1. Da die Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung er­füllt sein müs­sen, muss auch zu die­sem Zeit­punkt ein bei Ge­fahr­über­gang ge­ge­be­ner Sach­man­gel fort­be­ste­hen (Be­stä­ti­gung von Se­nat, Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 35).
  2. Die – die Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes Sach­man­gels bei Ge­fahr­über­gang be­tref­fen­de – Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Ver­brau­chers tritt nach Maß­ga­be des § 476 BGB a.F. be­reits dann ein, wenn die­sem der Nach­weis ge­lingt, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang ein man­gel­haf­ter Zu­stand (ei­ne Man­gel­er­schei­nung) ge­zeigt hat, der – un­ter­stellt, er hät­te sei­ne Ur­sa­che in ei­nem dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Um­stand – des­sen Haf­tung we­gen Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit be­grün­den wür­de (Be­stä­ti­gung von Se­nat, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36).

BGH, Ur­teil vom 27.05.2020 – VI­II ZR 315/18

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin er­warb als Ver­brau­che­rin am 05.10.2013 von der Be­klag­ten, die Pfer­de­auk­tio­nen aus­rich­tet, auf der „79. Herbst-Eli­te-Auk­ti­on“ für 31.733,19 € den fünf Jah­re al­ten Wal­lach S zur Nut­zung als Sport­pferd.

In der Fol­ge­zeit bil­de­te die Toch­ter der Klä­ge­rin, K, die als Pfer­de­wir­tin und -aus­bil­de­rin tä­tig ist, das Pferd, das be­reits er­folg­reich an Tur­nie­ren teil­ge­nom­men hat­te, wei­ter aus, um es auf den Leis­tungs­stand der Klas­se L zu brin­gen. Im Mai 2014 nahm die K mit dem Pferd an ei­ner Dres­sur­prü­fung die­ser Klas­se teil.

Mit An­walts­schrei­ben vom 12.12.2014 focht die Klä­ge­rin ih­re auf den Ab­schluss des Kauf­ver­trags ge­rich­te­te Wil­lens­er­klä­rung we­gen arg­lis­ti­ger Täu­schung an. Sie be­haup­te­te un­ter an­de­rem „gra­vie­ren­de Rit­tig­keits­pro­ble­me“; das Pferd ha­be „ins­be­son­de­re die Wi­der­setz­lich­kei­ten des Blo­ckens be­zie­hungs­wei­se Blo­ckie­rens“ ge­zeigt. Mit An­walts­schrei­ben vom 16.03.2015 er­klär­te die Klä­ge­rin den Rück­tritt vom Kauf­ver­trag. Sie be­haup­tet im We­sent­li­chen, die ge­zeig­ten „Rit­tig­keits­män­gel“ be­ruh­ten auf ver­eng­ten Dorn­fort­sät­zen der Wir­bel­säu­le (Kis­sing Spi­nes).

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge, mit der die Klä­ge­rin die Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses nebst Zin­sen, Zug um Zug ge­gen Rück­ga­be und Rück­über­eig­nung des Pferds, die Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs der Be­klag­ten so­wie die Er­stat­tung au­ßer­ge­richt­lich ent­stan­de­ner Rechts­an­walts­kos­ten be­gehrt hat, nach Ver­neh­mung meh­re­rer Zeu­gen so­wie Ein­ho­lung ei­nes fach­tier­ärzt­li­chen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens nebst er­gän­zen­der An­hö­rung des Sach­ver­stän­di­gen ab­ge­wie­sen. Die da­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung der Klä­ge­rin hat – nach Ver­neh­mung der Zeu­gin K und wei­te­rer Zeu­gen so­wie er­neu­ter An­hö­rung des Sach­ver­stän­di­gen durch das Be­ru­fungs­ge­richt – Er­folg ge­habt. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten, die da­mit wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Kla­ge er­rei­chen woll­te, wur­de das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts auf­ge­ho­ben und die Sa­che an die­ses Ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.

Aus den Grün­den: [7]    I. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zur Be­grün­dung sei­ner Ent­schei­dung – so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se – im We­sent­li­chen aus­ge­führt:

[8]    Die Klä­ge­rin kön­ne von der Be­klag­ten ge­mäß §§ 346 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 440, 323 BGB die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags über das Pferd S ver­lan­gen. Die­ses sei im Zeit­punkt der Über­ga­be mit ei­nem Man­gel i. S. der §§ 434 I, 90a BGB be­haf­tet ge­we­sen.

[9]    Zwar hät­ten die Par­tei­en ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht ge­trof­fen. Das Pferd sei je­doch auf ei­ner Eli­te-Auk­ti­on als Sport­pferd ver­kauft wor­den. Die nach dem Ver­trag vor­aus­ge­setz­te Eig­nung als Sport­pferd ha­be im Zeit­punkt des Ge­fahr­über­gangs nicht vor­ge­le­gen, weil das Pferd auf­grund ei­nes Kis­sing Spi­nes-Syn­droms „Rit­tig­keits­män­gel“ auf­ge­wie­sen ha­be. Dies ste­he auf­grund der Be­weis­auf­nah­me in Ver­bin­dung mit der Ver­mu­tung des § 476 BGB a.F. zur Über­zeu­gung des Be­ru­fungs­ge­richts fest.

[10]   Wie der Sach­ver­stän­di­ge aus­ge­führt ha­be, wei­se das Pferd Ver­än­de­run­gen der Dorn­fort­sät­ze der Brust­wir­bel­säu­le zwi­schen T 11 und T 16 (sog. Kis­sing Spi­nes) auf, die nach Maß­ga­be des (da­mals gel­ten­den) Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007 in die Rönt­gen­klas­se III bis IV ein­zu­stu­fen sei­en. Die Ver­än­de­run­gen sei­en an­la­ge­be­dingt und hät­ten mit an Si­cher­heit gren­zen­der Wahr­schein­lich­keit be­reits am 05.10.2013 vor­ge­le­gen.

[11]   Al­ler­dings stün­den die vor­ge­nann­ten Rönt­gen­be­fun­de, die – so der Sach­ver­stän­di­ge – viel­fach auch bei rü­cken­ge­sun­den Tie­ren an­zu­tref­fen sei­en, ei­ner Ver­wen­dung als Reit- und Sport­pferd nicht ent­ge­gen. Pfer­de mit ei­nem der­ar­ti­gen Be­fund könn­ten bis in die höchs­te Klas­se mit sport­li­chem Er­folg ein­ge­setzt wer­den. Die sport­li­che Nut­zung sei nur be­ein­träch­tigt, wenn die Rönt­gen­be­fun­de kli­ni­sche Re­le­vanz auf­wie­sen. Dies kön­ne für das von der Klä­ge­rin er­wor­be­ne Pferd der­zeit nicht fest­ge­stellt wer­den, denn beim Be­ritt un­ter Be­ob­ach­tung des Sach­ver­stän­di­gen ha­be es Auf­fäl­lig­kei­ten nicht ge­zeigt.

[12]   Je­doch wer­de bei ei­nem – wie hier ge­ge­be­nen – Ver­brauchs­gü­ter­kauf ge­mäß § 476 BGB a.F. (nun­mehr § 477 BGB) dann, wenn sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang ein Sach­man­gel zei­ge, ver­mu­tet, dass die Kauf­sa­che be­reits bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft ge­we­sen sei, es sei denn, die­se Ver­mu­tung sei mit der Art der Sa­che oder des Man­gels nicht ver­ein­bar. Nach dem Er­geb­nis der zweit­in­stanz­li­chen Be­weis­auf­nah­me, ins­be­son­de­re der Ver­neh­mung der Zeu­gin K so­wie der Zeu­gin B, die – un­ter an­de­rem als mehr­fa­che Teil­neh­me­rin an Olym­pi­schen Spie­len – im Um­gang mit Dres­sur­pfer­den be­son­ders er­fah­ren und qua­li­fi­ziert sei, ha­be sich das Pferd wi­der­setz­lich ge­zeigt. Da­her sei­en in dem vor­ge­nann­ten Zeit­raum „Rit­tig­keits­män­gel“ fest­zu­stel­len, die in Zu­sam­men­schau mit den Rönt­gen­be­fun­den den Schluss auf das Vor­lie­gen ei­nes Kis­sing Spi­nes-Syn­droms zu­lie­ßen.

[13]   Es kön­ne da­hin­ste­hen, ob blo­ße „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ die Ver­mu­tung des § 476 BGB a.F. be­grün­den könn­ten oder ob die Ver­mu­tung mit der Art des Man­gels un­ver­ein­bar sei, weil die „Un­rit­tig­keit“ ei­nes Pferds vie­le exo­ge­ne und en­do­ge­ne Ur­sa­chen ha­ben kön­ne und ein sol­ches Be­schwer­de­bild nicht nur je­der­zeit auf­tre­ten, son­dern von dem Pferd und sei­ner Ver­an­la­gung un­ab­hän­gi­ge Ur­sa­chen ha­ben kön­ne. Denn nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me stün­den hier nicht nur im Ver­mu­tungs­zeit­raum auf­ge­tre­te­ne „Rit­tig­keits­män­gel“ fest, son­dern auch ein Kis­sing Spi­nes-Be­fund der Rönt­gen­klas­se III bis IV. Der Sach­ver­stän­di­ge ha­be die Ten­denz, dass die Pro­ble­me ih­re Ur­sa­che nicht in der Aus­bil­dung des Pferds hät­ten, son­dern über­wie­gend wahr­schein­lich in dem Rönt­gen­be­fund. Bei der zweit­in­stanz­li­chen Be­weis­auf­nah­me hät­ten sich ge­ra­de die kli­ni­schen Sym­pto­me er­ge­ben, die der Sach­ver­stän­di­ge bei sei­ner Be­gut­ach­tung des Tiers nicht ha­be fest­stel­len kön­nen. Im Zeit­raum von sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang sei­en mit den kli­ni­schen Sym­pto­men ei­nes Kis­sing Spi­nes-Syn­droms Man­gel­er­schei­nun­gen auf­ge­tre­ten, die den Ge­brauch des Pferds für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Nut­zung als Sport­pferd (Dres­sur­pferd) aus­schlös­sen.

[14]   Zwar sei das Be­ru­fungs­ge­richt über­zeugt, dass die Man­gel­er­schei­nun­gen in Ge­stalt der „Rit­tig­keits­män­gel“ mit ganz über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit auf Kis­sing Spi­nes zu­rück­zu­füh­ren sei­en. Dies be­dür­fe je­doch kei­ner ab­schlie­ßen­den Ent­schei­dung, weil der Käu­fer nach der Recht­spre­chung des BGH le­dig­lich den Nach­weis ei­ner Man­gel­er­schei­nung – al­so ei­nes man­gel­haf­ten Zu­stands – zu er­brin­gen ha­be, der – un­ter­stellt, er be­ru­he auf ei­ner dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Ur­sa­che – des­sen Haf­tung we­gen ei­ner Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit be­grün­den wür­de.

[15]   Die­ser Nach­weis sei der Klä­ge­rin ge­lun­gen. Zwar be­grün­de das Phä­no­men der Kis­sing Spi­nes für sich ge­nom­men kei­nen man­gel­haf­ten Zu­stand. Auch mö­ge die Ver­mu­tung des § 476 BGB a.F. un­ter Um­stän­den bei blo­ßen „Rit­tig­keits­män­geln“ nicht an­wend­bar sein. In der Kom­bi­na­ti­on von „Rit­tig­keits­män­geln“ mit ei­nem rönt­ge­no­lo­gi­schen Kis­sing Spi­nes-Be­fund lie­ge aber ei­ne Man­gel­er­schei­nung, die die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB a.F. aus­lö­se.

[16]   Die Ver­mu­tung sei mit der Art des Man­gels nicht un­ver­ein­bar. Zwar be­ste­he, wie der Sach­ver­stän­di­ge er­läu­tert ha­be, die Mög­lich­keit, dass es trotz eng­ste­hen­der Dorn­fort­sät­ze nicht zu kli­ni­schen Sym­pto­men kom­me. Hier je­doch ha­be die Käu­fe­rin den Be­weis für das Vor­lie­gen von Kis­sing Spi­nes bei Ge­fahr­über­gang er­bracht und auch be­wie­sen, dass in­ner­halb des Sechs­mo­nats­zeit­raums Er­schei­nun­gen auf­ge­tre­ten sei­en, die als Sym­pto­me von Kis­sing Spi­nes in Be­tracht kä­men. In An­be­tracht des­sen er­schei­ne es in­ter­es­sen­ge­recht und ent­spre­che dem ver­brau­cher­schüt­zen­den Ge­set­zes­zweck, dem Ver­käu­fer die Be­weis­last da­für auf­zu­er­le­gen, dass die „Rit­tig­keits­schwie­rig­kei­ten“ nicht auf dem Eng­stand der Dorn­fort­sät­ze, son­dern auf ei­ner an­de­ren, dem Ver­käu­fer nicht zu­re­chen­ba­ren Ur­sa­che be­ruh­ten.

[17]   Der Man­gel, des­sen Vor­han­den­sein ge­mäß § 476 BGB a.F. ver­mu­tet wer­de, sei nicht des­halb als weg­ge­fal­len an­zu­se­hen, weil spä­ter der ge­richt­li­che Sach­ver­stän­di­ge „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ nicht fest­ge­stellt ha­be. Denn es ste­he fest, dass das Pferd den Rönt­gen­be­fund der Kis­sing Spi­nes auf­wei­se. Wei­ter ste­he fest, dass das Tier im Ver­mu­tungs­zeit­raum kli­ni­sche Sym­pto­me ei­nes Kis­sing Spi­nes-Syn­droms ge­zeigt ha­be. Da­mit grei­fe die Ver­mu­tungs­wir­kung ein, auch wenn zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt Man­gel­er­schei­nun­gen nicht mehr fest­zu­stel­len sei­en.

[18]   Die Be­klag­te ha­be den ihr ob­lie­gen­den Be­weis, dass die fest­ge­stell­ten „Rit­tig­keits­män­gel“ nicht auf das Kis­sing Spi­nes-Syn­drom zu­rück­zu­füh­ren sei­en, nicht er­bracht. Nach den Be­kun­dun­gen der Zeu­gin­nen K und B sei das Pferd von Be­ginn an wi­der­setz­lich ge­we­sen. Ei­ne un­sach­ge­mä­ße Be­hand­lung oder Über­for­de­rung blei­be blo­ße Spe­ku­la­ti­on.

[19]   II. Die­se Be­ur­tei­lung hält recht­li­cher Nach­prü­fung nicht stand.

[20]   Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­ge­be­nen Be­grün­dung kann ein An­spruch der Klä­ge­rin auf Rück­zah­lung des Kauf­prei­ses (§§ 434 I, 437 Nr. 2 Fall 1, §§ 323, 346 I BGB), auf Er­stat­tung au­ßer­ge­richt­li­cher An­walts­kos­ten (§ 280 I BGB), je­weils nebst Zin­sen, so­wie auf Fest­stel­lung des An­nah­me­ver­zugs nicht be­jaht wer­den.

[21]   Be­reits die An­nah­me ei­nes ge­währ­leis­tungs­pflich­ti­gen Sach­man­gels des Pferds fin­det in den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts kei­ne Grund­la­ge (hier­zu un­ten 1). Da­von ab­ge­se­hen hat das Be­ru­fungs­ge­richt gänz­lich aus dem Blick ver­lo­ren, dass ein Sach­man­gel auch zur Zeit der Rück­tritts­er­klä­rung ge­ge­ben sein muss (hier­zu un­ten 2). Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, ein Sach­man­gel ha­be hier be­reits zur Zeit des Ge­fahr­über­gangs vor­ge­le­gen, ist eben­falls von Rechts­feh­lern be­ein­flusst. Dies er­gibt sich ins­be­son­de­re nicht aus der Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB in der ge­mäß Art. 229 § 39 EGBGB bis zum 31.12.2017 gel­ten­den Fas­sung (nach­fol­gend a.F.; nun­mehr § 477 BGB), auf die das Be­ru­fungs­ge­richt sein Ur­teil maß­geb­lich ge­stützt hat (hier­zu un­ten 3). Schließ­lich hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht be­ach­tet, dass das Recht des Käu­fers, we­gen ei­nes (be­heb­ba­ren) Man­gels vom Ver­trag zu­rück­zu­tre­ten, grund­sätz­lich ein taug­li­ches Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen vor­aus­setzt (hier­zu un­ten 4).

[22]   1. Die Be­ur­tei­lung des Be­ru­fungs­ge­richts, das ver­kauf­te Pferd wei­se ei­nen Sach­man­gel i. S. von § 434 I BGB, der nach § 90a Satz 3 BGB auf Tie­re ent­spre­chend an­zu­wen­den ist, auf, fin­det in den ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen kei­ne Stüt­ze.

[23]   a) Ei­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung (§ 434 I 1 BGB) – et­wa hin­sicht­lich der ge­sund­heit­li­chen Ver­fas­sung, der „Rit­tig­keit“ oder des Aus­bil­dungs­stands des Pferds – ha­ben die Par­tei­en, was au­ßer Streit steht, nicht ge­trof­fen.

[24]   b) Zwar wä­re das von der Klä­ge­rin er­wor­be­ne Reit­pferd nach § 434 I 2 Nr. 1 BGB auch dann man­gel­haft, wenn es sich für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung als Reit­pferd, die un­ter den hier ge­ge­be­nen Um­stän­den mit der i. S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB ge­wöhn­li­chen Ver­wen­dung ei­nes Reit­pferds über­ein­stimmt (vgl. Se­nat, Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 23 m. w. Nachw.), nicht eig­nen wür­de. In­so­weit hat das Be­ru­fungs­ge­richt, wel­ches ge­meint hat, das Pferd sei für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te Ver­wen­dung nicht ge­eig­net, je­doch die An­for­de­run­gen, die bei Feh­len ei­ner Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nach der Recht­spre­chung des Se­nats an die ge­sund­heit­li­che Ver­fas­sung ei­nes Reit­pferds zu stel­len sind, ver­kannt. Ins­be­son­de­re hat das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­men, dass es be­reits als „kli­ni­sches“ Sym­ptom zu wer­ten sei, wenn das Rei­ten ei­nes Pferds Pro­ble­me be­rei­tet.

[25]   aa) Der Ver­käu­fer ei­nes Tiers hat, so­fern ei­ne an­ders­lau­ten­de Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung nicht ge­trof­fen wird, (le­dig­lich) da­für ein­zu­ste­hen, dass es bei Ge­fahr­über­gang nicht krank ist und sich auch nicht in ei­nem (eben­falls ver­trags­wid­ri­gen) Zu­stand be­fin­det, auf­grund des­sen be­reits die Si­cher­heit oder zu­min­dest die ho­he Wahr­schein­lich­keit be­steht, dass es als­bald er­kran­ken wird (Se­nat, Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 37; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25) und in­fol­ge­des­sen für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te (oder die ge­wöhn­li­che) Ver­wen­dung nicht mehr ein­setz­bar wä­re.

[26]   (1) Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Se­nat be­reits mehr­fach aus­ge­spro­chen, dass die Eig­nung ei­nes kli­nisch un­auf­fäl­li­gen Pferds für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te oder die ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung als Reit­pferd nicht schon da­durch be­ein­träch­tigt wird, dass auf­grund von Ab­wei­chun­gen von der „phy­sio­lo­gi­schen Norm“ ei­ne (le­dig­lich) ge­rin­ge Wahr­schein­lich­keit da­für be­steht, dass das Tier zu­künf­tig kli­ni­sche Sym­pto­me ent­wi­ckeln wird, die sei­ner Ver­wen­dung als Reit­pferd ent­ge­gen­ste­hen (Se­nat, Urt. v. 07.02.2007 – VI­II ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 24; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 26). Eben­so we­nig ge­hört es zur üb­li­chen Be­schaf­fen­heit ei­nes Tiers, dass es in je­der Hin­sicht ei­ner bio­lo­gi­schen oder phy­sio­lo­gi­schen „Ide­al­norm“ ent­spricht (Se­nat, Urt. v. 07.02.2007 – VI­II ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 24; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 26).

[27]   Die­se Wer­tung trägt dem Um­stand Rech­nung, dass es sich bei Tie­ren um Le­be­we­sen han­delt, die ei­ner stän­di­gen Ent­wick­lung un­ter­lie­gen und die – an­ders als Sa­chen – mit in­di­vi­du­el­len An­la­gen aus­ge­stat­tet und dem­entspre­chend mit sich dar­aus er­ge­ben­den un­ter­schied­li­chen Ri­si­ken be­haf­tet sind (Se­nat, Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 24). Denn der Käu­fer ei­nes le­ben­den Tiers kann, wie der Se­nat eben­falls aus­ge­spro­chen hat, red­li­cher­wei­se nicht er­war­ten, dass er auch oh­ne be­son­de­re (Be­schaf­fen­heits-)Ver­ein­ba­rung ein Tier mit „idea­len“ An­la­gen er­hält, son­dern muss im Re­gel­fall da­mit rech­nen, dass es in der ei­nen oder an­de­ren Hin­sicht phy­sio­lo­gi­sche Ab­wei­chun­gen vom Ide­al­zu­stand auf­weist, wie sie für Le­be­we­sen nicht un­ge­wöhn­lich sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 07.02.2007 – VI­II ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 14; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 25). Die da­mit ver­bun­de­nen Ri­si­ken für die spä­te­re Ent­wick­lung des Tiers sind für Le­be­we­sen ty­pisch und stel­len für sich ge­nom­men noch kei­nen ver­trags­wid­ri­gen Zu­stand dar, denn der Ver­käu­fer ei­nes Tiers haf­tet nicht für den Fort­be­stand des bei Ge­fahr­über­gang ge­ge­be­nen Ge­sund­heits­zu­stands (vgl. Se­nat, Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 37; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 25; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 26).

[28]   (2) Die­se Grund­sät­ze gel­ten nicht nur für phy­sio­lo­gi­sche Ab­wei­chun­gen vom Ide­al­zu­stand, son­dern eben­so für ein vom Ide­al­zu­stand ab­wei­chen­des Ver­hal­ten ei­nes Pferds, wie et­wa so­ge­nann­te „Rit­tig­keits­pro­ble­me“, hier durch Wi­der­setz­lich­kei­ten in Form des Blo­ckens und Blo­ckie­rens. Be­rei­tet die Rit­tig­keit ei­nes Pferds Pro­ble­me, kann dies na­tür­li­che, aber auch ge­sund­heit­li­che Ur­sa­chen ha­ben. Nach Maß­ga­be des kauf­recht­li­chen Ge­währ­leis­tungs­rechts sind „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ da­her für sich ge­se­hen kei­ne Ab­wei­chung von der ver­trag­li­chen Soll­be­schaf­fen­heit. Zwar mö­gen sie die Nut­zung des Pferds als Reit­tier be­ein­träch­ti­gen und stel­len mög­li­cher­wei­se ein ge­wis­ses Ri­si­ko im Um­gang mit dem Pferd dar. Ein sol­ches Ri­si­ko ist für Le­be­we­sen je­doch nicht von vorn­her­ein un­ty­pisch und stellt noch kei­nen Man­gel nach § 434 I 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB dar.

[29]   bb) In An­be­tracht des­sen fin­det die An­nah­me ei­nes ge­währ­leis­tungs­pflich­ti­gen Sach­man­gels in den bis­her vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen kei­ne Grund­la­ge.

[30]   Un­ter „Kis­sing Spi­nes“ ist ei­ne Be­rüh­rung – oder gar An­nä­he­rung – von Dorn­fort­sät­zen der Wir­bel­säu­le zu ver­ste­hen (vgl. Ros­bach/Weiß/Mey­er, Pfer­de­recht, 2. Aufl., Kap. 8 Rn. 30; Bem­mann, in: Dü­sing/Mar­ti­nez, Agrar­recht, 2016, § 434 BGB Rn. 42). Wie der Se­nat be­reits ent­schie­den hat, ist ein nicht mit Krank­heits­er­schei­nun­gen ver­bun­de­ner Kis­sing Spi­nes-Be­fund, der von ei­nem (pa­tho­lo­gi­schen) Kis­sing Spi­nes-Syn­drom zu un­ter­schei­den ist, grund­sätz­lich nicht ver­trags­wid­rig, so­fern nicht be­reits die Si­cher­heit oder zu­min­dest die ho­he Wahr­schein­lich­keit be­steht, dass das Pferd auf­grund der Ver­än­de­run­gen der Dorn­fort­sät­ze der Wir­bel­säu­le als­bald er­kran­ken wird (Se­nat, Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 37; Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 26; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 25) und es in­fol­ge­des­sen für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te (oder die ge­wöhn­li­che) Ver­wen­dung nicht mehr ein­setz­bar wä­re. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind nach den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht ge­ge­ben (1).

[31]   Das von der Klä­ge­rin er­wor­be­ne Pferd ist auch im Üb­ri­gen nicht krank (2). Ins­be­son­de­re sind „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ durch Wi­der­setz­lich­kei­ten ei­nes Reit­pferds ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts nicht als kli­ni­sche Sym­pto­ma­tik zu be­ur­tei­len (3).

[32]   (1) Nach den ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen wies das Pferd ei­nen Kis­sing Spi­nes-Be­fund auf, den das sach­ver­stän­dig be­ra­te­ne Be­ru­fungs­ge­richt in die Rönt­gen­klas­se III bis IV des von ihm noch zu­grun­de ge­leg­ten Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007 ein­ge­ord­net hat.

[33]   (a) Ein sol­cher Be­fund trägt in­des den vom Se­nat für die Ein­ord­nung als Sach­man­gel ge­stell­ten An­for­de­run­gen (sie­he oben 1 b aa) nicht Rech­nung, wo­nach die Si­cher­heit oder zu­min­dest ho­he Wahr­schein­lich­keit be­ste­hen muss, dass das Pferd auf­grund des Eng­stands der Dorn­fort­sät­ze als­bald er­kran­ken und es des­halb oder aus sons­ti­gen Grün­den für die ver­trag­lich vor­aus­ge­setz­te bzw. ge­wöhn­li­che Ver­wen­dung nicht mehr ein­setz­bar sein wird. Ein in die Rönt­gen­zwi­schen­klas­se III bis IV des Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007 ein­zu­ord­nen­der ver­kürz­ter Ab­stand zwi­schen meh­re­ren Dorn­fort­sät­zen er­füllt die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht. Denn nach dem Rönt­gen-Leit­fa­den 2007 und den An­ga­ben des Sach­ver­stän­di­gen liegt das Ri­si­ko des Auf­tre­tens kli­ni­scher Er­schei­nun­gen in un­be­stimm­ter Zeit in­so­weit bei ei­ner Häu­fig­keit von le­dig­lich 21 % bis 50 %.

[34]   (b) Un­ab­hän­gig da­von stellt der vom Be­ru­fungs­ge­richt noch her­an­ge­zo­ge­ne Rönt­gen-Leit­fa­den 2007 be­reits des­halb kei­ne ge­eig­ne­te Ent­schei­dungs­grund­la­ge dar, weil er ab dem 01.01.2018 von der Ge­sell­schaft für Pfer­de­me­di­zin e. V. (GPM) durch den nach­hal­tig er­neu­er­ten Rönt­gen-Leit­fa­den 2018 er­setzt wor­den ist. Ins­be­son­de­re wur­den die vom Be­ru­fungs­ge­richt noch in sei­ne Be­ur­tei­lung ein­be­zo­ge­nen Rönt­gen­klas­sen des Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007 er­satz­los ge­stri­chen. Zur Be­grün­dung des­sen heißt es un­ter an­de­rem, die schul­no­ten­ähn­li­che Klas­sen­ein­tei­lung des Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007 ha­be auf dem Pfer­de­markt ei­ne Er­war­tungs­hal­tung ge­för­dert, bei der die rönt­ge­no­lo­gi­sche ge­gen­über der kli­ni­schen Un­ter­su­chung in ho­hem Ma­ße über­be­wer­tet wor­den sei (vgl. GPM-Fach­in­for­ma­ti­on, Rönt­gen-Leit­fa­den 2018, S. 13; s. auch Stad­ler/Bem­mann/Schü­le, RdL 2018, 118 f. [zu den De­fi­zi­ten des Rönt­gen-Leit­fa­dens 2007, die zu ju­ris­ti­schem Miss­brauch ge­führt hät­ten]). Der Rönt­gen-Leit­fa­den 2018 will da­ge­gen aus­drück­lich le­dig­lich ein tier­ärzt­li­ches Hilfs­mit­tel sein und kei­ne Hin­wei­se dar­auf lie­fern, ob ein Pferd ei­nen Sach­man­gel auf­weist (so GPM-Fach­in­for­ma­ti­on, Rönt­gen-Leit­fa­den 2018, S. 13; vgl. auch Stad­ler/Bem­mann/Schü­le, RdL 2018, 118, 120, wo­nach dem Rönt­gen-Leit­fa­den 2018 die Eig­nung ab­zu­spre­chen sei, bei ju­ris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen zur Fest­stel­lung ei­nes Sach­man­gels her­an­zo­gen zu wer­den).

[35]   (2) Den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts ist auch im Üb­ri­gen nicht zu ent­neh­men, dass das Pferd krank ist.

[36]   (a) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat hier Krank­heits­sym­pto­me ei­nes Kis­sing Spi­nes-Syn­droms nicht fest­ge­stellt; der vom Be­ru­fungs­ge­richt her­an­ge­zo­ge­ne Sach­ver­stän­di­ge, der aus­ge­führt hat, dass Rü­cken­be­schwer­den trotz ver­bes­ser­ter Dia­gnos­tik nur schwie­rig prä­zi­se zu be­fun­den sei­en (s. auch Stad­ler, Kli­ni­sche Un­ter­su­chung und rei­ter­li­che Dia­gnos­tik bei Pfer­den mit feh­len­dem Reit­kom­fort, 11. Frank­fur­ter Tier­ärz­te­kon­gress, 2013, S. 81), ver­moch­te ei­ne da­hin ge­hen­de Aus­sa­ge nicht zu tref­fen.

[37]   (b) Ein blo­ßer Kis­sing Spi­nes-Be­fund, wie er hier ge­ge­ben ist, ist – wie oben aus­ge­führt – kein krank­haf­ter Zu­stand. „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ än­dern dar­an nichts. In­so­weit hat der Sach­ver­stän­di­ge nicht nur dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Pfer­de in frü­he­ren Jah­ren scho­nen­der aus­ge­bil­det wor­den sei­en (vgl. auch Mies­ner, Die Rü­ck­en­tä­tig­keit des Pfer­des un­ter dem Rei­ter – Be­deu­tung der klas­si­schen Reit­leh­re für die Ge­sund­er­hal­tung des Sport­pfer­des, 11. Frank­fur­ter Tier­ärz­te­kon­gress, 2013, S. 105 f.), und in den letz­ten 20 Jah­ren ei­ne hö­he­re Sen­si­bi­li­tät und Un­si­cher­heit der Pfer­de­be­sit­zer zu ei­ner ver­meint­li­chen Zu­nah­me von „Rit­tig­keits­pro­ble­men“ ge­führt ha­be. Der Sach­ver­stän­di­ge hat ins­be­son­de­re aus­ge­führt, ei­ne ve­te­ri­när­me­di­zi­ni­sche De­fi­ni­ti­on des Be­griffs der „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ exis­tie­re nicht.

[38]   (3) Auch hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu Un­recht an­ge­nom­men, ein Blo­cken bzw. Blo­ckie­ren des Pfer­des sei als kli­ni­sche Er­schei­nung des Rönt­gen­be­funds an­zu­se­hen und recht­fer­ti­ge die An­nah­me ei­nes Sach­man­gels (Kis­sing Spi­nes-Syn­drom).

[39]   (a) Kli­ni­sche Er­schei­nun­gen ei­nes Kis­sing Spi­nes-Be­funds kön­nen et­wa Lahm­heit, krank­haf­te Stö­run­gen des Be­we­gungs­ap­pa­rats oder of­fen­sicht­li­che Schmer­zen sein. Zwar kön­nen „Rit­tig­keits­de­fi­zi­te“ ei­nes Pferds un­ter Um­stän­den – mit­tel­bar – auf ei­nem Eng­stand der Dorn­fort­sät­ze be­ru­hen, weil Ver­än­de­run­gen der Dorn­fort­sät­ze – wie der Sach­ver­stän­di­ge aus­ge­führt hat – ei­ne mög­li­che Ur­sa­che von Rü­cken­schmer­zen sein kön­nen. Ein Schmerz­ge­sche­hen ist hier je­doch nicht in Er­schei­nung ge­tre­ten, denn ei­ne krank­haf­te (Rü­cken-)Sym­pto­ma­tik, wie et­wa (Druck-)Schmerz­emp­find­lich­keit, hat das Be­ru­fungs­ge­richt ge­ra­de nicht fest­ge­stellt. Den bis­her vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ist be­reits nicht zu ent­neh­men, dass die Klä­ge­rin da­hin ge­hen­de Sym­pto­me über­haupt dar­ge­legt hat. Da­her ste­hen im ge­ge­be­nen Fall blo­ße Wi­der­setz­lich­kei­ten beim Rei­ten in Re­de, bei de­nen es sich – wie aus­ge­führt – nicht um kli­ni­sche Er­schei­nun­gen von Kis­sing Spi­nes han­delt. So­weit ein­zel­ne Pas­sa­gen in den Se­nats­ur­tei­len vom 07.02.2007 (Se­nat, Urt. v. 07.02.2007 – VI­II ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 13) und vom 18.10.2018 (Se­nat, Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 29) an­ders ver­stan­den wer­den könn­ten, hält der Se­nat hier­an nicht fest; viel­mehr be­darf es der Fest­stel­lung krank­haf­ter Be­ein­träch­ti­gun­gen wie et­wa Schmer­zen, Lahm­heit oder ei­ner pa­tho­lo­gisch ein­ge­schränk­ten Be­weg­lich­keit.

[40]   (b) Blo­ße Wi­der­setz­lich­kei­ten („Rit­tig­keits­män­gel“) stel­len – oh­ne be­son­de­re Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung oder be­son­de­re Ver­trags­zwe­cke, wie et­wa ein Ver­kauf als „An­fän­ger­pferd“ – re­gel­mä­ßig kei­ne ge­währ­leis­tungs­pflich­ti­ge Ab­wei­chung von der Soll­be­schaf­fen­heit ei­nes Reit­pferds dar. So kön­nen be­stimm­te For­men der Wi­der­setz­lich­keit le­dig­lich Aus­druck des na­tür­li­chen Ver­hal­tens­mus­ters des Pferds als Flucht­tier sein (vgl. Se­nat, Urt. v. 27.05.2020 – VI­II ZR 2/19, ju­ris Rn. 40 [zum Durch­ge­hen ei­nes Reit­pferds]). Sie kön­nen aber auch, wie es im ge­ge­be­nen Fall in Be­tracht kommt, auf un­zu­rei­chen­der Ver­stän­di­gung zwi­schen Rei­ter und Pferd be­ru­hen. Zwar hat das Be­ru­fungs­ge­richt rei­ter­li­che Feh­ler, wie et­wa ei­ne Über­for­de­rung des Pferds durch die Aus­bil­dung bei der Zeu­gin K, aus­ge­schlos­sen. Folgt ein Pferd dem Rei­ter nicht, son­dern wi­der­setzt sich ihm, kann je­doch – auch bei qua­li­fi­zier­ten Rei­tern – nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass dies we­der auf kli­ni­schen Sym­pto­men des Pferds noch dem Reit­stil oder der sons­ti­gen Hand­ha­bung des Pferds durch den Rei­ter be­ruht, son­dern auf ei­nem na­tür­li­chen Ri­si­ko, et­wa – wie der Sach­ver­stän­di­ge aus­ge­führt hat – auf ei­ner „Dis­har­mo­nie“ bzw. ei­ner un­zu­rei­chen­den Ver­stän­di­gung zwi­schen Pferd und Rei­ter.

[41]   Ent­spricht die „Rit­tig­keit“ ei­nes Pferds nicht den Vor­stel­lun­gen des Rei­ters, rea­li­siert sich für den Käu­fer da­her – wenn nicht kli­ni­sche Aus­wir­kun­gen hin­zu­kom­men – grund­sätz­lich le­dig­lich der Um­stand, dass es sich bei dem er­wor­be­nen Pferd um ein Le­be­we­sen han­delt, das – an­ders als Sa­chen – mit in­di­vi­du­el­len An­la­gen aus­ge­stat­tet und dem­entspre­chend mit sich dar­aus er­ge­ben­den un­ter­schied­li­chen Ri­si­ken be­haf­tet ist (vgl. Se­nat, Urt. v. 18.10.2017 – VI­II ZR 32/16, NJW 2018, 150 Rn. 24; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 26). Der Käu­fer ei­nes le­ben­den Tiers kann red­li­cher­wei­se nicht er­war­ten, dass er – auch oh­ne be­son­de­re (Be­schaf­fen­heits-)Ver­ein­ba­rung – ein Tier mit „idea­len“ An­la­gen er­hält, mit dem er gänz­lich un­pro­ble­ma­ti­schen Um­gang pfle­gen und von ihm et­wa er­hoff­te (ra­sche) Aus­bil­dungs­fort­schrit­te und Wett­kampfer­fol­ge tat­säch­lich er­zie­len kann. Dies wird – aus tier­me­di­zi­ni­scher Sicht – auch an­hand des Rönt­gen-Leit­fa­dens 2018 deut­lich, in dem es un­ter an­de­rem heißt: „Der Kauf des Le­be­we­sens Pferd wird je­doch wei­ter­hin […] ein nicht mit an­de­ren ‚Han­dels­gü­tern‘ ver­gleich­ba­res Ri­si­ko be­inhal­ten […]“ (GPM-Fach­in­for­ma­ti­on, Rönt­gen-Leit­fa­den 2018, S. 14; vgl. auch Stad­ler/Bem­mann/Schü­le, RdL 2018, 118, 120).

[42]   2. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat eben­falls nicht hin­rei­chend be­ach­tet, dass die Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen im Zeit­punkt der Rück­tritts­er­klä­rung – hier am 16.03.2015 – er­füllt sein müs­sen.

[43]   Dies gilt nicht nur für die Be­ur­tei­lung der – hier nicht in Re­de ste­hen­den – Fra­ge, ob die in der Lie­fe­rung ei­ner man­gel­haf­ten Kauf­sa­che lie­gen­de Pflicht­ver­let­zung un­er­heb­lich ist und des­we­gen das Rück­tritts­recht des Käu­fers aus­schließt (vgl. Se­nat, Urt. v. 05.11.2008 – VI­II ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 17; Urt. v. 09.03.2011 – VI­II ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 18; Urt. v. 15.06.2011 – VI­II ZR 139/09, NJW 2011, 3708 Rn. 9; Urt. v. 29.06.2011 – VI­II ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 21; Urt. v. 06.02.2013 – VI­II ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn. 18; Urt. v. 26.10.2016 – VI­II ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 29 [je­weils zu § 323 V 2 BGB]), son­dern be­trifft auch die vor­ge­la­ger­te Fra­ge, ob ein (et­wai­ger) Sach­man­gel fort­be­steht (Se­nat, Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 35). Auch in­so­weit fehlt es an aus­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts, die je­doch ge­bo­ten sind, weil das Pferd je­den­falls beim Be­ritt un­ter Be­ob­ach­tung des Sach­ver­stän­di­gen En­de Ju­li/An­fang Au­gust 2016 Auf­fäl­lig­kei­ten nicht (mehr) ge­zeigt hat.

[44]   3. Dar­über hin­aus hat das Be­ru­fungs­ge­richt nicht rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass der von ihm (fälsch­lich) an­ge­nom­me­ne Sach­man­gel be­reits bei Ge­fahr­über­gang (§ 446 Satz 1 BGB), hier durch Über­ga­be an die Klä­ge­rin, ge­ge­ben war.

[45]   a) Zwar lässt sich den ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen der Zeit­punkt der Über­ga­be nicht un­mit­tel­bar ent­neh­men. Das Be­ru­fungs­ge­richt geht je­doch un­aus­ge­spro­chen – und in­so­weit auch un­an­ge­grif­fen – da­von aus, dass der Klä­ge­rin das am 05.10.2013 er­wor­be­ne Pferd noch an die­sem Tag über­ge­ben wur­de.

[46]   b) Rechts­feh­ler­frei – und auch in­so­weit nicht an­ge­grif­fen – hat das sach­ver­stän­dig be­ra­te­ne Be­ru­fungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass das Pferd mit an Si­cher­heit gren­zen­der oder je­den­falls über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit be­reits am 05.10.2013 ei­nen an­la­ge­be­ding­ten Kis­sing Spi­nes-Be­fund auf­ge­wie­sen ha­be, näm­lich Ver­än­de­run­gen zwi­schen den Dorn­fort­sät­zen der Brust­wir­bel­säu­le zwi­schen T 11 und T 16.

[47]   c) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat je­doch nicht fest­ge­stellt, dass der Eng­stand der Dorn­fort­sät­ze, der für sich ge­se­hen nicht pa­tho­lo­gisch ist, Ur­sa­che der (ver­meint­li­chen) Man­gel­er­schei­nung war. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat viel­mehr ge­meint, da­hin ge­hend be­dür­fe es ei­ner Ent­schei­dung nicht, weil im Streit­fall die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB a.F. zur An­wen­dung kom­me. Dies trifft in­des nicht zu. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat be­reits nicht rechts­feh­ler­frei fest­ge­stellt, dass die vor­ge­nann­te Be­stim­mung im Streit­fall über­haupt an­wend­bar ist (aa). Auch die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der Ver­mu­tungs­wir­kung sind nicht er­füllt (bb).

[48]   aa) Nach § 476 BGB a.F. wird bei ei­nem Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. des § 474 I BGB in den Fäl­len, in de­nen sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang ein Sach­man­gel zeigt, ver­mu­tet, dass die Sa­che be­reits bei Ge­fahr­über­gang man­gel­haft war, es sei denn, die­se Ver­mu­tung ist mit der Art oder Sa­che oder des Man­gels un­ver­ein­bar.

[49]   (1) Zwar ist die vor­be­zeich­ne­te Ver­mu­tung ge­mäß der für Tie­re maß­geb­li­chen Ver­wei­sung in § 90a Satz 3 BGB auf die für Sa­chen gel­ten­den Vor­schrif­ten auch beim Kauf ei­nes Pferds ent­spre­chend an­zu­wen­den (Se­nat, Urt. v. 29.03.2006 – VI­II ZR 173/05, BGHZ 167, 40 Rn. 22 ff.; Urt. v. 27.05.2020 – VI­II ZR 2/19, ju­ris Rn. 49).

[50]   (2) Es steht eben­falls nicht in Streit, dass es sich um ei­nen Ver­brauchs­gü­ter­kauf i. S. von § 474 I 1 BGB han­delt, denn die Klä­ge­rin hat das Pferd als Ver­brau­che­rin (§ 13 BGB) von der Be­klag­ten, ei­ner Un­ter­neh­me­rin (§ 14 I BGB), er­wor­ben.

[51]   (3) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat je­doch kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen, ob der An­wen­dungs­be­reich des § 476 BGB a.F. des­halb ver­schlos­sen ist, weil die – ge­mäß Art. 229 § 32 I EGBGB bis zum 12.06.2014 an­wend­ba­re – Aus­nah­me­re­ge­lung des § 474 I 2 BGB a.F. ein­greift. Da­nach gel­ten die Vor­schrif­ten über den Ver­brauchs­gü­ter­kauf (und da­mit auch § 476 BGB a.F.) nicht in den Fäl­len, in de­nen ge­brauch­te Sa­chen in ei­ner öf­fent­li­chen Ver­stei­ge­rung (seit dem 13.06.2014: in ei­ner öf­fent­lich zu­gäng­li­chen Ver­stei­ge­rung, § 474 II 2 BGB; s. zu die­sem Be­griff § 312g II Nr. 10 BGB) ver­kauft wer­den, an der der Ver­brau­cher per­sön­lich teil­neh­men kann (s. zum Be­griff der ge­brauch­ten Sa­che beim Kauf ei­nes Pferds Se­nat, Urt. v. 09.10.2019 – VI­II ZR 240/18, BGHZ 223, 235 = NJW 2020, 759 Rn. 25 ff. [zur Ver­stei­ge­rung ei­nes zwei­ein­halb­jäh­ri­gen Hengs­tes]).

[52]   Da­hin ge­hen­de Fest­stel­lun­gen wa­ren im Streit­fall ge­bo­ten. Wie die Re­vi­si­on un­ter Hin­weis auf den vor­in­stanz­li­chen Sach­vor­trag der Be­klag­ten zu Recht gel­tend macht, se­hen die von der Be­klag­ten ver­wen­de­ten Auk­ti­ons­be­din­gun­gen un­ter Nr. B 1 Satz 1 vor: „Die Auk­ti­on fin­det im We­ge ei­ner öf­fent­li­chen Ver­stei­ge­rung durch ei­nen öf­fent­li­chen und ver­ei­dig­ten Ver­stei­ge­rer statt“. Da­nach ist es oh­ne wei­te­re Fest­stel­lun­gen nicht aus­zu­schlie­ßen, dass die An­for­de­run­gen an ei­ne öf­fent­li­che Ver­stei­ge­rung, et­wa im Hin­blick auf die zur Ver­stei­ge­rung be­ru­fe­ne Per­son (§ 383 III 1 BGB) und die öf­fent­li­che Be­kannt­ma­chung (§ 383 III 2 BGB), im Streit­fall er­füllt sein könn­ten (zu den vor­ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen s. Se­nat, Urt. v. 24.02.2010 – VI­II ZR 71/09, NJW-RR 2010, 1210 Rn. 14 f.).

[53]   bb) Zu­dem hat das Be­ru­fungs­ge­richt ver­kannt, dass die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 476 BGB a.F. nicht er­füllt sind. Die Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Klä­gers setzt vor­aus, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten nach Ge­fahr­über­gang ei­ne Man­gel­er­schei­nung des er­wor­be­nen Pferds zeigt. Ei­ne sol­che ist hier je­doch nicht zu­ta­ge ge­tre­ten.

[54]   (1) Die Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Ver­brau­chers tritt zwar be­reits dann ein, wenn die­sem der Nach­weis ge­lingt, dass sich in­ner­halb von sechs Mo­na­ten ab Ge­fahr­über­gang ein man­gel­haf­ter Zu­stand (ei­ne Man­gel­er­schei­nung) ge­zeigt hat, der – un­ter­stellt, er hät­te sei­ne Ur­sa­che in ei­nem dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Um­stand – des­sen Haf­tung we­gen Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit (§ 434 I BGB) be­grün­den wür­de (Se­nat, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 36). Da­mit hat der Se­nat das Ur­teil des EuGH vom 04.06.2015 – C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 = NJW 2015, 2237 – Fa­ber – zu Art. 5 III der Richt­li­nie 1999/44/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 25.05.1999 zu be­stimm­ten As­pek­ten des Ver­brauchs­gü­ter­kaufs und der Ga­ran­ti­en für Ver­brauchs­gü­ter [ABl. 1999 L 171, 12; Ver­brauchs­gü­terkauf­richt­li­nie]) um­ge­setzt.

[55]   (2) Nach die­ser Maß­ga­be kommt die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB a.F. im Streit­fall je­doch nicht zum Tra­gen, weil „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ durch Wi­der­setz­lich­kei­ten ei­nes Reit­pferds kei­ne Man­gel­er­schei­nung sind. Wie aus­ge­führt, han­delt es sich nicht um ei­ne Ab­wei­chung von der Soll­be­schaf­fen­heit ei­nes Reit­pferds, son­dern um ein na­tür­li­ches Ri­si­ko (s. oben un­ter II 1 b bb (3); vgl. auch Se­nat, Urt. v. 27.05.2020 – VI­II ZR 2/19, ju­ris Rn. 38 ff., 52 ff.). „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ des Rei­ters mit sei­nem Pferd sind da­her nicht gleich­zu­set­zen mit Man­gel­er­schei­nun­gen un­be­leb­ter Ge­gen­stän­de wie et­wa Ge­trie­be­feh­lern ei­nes Fahr­zeugs (vgl. Se­nat, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 18) oder – wie im Fall der durch den Se­nat um­ge­setz­ten Ent­schei­dung des EuGH – ei­nem Fahr­zeug­brand.

[56]   So­weit hin­ge­gen zum Teil in der Recht­spre­chung und im Schrift­tum – je­weils oh­ne Be­grün­dung – an­klingt, der Ver­käu­fer ei­nes Reit­pferds ha­be – auch oh­ne Be­schaf­fen­heits­ver­ein­ba­rung – da­für ein­zu­ste­hen, dass es zu „Rit­tig­keits­pro­ble­men“ nicht kom­me (so OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, ju­ris Rn. 36; LG Frank­furt a. M., Urt. v. 05.04.2018 – 2-32 O 95/17, ju­ris Rn. 37; Er­man/Gru­ne­wald, BGB, 15. Aufl., § 434 Rn. 49), trifft dies nicht zu. Da­her ist der wei­te­ren An­nah­me, be­reits blo­ße „Rit­tig­keits­pro­ble­me“ sei­en ge­eig­net, die Ver­mu­tungs­wir­kung des § 476 BGB a.F. aus­zu­lö­sen (vgl. OLG Köln, Urt. v. 25.08.2017 – 6 U 188/16, ju­ris Rn. 36, 42 f.; So­er­gel/Wer­ten­bruch, BGB, 13. Aufl., § 476 Rn. 75), die Grund­la­ge ent­zo­gen.

[57]   (3) Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht dar­aus, dass der Käu­fer nach Maß­ga­be des § 476 BGB a.F. we­der den Grund für die Man­gel­er­schei­nung noch den Um­stand be­wei­sen muss, dass sie dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen ist (Se­nat, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 35, un­ter Hin­weis auf EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, ECLI:EU:C:2015:357 = NJW 2015, 2237 Rn. 70 – Fa­ber). Zwar läuft dies dar­auf hin­aus, dass der Käu­fer in­so­weit le­dig­lich den Nach­weis ei­ner Man­gel­er­schei­nung, al­so ei­nes man­gel­haf­ten Zu­stands zu er­brin­gen hat, der – un­ter­stellt, er be­ru­he auf ei­ner dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen­den Ur­sa­che – ei­ne Haf­tung des Ver­käu­fers we­gen ei­ner Ab­wei­chung von der ge­schul­de­ten Be­schaf­fen­heit be­grün­den wür­de (Se­nat, Urt. v. 12.10.2016 – VI­II ZR 103/15, BGHZ 212, 224 Rn. 35). In der ge­ge­be­nen Fall­ge­stal­tung des Kaufs ei­nes Pferds mit „Rit­tig­keits­pro­ble­men“ geht es je­doch nicht um den Grund ei­ner Man­gel­er­schei­nung oder dar­um, ob sie dem Ver­käu­fer zu­zu­rech­nen ist, son­dern um die vor­ge­la­ger­te Fra­ge, ob ei­ne Man­gel­er­schei­nung über­haupt ge­ge­ben ist.

[58]   4. Schließ­lich hat das Be­ru­fungs­ge­richt auch aus dem Blick ver­lo­ren, dass das Recht des Käu­fers we­gen ei­nes (be­heb­ba­ren) Man­gels vom Ver­trag zu­rück­zu­tre­ten – wenn nicht ei­ner der ge­setz­lich ge­re­gel­ten Aus­nah­me­tat­be­stän­de ein­greift – ein taug­li­ches Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen vor­aus­setzt. Dies gilt ge­mäß §§ 323 I, 90a Satz 3 BGB auch für den Tier­kauf (vgl. Se­nat, Urt. v. 09.01.2008 – VI­II ZR 210/06, NJW 2008, 1371 Rn. 10; Urt. v. 30.10.2019 – VI­II ZR 69/18, NJW 2020, 389 Rn. 37).

[59]   We­der hat das Be­ru­fungs­ge­richt Fest­stel­lun­gen zu ei­nem Nach­er­fül­lungs­ver­lan­gen noch zu des­sen Ent­behr­lich­keit ge­trof­fen. Zwar hat es die Be­stim­mung des § 440 BGB, un­ter de­ren Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Frist­set­zung zur Nach­er­fül­lung aus­nahms­wei­se ent­behr­lich sein kann, im Rah­men der An­spruchs­grund­la­ge zi­tiert, da­hin ge­hen­de Fest­stel­lun­gen sind je­doch un­ter­blie­ben. Die Set­zung ei­ner an­ge­mes­se­nen Frist zur Nach­er­fül­lung ist ge­mäß § 437 Nr. 2, § 326 V BGB zwar auch dann ent­behr­lich, wenn dem Ver­käu­fer bei­de Va­ri­an­ten der Nach­er­fül­lung un­mög­lich sind (vgl. Se­nat, Urt. v. 11.12.2019 – VI­II ZR 361/18, BGHZ 224, 195 = NJW 2020, 1287 Rn. 39 m. w. Nachw.). Auch dies ist im vor­lie­gen­den Fall je­doch we­der fest­ge­stellt noch sonst er­sicht­lich.

[60]   5. Oh­ne Er­folg macht die Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung al­ler­dings gel­tend, die Kla­ge sei des­halb un­be­grün­det ge­wor­den, weil die Be­klag­te die Kla­ge­for­de­rung nach Ver­kün­dung des – vor­läu­fig voll­streck­ba­ren – Be­ru­fungs­ur­teils be­gli­chen hat. Zah­lun­gen auf­grund ei­nes für vor­läu­fig voll­streck­bar er­klär­ten Ur­teils kommt in der Re­gel Er­fül­lungs­wir­kung (§ 362 BGB) nicht zu, denn sie sind da­hin zu ver­ste­hen, dass sie nur ei­ne vor­läu­fi­ge Leis­tung dar­stel­len sol­len und un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung der rechts­kräf­ti­gen Be­stä­ti­gung der zu­grun­de lie­gen­den Ver­bind­lich­keit er­fol­gen (Se­nat, Urt. v. 19.01.1983 – VI­II ZR 315/81, BGHZ 86, 267, 269; BGH, Urt. v. 06.10.1998 – XI ZR 36/98, BGHZ 139, 357, 368; Urt. v. 15.03.2012 – IX ZR 35/11, NJW 2012, 1717 Rn. 7; Se­nat, Urt. v. 19.11.2014 – VI­II ZR 191/13, BGHZ 203, 256 Rn. 19; je­weils m. w. Nachw.).

[61]   III. Nach al­le­dem kann das an­ge­foch­te­ne Ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben; es ist da­her auf­zu­he­ben (§ 562 I ZPO). Die Sa­che ist nicht zur End­ent­schei­dung reif, weil nicht aus­zu­schlie­ßen ist, dass die er­for­der­li­chen Fest­stel­lun­gen zu den Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen noch ge­trof­fen wer­den kön­nen.

[62]   Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dem Sach­ver­stän­di­gen – vor dem Hin­ter­grund sei­ner Rechts­auf­fas­sung fol­ge­rich­tig – kei­ne Vor­ga­ben da­hin ge­macht, dass ein Sach­man­gel vor­lie­gend die Fest­stel­lung von Krank­heits­be­fun­den er­for­dert. Es er­scheint da­her klä­rungs­be­dürf­tig, ob die Ein­schät­zung des Sach­ver­stän­di­gen, die im Um­gang mit dem (über Jah­re von er­fah­re­nen Rei­tern aus­ge­bil­de­ten) Pferd ge­schil­der­ten Pro­ble­me hät­ten ih­re Ur­sa­che „sehr wahr­schein­lich nicht in der Aus­bil­dung, son­dern in dem Rönt­gen­be­fund“, da­hin zu ver­ste­hen ist, dass es zu ei­ner (auch noch im Zeit­punkt des Rück­tritts be­ste­hen­den) Rü­cken­er­kran­kung ge­kom­men ist, die sich et­wa in Form von Schmer­zen, ei­ner pa­tho­lo­gisch ein­ge­schränk­ten Be­weg­lich­keit oder ähn­li­chem ge­äu­ßert hat.

[63]   Auch hat die Klä­ge­rin gel­tend ge­macht, das Pferd sei bei et­was stär­ke­rer Be­las­tung nicht in der La­ge ge­we­sen, „über die Hin­ter­hand Last auf­zu­neh­men“. Ob dem ein Krank­heits­wert (et­wa in Form von Schmer­zen oder ei­ner pa­tho­lo­gisch ver­min­der­ten Kraft oder Be­weg­lich­keit) zu­zu­mes­sen ist und ein sol­cher auch im Zeit­punkt des Rück­tritts noch vor­lag, ist in die­sem Zu­sam­men­hang eben­falls mit sach­ver­stän­di­ger Hil­fe zu klä­ren, so­weit es an­ge­sichts der wei­te­ren noch nicht ge­klär­ten Rück­tritts­vor­aus­set­zun­gen dar­auf an­kom­men soll­te.

[64]   Die Sa­che ist da­her zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 563 I 1 ZPO).

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