1. Ein Kfz-Händ­ler, der Fahr­zeu­ge sys­te­ma­tisch auf In­ter­net­platt­for­men wie „mobile.​de“ und „Au­to­Scou­t24“ be­wirbt, nutzt ein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs­sys­tem i. S. von § 312c I BGB, wenn er per­so­nell und sach­lich so or­ga­ni­siert ist, dass er elek­tro­ni­sche und te­le­fo­ni­sche An­fra­gen po­ten­zi­el­ler Kun­den be­ar­bei­ten und Kauf­ver­trä­ge un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln schlie­ßen kann. Dem steht nicht ent­ge­gen, dass es sich bei der Mehr­zahl der Kfz-Kauf­ver­trä­ge, die der Händ­ler schließt, nicht um Fern­ab­satz­ver­trä­ge han­delt. Eben­so ist un­er­heb­lich, dass ein un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­se­ner Kfz-Kauf­ver­trag nicht elek­tro­nisch durch­ge­führt wird, son­dern es bei der Fahr­zeug­über­ga­be zu ei­nem per­sön­li­chen Kon­takt der Ver­trags­par­tei­en kommt.
  2. Ein Ge­braucht­wa­gen ist nicht des­halb i. S. von § 312g II Nr. 1 BGB auf die per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se des Käu­fers zu­ge­schnit­ten, weil der Ver­käu­fer das Fahr­zeug auf­grund ei­nes ihm von dem Käu­fer er­teil­ten, ver­schie­de­ne Kri­te­ri­en um­fas­sen­den Such­auf­trags von ei­nem Drit­ten er­wor­ben hat.

OLG Cel­le, Ur­teil vom 03.06.2020 – 7 U 1903/19

Sach­ver­halt: Die kla­gen­de Kfz-Händ­le­rin be­gehrt von dem Be­klag­ten Scha­dens­er­satz we­gen der Nicht­ab­nah­me ei­nes Ge­braucht­wa­gens (Mer­ce­des-Benz V 250 d).

Der Ver­trag über das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug wur­de un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­sen: Der Be­klag­te er­teil­te der Klä­ge­rin mit E-Mail vom 28.03.2019 un­ter An­ga­be kon­kre­ter Eck­da­ten ei­nen Such­auf­trag für ei­nen Ge­braucht­wa­gen, nach­dem er zu­nächst we­gen ei­nes von der Klä­ge­rin auf der In­ter­net­platt­form „mobile.​de“ zum Kauf an­ge­bo­te­nen (an­de­ren) Fahr­zeugs Kon­takt mit der Klä­ge­rin auf­ge­nom­men hat­te. Dar­auf­hin über­sand­te die Klä­ge­rin dem Be­klag­ten mit E-Mail vom 3.04.2019 ein An­ge­bot über ein Fahr­zeug, das sich sei­ner­zeit im Be­sitz ei­nes in Süd­deutsch­land an­säs­si­gen Kfz-Händ­lers be­fand und 59.900 € kos­ten soll­te. Der Be­klag­te be­stell­te die­ses Fahr­zeug schrift­lich bei der Klä­ge­rin und er­hielt von ihr ei­ne ent­spre­chen­de Auf­trags­be­stä­ti­gung. An­schlie­ßend er­warb die Klä­ge­rin das in Re­de ste­hen­de Fahr­zeug und ließ es an ih­ren Ge­schäfts­sitz ver­brin­gen.

Noch be­vor der Wa­gen dem Be­klag­ten über­ge­ben wur­de, wi­der­rief die­ser sei­ne auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung.

Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, sie kön­ne von dem Be­klag­ten ge­stützt auf ih­re All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (Klau­sel IV 2) mit Er­folg Scha­dens­er­satz in Hö­he von zehn Pro­zent des ver­ein­bar­ten Kauf­prei­ses ver­lan­gen. Sie meint, der Wi­der­ruf des Be­klag­ten sei un­wirk­sam. Denn zum ei­nen un­ter­hal­te sie – die Klä­ge­rin – kein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tem, so­dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Kauf­ver­trag kein Fern­ab­satz­ver­trag i. S. von § 312c I BGB sei. Zum an­de­ren ha­be dem Be­klag­ten je­den­falls ge­mäß § 312g II Nr. 1 BGB kein Wi­der­rufs­recht zu­ge­stan­den, weil das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nach den kon­kre­ten Be­dürf­nis­sen des Be­klag­ten aus­ge­sucht wor­den sei und sie – die Klä­ge­rin – es erst an­ge­kauft ha­be, nach­dem ei­ne ver­bind­li­che Be­stel­lung des Be­klag­ten vor­ge­le­gen ha­be.

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Es hat ge­meint, der Wi­der­ruf des Be­klag­ten sei wirk­sam. Der streit­ge­gen­ständ­li­che Kauf­ver­trag sei ein Fern­ab­satz­ver­trag i. S. von § 312c I BGB, weil die Klä­ge­rin die zur re­gel­mä­ßi­gen Be­wäl­ti­gung von Fern­ab­satz­ge­schäf­ten not­wen­di­gen per­so­nel­len, sach­li­chen und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen ge­schaf­fen ha­be. Zwar wi­cke­le die Klä­ge­rin über die In­ter­net­platt­form „mobile.​de“ nicht un­mit­tel­bar Ver­käu­fe ab; sie nut­ze die­se Platt­for­men aber, um Fahr­zeu­ge – auch un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln – zu ver­kau­fen. § 312g II Nr. 1 BGB sei nicht ein­schlä­gig, weil das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug nicht auf die per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se des Be­klag­ten zu­ge­schnit­ten ge­we­sen sei.

Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Klä­ge­rin gel­tend ge­macht, das Land­ge­richt hät­te nach ei­ner In­au­gen­schein­nah­me der von ihr – der Klä­ge­rin – ge­nutz­ten In­ter­net­por­ta­le so­wie ge­ge­be­nen­falls nach Durch­füh­rung ei­ner Be­weis­auf­nah­me das Vor­lie­gen ei­nes Fern­ab­satz­ver­trags man­gels ei­nes für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ver­nei­nen müs­sen. Sie – die Klä­ge­rin – be­schäf­ti­ge 120 Mit­ar­bei­ter an meh­re­ren Stand­or­ten und schal­te re­gel­mä­ßig bis zu 300 In­se­ra­te auf ver­schie­de­nen On­line­platt­for­men, nut­ze die Platt­for­men „mobile.​de“ und „Au­to­Scou­t24“ aber le­dig­lich zur Wer­bung für Ge­braucht­fahr­zeu­ge und nicht für de­ren Ver­trieb.

Das Rechts­mit­tel hat­te kei­nen Er­folg.

Aus den Grün­den: II. … Mit Recht ist das Land­ge­richt in sei­nem über­zeu­gend be­grün­de­ten Ur­teil da­von aus­ge­gan­gen, dass ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz aus §§ 280 I, 433 i. V. mit Zif­fer IV.2 der klä­ge­ri­schen All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen auf­grund des wirk­sam er­klär­ten Wi­der­rufs des Be­klag­ten nach §§ 355, 312g, 312c BGB aus­schei­det. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin ste­hen dem form- und frist­ge­recht er­klär­ten Wi­der­ruf die Aus­nah­me­tat­be­stän­de des § 312c I Halb­satz 2 BGB und des § 312g II Nr. 1 BGB nicht ent­ge­gen, weil zum ei­nen die Klä­ge­rin nach Über­zeu­gung des Se­nats ein für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­tes Ver­triebs­sys­tem un­ter­hält und zum an­de­ren kei­ne Wa­ren­lie­fe­rung nach Kun­den­spe­zi­fi­ka­ti­on ge­mäß § 312g II Nr. 1 BGB vor­liegt.

1. Das Vor­lie­gen ei­nes Fern­ab­satz­sys­tems i. S. des § 312c I Halb­satz 2 BGB er­gibt sich zur Über­zeu­gung des Se­nats be­reits nach dem klä­ge­ri­schen Par­tei­vor­trag.

a) Der Be­griff des für den Fern­ab­satz or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ist we­der im deut­schen Ge­setz noch in der zu­grun­de lie­gen­den Richt­li­nie 97/7/EG1Richt­li­nie 97/7/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 20.05.1997 über den Ver­brau­cher­schutz bei Ver­trags­ab­schlüs­sen im Fern­ab­satz, Abl. 1997 L 144, 19 de­fi­niert. Ent­schei­dend ist je­doch, dass an die An­nah­me ei­nes sol­chen Ver­triebs- oder Dienst­leis­tungs­sys­tems ins­ge­samt kei­ne ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len sind (vgl. Be­gr. zum Re­gE ei­nes Ge­set­zes zur Um­set­zung der Ver­brau­cher­rech­te­richt­li­nie und zur Än­de­rung des Ge­set­zes zur Re­ge­lung der Woh­nungs­ver­mitt­lung, BT-Drs. 17/12637, S. 50). Der deut­sche Ge­setz­ge­ber ist viel­mehr da­von aus­ge­gan­gen, dass die Exis­tenz ei­nes or­ga­ni­sier­ten Ver­triebs­sys­tems le­dig­lich ver­langt, dass der Un­ter­neh­mer mit – nicht not­wen­dig auf­wen­di­ger – per­so­nel­ler und sach­li­cher Aus­stat­tung in­ner­halb sei­nes Be­triebs die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen ge­schaf­fen hat, die not­wen­dig sind, um re­gel­mä­ßig im Fern­ab­satz zu tä­ti­gen­de Ge­schäf­te zu be­wäl­ti­gen (vgl. nur BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn. 51). Da­mit sind grund­sätz­lich nur Ge­schäf­te, die un­ter ge­le­gent­li­chem, eher zu­fäl­li­gem Ein­satz von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ge­schlos­sen wer­den, von dem An­wen­dungs­be­reich aus­ge­nom­men (vgl. Be­gr. zum Re­gE ei­nes Ge­set­zes über Fern­ab­satz­ver­trä­ge und an­de­re Fra­gen des Ver­brau­cher­rechts so­wie zur Um­stel­lung von Vor­schrif­ten auf Eu­ro, BT-Drs. 14/2658, S. 30). Hier­un­ter fal­len – um den Be­trei­ber ei­nes sta­tio­nä­ren La­den­lo­kals, der sei­ne Leis­tun­gen aus­schließ­lich vor Ort er­bringt, nicht da­von ab­zu­hal­ten, im Ein­zel­fall auch ei­ne te­le­fo­ni­sche Be­stel­lung ent­ge­gen­zu­neh­men – et­wa die aus­nahms­wei­se Ent­ge­gen­nah­me ei­ner te­le­fo­ni­schen Be­stel­lung und an­schlie­ßen­de Ver­sen­dung der Wa­re per Post (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn. 51 m. w. Nachw.).

Hier­nach ist bei Nut­zung ei­ner Platt­form bzw. ei­nes „On­line­markt­plat­zes“ zur Ge­win­nung von Kauf­in­ter­es­sen­ten re­gel­mä­ßig da­von aus­zu­ge­hen, dass ein Fern­ab­satz­be­triebs­sys­tem vor­liegt. Denn die vor­ge­nann­ten Por­ta­le sind grund­sätz­lich nicht auf ei­ne per­sön­li­che, son­dern auf ei­ne elek­tro­ni­sche oder te­le­fo­ni­sche Kon­takt­auf­nah­me an­ge­legt (so BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn. 52; Urt. v. 12.01.2017 – I ZR 198/15, WM 2017, 1120; je­weils zu „Im­mo­bi­li­en­S­cou­t24“).

b) Die­se Grund­sät­ze sind ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin auch auf die Nut­zung von Fahr­zeug­ver­mitt­lungspor­ta­len im In­ter­net zu über­tra­gen. Im Ge­gen­satz zu Web­sei­ten, die le­dig­lich all­ge­mei­ne In­for­ma­tio­nen über den Un­ter­neh­mer, sei­ne Pro­duk­te und sei­ne Kon­takt­da­ten ent­hal­ten und so­mit kein Fern­ab­satz­sys­tem dar­stel­len (vgl. BT-Drs. 17/12637, S. 50), be­wer­ben Fahr­zeug­ver­mitt­lungspor­ta­le im In­ter­net kon­kre­te Fahr­zeu­ge un­ter An­ga­be von tech­ni­schen Pa­ra­me­tern und Aus­stat­tungs­merk­ma­len, so­dass ein Ver­brau­cher in die La­ge ver­setzt wird, ge­zielt ver­schie­de­ne An­ge­bo­te zu ver­glei­chen und auch oh­ne Be­sich­ti­gung ei­ne Kauf­ent­schei­dung zu tref­fen so­wie te­le­fo­nisch, per E-Mail oder Te­le­fax Kon­takt zum Ver­käu­fer auf­zu­neh­men oder so­gar Ver­trags­ver­hand­lun­gen zu füh­ren (vgl. auch LG Des­sau-Roß­lau, Urt. v. 17.03.2017 – 2 O 522/16; ju­ris Rn. 15 ff. m. w. Nachw.).

Hier­bei kommt es nicht dar­auf an, dass aus Sicht der Klä­ge­rin die – sei­tens des erst­in­stanz­li­chen Ge­richts zu­tref­fend als sys­te­ma­tisch be­zeich­ne­te – Nut­zung der Fahr­zeug­ver­mitt­lungspor­ta­le nur zu Wer­be­zwe­cken er­folg­te bzw. er­fol­gen soll­te. In­so­weit drängt sich zwar in le­bens­na­her Be­trach­tung auf, dass – an­ders als et­wa in Fäl­len der Nut­zung von Im­mo­bi­li­en­platt­for­men zur Wer­bung für Mak­ler­leis­tun­gen – ein Ver­trags­schluss im Ge­braucht­wa­gen­han­del ty­pi­scher­wei­se nicht un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Fern­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln, son­dern nach Be­sich­ti­gung und Pro­be­fahrt bei dem Händ­ler vor Ort zu­stan­de kommt. Die Tat­sa­che, dass sich nach den klä­ge­ri­schen Aus­füh­run­gen die Käu­fer le­dig­lich in we­ni­ger als 1 % der Ge­samt­ver­käu­fe nicht in ei­nes der von der Klä­ge­rin be­trie­be­nen Au­to­häu­ser be­ge­ben, ist je­doch nicht pri­mär auf die Or­ga­ni­sa­ti­on der Klä­ge­rin zu­rück­zu­füh­ren. Wenn­gleich po­ten­zi­el­len Kun­den kei­ne Mög­lich­keit zum di­rek­ten Ver­trags­schluss über die ver­wen­de­ten Fahr­zeug­ver­mitt­lungs­platt­for­men, et­wa in Form ei­ner „So­fort­kauf“-Funk­ti­on, er­öff­net wird, be­steht aus je­dem kon­kre­ten Fahr­zeug­an­ge­bot her­aus doch die Op­ti­on der un­mit­tel­ba­ren Kon­takt­auf­nah­me mit der Klä­ge­rin per Mail oder auf te­le­fo­ni­schem We­ge. Auf ei­ne Ver­ar­bei­tung der auf die­sem We­ge ein­ge­hen­den An­fra­gen ist die Or­ga­ni­sa­ti­on der Klä­ge­rin so­wohl in per­so­nel­ler als auch sach­li­cher Hin­sicht aus­ge­rich­tet. Dies zeigt sich zum ei­nen in dem hier zu ent­schei­den­den Fall, wel­cher in­ner­halb kür­zes­ter Zeit und un­ter Ver­wen­dung vor­ge­fer­tig­ter Be­stell­for­mu­la­re durch die Klä­ge­rin be­ar­bei­tet wer­den konn­te. Zum an­de­ren ver­weist die Klä­ge­rin in ih­rem ei­ge­nen Vor­trag auf die Tat­sa­che, dass sie „ein paar Mal im Jahr“ zu­meist an Ge­schäfts­kun­den Fahr­zeu­ge un­ter aus­schließ­li­cher Ver­wen­dung von Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln ver­äu­ße­re. Da im Rah­men ei­nes mög­lichst ef­fek­ti­ven Ver­brau­cher­schut­zes dem Un­ter­neh­mer nicht die Mög­lich­keit ge­ge­ben wer­den darf, sich der An­wen­dung der fern­ab­satz­recht­li­chen Re­ge­lun­gen durch ein en­ges Ver­ständ­nis des Be­griffs des Fern­ab­satz­sys­tems zu ent­zie­hen (vgl. Stau­din­ger/Thü­s­ing, BGB, Neu­be­arb. 2019, § 312c Rn. 49 m. w. Nachw.; Er­man/Koch, BGB, 15. Aufl., § 312c Rn. 8), kann es je­doch nicht auf die Quan­ti­tät der auf die­sem We­ge ab­ge­wi­ckel­ten Ver­käu­fe, son­dern aus­schließ­lich auf die Schaf­fung der tech­ni­schen und per­so­nel­len Mög­lich­kei­ten durch die Klä­ge­rin an­kom­men, wel­che nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag an­zu­neh­men sind und in ge­wis­ser Re­gel­mä­ßig­keit zu Ver­trags­schlüs­sen im Fern­ab­satz füh­ren.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Klä­ge­rin steht es der An­nah­me ei­nes Fern­ab­satz­ver­triebs­sys­tems steht auch nicht ent­ge­gen, dass es bei der Ab­wick­lung des Ge­schäfts, mit­hin der Über­ga­be des Au­tos, zu ei­nem per­sön­li­chen Kon­takt der Par­tei­en kom­men soll­te. Es ent­spricht den Grund­sät­zen höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung, dass ein Ver­brau­cher, der oh­ne per­sön­li­chen Kon­takt zum Dienst­leis­ter ei­ne Leis­tungs­ver­pflich­tung ein­geht, nicht des­we­gen we­ni­ger schutz­be­dürf­tig ist, weil im An­schluss an den Ver­trags­schluss ein per­sön­li­cher Kon­takt bei der Aus­füh­rung der Dienst­leis­tung oder der Über­ga­be der Wa­re er­folgt (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn. 54 m. w. Nachw.). So ver­pflich­tet sich bei der Be­stel­lung ei­ner Sa­che im We­ge des Fern­ab­sat­zes der Käu­fer zu­nächst zum Kauf und er­hält erst beim Er­halt der Wa­re die Mög­lich­keit, die­se zu prü­fen. Der Zweck der Richt­li­nie 97/7/EG und ih­rer Um­set­zung in deut­sches Recht ist es aber, die Wahl­frei­heit des Ver­brau­chers zu schüt­zen, der oh­ne die Mög­lich­keit, die Wa­re zu prü­fen, ei­ne ver­trag­li­che Ver­pflich­tung zur Be­zah­lung der Wa­re ein­ge­gan­gen ist (vgl. BT-Drs. 14/2658, S. 30). Die­se Wahl­frei­heit des Ver­brau­chers be­steht je­doch nur zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses, wes­halb ein wirk­sa­mer Schutz des Ver­brau­chers vor ei­ner in der räum­li­chen Dis­tanz zur an­ge­bo­te­nen Wa­re be­grün­de­ten Fehl­ent­schei­dung nicht durch ei­ne per­sön­li­che Kon­takt­auf­nah­me nach Ver­trags­schluss, auch wenn die­se von An­fang ge­plant und ge­wünscht war, er­reicht wer­den kann. Ei­ne hier­von ab­wei­chen­de Be­trach­tungs­wei­se lie­fe dem Schutz­zweck des Fern­ab­satz­rechts zu­wi­der (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn. 54 m. w. Nachw.; Stau­din­ger/Thü­s­ing, a. a. O., Rn. 38&nbs­pff.).

2. In zu­tref­fen­der Wei­se ist das Land­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass ein Wi­der­rufs­recht des Be­klag­ten auch nicht ge­mäß § 312g II Nr. 1 BGB aus­schei­det.

a) Nach der vor­ge­nann­ten – als Aus­nah­me­vor­schrift grund­sätz­lich eng aus­zu­le­gen­den (vgl. Stau­din­ger/Thü­s­ing, a. a. O., § 312g Rn. 10 m. w. Nachw.) – Norm ist ein Wi­der­rufs­recht bei Ver­trä­gen zur Lie­fe­rung von Wa­ren, die nach Kun­den­spe­zi­fi­ka­ti­on an­ge­fer­tigt oder ein­deu­tig auf die per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se des Ver­brau­chers zu­ge­schnit­ten sind, aus­ge­schlos­sen. Hier­bei sind die bei­den Al­ter­na­ti­ven nur schwie­rig von­ein­an­der ab­zu­gren­zen und wei­sen ei­ne er­heb­li­che Schnitt­men­ge auf (vgl. nur BeckOGK/Busch, Stand: 01.01.2020, § 312g Rn. 15). Wäh­rend ei­ne An­fer­ti­gung der Wa­re nach Kun­den­spe­zi­fi­ka­ti­on vor­aus­setzt, dass die Wa­re nach Vor­ga­ben des Ver­brau­chers an­ge­fer­tigt wird, ist der Be­griff der ein­deu­tig auf die per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se des Ver­brau­chers zu­ge­schnit­te­nen Wa­ren wei­ter und um­fasst auch vor­ge­fer­tig­te Wa­ren, die erst nach der Be­stel­lung durch den Ver­brau­cher, et­wa durch Na­mens­gra­vur, in­di­vi­dua­li­siert wer­den (vgl. BeckOGK/Busch, a. a. O., Rn. 16 m. w. Nachw.). In den vor­ge­nann­ten Fäl­len sind die nach An­ga­ben des Ver­brau­chers in­di­vi­dua­li­sier­ten Ge­gen­stän­de für den Un­ter­neh­mer im Fal­le ih­rer Rück­nah­me wirt­schaft­lich wert­los, weil er sie we­gen ih­rer vom Ver­brau­cher ver­an­lass­ten be­son­de­ren Ge­stalt an­der­wei­tig nicht mehr oder al­len­falls noch un­ter er­höh­ten Schwie­rig­kei­ten und mit er­heb­li­chem Preis­nach­lass ab­set­zen kann (vgl. MünchKomm-BGB/Wen­de­horst, 8. Aufl. § 312g Rn. 15 m. w. Nachw.). Da­ge­gen ist § 312g II Nr. 1 BGB nicht an­wend­bar auf bloß sel­ten nach­ge­frag­te, aber nicht wei­ter be­ar­bei­te­te Se­ri­en­ar­ti­kel, auch wenn der Un­ter­neh­mer ver­gleich­ba­re Schwie­rig­kei­ten ha­ben soll­te, die von ei­nem Lie­fe­ran­ten oder Her­stel­ler be­zo­ge­ne Wa­re nach Wi­der­ruf des Ver­brau­chers wei­ter­zu­ve­r­äu­ßern. Dies gilt auch, wenn der Ver­brau­cher Wa­ren ein­fach nur zu­sam­men­stellt, in­dem er die­se aus den vom Un­ter­neh­mer an­ge­bo­te­nen (vor­ge­ge­be­nen) Stan­dar­d­op­tio­nen, et­wa zur Far­be oder der Zu­satz­aus­stat­tung ei­nes Pkw, aus­wählt. Hier­bei ist es un­er­heb­lich, ob der Un­ter­neh­mer die Sa­che selbst an­fer­tigt, auf die per­sön­li­chen Be­dürf­nis­se des Ver­brau­chers zu­schnei­det oder ob er die Wün­sche des Ver­brau­chers sei­ner­seits an ei­nen Lie­fe­ran­ten bzw. Her­stel­ler wei­ter­gibt (vgl. MünchKomm-BGB/Wen­de­horst, a. a. O., § 312g Rn. 16 f. m. w. Nachw.).

b) Dem­nach sind bei der ge­bo­te­nen en­gen Aus­le­gung der Vor­schrift die Vor­aus­set­zun­gen des § 312g II Nr. 1 BGB nicht er­füllt. In­so­weit stellt der auf den kon­kre­ten Kun­den­wunsch des Be­klag­ten bei ei­nem Dritt­händ­ler be­schaff­te Ge­braucht­wa­gen zwar ei­ne grund­sätz­lich den per­sön­li­chen Be­dürf­nis­sen des Be­klag­ten ent­spre­chen­de Sa­che dar; das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug ist und bleibt aber zu­gleich ein aus vom Un­ter­neh­mer vor­ge­ge­be­nen Stan­dar­d­op­tio­nen zu­sam­men­ge­stell­ter „Se­ri­en­ar­ti­kel“. Dass – an­ders als in den vor­ge­nann­ten Fäl­len ei­ner in­di­vi­du­el­len An­fer­ti­gung oder An­pas­sung nach Kun­den­wunsch – auch kein Fall ei­ner wirt­schaft­li­chen Wert­lo­sig­keit vor­liegt, zeigt sich vor­lie­gend ein­drucks­voll an der Tat­sa­che, dass die Klä­ge­rin nach ih­rem ei­ge­nen Vor­trag das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug, mit ei­ner zu­sätz­li­chen Sitz­bank ver­se­hen, be­reits sechs Wo­chen nach dem Wi­der­ruf des Be­klag­ten zu ei­nem Kauf­preis von 60.000 € wei­ter­ver­kau­fen konn­te. …

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