- Der Hersteller eines – hier mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten – Fahrzeugs ist hinsichtlich der kaufrechtlichen Pflichten (§ 433 I BGB) eines Vertragshändlers nicht dessen Erfüllungsgehilfe (im Anschluss u. a. an Senat, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97). Dem Vertragshändler kann deshalb ein möglicherweise arglistiges Verhalten des Herstellers nicht unter Anwendung der Maßstäbe des § 278 BGB zugerechnet werden.
- Verlangt der Käufer eines Fahrzeugs, in dem eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz kommt und das deshalb mangelhaft ist, Ersatz eines Schadens, der lediglich den auf der Mangelhaftigkeit beruhenden Unwert des Fahrzeugs für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers ausdrückt, ist für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum. Denn die deliktischen Verkehrspflichten sind grundsätzlich nicht darauf gerichtet, die Erwartung des Käufers zu schützen, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer mangelfreien Sache zu erhalten. Vielmehr richtet sich der deliktische Schadensersatzanspruch grundsätzlich allein auf Ersatz des Erhaltungsinteresses und damit auf das negative Interesse.
- Ein Kraftfahrzeug eignet sich nur zur gewöhnlichen Verwendung i. S. von § 434 I 2 Nr. 2 BGB, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. Senat, Beschl. v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 5 m. w. Nachw.). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das – zu einem möglichen Eingreifen der Behörden führende und damit die weitere Zulassung zum Straßenverkehr gefährdende – Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung als Sachmangel (und nicht als Rechtsmangel) einzustufen.
BGH, Beschluss vom 09.06.2020 – VIII ZR 315/19
Sachverhalt: Die Klägerin erwarb von der beklagten Vertragshändlerin im Dezember 2013 ein Dieselfahrzeug mit einem von der Herstellerin eingebauten Motor EA189 ( Schadstoffklasse 5) zum Preis von 22.890,01 €. Die Software zur Motorsteuerung verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Auf dem Prüfstand wird der „Modus 1“ aktiviert, der den Stickoxidausstoß verringert, während bei den im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Bedingungen der zu einem höheren Austritt von Stickoxiden führende „Modus 0“ eingeschaltet ist. Das Fahrzeug wurde der Klägerin am 20.02.2014 übergeben.
Mit Anwaltsschreiben vom 22.09.2017 verlangte die Klägerin die Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs, was die Beklagte ablehnte. Dieser Anspruch ist – neben einem Antrag auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (1.899,24 €) und einem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten – auch Gegenstand der vorliegenden Klage. Diese wurde am 25.04.2018 eingereicht und der Beklagten am 15.05.2018 zugestellt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 07.11.2019 – 17 U 245/18, NJW-RR 2020, 377) ausgeführt, der Anspruch auf Nachlieferung gemäß § 439 I Fall 2 BGB sei gemäß § 438 I Nr. 3, II BGB verjährt. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten, das zur Anwendung der Regelverjährung führe (§ 438 III BGB), sei nicht gegeben. Ein mögliches arglistiges Verhalten der Herstellerin sei der Beklagten nicht zuzurechnen, weil der Hersteller nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers sei. Ein zum Neubeginn der Verjährung führendes Anerkenntnis i. S. des § 212 I Nr. 1 BGB durch das Aufspielen eines Softwareupdates sei nicht erfolgt. Die Nachrüstung sei erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils und damit nach Ablauf der maßgeblichen Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Auslieferung durchgeführt worden. Zudem habe die Beklagte ihre Verpflichtung zur Nachbesserung stets bestritten und damit das Update nicht in dem Bewusstsein aufgespielt, zur Mangelbeseitigung verpflichtet zu sein. Die Erhebung der Einrede der Verjährung sei auch nicht treuwidrig.
Der von der Klägerin verfolgte Nachlieferungsanspruch könne entgegen der Ansicht der Klägerin nicht im Wege eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB geltend gemacht werden. Denn Rechtsfolge eines derartigen Anspruchs sei lediglich der Ersatz des Vertrauensschadens; ein Erfüllungsanspruch bestehe dagegen nicht.
Schließlich könne der von der Klägerin geltend gemachte Erfüllungsanspruch auch nicht auf §§ 280 I, 241, 443, 823 II BGB i. V. mit Art. 12, 18 der Richtlinie 2007/46/EG, §§ 4, 6, 25 EG-FGV gestützt werden. Eine Garantie nach § 443 BGB habe die Beklagte nicht eingeräumt. Aus den weiter zitierten Normen ergebe sich – ungeachtet der Frage ihrer Einschlägigkeit – ebenfalls kein Erfüllungsanspruch, der auf Lieferung eines mangelfreien fabrikneuen Fahrzeugs gerichtet sei. Denn Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung richteten sich, weil die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpfe, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Regel allein auf das – hier nicht verfolgte – Erhaltungsinteresse.
Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: [7] II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Klägerin die von ihr geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 543 II 1 Nr. 1 ZPO) und der Fortbildung des Rechts (§ 543 II 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO) nicht dargelegt hat (§ 544 IV 3 ZPO).
[8] 1. Entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde kommt den von ihr als grundsätzlich bewerteten Rechtsfragen (Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin im Rahmen des § 438 III BGB; Treuwidrigkeit der Verjährungseinrede; Aufspielen eines Softwareupdates als Anerkenntnis i. S. des § 212 I Nr. 1 BGB; Unkenntnis vom Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung als verjährungshemmende „höhere Gewalt“ i. S. von § 206 BGB; § 27 I EG-FGV und weitere Vorschriften als zur Vertragsnichtigkeit führende Schutzgesetze i. S. von § 134 BGB; Vorliegen eines deliktischen Eingriffs in die Eigentümerbefugnisse bei Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Kraftfahrzeugs durch die Motorsteuerungssoftware) keine Grundsatzbedeutung zu.
[9] a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, das heißt allgemein von Bedeutung ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 27.03.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; Beschl. v. 02.07.2019 – VIII ZR 74/18, NJW-RR 2019, 1202 Rn. 10; jeweils m. w. Nachw.). Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 544 IV 3 ZPO); die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt hierfür nicht. Der Beschwerdeführer muss vielmehr konkret auf die Rechtsfrage, ihre Entscheidungserheblichkeit, Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen. Insbesondere sind Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die betreffende Rechtsfrage umstritten ist (BGH, Beschl. v. 01.10.2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 191; Beschl. v. 27.03.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; Beschl. v. 02.07.2019 – VIII ZR 74/18, NJW-RR 2019, 1202 Rn. 10; jeweils m. w. Nachw.).
[10] Klärungsbedürftig sind (nur) solche entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht höchstrichterlich geklärt sind (BVerfG [1. Kammer des Ersten Senats], Beschl. v. 26.08.2009 – 1 BvR 2111/08, juris Rn. 6; BVerfG [1. Kammer des Zweiten Senats], Beschl. v. 06.06.2018 – 2 BvR 350/18, juris Rn. 17 m. w. Nachw.).
[11] b) Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht.
[12] aa) Dies gilt zunächst für die Frage der Zurechnung eines möglichen arglistigen Verhaltens der Herstellerin.
[13] (1) Die Nichtzulassungsbeschwerde führt zum Beleg eines hierzu bestehenden Meinungsstreits (die obergerichtliche Rechtsprechung verneint – soweit ersichtlich – durchgängig eine solche Zurechnung, vgl. nur die vom Berufungsgericht angegebenen Nachweise) drei instanzgerichtliche Entscheidungen an, wobei es sich bei einer um einen unveröffentlichten Hinweis- und Beweisbeschluss des LG Köln vom 30.05.2017 (32 O 219/16) handelt, dessen Inhalt von der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mitgeteilt wurde und bei dem es sich um eine reine Zwischenentscheidung handelt, die von vornherein keinen zulassungsrelevanten Meinungsstreit begründen kann.
[14] Bei der weiter angeführten Entscheidung des OLG München vom 23.03.2017 – 3 U 4316/16, juris Rn. 15 – handelt es sich um einen Kostenbeschluss nach § 91a ZPO, der nicht die Frage der Zurechnung eines arglistigen Verhaltens im Rahmen des § 438 BGB oder des § 123 BGB betraf. Vielmehr hatte sich das OLG München mit der Frage zu befassen, ob sich ein Käufer im Hinblick auf eine erst in Zukunft bestehende Nachbesserungsmöglichkeit (Softwareupdate) auf eine Nachfrist von mehr als einem Jahr einlassen muss. Dies hat es verneint und in diesem Zusammenhang ausgeführt, der Verkäufer, der sich insoweit das Verhalten des Herstellers zurechnen lassen müsse, da er sich dessen Mithilfe zur Nacherfüllung zunutze mache, habe innerhalb von mehr als 14 Monaten die Nacherfüllung nicht zuwege gebracht und müsse daher den Rücktritt des Käufers hinnehmen. Im Übrigen hat derselbe Senat des OLG München mit Urteil vom 03.07.2019 – 3 U 4029/18, juris Rn. 37 – eine Zurechnung des Wissens der Herstellerin gemäß § 166 BGB und damit eine Arglist i. S. des § 438 III BGB verneint.
[15] Das von der Nichtzulassungsbeschwerde ferner angeführte Urteil des LG Aachen vom 05.10.2017 (12 O 201/16, juris) betraf ebenfalls eine andere Fallgestaltung. Es ging um ein Minderungsverlangen, bei dem sich die Frage stellte, ob eine Nachfristsetzung entbehrlich war. Dabei hat es das Landgericht ausdrücklich dahinstehen lassen, ob der Käufer durch die Verkäuferin getäuscht wurde und ob bzw. inwieweit eine etwaige Täuschung durch die Herstellerin der Verkäuferin zuzurechnen wäre (Urt. v. 05.10.2017 – 12 O 201/16, juris Rn. 37).
[16] (2) Davon abgesehen sind die Grundsätze der Wissenszurechnung höchstrichterlich hinreichend geklärt.
[17] (a) Die vom BGH aufgestellten Grundsätze, wonach nicht nur Verhandlungsführer und -gehilfen (hier gilt § 166 BGB analog), sondern auch solche Beteiligte, die wegen ihrer engen Beziehungen zum betreffenden Vertragspartner als dessen Vertrauensperson erscheinen, nicht als Dritte i. S. von § 123 II BGB anzusehen sind (vgl. etwa BGH, Urt. v. 17.11.1960 – VII ZR 115/59, BGHZ 33, 302, 310; Urt. v. 20.11.1995 – II ZR 209/94, NJW 1996, 1051 unter 3; Urt. v. 20.01.2005 – I ZR 95/01, NJW-RR 2005, 1277 unter II 2 b bb m. w. Nachw.), bedürfen im Streitfall keiner weiteren Klärung. Denn eine solche Beziehung zwischen (Vertrags-)Händler und Herstellerin, die aus Billigkeitsgründen eine Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin gebieten würde, besteht bezüglich des vorliegend allein maßgeblichen Abschlusses des Kaufvertrags mit dem Kunden ersichtlich nicht. Die von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Gesichtspunkte tragen eine solche Annahme nicht.
[18] (b) Weiter ist höchstrichterlich geklärt, dass sich die Zurechnung des Verhaltens einer sonstigen Hilfsperson nach denselben Maßstäben wie bei § 278 BGB bestimmt, sodass es darauf ankommt, ob eine von ihr vorgenommene Handlung zu dem allgemeinen Umkreis des Aufgabenbereichs gehört, zu dessen Wahrnehmung sie bestellt ist (Senat, Urt. v. 28.09.1988 – VIII ZR 160/87, NJW 1989, 287 unter II 4 c; Urt. v. 30.03.2011 – VIII ZR 94/10, NJW 2011, 2874 Rn. 16; jeweils m. w. Nachw.). Wie der Senat aber in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, ist ein Hersteller oder Lieferant nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers im Rahmen seiner kaufrechtlichen Pflichten (vgl. etwa Urt. v. 02.04.2014 – VIII ZR 46/13, BGHZ 200, 337 Rn. 31 m. w. Nachw.). Dies ist auch in der Begründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drs. 14/6040, S. 210) so festgehalten („Bei der Erfüllung der Verschaffungspflicht bedient sich der Verkäufer nicht des Herstellers, die Herstellung der Sache ist nicht in den Pflichtenkreis des Verkäufers einbezogen. Der Warenhersteller ist deshalb ebenso wenig Erfüllungsgehilfe des Verkäufers, wie […]“). Dies gilt – anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint – auch für die Fahrzeugbranche (vgl. etwa BGH, Urt. v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17, BGHZ 220, 134 Rn. 97). Unter Anwendung der Maßstäbe des § 278 BGB kann daher – wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat – eine Zurechnung des Verhaltens der Herstellerin nicht erfolgen.
[19] bb) Auch bezüglich der Frage der Treuwidrigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede fehlt es an der Darlegung einer Grundsatzbedeutung. Diese Frage ist einer abstrakten Klärung nicht zugänglich, weil es bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt. Zudem fehlt es an Feststellungen des Berufungsgerichts zur „Betreuertätigkeit“ der Beklagten beim Kaufvertragsabschluss, was die Nichtzulassungsbeschwerde nicht hinreichend angegriffen hat.
[20] cc) Hinsichtlich der Fragen, ob das Aufspielen eines Softwareupdates ein den Neubeginn der Verjährung auslösendes Anerkenntnis nach § 212 I Nr. 1 BGB darstellen und die Unkenntnis von der eingebauten Steuerungssoftware eine Verjährungshemmung nach § 206 BGB wegen „höherer Gewalt“ auslösen kann, führt die Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht aus, weshalb insoweit höchstrichterlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Sie beschränkt sich auf die nicht näher begründete Behauptung, diese Fragen seien für tausende Verfahren von Bedeutung, legt aber nicht dar, dass insoweit ein Meinungsstreit besteht oder aus sonstigen Gründen eine Entscheidung des BGH geboten ist. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sind die Voraussetzungen und der Anwendungsbereich der genannten Vorschriften hinreichend konturiert, sodass ihre Anwendung auf Fallgestaltungen wie die vorliegende vorgezeichnet ist.
[21] Davon abgesehen stellen sich diese Fragen im Streitfall nicht, weil das Softwareupdate erst nach Ablauf der Verjährung aufgespielt worden ist und eine Verjährungshemmung nach § 206 BGB ohnehin nicht in Betracht kommt, da die von der Nichtzulassungsbeschwerde als „höhere Gewalt“ bewertete Unkenntnis von dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bereits vor Eintritt der Hemmung nach § 206 BGB (die nur während der letzten sechs Monate der zweijährigen Verjährungsfrist – hier also ab 20.08.2015 – erfolgen kann) spätestens Ende 2015 durch das von sämtlichen Medien bekannt gemachte Vorgehen der Herstellerin behoben war.
[22] dd) Hinsichtlich des angeblichen Verbotscharakters der von der Nichtzulassungsbeschwerde angeführten Vorschriften mit der Folge einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist ein Zulassungsgrund ebenfalls nicht dargelegt. Die Nichtzulassungsbeschwerde begnügt sich auch hier mit dem unzureichenden pauschalen Verweis auf eine Bedeutung für eine Vielzahl von Verfahren.
[23] Davon abgesehen ist die von der Nichtzulassungsbeschwerde formulierte Frage nicht entscheidungserheblich. Denn wären die von ihr genannten Vorschriften Verbotsnormen i. S. von § 134 BGB und der Kaufvertrag nichtig, könnte sie die begehrte Nacherfüllung gemäß § 439 I Fall 2 BGB nicht verlangen. Die weiter von ihr genannten Vorschriften geben keinen Anspruch auf Lieferung eines neuen Fahrzeugs. Dies gilt nicht nur für deliktische Ansprüche (dazu näher unter ee), sondern – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – auch für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss, die unabhängig davon auch deswegen nicht bestehen, weil – wie das Berufungsgericht im Zusammenhang mit Ansprüchen aus Delikt rechtsfehlerfrei entschieden hat – das Verhalten der Herstellerin der Beklagten nicht zuzurechnen ist.
[24] ee) Hinsichtlich der von der Nichtzulassungsbeschwerde weiter für rechtsgrundsätzlich erachteten Frage, ob ein Eingriff in die Eigentümerbefugnisse im Sinne eines Deliktrechtstatbestands vorliegt, wenn durch eine Abgasmanipulation die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit des Fahrzeugs aufgehoben wird, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass solche – gemäß § 249 I BGB zwar auf Naturalrestitution (und nicht nur auf Geldersatz) gerichtete – Ansprüche in der Regel nicht den Ersatz des Erfüllungsinteresses ermöglichen, weswegen der Anspruchsteller grundsätzlich nicht verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (BGH, Urt. v. 18.01.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8; Urt. v. 14.05.2012 – II ZR 130/10, NJW 2012, 3510 Rn. 14).
[25] Wird – wie vorliegend – ein Schaden geltend gemacht, der lediglich den auf der Mangelhaftigkeit beruhenden Unwert der Sache für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers ausdrückt, ist für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum (BGH, Urt. v. 18.01.1983 – VI ZR 310/79, NJW 1983, 810 unter II 1 b; Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07, NJW 2009, 272 Rn. 19 m. w. Nachw.). Denn die deliktischen Verkehrspflichten sind grundsätzlich nicht darauf gerichtet, die Erwartung des Käufers zu schützen, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer mangelfreien Sache zu erhalten (BGH, Urt. v. 18.01.1983 – VI ZR 310/79, NJW 1983, 810 unter II 1 b; Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07, NJW 2009, 272 Rn. 19). Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, stellt sich im Deliktsrecht die Frage nach dem Erfüllungsinteresse regelmäßig nicht; vielmehr richtet sich der deliktische Schadensersatzanspruch grundsätzlich allein auf Ersatz des Erhaltungsinteresses und damit auf das negative Interesse (BGH, Urt. v. 18.01.2011 – VI ZR 325/09, BGHZ 188, 78 Rn. 8 f.; Urt. v. 14.05.2012 – II ZR 130/10, NJW 2012, 3510 Rn. 14).
[26] 2. Soweit – was mangels Eingehens auf die Voraussetzungen des § 543 II ZPO unklar ist – die Nichtzulassungsbeschwerde auch hinsichtlich der von ihr breiter ausgeführten Frage, ob §§ 6, 27 EG-FGV oder die Vorschriften der Verordnung 715/2007/EG bzw. der Richtlinie 2007/46/EG Schutzgesetze i. S. des § 823 II BGB darstellen, einen Zulassungsgrund für gegeben erachten sollte, scheidet eine (ohnehin nicht dargelegte) Klärungsbedürftigkeit aus, weil sich hieraus – wie vorstehend bereits ausgeführt – der geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung nicht ergeben kann. Daher ist auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zu den von der Nichtzulassungsbeschwerde auf der Grundlage eines Vorlagebeschlusses des LG Gera vom 30.08.2019 (7 O 1188/18, juris) formulierten Fragen nicht veranlasst.
[27] 3. Entgegen der Annahme der Nichtzulassungsbeschwerde ist eine Zulassung der Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts geboten.
[28] a) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde Fortbildungsbedarf bezüglich der von ihr für erforderlich gehaltenen Klärung sieht, ob die Einrede der Verjährung treuwidrig ist, wenn der Vertragshändler für den Hersteller als „Betreuer“ gegenüber dem Käufer tätig ist, lässt sich die auf einen Einzelfall bezogene Frage der Treuwidrigkeit nicht abstrakt klären. Die Grundsätze zur Treuwidrigkeit sind inzwischen höchstrichterlich so ausgereift, dass sie eine hinreichende Orientierungshilfe für den Tatrichter bilden. Davon abgesehen stellt sich diese Frage im Streitfall nicht, weil nicht festgestellt ist, dass die Beklagte die Klägerin für die Herstellerin beim Kaufvertragsabschluss „betreut“ hat, und die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen keine durchgreifenden Rügen erhebt.
[29] b) Ohne Erfolg beruft sich die Nichtzulassungsbeschwerde schließlich auf Fortbildungsbedarf bezüglich der Frage, ob das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht – wie vom Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 (VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133) angenommen – (nur) einen Sachmangel, sondern (auch) einen Rechtsmangel im Sinne von § 435 BGB darstellt. Auch insoweit legt die Nichtzulassungsbeschwerde bereits einen Zulassungsgrund nicht dar, sondern beschränkt sich darauf vorzutragen, weshalb aufgrund der von ihr zitierten Rechtsprechung des Senats (auch) ein Rechtsmangel anzunehmen sei.
[30] aa) Davon abgesehen besteht ein Bedürfnis für eine höchstrichterliche Orientierungshilfe nicht. Aufgrund der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass ein Rechtsmangel vorliegt, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers ergeben, also geeignet sind, ihn in der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 Satz 1 BGB gebührenden Rechtsposition zu beeinträchtigen (Senat, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 16 m. w. Nachw.). Weiter ist geklärt, dass auf öffentlichem Recht beruhende Eingriffsbefugnisse, Beschränkungen und Bindungen, die die Nutzung der Kaufsache beeinträchtigen, einen Rechtsmangel begründen können und dies in Abgrenzung zu den dem Bereich der Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) zuzuordnenden Sachverhalten jedenfalls dann gilt, wenn das Eingreifen öffentlich-rechtlicher Normen nicht Folge der (auch) einen Sachmangel begründenden nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Kaufsache ist; andernfalls liegt es nahe, (nur) einen Sachmangel anzunehmen (Senat, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 18 m. w. Nachw.).
[31] Ferner hat der Senat deutlich gemacht, dass sich ein Kraftfahrzeug zur gewöhnlichen Verwendung (§ 434 I 2 Nr. 2 BGB) nur eignet, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt (vgl. Hinweisbeschl. vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 5 m. w. Nachw.). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat das – zu einem möglichen Eingreifen der Behörden führende und damit die weitere Zulassung zum Straßenverkehr gefährdende – Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung als Sachmangel (und nicht als Rechtsmangel) eingestuft.
[32] bb) Davon abgesehen ist die Frage, ob das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung (auch) als Rechtsmangel anzusehen sei, nicht entscheidungserheblich. Die Nichtzulassungsbeschwerde geht wohl unausgesprochen davon aus, dass in diesem Falle andere Verjährungsregeln als bei einem Sachmangel Anwendung fänden. Dies trifft aber nicht zu, denn Sach- und Rechtsmängel haben nach neuem Recht dieselben Rechtsfolgen; die Vorschriften der §§ 437 ff. BGB – und damit auch die Verjährungsregelung des § 438 BGB – gelten für beide Arten von Mängeln (BGH, Urt. v. 27.02.2015 – V ZR 133/14, juris Rn. 16 f.).
[33] 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 544 VI 2 BGB ab.
[34] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.