise Offenbarungspflicht hinsichtlich der fraglichen Tatsache. Entscheidend dafür ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung im Einzelfall redlicherweise eine Aufklärung über den verschwiegenen Umstand erwarten durfte; insbesondere ist über solche Umstände aufzuklären, die nur der eine Vertragsteil kennt und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind, etwa weil sie den Vertragszweck vereiteln können. Eine solche Offenbarungspflicht setzt mithin ein erkennbares Informationsgefälle zwischen den Vertragsparteien voraus, welches bei einem in Geschäften der in Rede stehenden Art erfahrenen, sach- und geschäftskundigen Vertragspartner in Ansehung geschäftstypischer Risiken fehlen kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich derjenige, der einen Vertrag schließt, seine Interessen selbst wahrzunehmen und sich darüber zu vergewissern hat, ob das Geschäft für ihn von Vorteil ist oder nicht (vgl. BeckOK-BGB/Wendtland, Stand: 01.02.2021, § 123 Rn. 11 m. w. Nachw.); der Käufer kann danach beispielsweise keine Aufklärung über Mängel erwarten, die einer Besichtigung zugänglich und damit erkennbar sind, weil er solche Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann (vgl. BGH, Urt. v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30 = juris Rn. 17 m. w. Nachw.). Zusammengefasst erstrecken sich die Aufklärungspflichten einer Vertragspartei folglich nicht auch noch auf die letzte Einzelheit oder Konsequenz aus den mitgeteilten Informationen, welche für die Entscheidung der anderen zum Vertragsschluss relevant werden kann und auf die grundsätzlich ebenfalls noch (ergänzend) hätte hingewiesen werden können; sie gehen vielmehr nur so weit, dass dem Vertragsgegner aufgrund der erteilten Auskünfte eine ausreichende Wahrung seiner Interessen zumindest möglich ist. Anders gesagt dient der Arglistvorwurf nicht als Sanktion im Hinblick auf die Einhaltung schon einer vielleicht so verstandenen geschäftlichen Etikette, sondern vielmehr erst der Verhinderung einer von dem Geschäftspartner ansonsten nicht abwendbaren Beeinträchtigung seiner Interessen.
[2] Nach diesen Vorgaben stellt die Veränderung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer an einem Pkw, der Gegenstand eines Diebstahls war, wegen der eingangs unter (3) erläuterten Bedeutsamkeit für den Nachweis der Eigentumsverhältnisse einerseits einen für die Entscheidung des Kaufinteressenten zum Vertragsabschluss durchaus maßgeblichen Umstand dar. Andererseits kann bei der Beurteilung eines Informationsgefälles zwischen den hier beteiligten Parteien erneut nicht außer Acht gelassen werden, dass der Kläger (ebenfalls) als gewerblicher Fahrzeughändler tätig ist. Als solcher war er aufgrund seiner Fachkenntnisse auf Angaben des Beklagten als Verkäufer nicht in dem Umfang angewiesen, wie dies bei dem privaten Kunden eines Gebrauchtwagenhändlers der Fall gewesen wäre. Der Kraftfahrzeughändler muss zwar nicht von vornherein mit einem unredlichen Verhalten seines Vertragspartners rechnen; er kann aber dessen Informationen etwa durch seine sachverständige Kontrolle und gezielte Rückfrage auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.06.2000 – 4 U 733/99, juris Rn. 7 m. w. Nachw., zum Umfang der Aufklärungspflichten hinsichtlich des Ausmaßes eines unfallbedingten Vorschadens sowie der zur Instandsetzung erforderlichen Arbeiten).
Im vorliegenden Fall hat der Beklagte seiner gegenüber dem Kläger bestehenden Aufklärungspflicht unter diesem Blickwinkel daher bereits dadurch genügt, dass er ihm jedenfalls mitteilte, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wagen um einen Diebstahlsrückläufer handelt, und ihm vor einer Besichtigung des Autos und dem Abschluss des Kaufvertrags die zutreffende Fahrzeug-Identifizierungsnummer übermittelte. Letzteres ist zumindest insofern zwischen den Parteien unstreitig, als der Kläger sich die Angabe auf seinem Ausdruck der Internetanzeige des Beklagten notierte; darauf, ob nach den gegenläufigen Behauptungen die Fahrzeugunterlagen selbst schon vorab übersandt oder erst nach der Vertragsunterzeichnung übergeben wurden, kommt es damit nicht an. Dem Kläger war damit die Möglichkeit eröffnet, bei dem Beklagten konkret zu (allen) Umständen nachzufragen, die mit der in der Vergangenheit erfolgten Entwendung des Pkw im Zusammenhang stehen konnten, und das Fahrzeug einer darauf gerichteten Untersuchung zu unterziehen.
[a] Von der ersteren Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht, was nicht zulasten des Beklagten gehen kann, sondern dem Kläger im Hinblick auf die ihm obliegende Wahrnehmung eigener Interessen zuzurechnen ist.
[b] Stattdessen hat er seinen zu dem Beklagten entsandten Mitarbeiter nach dessen Zeugenaussage etwa zu einer Prüfung angewiesen, ob an dem Auto das Schloss gestochen sei oder sonstige Beschädigungen sichtbar seien; der Kläger hat sich bereits zu dahin gehenden Untersuchungen veranlasst gesehen, obwohl nach seiner Auffassung wegen der Mitteilung eines (bloßen) vorangegangenen Diebstahls des Wagens und der rechtlichen Abgrenzung zu dem davon unabhängigen Tatbestand einer Sachbeschädigung kein zwingendes Indiz (auch) für eine solche anzunehmen gewesen sei. In gleicher Weise musste danach bei dem Kläger als gewerblichem Autohändler darüber hinaus eine Prüfung dazu naheliegen, ob es zu einer Veränderung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer gekommen war; denn unabhängig davon, ob derartiges bei gestohlenen Autos eine Ausnahme darstellt, in den Kreisen des Klägers an seinem Geschäftssitz nicht üblich ist oder bei der Hälfte der betroffenen Fahrzeuge vorkommt, musste dem Kläger aufgrund seiner Fachkenntnisse zumindest eine solche Möglichkeit gewärtig sein. Hat er beziehungsweise sein Mitarbeiter dennoch eine Prüfung in dieser Hinsicht vor dem Vertragsschluss unterlassen, geht dies ebenfalls zu seinem Nachteil (anders im Ergebnis auch nicht OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.07.1999 – 22 U 21/99, juris Rn. 14, nachdem dort offenbar keine Aufklärung dazu erfolgt war, dass das Fahrzeug in der Vergangenheit überhaupt einmal Gegenstand eines Diebstahls war).
[aa] Ist der Offenbarungs- und Aufklärungspflicht des Verkäufers im Hinblick auf den Ausschluss eines arglistigen Vorgehens genügt, wenn aufgrund der erteilten Informationen Mängel „einer Besichtigung zugänglich beziehungsweise ohne Weiteres erkennbar“ oder „bei genauer Besichtigung ohne Weiteres erkennbar“ sind (vgl. so die vom Kläger selbst angeführten Entscheidungen: BGH, Urt. v. 08.04.1994 – V ZR 178/92, juris Rn. 13; Urt. v. 16.06.1989 – V ZR 74/88, juris Rn. 17; Hervorhebungen durch den Senat), bedingt dies im Übrigen eben nicht, dass es sich bereits um solche Fehler handelt, welche sich schon ohne nähere Nachschau als völlig offensichtlich aufdrängen (vgl. hierzu insbesondere auch BGH, Urt. v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, juris Rn. 17 m. w. Nachw., wo eine Arglist nicht von vornherein deshalb bejaht wurde, weil angesichts auf einem zu verkaufenden Grundstück noch vorhandener und besichtigter Anlagen sowie der Bezeichnung des Verkaufsobjekts als Säge- und Imprägnierwerk im Notarangebot ein Hinweis auf die vorhandenen Altlasten unterblieben war).
[bb] Dass die Verfälschung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer der Besichtigung zugänglich und erkennbar und das Erfordernis einer dahin gehenden Kontrolle nicht gänzlich abwegig war, ergibt sich nicht zuletzt aus der praktisch unmittelbaren Reklamation durch den Mitarbeiter des Klägers aufgrund eines Abgleichs mit den Fahrzeugunterlagen noch vor dem Verlassen des Betriebsgeländes des Beklagten.
bb) Ebenso wenig greift nach den Ausführungen zuvor unter aa (2 c) und (3 b bb) die von dem Kläger (ausdrücklich) erklärte Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 I Fall 1 BGB durch.
b) Mangels einer Gewährleistungshaftung des Beklagten ist ein Anspruch des Klägers auf Ersatz nutzloser Aufwendungen für Fahrt- und Personalkosten im Zusammenhang mit der Abholung des von dem Beklagten erworbenen Autos in (unstreitiger) Höhe von (170,10 € + 128,25 € =) 298,35 € gemäß § 433 I 2, §§ 434 I, 437 Nr. 3 Fall 2, § 284 BGB nicht gegeben.
2. Mit der Hauptforderung entfallen zudem Ansprüche des Klägers auf die von ihm geltend gemachten Nebenforderungen, weil Letztere von dem Bestehen Ersterer abhängig sind.
3. Ohne die Voraussetzungen einer Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrags ist abschließend kein Annahmeverzug des Beklagten bezogen auf die Rücknahme des von ihm an den Kläger veräußerten Wagens festzustellen. …