1. Zum Wi­der­ruf ei­ner auf den Ab­schluss ei­nes au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen, mit ei­nem Dar­le­hens­ver­trag ver­bun­de­nen Kfz-Kauf­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung und den Rechts­fol­gen des Wi­der­rufs.
  2. Ein Ver­brau­cher kann sei­ne auf den Ab­schluss ei­nes au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung auch dann ge­mäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB wi­der­ru­fen, wenn der Kauf­ver­trag i. S. von § 358 III 1, 2 BGB mit ei­nem Dar­le­hens­ver­trag ver­bun­den ist und dem Ver­brau­cher hin­sicht­lich des Dar­le­hens­ver­trags ein – ge­mäß § 358 II BGB auch den Kauf­ver­trag er­fas­sen­des – Wi­der­rufs­recht (§§ 495 I, 355 BGB) zu­steht. Denn § 312g III BGB, wo­nach ein Wi­der­rufs­recht bei au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trä­gen un­ter an­de­rem dann nicht be­steht, wenn der Ver­brau­cher be­reits auf­grund des § 495 I BGB i. V. mit § 355 BGB ein Wi­der­rufs­recht hat, ist nur ein­schlä­gig, wenn die kon­kur­rie­ren­den Wi­der­rufs­rech­te ori­gi­när den­sel­ben Ver­trag be­tref­fen.
  3. Bei ei­nem au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trag (hier: ei­nem Kauf­ver­trag über ei­nen Ge­braucht­wa­gen) steht dem Ver­brau­cher – an­ders als nach § 312 III Nr. 1 BGB a.F. – grund­sätz­lich auch dann ein Wi­der­rufs­recht nach § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB zu, wenn er den Ver­trag selbst an­ge­bahnt hat.

LG Braun­schweig, Ur­teil vom 22.09.2020 – 5 O 2947/19

Sach­ver­halt: Die Par­tei­en strei­ten dar­über, ob der Klä­ger sei­ne auf den Ab­schluss ei­nes Kfz-Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung wirk­sam wi­der­ru­fen hat, und wel­che Fol­gen der Wi­der­ruf ge­ge­be­nen­falls für ei­nen mit dem Kfz-Kauf­ver­trag ver­bun­de­nen Dar­le­hens­ver­trag hat.

Nach­dem der Klä­ger mit der Streit­hel­fe­rin der Be­klag­ten, die ein Au­to­haus be­treibt, te­le­fo­nisch über den Kauf ei­nes Ge­braucht­wa­gens ver­han­delt hat­te, über­gab die Streit­hel­fe­rin der Be­klag­ten die­ses Fahr­zeug dem Klä­ger am 01.02.2018 an des­sen Wohn­sitz. Bei die­ser Ge­le­gen­heit un­ter­zeich­ne­te der Klä­ger ei­nen Kauf­ver­trag über den Pkw, der ei­nen Kauf­preis von 13.900 € vor­sah. Au­ßer­dem un­ter­zeich­ne­te der Klä­ger ins­be­son­de­re ei­nen auf den 29.01.2018 da­tier­ten, an die B-Bank – ei­ne Zweig­nie­der­las­sung der Be­klag­ten – ge­rich­te­ten Dar­le­hens­an­trag, um den Kauf­preis für das Fahr­zeug voll­stän­dig zu fi­nan­zie­ren. Die­sen An­trag, der In­for­ma­tio­nen zu ei­nem Wi­der­rufs­recht des Klä­gers ent­hielt, nahm die B-Bank, der das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug si­che­rungs­über­eig­net wur­de, spä­ter an.

In der Fol­ge­zeit – von März bis Mai 2018 – zahl­te der Klä­ger die ers­ten drei Dar­le­hens­ra­ten in Hö­he von je­weils 222,23 €.

Der Klä­ger be­haup­tet, er ha­be sei­ne auf den Ab­schluss des Kfz-Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung mit an­walt­li­chen Schrei­ben vom 05.02.2019, das am 06.02.2019 vor­ab per Te­le­fax ver­sandt wor­den sei, wi­der­ru­fen. Die­ser Wi­der­ruf sei auch der Be­klag­ten zur Kennt­nis ge­bracht wor­den.

Der Klä­ger hat zu­letzt be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ihn nicht mehr aus dem Dar­le­hens­ver­trag in An­spruch neh­men kann. Dar­über hin­aus hat er die Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Ra­ten – ins­ge­samt 666,69 € – nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Über­ga­be und Über­eig­nung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw, und die Fest­stel­lung ver­langt, dass die Be­klag­te mit der An­nah­me des Fahr­zeugs in Ver­zug ist. Schließ­lich hat der Klä­ger von der Be­klag­ten den Er­satz vor­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten nebst Zin­sen be­gehrt.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Au­ßer­dem hat sie ge­gen den Klä­ger ei­ne auf Zah­lung von 3.125,22 € nebst Zin­sen ge­rich­te­te Teil­wi­der­kla­ge er­ho­ben und im We­ge ei­ner Hilfs­wi­der­kla­ge die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Klä­ger ver­pflich­tet sei, Wert­er­satz für jed­we­den Um­gang mit dem streit­ge­gen­ständ­li­chen Pkw zu leis­ten, der zur Prü­fung von Be­schaf­fen­heit, Ei­gen­schaf­ten und Funk­ti­ons­wei­se des Fahr­zeugs nicht not­wen­dig war.

Die Be­klag­te und ih­re Streit­hel­fe­rin be­haup­ten, der Klä­ger sei nicht nur auf Deutsch, son­dern auch in sei­ner Hei­mats­spra­che über sein hin­sicht­lich des Dar­le­hens­ver­trags be­ste­hen­des Wi­der­rufs­recht in­for­miert wor­den. Dar­über hin­aus hat die Streit­hel­fe­rin der Be­klag­ten gel­tend ge­macht, dass dem Klä­ger ein – auf den Kfz-Kauf­ver­trag be­zo­ge­nes – Wi­der­rufs­recht nach § 355 BGB i. V. mit §§ 312b, 312g I BGB ge­mäß § 312g III BGB nicht zu­ge­stan­den ha­be. Zu­dem sei der Klä­ger nicht über­rum­pelt wor­den, so­dass sein Wi­der­ruf un­wirk­sam sei.

Die Kla­ge hat­te teil­wei­se Er­folg; die Teil­wi­der­kla­ge und die Hilfs­wi­der­kla­ge wa­ren er­folg­los.

Aus den Grün­den: 1. Der ne­ga­ti­ve Fest­stel­lungs­an­trag zu 1 aus der Kla­ge­schrift vom 14.05.2019 ist be­grün­det. Der Be­klag­ten ste­hen ge­gen den Klä­ger kei­ne An­sprü­che mehr auf Zah­lung aus dem Dar­le­hens­ver­trag (An­la­ge B 3) zu.

a) Der Klä­ger, der hier un­strei­tig als Ver­brau­cher han­del­te, ist an die­sen Dar­le­hens­ver­trag ge­mäß § 358 I BGB nicht mehr ge­bun­den. Der Dar­le­hens­ver­trag war mit dem Kauf­ver­trag über das Fahr­zeug … vom 01.02.2018 (An­la­ge B 2) ver­bun­den i. S. des § 358 I, III 1, 2 BGB. Das Dar­le­hen wur­de un­strei­tig zu dem Zweck be­wil­ligt, dass das vom Klä­ger für das Fahr­zeug auf­grund des Kauf­ver­trags ge­schul­de­te Ent­gelt be­gli­chen wird. An die­sen Kauf­ver­trag ist der Klä­ger nicht mehr ge­bun­den.

b) Der Klä­ger hat sei­ne auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung wirk­sam ge­mäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312g I, 312b BGB wi­der­ru­fen.

aa) Der Kauf­ver­trag wur­de au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men i. S. des § 312b I 1, II 1 BGB ge­schlos­sen. Die Kauf­ver­hand­lun­gen zwi­schen dem Klä­ger und dem Au­to­haus, der Streit­hel­fe­rin, fan­den zu­nächst te­le­fo­nisch statt. Das Fahr­zeug wur­de dann am 01.02.2018 von ei­nem Fah­rer der Streit­hel­fe­rin an den da­ma­li­gen Wohn­sitz des Klä­gers in X. ge­lie­fert. Erst vor Ort am Wohn­sitz des Klä­gers, bei Lie­fe­rung des Fahr­zeugs, kam es zum Ab­schluss des Kauf­ver­trags. Denn bei Über­ga­be des Fahr­zeugs an den Klä­ger in X. ließ der Fah­rer der Streit­hel­fe­rin den Klä­ger den schrift­li­chen Kauf­ver­trag un­ter­schrei­ben. An­ders als das Ver­trags­for­mu­lar sug­ge­riert, leis­te­te der Klä­ger da­mit sei­ne Un­ter­schrift un­strei­tig nicht in S., dem Sitz der Streit­hel­fe­rin, son­dern in X., an sei­nem Wohn­sitz.

Der Ab­schluss des schrift­li­chen Kauf­ver­trags am Wohn­sitz des Klä­gers führt zur An­wend­bar­keit des Wi­der­rufs­rechts ge­mäß § 355 BGB i. V. mit §§ 312g I, 312b I BGB für au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­ne Ver­trä­ge. Das Wi­der­rufs­recht für Fern­ab­satz­ver­trä­ge ge­mäß § 355 BGB i. V. mit § 312g I, § 312c BGB ist vor­lie­gend nicht an­wend­bar. Denn der vor­ste­hend ge­schil­der­te Ge­sche­hens­ab­lauf macht deut­lich, dass der Ver­trags­schluss nicht aus­schließ­lich durch Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel zu­stan­de ge­kom­men ist. Die we­sent­li­chen Ver­trags­ver­hand­lun­gen mö­gen zwar te­le­fo­nisch er­folgt sein. Die vor Ort in X. ge­leis­te­te Un­ter­schrift des Klä­gers macht aber deut­lich, dass es te­le­fo­nisch noch nicht zum ver­bind­li­chen Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­kom­men sein kann.

bb) Der Klä­ger hat sei­ne Wi­der­rufs­er­klä­rung be­tref­fend den Kauf­ver­trag wirk­sam mit an­walt­li­chen Schrei­ben vom 05.02.2019 (An­la­ge K 9) er­klärt. Die 14-tä­gi­ge Wi­der­rufs­frist ge­mäß § 355 II BGB war zu die­sem Zeit­punkt noch nicht ab­ge­lau­fen. Denn sie hat­te zu die­sem Zeit­punkt ge­mäß § 356 III 1 BGB noch nicht be­gon­nen. Die Streit­hel­fe­rin hat es ver­säumt, den Klä­ger ent­spre­chend den in § 356 III 1 BGB ge­nann­ten An­for­de­run­gen zu un­ter­rich­ten.

Die­se An­for­de­rung se­hen für den hie­si­gen Fall vor, dass dem Klä­ger die In­for­ma­tio­nen ent­spre­chend den An­for­de­run­gen aus Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den. Die for­ma­len An­for­de­run­gen an die Er­fül­lung die­ser In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ge­mäß Art. 246a § 4 II EGBGB wur­den vor­lie­gend nicht ein­ge­hal­ten. Da­nach muss bei ei­nem au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trag der Un­ter­neh­mer die In­for­ma­tio­nen grund­sätz­lich in Pa­pier­form zur Ver­fü­gung stel­len. Dies ist vor­lie­gend nicht ge­sche­hen. Ob der Klä­ger über­haupt über sein Wi­der­rufs­recht in­for­miert wur­de, ist zwar zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Die Be­klag­te und die Streit­hel­fe­rin be­haup­ten un­ter Be­weis­an­tritt, dass der Zeu­ge Z den Klä­ger so­gar in des­sen Hei­mats­spra­che … be­lehrt ha­be. Die­ser Zeu­ge war aber nicht zu ver­neh­men. Denn we­der die Be­klag­te noch die Streit­hel­fe­rin be­haup­ten hier­zu nä­her, dass die­se In­for­ma­ti­on schrift­lich bzw. auf ei­nem dau­er­haf­ten Da­ten­trä­ger er­folgt sei. Ein der­ar­ti­ges Do­ku­ment ist auch nicht vor­ge­legt wor­den. Aus dem Kauf­ver­trag selbst (An­la­ge K 1) er­gibt sich Der­ar­ti­ges nicht. Vor dem Hin­ter­grund, dass dies der Klä­ger ins­be­son­de­re im Schrift­satz vom 21.08.2019 er­gän­zend be­strit­ten hat und we­der die Be­klag­te noch die Streit­hel­fe­rin nä­her et­was da­zu er­klärt ha­ben, kann de­ren Vor­trag nur so zu ver­ste­hen sein, dass die Wi­der­rufs­in­for­ma­tio­nen münd­lich … er­folgt sei­en. Dies ist aber im Hin­blick auf die for­ma­len An­for­de­run­gen ge­mäß Art. 246a § 4 II EGBGB nicht aus­rei­chend.

cc) Das Wi­der­rufs­recht ist auch nicht ge­mäß § 356 III 2 BGB er­lo­schen. Denn zum Zeit­punkt der Wi­der­rufs­er­klä­rung vom 05.02.2019 bzw. 06.02.2019 war die dort ge­nann­te Frist von zwölf Mo­na­ten und 14 Ta­gen nach dem Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses bzw. dem Er­halt der Wa­re am 01.02.2018 noch nicht ab­ge­lau­fen.

So­weit die Be­klag­te den Wi­der­ruf an sich und da­mit auch des­sen recht­zei­ti­gen Zu­gang be­strei­tet, ist ihr dies ge­mäß § 138 IV ZPO nicht mög­lich. Sie er­klärt sich nicht zu dem Vor­trag des Klä­gers, dass er auch der Be­klag­ten den Wi­der­ruf ge­gen­über dem Au­to­haus zur Kennt­nis­nah­me ha­be zu­kom­men las­sen. Zu­dem trägt sie selbst vor „Mit­te März 2019“ von dem Wi­der­ruf Kennt­nis er­langt zu ha­ben. Ih­ren Kennt­nis­stand zum ge­nau­en Zeit­punkt des Ein­gangs des Wi­der­rufs teilt sie ent­ge­gen § 138 IV ZPO je­doch nicht mit.

dd) Das Wi­der­rufs­recht ist auch – an­ders als die Streit­hel­fe­rin meint – nicht ge­mäß § 312g III BGB aus­ge­schlos­sen. Da­nach be­steht ein Wi­der­rufs­recht aus §§ 312g I, 355 BGB zwar nicht bei Ver­trä­gen, bei de­nen dem Ver­brau­cher be­reits auf­grund der §§ 495, 506 bis 513 BGB oder nach §  305 I bis VI KAGB ein Wi­der­rufs­recht zu­steht. Dies ist vor­lie­gend aber nicht – auch nicht im Hin­blick auf das Wi­der­rufs­recht bei ei­nem Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag ge­mäß §§ 495 I, 355 BGB – der Fall.

Dem Klä­ger stand zwar grund­sätz­lich ein Wi­der­rufs­recht ge­mäß §§ 495 I, 355 BGB im Hin­blick auf den mit der Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­nen Dar­le­hens­ver­trag zu. Die­ses Wi­der­rufs­recht be­zieht sich aber nur auf den mit der Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­nen Dar­le­hens­ver­trag und nicht auf den mit der Streit­hel­fe­rin ab­ge­schlos­se­nen Kauf­ver­trag. Le­dig­lich Letz­te­ren hat der Klä­ger aber wi­der­ru­fen. Die Sub­si­dia­ri­täts­re­gel des § 312g III BGB be­zieht sich nur auf den Ver­trag, der wi­der­ru­fen wird. Es wird – so­weit er­sicht­lich – nicht ver­tre­ten, dass die­se Re­ge­lung so aus­zu­le­gen sei, dass sie auch dann ein­greift, wenn dem Ver­brau­cher ein an­der­wei­ti­ges Wi­der­rufs­recht im Hin­blick auf den ver­bun­de­nen Ver­trag zu­steht. Ein der­ar­tig weit­ge­hen­des Ver­ständ­nis der Sub­si­dia­ri­täts­re­gel wür­de auch der Zweck die­ser Re­ge­lung nicht er­for­dern. Nach der Ge­set­zes­be­grün­dung soll die­se Re­ge­lung si­cher­stel­len, dass kei­ne kon­kur­rie­ren­den Wi­der­rufs­rech­te be­ste­hen. Zu­gleich soll der Vor­rang uni­ons­recht­lich vor­ge­ge­be­ner Wi­der­rufs­rech­te nach der Ver­brau­cher­rech­te­richt­li­nie1Richt­li­nie 2011/83/EU des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.10.2011 über die Rech­te der Ver­brau­cher, zur Ab­än­de­rung der Richt­li­nie 93/13/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes so­wie zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 85/577/EWG des Ra­tes und der Richt­li­nie 97/7/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes, ABl. 2011 L 304, 64. ge­wahrt blei­ben (BeckOGK/Busch, Stand: 15.7.2020, § 312g BGB Rn. 75.2). Ei­ne sol­che Kon­kur­renz be­steht aber nur dann, wenn sich die kon­kur­rie­ren­den Wi­der­rufs­rech­te auf den­sel­ben Ver­trag be­zie­hen. Zwar hät­te der Klä­ger auch im vor­lie­gen­den Fall grund­sätz­lich die Wahl ge­habt, ob er den Kauf­ver­trag, den Dar­le­hens­ver­trag oder ge­ge­be­nen­falls bei­de wi­der­ruft. Die­se Wi­der­rufs­rech­te kon­kur­rie­ren aber nicht mit­ein­an­der, son­dern be­zie­hen sich auf un­ter­schied­li­che Ver­trä­ge und zie­hen un­ter­schied­li­che Rechts­fol­gen nach sich.

ff) Das Wi­der­rufs­recht schei­tert auch – an­ders als die Streit­hel­fe­rin meint – nicht dar­an, dass es an der für ei­nen Wi­der­ruf er­for­der­li­chen „Über­rum­pe­lungs­si­tua­ti­on“ fehlt. Die De­fi­ni­ti­on für au­ßer­halb von Ge­schäfts­räu­men ge­schlos­se­nen Ver­trä­gen in § 312b I 1 BGB ist wei­ter als die­je­ni­ge in § 312 BGB in der bis zum 12.06.2014 gel­ten­den Fas­sung für Haus­tür­ge­schäf­te. Die frü­he­re Aus­nah­me aus § 312 III Nr. 1 BGB a.F. für durch den Ver­brau­cher be­stell­te Be­su­che gibt es nicht mehr (Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 78. Aufl., sect; 312b Rn. 1).

gg) Der Wi­der­ruf ist auch nicht – wie die Be­klag­te meint – rechts­miss­bräuch­lich. Es ist un­be­acht­lich, dass der Klä­ger den Ver­käu­fer der Streit­hel­fe­rin be­reits im Spät­som­mer 2018 kon­tak­tiert hat­te, um den Kauf­ver­trag auf­zu­he­ben. Eben­so ist es un­be­acht­lich, dass die Kla­ge­par­tei selbst ih­re ei­ge­nen Ver­pflich­tun­gen aus dem Dar­le­hens­ver­trag schon seit Ju­ni 2018 nicht mehr er­füll­te und die Be­klag­te ih­rer­seits zur au­ßer­or­dent­li­chen Kün­di­gung des Ver­trags be­rech­tigt ge­we­sen wä­re. Die Mo­ti­va­ti­on des Klä­gers für den Wi­der­ruf des Kauf­ver­trags ist ir­re­le­vant.

2. Der Zah­lungs­an­trag zu 2 aus dem Schrift­satz vom 30.07.2020 ist teil­wei­se be­grün­det.

a) Auf­grund des wirk­sa­men Wi­der­rufs des ver­bun­de­nen Kauf­ver­trags ist der mit der Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­ne Dar­le­hens­ver­trag ge­mäß § 358 IV 1, §§ 355 III, 357a BGB rück­ab­zu­wi­ckeln. Da­nach hat die Be­klag­te dem Klä­ger die un­strei­tig ge­zahl­ten 669,69 € zu­rück­zu­ge­wäh­ren.

b) Die­ser Rück­zah­lungs­an­spruch be­steht al­ler­dings, an­ders als be­an­tragt, nicht le­dig­lich Zug um Zug ge­gen Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs an die Be­klag­te, son­dern erst nach Rück­ga­be des Fahr­zeugs. Die Be­klag­te kann ge­mäß § 357 IV 1 BGB die Rück­zah­lung ver­wei­gern, bis sie das Fahr­zeug zu­rück­er­hal­ten hat oder der Klä­ger den Nach­weis er­bracht hat, dass er die Wa­re ab­ge­sandt hat. Ei­ne Zug-um-Zug-Rück­ab­wick­lung fin­det hier nicht statt (Pa­landt/Grü­ne­berg, a. a. O., § 357 Rn. 5).

Die­se Vor­leis­tungs­pflicht des Klä­gers gilt auch im Ver­hält­nis zur Be­klag­ten. Denn die­se tritt nach § 358 IV 5 BGB in die Rech­te und Pflich­ten der Streit­hel­fe­rin ein und kann de­ren Rech­te aus §§ 355 III, 357 I, IV 1 BGB gel­tend ma­chen. Das Dar­le­hen ist der Streit­hel­fe­rin, wie es § 358 IV 5 BGB vor­aus­setzt, vor dem Wi­der­ruf zu­ge­flos­sen. Dies tra­gen die Par­tei­en zwar nicht aus­drück­lich vor, ist aber auf­grund der Ge­samt­um­stän­de an­zu­neh­men, da an­dern­falls dem Klä­ger das Fahr­zeug nicht über­las­sen wor­den wä­re und er nicht zur Zah­lung der Ra­ten her­an­ge­zo­gen wor­den wä­re.

Die An­wend­bar­keit des § 357 IV 1 BGB schei­tert auch nicht dar­an, dass die­se Norm in un­mit­tel­ba­rer An­wen­dung die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses be­trifft. Die Kauf­preis­rück­zah­lung fin­det vor­lie­gend nicht statt. Sie wird von dem An­spruch auf Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Ra­ten kon­su­miert. Denn im Rah­men der Rück­ab­wick­lung ge­mäß § 358 IV 5 BGB muss der Klä­ger auch den Net­to­kre­dit­be­trag, der an den Ver­käu­fer ge­flos­sen ist, nicht an den Dar­le­hens­ge­ber zu­rück­zah­len. Für ei­ne Rück­zah­lung des Net­to­kre­dit­be­trags durch den Ver­brau­cher ist kein Raum, da es durch den Ein­tritt des Dar­le­hens­ge­bers in die Rech­te und Pflich­ten des Un­ter­neh­mers in­so­weit zur Kon­sum­ti­on kommt. Der An­spruch des Ver­brau­chers ge­gen den Dar­le­hens­ge­ber in der Rol­le des Un­ter­neh­mers auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses wird mit dem An­spruch des Dar­le­hens­ge­bers ge­gen den Ver­brau­cher auf Rück­zah­lung des Dar­le­hens ex le­ge sal­diert (Stau­din­ger/Her­res­thal, BGB, Neu­be­arb. 2016, § 358 Rn. 199).

Dies führt zur Ver­ur­tei­lung le­dig­lich „nach Rück­ga­be“ des Fahr­zeugs an­stel­le der be­an­trag­ten Zug-um-Zug-Ver­ur­tei­lung. Ei­nen der­ar­ti­gen An­trag hat der Klä­ger zwar nicht – auch nicht hilfs­wei­se – ge­stellt. Dies kann dem Klä­ger den­noch im Rah­men des § 308 I ZPO zu­ge­spro­chen wer­den. Denn die Ver­ur­tei­lung „nach Rück­ga­be“ ist als „We­ni­ger“ in dem ge­stell­ten An­trag ent­hal­ten. Die Ver­ur­tei­lung zu ei­ner be­ding­ten Leis­tung ist auch grund­sätz­lich mög­lich (vgl. § 726 ZPO). Ei­ne Ab­wei­sung des Zah­lungs­an­spruchs als der­zeit un­be­grün­det (so aber BeckOGK/Mörs­dorf, Stand: 15.02.2020, § 357 BGB Rn. 29) ist vor die­sem Hin­ter­grund nicht nö­tig.

c) Der Zah­lungs­an­spruch schei­tert nicht an dem von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Zu­rück­be­hal­tungs­recht bis zur Vor­la­ge von An­ga­ben zur Be­rech­nung ei­nes et­wai­gen Wert­er­satz­an­spruchs. Die Vor­la­ge der­ar­ti­ger An­ga­be ge­hört nicht zu den Pflich­ten des Klä­gers aus § 355 III BGB. Viel­mehr ist die Be­klag­te durch die vor­ste­hend dar­ge­stell­te Vor­leis­tungs­pflicht des Klä­gers aus­rei­chend ge­schützt.

d) Der Zah­lungs­an­spruch ist al­ler­dings nicht, wie be­an­tragt, ge­mäß §§ 286 I, 288 I BGB seit dem 21 .02.2019 mit fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen. Das Be­ste­hen des Zu­rück­be­hal­tungs­rechts aus § 357 IV 1 BGB hin­dert den Ein­tritt des Schuld­ner­ver­zugs des Un­ter­neh­mers be­züg­lich der Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung (BeckOGK/Mörs­dorf, a. a. O., § 357 BGB Rn. 30).

3. Der Fest­stel­lungs­an­trag zu 3 aus der Kla­ge­schrift vom 14.05.2019 ist zu­läs­sig, aber un­be­grün­det. Die Zu­läs­sig­keit die­ses An­trags ge­mäß § 256 I ZPO folgt zwar aus dem Rechts­schutz­be­dürf­nis des Klä­gers auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs we­gen der Re­ge­lun­gen in den §§ 756 I, 765 Nr. 1 ZPO. Der Fest­stel­lungs­an­trag ist aber un­be­grün­det. Die Be­klag­te ist nicht in An­nah­me­ver­zug. Wie vor­ste­hend dar­ge­stellt, ist der Zah­lungs­an­spruch nicht Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs, son­dern erst nach Rück­ga­be des Fahr­zeugs von der Be­klag­ten zu er­fül­len.

4. Der An­trag zu 4 aus der Kla­ge­schrift vom 14.05.2019 auf Zah­lung der vor­ge­richt­li­chen Rechts­an­walts­ge­büh­ren in Hö­he von 950,51 € an die Recht­schutz­ver­si­che­rung und in Hö­he von wei­te­ren 150 € an den selbst­be­tei­li­gungs­ver­pflich­te­ten Klä­ger ist be­grün­det. Ein sol­cher An­spruch er­gibt sich zwar nicht als Ver­zugs­fol­ge aus §§ 280 I, II, 286 BGB. Wie vor­ste­hend dar­ge­stellt, war die Be­klag­te man­gels Rück­ga­be des Fahr­zeugs nie in Ver­zug. Ein sol­cher An­spruch er­gibt sich aber aus § 280 I BGB in Ver­bin­dung mit dem Dar­le­hens­ver­trag. Die Be­klag­te hat durch ih­re vor­ge­richt­li­che Ab­leh­nung der Rück­ab­wick­lung und un­be­rech­tig­te An­dro­hung der Wi­der­auf­nah­me des Last­schrift­ver­fah­rens (vgl. Schrei­ben vom 11.03.2019, An­la­ge K 15) den Klä­ger da­zu ver­an­lasst, sich wei­ter recht­lich be­ra­ten zu las­sen. Die­ser An­spruch ist auch ge­mäß § 286 I 2, § 291, § 288 I, BGB ab Rechts­hän­gig­keit zu ver­zin­sen. Die Kla­ge ist der Be­klag­ten am 17.06.2019 zu­ge­stellt wor­den.

5. Die un­be­dingt ge­stell­te Wi­der­kla­ge aus dem Schrift­satz vom 11.07.2019 auf Zah­lung der Ra­ten aus dem Dar­le­hens­ver­trag ist un­be­grün­det. Wie vor­ste­hend dar­ge­stellt, ist der Klä­ger an die­sen Dar­le­hens­ver­trag auf­grund des wirk­sa­men Wi­der­rufs des ver­bun­de­nen Kauf­ver­trags nicht mehr ge­bun­den.

6. Auch der Hilfs­wi­der­kla­ge­an­trag der Be­klag­ten aus dem Schrift­satz vom 17.08.2020 auf Fest­stel­lung der Wert­er­satz­pflicht ist un­be­grün­det.

a) Der Be­din­gungs­fall für die Hilfs­wi­der­kla­ge ist vor­lie­gend ein­ge­tre­ten. Die Be­klag­te for­mu­liert zwar die Be­din­gung nicht aus­drück­lich. Auf­grund der Um­stän­de ist ihr Vor­trag aber so zu ver­ste­hen, dass sie die Hilfs­wi­der­kla­ge für den Fall stellt, dass das Ge­richt von der Wirk­sam­keit des Wi­der­rufs aus­geht.

b) Der Fest­stel­lungs­an­trag ist ge­mäß § 256 I ZPO zu­läs­sig. Das grund­sätz­li­che Rechts­schutz­in­ter­es­se an die­ser Fest­stel­lung folgt dar­aus, dass die von §§ 355 III, 357, 357a BGB grund­sätz­lich vor­ge­se­he­ne Ver­rech­nung (vgl. BGH, Urt. v. 03.03.2016 – IX ZR 132/15, BGHZ 209, 179 = ju­ris Rn. 30) der wech­sel­sei­ti­gen An­sprü­che der­zeit nicht mög­lich ist. Denn man­gels Kennt­nis über den Zu­stand des Fahr­zeugs ist ei­ne Be­rech­nung der Wert­er­satz­an­sprü­che der Be­klag­ten nicht mög­lich.

c) Der Wert­er­satz­spruch der Be­klag­ten aus § 358 IV 5, §§ 355 III, 357 VII BGB ist je­doch un­be­grün­det. Die Be­klag­te tritt zwar in die Rech­te und Pflich­ten der Streit­hel­fe­rin ein und kann de­ren Wert­er­satz­an­sprü­che aus § 357 VII BGB gel­tend ma­chen. Vor­lie­gend schei­tert die Wert­er­satz­pflicht aber dar­an, dass die Streit­hel­fe­rin den Klä­ger nicht ge­mäß § 357 VII Nr. 2 BGB nach Art. 246a § 1 II 1 Nr. 1 EGBGB über sein Wi­der­rufs­recht un­ter­rich­tet hat. Die­se Un­ter­rich­tung ist nach dem Wort­laut der Norm Vor­aus­set­zung für die Wert­er­satz­an­sprü­che.

Da­ge­gen spricht nicht, dass in der Li­te­ra­tur mit gu­ten Grün­den ver­tre­ten wird, dass die Un­ter­rich­tungs­pflicht nicht bei ei­ner ent­spre­chen­den An­wen­dung des § 357 VII BGB über § 358 IV 1 BGB ein­schlä­gig ist (so Her­res­thal, ZIP 2018, 753, 763). Dies gilt je­den­falls nur, so­weit § 357 VII BGB ge­mäß § 358 IV 1 BGB im Rah­men der Rück­ab­wick­lung ei­nes mit ei­nem wi­der­ru­fe­nen Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trag ver­bun­de­nen Ge­schäfts „ent­spre­chend" zur An­wen­dung kommt (BeckOGK/Mörs­dorf, a. a. O., § 357 Rn. 74; a. A. Nord­holz/Bleck­wenn, NJW 2017, 2497, 2499). Vor­lie­gend geht es aber nicht um die ent­spre­chen­de An­wen­dung des § 357 VII BGB nach dem Wi­der­ruf des Ver­brau­cher­dar­le­hens­ver­trags, son­dern um die di­rek­te An­wen­dung des § 357 VII BGB nach dem Wi­der­ruf des Kauf­ver­trags. Für die­sen Fall ist die Re­ge­lung in § 357 VII Nr. 2 BGB ein­deu­tig.

7. …

8. Die Streit­wert­fest­set­zung … ori­en­tiert sich an dem Dar­le­hens­ge­samt­be­trag, über des­sen Rück­zah­lungs­pflicht die Par­tei­en im Rah­men des ne­ga­ti­ven Fest­stel­lungs­an­trags zu 1 strei­ten. Die Recht­spre­chung des BGH, wo­nach sich der Ge­samt­streit­wert nach der Hö­he des Net­to­dar­le­hens­be­trags oh­ne Zin­sen und Nut­zun­gen rich­tet (BGH, Beschl. v. 07.04.2015 – XI ZR 121/14, ju­ris Rn. 3), ist vor­lie­gend nicht an­wend­bar, da es nicht um den Wi­der­ruf ei­nes Dar­le­hens­ver­trags, son­dern um den Wi­der­ruf ei­nes Kauf­ver­trags geht, mit dem ein Dar­le­hens­ver­trag ver­bun­den ist.

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