Zur Be­deu­tung ei­ner Voll­stän­dig­keits­klau­sel (hier: „Münd­li­che Ne­ben­ab­re­den be­ste­hen nicht.“) in ei­nem Miet­ver­trag über Ge­schäfts­räu­me.

BGH, Ur­teil vom 03.03.2021 – XII ZR 92/19

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten um rest­li­che Miet­for­de­run­gen aus dem Zeit­raum von April 2016 bis Mai 2017 und da­bei dar­um, ob die Mie­te we­gen ver­schie­de­ner Män­gel der Miet­sa­che ge­min­dert ist.

Die Be­klag­te mie­te­te von dem Klä­ger Ge­schäfts­räu­me in der ers­ten Eta­ge ei­nes his­to­ri­schen Post­ge­bäu­des zu ei­ner mo­nat­li­chen Mie­te von 4.592,67 € zu­züg­lich ei­ner Be­triebs­kos­ten­vor­aus­zah­lung in Hö­he von 1.803,77 €. Der Miet­ver­trag vom 30.07.2015 hat aus­zugs­wei­se den fol­gen­den In­halt:

§ 2 Miet­zweck
Die Ver­mie­tung er­folgt zum Be­trieb ei­ner Ta­ges­pfle­ge­ein­rich­tung.

§ 3 Zu­stand der Mie­träu­me
Die Räu­me wer­den durch den Ver­mie­ter vor Miet­be­ginn frisch re­no­viert wie ab­ge­spro­chen …

§ 14 Sons­ti­ges
1. Münd­li­che Ne­ben­ab­re­den zu die­sem Ver­trag be­ste­hen nicht.
2. Än­de­run­gen oder Er­gän­zun­gen des Ver­tra­ges sind nur wirk­sam, wenn sie schrift­lich ver­ein­bart wer­den.“

Die Räu­me wur­den der Be­klag­ten im April 2016 über­las­sen; seit­her wird in den Räum­lich­kei­ten ei­ne Ta­ges­pfle­ge­ein­rich­tung be­trie­ben. Die Be­klag­te be­haup­te­te ver­schie­de­ne Män­gel des Miet­ob­jekts und zahl­te zu kei­nem Zeit­punkt die voll­stän­di­ge Mie­te.

Der Klä­ger hat die Be­klag­te im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren auf Zah­lung rück­stän­di­ger Mie­te und Be­triebs­kos­ten­vor­aus­zah­lun­gen in Hö­he von ins­ge­samt 42.993,93 € nebst Zin­sen und auf Er­satz vor­ge­richt­lich an­ge­fal­le­ner Rechts­an­walts­kos­ten (1.358,86 € nebst Zin­sen) in An­spruch ge­nom­men. Da­ne­ben hat der Klä­ger Un­ter­las­sungs- und Fest­stel­lungs­an­sprü­che gel­tend ge­macht.

Das Land­ge­richt hat die Be­klag­te an­trags­ge­mäß zur Zah­lung ver­ur­teilt. Hier­ge­gen hat
sich die Be­klag­te mit der Be­ru­fung ge­wen­det. Der Klä­ger hat sich der Be­ru­fung an­ge­schlos­sen, weil das Land­ge­richt über sei­ne – im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht mehr re­le­van­ten – Un­ter­las­sungs- und Fest­stel­lungs­an­trä­ge nicht ent­schie­den ha­be. In der Be­ru­fungs­in­stanz hat der Klä­ger sei­ne Zah­lungs­an­sprü­che we­gen der in­zwi­schen ein­ge­tre­te­nen Ab­rech­nungs­rei­fe bei den Be­triebs­kos­ten in Hö­he von 3.343,34 € in der Haupt­sa­che ein­sei­tig für er­le­digt er­klärt. Das Ober­lan­des­ge­richt hat der Be­klag­ten dar­über hin­aus ei­ne Miet­min­de­rung von fünf Pro­zent zu­ge­stan­den. Un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser Min­de­rungs­quo­te hat es dem Klä­ger rück­stän­di­ge Mie­te in Hö­he von 37.668,49 € nebst Zin­sen zu­er­kannt, die Er­le­di­gung der Haupt­sa­che we­gen der ab­rech­nungs­rei­fen (ge­min­der­ten) Be­triebs­kos­ten­vor­aus­zah­lun­gen in Hö­he von 3.176,17 € fest­ge­stellt und dem Klä­ger ei­nen An­spruch auf Er­satz au­ßer­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten in Hö­he von 1.242,84 € nebst Zin­sen zu­ge­spro­chen.

Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wur­de das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts in­so­weit auf­ge­ho­ben und die Sa­che im Um­fang der Auf­he­bung zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [6]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung wie folgt be­grün­det: Der Be­klag­ten sei für den Zeit­raum von April 2016 bis Mai 2017 ei­ne Miet­min­de­rung in Hö­he von fünf Pro­zent we­gen ei­ner durch die Ein­fach­ver­gla­sung im „Be­su­cher­bad“ her­vor­ge­ru­fe­nen „ther­mi­schen Un­be­hag­lich­keit“ in den Win­ter­mo­na­ten zu­zu­bil­li­gen. Wei­te­re von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te Män­gel der Mie­träu­me – Miet­flä­chen­ab­wei­chung, Schim­mel­bil­dung, hin­der­li­che Tür­schwel­len, Ris­se an den Wän­den, un­ver­schlos­se­ne Fu­gen, feh­len­de Schrau­ben an den Tür­be­schlä­gen, Brand­schutz­män­gel – sei­en ent­we­der nicht vor­han­den, nicht be­wie­sen oder un­er­heb­lich. So­weit nach Über­ga­be der Mie­träu­me von dem Klä­ger noch rest­li­che Sa­nie­rungs­ar­bei­ten im Ob­jekt durch­ge­führt wor­den sei­en, sei­en die da­durch her­vor­ge­ru­fe­nen Be­ein­träch­ti­gun­gen durch die vom Klä­ger frei­wil­lig zu­ge­stan­de­ne Miet­min­de­rung für die Mo­na­te April und Mai 2016 an­ge­mes­sen ab­ge­gol­ten wor­den. Ab­ge­se­hen von den Be­son­der­hei­ten im Be­su­cher­bad stel­le die durch­ge­hen­de Ein­fach­ver­gla­sung der Mie­träu­me grund­sätz­lich kei­nen Man­gel dar. Nach dem schrift­li­chen Miet­ver­trag sei ei­ne Dop­pel­ver­gla­sung nicht ver­ein­bart. Dies las­se sich auch nicht aus der Ver­ein­ba­rung her­lei­ten, dass der Ver­mie­ter die Räu­me „frisch re­no­viert“ zu über­ge­ben ha­be. Denn ei­nen his­to­ri­schen Alt­bau „frisch“ zu „re­no­vie­ren“ be­deu­te kei­ne um­fas­sen­de „Sa­nie­rung“ in „Neu­bau­qua­li­tät“. Es ge­be in­so­weit auch kei­ne ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen für Ta­ges­pfle­ge­ein­rich­tun­gen. So­weit die Be­klag­te un­ter Zeu­gen­be­weis­an­tritt be­haup­tet ha­be, der Klä­ger ha­be vor Ver­trags­schluss münd­lich ei­ne wei­te­re Ver­gla­sung vor den Fens­tern ver­spro­chen, ha­be die­se Zu­sa­ge kei­nen Ein­gang in den Miet­ver­trag ge­fun­den. Viel­mehr hät­ten die Par­tei­en in § 14 Nr. 1 des Miet­ver­trags be­stä­tigt, dass münd­li­che Ne­ben­ab­re­den zum Ver­trag nicht be­stün­den. Selbst wenn es ei­ne sol­che Zu­sa­ge ge­ge­ben hät­te, wä­re sie des­we­gen nicht Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den und wür­de den Klä­ger nicht bin­den. Im Üb­ri­gen ha­be die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen, wann kon­kret der Klä­ger ei­ne sol­che Zu­sa­ge ge­macht ha­ben soll.

[7]    II. Dies hält recht­li­cher Über­prü­fung nicht stand. Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann ei­ne wei­ter­ge­hen­de Miet­min­de­rung we­gen der Ein­fach­ver­gla­sung der ge­sam­ten Mie­träu­me nicht ver­neint wer­den. Mit Recht wen­det sich die Re­vi­si­on ge­gen die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass sich aus § 3 Satz 1 des Miet­ver­trags („Die Räu­me wer­den durch den Ver­mie­ter vor Miet­be­ginn frisch re­no­viert wie ab­ge­spro­chen …“) selbst un­ter Be­rück­sich­ti­gung von münd­li­chen Ab­spra­chen vor Ver­trags­schluss kei­ne Ver­pflich­tung des Ver­mie­ters er­ge­ben kön­ne, die Fens­ter in den Mie­träu­men vor Miet­be­ginn mit ei­ner zu­sätz­li­chen Ver­gla­sung aus­zu­stat­ten.

[8]    1. Das Be­ru­fungs­ge­richt geht in Über­ein­stim­mung mit den Par­tei­en er­sicht­lich da­von aus, dass die Re­ge­lung in § 3 Satz 1 des Miet­ver­trags auf ei­ner in­di­vi­du­al­ver­trag­li­chen Ab­re­de der Par­tei­en be­ruht. Die Aus­le­gung von In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen ist grund­sätz­lich Sa­che des Tatrich­ters. Des­sen Aus­le­gung un-er­liegt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des BGH nur ei­ner ein­ge­schränk­ten re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prü­fung dar­auf, ob Ver­stö­ße ge­gen ge­setz­li­che Aus­le­gungs­re­geln, an­er­kann­te Aus­le­gungs­grund­sät­ze, sons­ti­ge Er­fah­rungs­sät­ze oder die Denk­ge­set­ze vor­lie­gen oder ob die Aus­le­gung auf Ver­fah­rens­feh­lern be­ruht, weil bei­spiels­wei­se we­sent­li­ches Aus­le­gungs­ma­te­ri­al un­ter Ver­stoß ge­gen Ver­fah­rens­vor­schrif­ten au­ßer Acht ge­las­sen wor­den ist (vgl. Se­nat, Urt. v. 08.04.2020 – XII ZR 120/18, NZM 2020, 507 Rn. 16 m. w. Nachw.). Auch in An­be­tracht die­ses ein­ge­schränk­ten Über­prü­fungs­maß­stabs wird die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung den recht­li­chen An­for­de­run­gen an die Ver­trags­aus­le­gung nicht ge­recht.

[9]    a) Bei der Aus­le­gung sind in ers­ter Li­nie der Wort­laut der Er­klä­rung und der dem Wort­laut zu ent­neh­men­de ob­jek­tiv er­klär­te Par­tei­wil­le zu be­rück­sich­ti­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 23.09.2020 – XII ZR 86/18, WuM 2021, 27 Rn. 22 m. w. Nachw.). Das Be­ru­fungs­ge­richt ist der Auf­fas­sung, dass ei­ne fri­sche Re­no­vie­rung be­griff­lich ein­deu­tig von ei­ner Sa­nie­rung in Neu­bau­qua­li­tät ab­zu­gren­zen sei und die Ver­ein­ba­rung des­halb die zu­sätz­li­che Ver­gla­sung der ein­fach­ver­glas­ten Alt­bau­fens­ter nicht um­fas­sen kön­ne. Un­ab­hän­gig da­von, ob die­se Be­ur­tei-lung zu­trifft, wird da­bei al­ler­dings schon der Wort­laut der strei­ti­gen Re­ge­lung in § 3 Satz 1 des Miet­ver­trags nicht voll­stän­dig aus­ge­schöpft, der mit dem Zu­satz „wie ab­ge­spro­chen“ ge­ra­de auf vor­ver­trag­li­che Ab­spra­chen zwi­schen den Par­tei­en Be­zug nimmt. Die­sem vom Be­ru­fungs­ge­richt nicht be­rück­sich­tig­ten Zu­satz ist – wie die Re­vi­si­on zu Recht gel­tend macht – zu­min­dest ei­ne An­deu­tung da­hin ge­hend zu ent­neh­men, dass den im Rah­men der ver­trags­an­bah­nen­den Ver­hand­lun­gen ge­trof­fe­nen münd­li­chen Ab­spra­chen ei­ne ge­wis­se Re­le­vanz für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge zu­kommt, was die Par­tei­en bei Ab­schluss des schrift­li­chen Ver­trags un­ter „frisch re­no­viert“ ver­stan­den ha­ben.

[10]   b) Im Üb­ri­gen wür­de selbst ein ver­meint­lich kla­rer und ein­deu­ti­ger Wort­laut der Er­klä­rung kei­ne Gren­ze für die Aus­le­gung an­hand der Ge­samt­um­stän­de bil­den (vgl. Se­nat, Urt. v. 18.04.2018 – XII ZR 76/17, NZM 2018, 601 Rn. 36 m. w. Nachw.; Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 111/12, Gmb­HR 2015, 200 Rn. 50 m. w. Nachw.; BGH, Beschl. v. 10.09.2020 – I ZR 237/19, K&R 2021, 61 Rn. 13). Zu den aus­le­gungs­re­le­van­ten Ge­samt­um­stän­den, die ei­nen Rück­schluss auf den In­halt ei­ner Er­klä­rung er­mög­li­chen, ge­hö­ren ins­be­son­de­re die Ab­spra­chen der Ver­trags­par­tei­en im Rah­men der ver­trags­an­bah­nen­den Ver­hand­lun­gen (vgl. Se­nat, Urt. v. 19.12.2001 – XII ZR 281/99, NJW 2002, 1260, 1261 m. w. Nachw.; BGH Urt. v. 23.02.1987 – II ZR 183/86, NJW 1987, 2437, 2438 f. m. w. Nachw.). Vor die­sem Hin­ter­grund konn­te das – im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren als wahr zu un­ter­stel­len­de – Vor­brin­gen der Be­klag­ten, der Klä­ger ha­be ihr vor Ver­trags­schluss zu­ge­sagt, dass sämt­li­che Fens­ter wie in sei­nem pri­va­ten Wohn­um­feld mit ei­ner zu­sätz­li­chen Ver­gla­sung aus­ge­stal­tet und im Üb­ri­gen voll­stän­dig auf­ge­ar­bei­tet wer­den soll­ten, bei der Aus­le­gung von § 3 Satz 1 des Miet­ver­trags grund­sätz­lich nicht au­ßer Be­tracht ge­las­sen wer­den.

[11]   c) Frei­lich kön­nen die au­ßer­halb der Ur­kun­de lie­gen­den Be­gleit­um­stän­de in der Zeit bis zum Ver­trags­schluss ih­re Aus­le­gungs­re­le­vanz wie­der ver­lie­ren. Dies gilt grund­sätz­lich auch für vor­ver­trag­li­che Ab­spra­chen, wenn fest­ge­stellt wer­den kann, dass die Ver­trags­par­tei­en bei Ab­schluss des Ver­trags nicht mehr an ih­nen fest­hal­ten wol­len. Ei­ne sol­che An­nah­me lässt sich hier ent­ge­gen der An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts und der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung je­doch nicht aus der Klau­sel in § 14 Nr. 1 des Miet­ver­trags her­lei­ten, nach der münd­li­che Ne­ben­ab­re­den nicht be­ste­hen.

[12]   aa) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat kei­ne Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob die Klau­sel un­ter § 14 Nr. 1 des vom Klä­ger ge­stell­ten Miet­ver­trags von den Ver­trags­par­tei­en aus­ge­han­delt wor­den ist. Die Fra­ge nach dem Vor­lie­gen von All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen i. S. von § 305 I BGB ist im Be­ru­fungs­ver­fah­ren – wenn auch be­züg­lich ei­ner an­de­ren Klau­sel des Ver­trags­werks – strei­tig ge­we­sen. Für die Re­vi­si­on ist da­her da­von aus­zu­ge­hen, dass es sich bei der be­tref­fen­den Re­ge­lung um ei­ne For­mu­lar­klau­sel han­delt; es kommt dar­auf aber nicht ein­mal ent­schei­dend an.

[13]   bb) Denn so­ge­nann­te Voll­stän­dig­keits­klau­seln („Münd­li­che Ne­ben­ab­re­den be­ste­hen nicht“, „Münd­li­che Ne­ben­ab­re­den wur­den nicht ge­trof­fen“, „Münd­li­che Ne­ben­ab­re­den exis­tie­ren nicht“) rich­ten sich – gleich ob sie als All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen in den Ver­trag ein­be­zo­gen oder in­di­vi­du­ell aus­ge­han­delt sind – auf die Be­stä­ti­gung der Tat­sa­che, dass der schrift­li­che Ver­trag al­le zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Re­ge­lun­gen be­züg­lich des Ver­trags­ge­gen­stands ent­hält. In der Recht­spre­chung des BGH ist ge­klärt, dass sol­che Klau­seln le­dig­lich die oh­ne­hin ein­grei­fen­de Ver­mu­tung der Voll­stän­dig­keit und Rich­tig­keit der schrift­li­chen Ver­trags­ur­kun­de wie­der­ge­ben, je­doch dem Ver­trags­part­ner, der sich auf ei­ne ab­wei­chen­de münd­li­che Ver­ein­ba­rung be­ru­fen will, die Füh­rung des Ge­gen­be­wei­ses of­fen­las­sen (vgl. zu All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen: BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 f.; Urt. v. 19.06.1985 – VI­II ZR 238/84, NJW 1985, 2329, 2330 f. m. w. Nachw.; vgl. auch Guhling, in: Guhling/​Gün­ter, Ge­wer­be­raum­mie­te, 2. Aufl., § 305b BGB Rn. 14; Lind­ner-Fi­gu­ra, in: Lind­ner-Fi­gu­ra/​Oprée/​Stell­mann, Ge­schäfts­raum­mie­te, 4. Aufl., Kap. 7 Rn. 167; vgl. zu In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­run­gen: BGH, Urt. v. 29.10.1999 – VI­II ZR 232/98, NJW-RR 2000, 273, 274 f.). Ei­ner Voll­stän­dig­keits­klau­sel wie in § 14 Nr. 1 des Miet­ver­trags kann dem­ge­gen­über kei­ne un­wi­der­leg­ba­re Ver­mu­tung für das Nicht­be­ste­hen münd­li­cher Ab­re­den und auch sonst nicht ent­nom­men wer­den, dass die Ab­spra­chen der Par­tei­en aus dem Sta­di­um der ver­trags­an­bah­nen­den Ver­hand­lun­gen kei­ne Gel­tung mehr be­an­spru­chen dürf­ten. Als All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gung wä­re ei­ne dies be­zwe­cken­de For­mu­lar­klau­sel mit Blick auf §§ 305b, 307, 309 Nr. 12 BGB oh­ne­hin un­wirk­sam (vgl. OLG Frank­furt a. M., Urt. v. 30.11.2011 – 12 U 136/10 ju­ris Rn. 19; Lind­ner-Fi­gu­ra, in: Lind­ner-Fi­gu­ra/​Oprée/​Stell­mann, a. a. O., Kap. 7 Rn. 167; BeckOGK/​Leh­mann-Rich­ter, Stand: 01.12.2020, § 305b BGB Rn. 31; BeckOGK/Zschie­schack, Stand: 01.09.2020, § 307 BGB Schrift­form­klau­sel Rn. 59).

[14]   cc) Es ist ei­ne da­von zu un­ter­schei­den­de Fra­ge, ob be­reits aus dem Um­stand, dass die Par­tei­en ei­ne Voll­stän­dig­keits­klau­sel – sei es als In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung, sei es als All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gung – in den schrift­li­chen Ver­trag auf­ge­nom­men ha­ben, auf ei­nen über­ein­stim­men­den Wil­len der Ver­trags­par­tei­en ge­schlos­sen wer­den kann, mit Ab­schluss des schrift­li­chen Ver­trags von be­stimm­ten münd­li­chen Ab­spra­chen aus dem Sta­di­um der ver­trags­an­bah­nen­den Ver­hand­lun­gen ab­rü­cken zu wol­len. Auch für ei­ne sol­che Wür­di­gung wird aber in al­ler Re­gel kein Raum sein, weil die Ver­trags­par­tei­en mit ei­ner Voll­stän­dig­keits­klau­sel nur ei­ne Tat­sa­che be­stä­ti­gen, aber nicht ih­rem Wil­len Aus­druck ver­lei­hen wol­len, vor­ver­trag­li­chen Ab­spra­chen schlecht­hin die Wirk­sam­keit zu neh­men. Ob aus­nahms­wei­se et­was an­de­res gel­ten kann, wenn der Re­ge­lungs­ge­gen­stand der vor­ver­trag­li­chen Ab­spra­che im schrift­li­chen Ver­trags­text über­haupt nicht be­han­delt wird und dies nach den be­son­de­ren Um­stän­den des Ein­zel­falls durch den von der vor­ver­trag­li­chen Zu­sa­ge be­güns­tig­ten Ver­trags­part­ner nur so ver­stan­den wer­den kann, dass sich der an­de­re Teil mit Ab­schluss des Ver­trags von die­ser Zu­sa­ge wie­der lö­sen will (vgl. BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15 NZA 2017, 502 Rn. 86 ff.), braucht nicht wei­ter er­ör­tert zu wer­den. Denn so liegt der Fall hier schon des­halb nicht, weil § 3 Satz 1 des Miet­ver­trags durch die Wen­dung „frisch re­no­viert wie ab­ge­spro­chen“ be­reits ei­ne An­deu­tung da­hin ge­hend ent­hält, dass sich die Par­tei­en bei Ab­schluss des schrift­li­chen Ver­trags von vor­ver­trag­li­chen münd­li­chen Ab­spra­chen zur Be­schaf­fen­heit der Miet­sa­che nicht dis­tan­zie­ren woll­ten.

[15]   d) Auch sonst ver­mag die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung kei­ne Um­stän­de auf­zu­zei­gen, die es recht­fer­ti­gen könn­ten, vor­ver­trag­li­che Zu­sa­gen des Klä­gers zur Dop­pel­ver­gla­sung der Fens­ter des Miet­ob­jekts als un­be­acht­lich an­zu­se­hen.

[16]   aa) Die (ein­fa­che) Schrift­form­klau­sel in § 14 Nr. 2 des Miet­ver­trags dürf­te nur nach­träg­li­che Ab­re­den er­fas­sen, was sich dar­aus er­schließt, dass die Par­tei­en ei­ner­seits in § 14 Nr. 1 des Miet­ver­trags ei­ne tat­säch­li­che Ver­mu­tung da­für auf­ge­stellt ha­ben, dass münd­li­che Ab­re­den vor oder wäh­rend des Ver­trags­schlus­ses nicht ge­trof­fen wor­den sei­en und an­de­rer­seits ei­ne „Än­de­rung oder Er­gän­zung des Ver­trags“ schon be­griff­lich vor­aus­setzt, dass es zu­vor be­reits zu ei­nem ori­gi­nä­ren Ver­trags­schluss ge­kom­men ist (vgl. BAG, Urt. v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, NZA 2017, 502 Rn. 89).

[17]   bb) Die von der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung wei­ter in Be­zug ge­nom­me­ne Recht­spre­chung des V. Zi­vil­se­nats des BGH, wo­nach ei­ne Be­schrei­bung be­stimm­ter Ei­gen­schaf­ten ei­nes Grund­stücks oder Ge­bäu­des vor Ab­schluss ei­nes no­ta­ri­el­len Kauf­ver­trags in al­ler Re­gel nicht zu ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung ge­mäß § 434 I 1 BGB führt, wenn die­se in der no­ta­ri­el­len Ur­kun­de kei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat (vgl. BGH, Ur­t. v. 06.11.2015 – V ZR 78/14, BGHZ 207, 349 = NJW 2016, 1815 Rn. 15 ff.), wird durch die Be­son­der­hei­ten bei der Aus­le­gung von für ih­re Wirk­sam­keit be­ur­kun­dungs­be­dürf­ti­gen Ver­trä­gen ge­prägt, um die es hier nicht geht.

[18]   2. Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts er­weist sich auch nicht mit der Hilfs­be­grün­dung als rich­tig. Das Be­ru­fungs­ge­richt durf­te – wie die Re­vi­si­on zu­tref­fend rügt – das Vor­brin­gen der Be­klag­ten be­züg­lich der Zu­sa­ge ei­ner wei­te­ren Ver­gla­sung der Fens­ter nicht man­gels hin­rei­chen­der Sub­stan­zi­ie­rung zu­rück­wei­sen, weil die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen ha­be, wann kon­kret der Klä­ger die­se Zu­sa­ge ge­macht ha­ben soll.

[19]   a) Ei­ne Par­tei ge­nügt bei ei­nem von ihr zur Rechts­ver­tei­di­gung ge­hal­te­nen Sach­vor­trag ih­ren Sub­stan­zi­ie­rungs­pflich­ten, wenn sie Tat­sa­chen vor­trägt, die in Ver­bin­dung mit ei­nem Rechts­satz ge­eig­net sind, das von der an­de­ren Sei­te gel­tend ge­mach­te Recht als nicht be­ste­hend er­schei­nen zu las­sen. Das Ge­richt muss an­hand des Par­tei­vor­trags be­ur­tei­len kön­nen, ob die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der an ei­ne Be­haup­tung ge­knüpf­ten Rechts­fol­ge er­füllt sind. Ge­nügt das Par­tei­vor­brin­gen die­sen An­for­de­run­gen, kann der Vor­trag wei­te­rer Ein­zel­tat­sa­chen nicht ver­langt wer­den (vgl. BGH, Beschl. v. 21.10.2014 – VI­II ZR 34/14, NJW-RR 2015, 910 Rn. 21 m. w. Nachw.; Beschl. v. 11.05.2010 – VI­II ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn. 11 m. w. Nachw.).

[20]   b) Ge­mes­sen dar­an durf­te der Zeu­gen­be­weis­an­tritt auf Ver­neh­mung des Ar­chi­tek­ten J nicht un­be­rück­sich­tigt blei­ben. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts und der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung muss­te die Be­klag­te bei ih­rem (Ge­gen-)Be­weis­an­tritt nicht nä­her kon­kre­ti­sie­ren, zu wel­chem Zeit­punkt und bei wel­cher Ge­le­gen­heit der Klä­ger vor Ver­trags­schluss ei­ne zu­sätz­li­che Ver­gla­sung der Fens­ter des Miet­ob­jekts zu­ge­sagt ha­ben soll. Denn die An­ga­be von Ein­zel­hei­ten zum Zeit­punkt und zum Ab­lauf be­stimm­ter Er­eig­nis­se ist nicht er­for­der­lich, wenn die­se Ein­zel­hei­ten für die Rechts­fol­ge der un­ter Be­weis ge­stell­ten Haupt­tat­sa­che – hier: die Zu­si­che­rung ei­nes be­stimm­ten Zu­stands der Miet­sa­che – nicht ent­schei­dend sind. Es ist viel­mehr Sa­che des Tatrich­ters, bei der Be­weis­auf­nah­me den be­nann­ten Zeu­gen nach Ein­zel­hei­ten zu be­fra­gen, die ihm für die Be­ur­tei­lung der Zu­ver­läs­sig­keit der Be­kun­dun­gen er­for­der­lich er­schei­nen.

[21]   III. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kann da­her kei­nen Be­stand ha­ben und ist des­halb im Um­fang der An­fech­tung ge­mäß § 562 I ZPO auf­zu­he­ben. Die Sa­che ist nach § 563 I 1 ZPO an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen, weil der Se­nat den Miet­ver­trag nicht selbst aus­le­gen kann und die Sa­che da­her nicht i. S. des § 563 III ZPO zur End­ent­schei­dung reif ist. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat kei­ne tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen zu der von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Zu­sa­ge ei­ner zu­sätz­li­chen Ver­gla­sung der Fens­ter ge­trof­fen. Die Zu­rück­ver­wei­sung gibt dem Be­ru­fungs­ge­richt zu­gleich Ge­le­gen­heit, sich mit dem wei­te­ren Vor­brin­gen der Re­vi­si­on zur an­geb­li­chen Zu­sa­ge ei­nes Dach­ter­ras­sen­aus­baus zu be­fas­sen.

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