Hat ein Käufer eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs schon im Jahr 2015 nicht nur allgemein vom VW-Abgasskandal, sondern auch davon Kenntnis erlangt, dass sein Fahrzeug davon betroffen ist, dann sind auf § 826 BGB gestützte Schadensersatzansprüche des Käufers gegen die Volkswagen AG mit Ablauf des 31.12.2018 verjährt. Gleiches gilt für auf § 823 I BGB oder auf § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz gestützte Schadensersatzansprüche.
OLG Stuttgart, Urteil vom 14.04.2020 – 10 U 466/19
(nachfolgend: BGH, Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20)
Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der beklagten Volkswagen AG im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB).
Er erwarb am 17.04.2013 von einer Kraftfahrzeughändlerin für 27.814 € einen fabrikneuen VW Touran 2.0 TDI. Das Fahrzeug ist mit einem – von der Beklagten hergestellten – Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet und deshalb vom VW-Abgasskandal betroffen. Eine Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. In diesem Fall aktivierte sie einen Betriebsmodus (Modus 1), in dem die Abgasrückführungsrate höher war und in dem deshalb die Stickoxid(NOX)-Emissionen geringer waren als in dem Modus ("Modus 0"), in dem das Fahrzeug üblicherweise betrieben wurde.
Das Kraftfahrt-Bundesamt vertritt die Auffassung, dass diese Software eine unzulässige Abschalteinrichtung ist. Es ordnete deshalb Mitte Oktober 2015 gegenüber der Beklagten den Rückruf von 2,4 Millionen vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen an und gab der Beklagten auf, die in Rede stehende Software aus diesen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen. Ein daraufhin von der Beklagten entwickeltes und vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebenes Softwareupdate hat das streitgegenständliche Fahrzeug erhalten.
Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten gestützt auf § 826 BGB die Zahlung von 29.652,81 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, verlangt. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, indem es die Beklagte zur Zahlung von 22.446,03 € nebst (weiteren) Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen angeführt:
Der Kläger habe gegen die Beklagte, die ihn in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt habe, einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 21.755,33 € (§ 826, 831 I 1 BGB). Der Kläger habe durch den Erwerb des streitgenständlichen Fahrzeugs einen Schaden erlitten. Hätte er gewusst, dass der Wagen über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt habe, dann hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Hierzu sei es vielmehr nur gekommen, weil die Beklagte – deren haftungsbegründendes Verhalten sittenwidrig gewesen sei – den Kläger getäuscht habe. Die Schädigung des Klägers sei auch vorsätzlich erfolgt. Der Kläger habe schlüssig dargetan, dass der Vorstand der Beklagten bzw. deren leitende Angestellte von den in Rede stehenden Manipulationen, deren Ausmaß unstreitig sei, Kenntnis gehabt haben müssten. Der ihr insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast habe die Beklagte nicht genügt. Der Schaden des Klägers sei auch durch die Installation des von der Beklagten entwickelten Softwareupdates nicht entfallen.
Der Kläger könne daher von der Beklagten Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises (27.814 €) verlangen. Dieser Anspruch sei allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs um die vom Kläger gezogenen Nutzungsvorteile zu reduzieren, die auf der Grundlage einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs von 250.000 km mit 6.058,67 € zu bemessen seien. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Zahlung von 21.755,33 €.
Dieser Anspruch sei nicht verjährt. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, die Klage noch im Jahr 2015 zu erheben. Dies gelte ganz unabhängig davon, ob der Kläger Kenntnis davon gehabt oder lediglich infolge grober Fahrlässigkeit nicht gewusst habe, dass sein Fahrzeug vom VW-Abgasskandal betroffen sei. Auch ein Rechtskundiger habe im Jahr 2015 nicht davn ausgehen müssen, dass die Volkswagen AG gestützt auf § 826 BGB mit Aussicht auf Erfolg, wenn auch nicht risikolos auf Schadensersatz verklagt werden könne. Die Hürden für eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Beklagten aus § 826 BGB seien sehr hoch, und die Aufarbeitung des VW-Abgasskandals sei schleppend verlaufen; die Instanzrechtsprechung habe sich anfangs sehr zögerlich entwickelt.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Der Kläger hat das Urteil im Hinblick auf den Abzug von Nutzungsvorteilen angegriffen. Er meint, die zu erwartende Gesamtlaufleistung seines Fahrzeugs betrage 300.000 km, sodass die Gebrauchsvorteile mit 5.327,03 € zu bemessen seien. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geschuldeten Zinsen, die sich nach Auffassung des Klägers auf insgesamt 7.318,51 € belaufen, ergebe sich ein Zahlungsanspruch von 29.805,48 € nebst weiteren Zinsen.
Die Beklagte ist der Berufung des Klägers entgegengetreten. Mit ihrer eigenen Berufung, deren Zurückweisung der Kläger beantragt hat, hat sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt. Die Beklagte hat insbesondere einen Schaden des Klägers in Abrede gestellt und gemeint, jedenfalls liege kein Schaden mehr vor, nachdem das Fahrzeug des Klägers das von ihr, der Beklagten, entwickelte Softwareupdate erhalten habe. Dieses Update habe keine technischen Nachteile zur Folge.
Nur das Rechtsmittel der Beklagten hatte Erfolg.
Aus den Gründen: II. … Die Berufung des Klägers ist unbegründet.Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz wegen des Erwerbs des mit dem Motor EA189 ausgestatteten Fahrzeugs zu, da das Fahrzeug bei seinem Inverkehrbringen durch die Beklagte mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. des Art. 5 II 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen war. Aufgrund dieser unzulässigen Abschalteinrichtung drohte der Widerruf der erteilten, aber lediglich formal wirksamen EG-Typgenehmigung und in der Folge die Betriebsuntersagung oder -beschränkung auf öffentlichen Straßen (vgl. Senat, Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 199/19; Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 154/19; Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 338/19). Dem Anspruch steht jedoch gemäß § 214 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Die Beklagte ist daher berechtigt, die Leistung von Schadensersatz zu verweigern.
1. Die Beklagte hat in ihrer Berufungsbegründung vom 20.12.2019 und ihrer Erwiderung auf die Berufung des Klägers vom 27.02.2020 zur Frage der Verjährung nicht Stellung genommen. Sie hat aber bereits erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben. Es genügt allerdings, dass die Einrede der Verjährung einmal erhoben wird. Einer ausdrücklichen Wiederholung der Einrede der Verjährung in der zweiten Instanz bedarf es nicht (BGH, Urt. v. 15.12.1988 – IX ZR 33/88 juris Rn. 10; BeckOGK/Bach, Stand: 01.01.2020, § 214 BGB Rn. 45; BeckOK-BGB/Henrich, Stand: 01.02.2020, § 214 Rn. 2; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 529 Rn. 35; Ball, in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 529 Rn. 25).
2. Die Verjährung des Anspruchs aus § 826 ZPO richtet sich ebenso wie die eines Anspruchs aus § 823 I oder II BGB nach §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Verjährungseinrede ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich auf Verjährung beruft, hier also die Beklagte.
a) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs im Jahr 2013 entstanden(vgl. Senat, Urt. v. 24.09.2019 – 10 U 11/19, juris Rn. 44 ff.; Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 154/19, juris Rn. 43 ff.). Zu diesem Zeitpunkt hatte er aber noch keine Kenntnis vom Bestehen des Anspruchs und der Person des Schuldners.
b) aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, die auf der Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. aufbaut, liegt die erforderliche Kenntnis im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Es ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. nur BGH, Urt. v. 03.06.2008 – XI ZR 319/06, Rn. 27 m. Nachw. d. älteren Rspr.; Urt. v. 12.05.2009 – VI ZR 294/08 Rn. 17; Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 = juris Rn. 38; Urt. v. 17.06.2016 – V ZR 134/15 Rn. 10). Die Erhebung einer Klage muss bei verständiger Würdigung in einem Maße Erfolgsaussicht haben, dass sie zumutbar ist (BGH, Urt. v. 11.09.2014 – III ZR 217/13 Rn. 15; Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 = juris Rn. 49; Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 17/14 Rn. 46; Urt. v. 07.11.2014 – V ZR 309/12 Rn. 14; Urt. v. 08.11.2016 – VI ZR 594/15 Rn. 11; BAG, Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322 = juris Rn. 24). Nicht ausreichend ist die Kenntnis von Anknüpfungstatsachen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat (BGH, Urt. v. 17.06.2016 – V ZR 134/15 Rn. 10).
Der Verjährungsbeginn setzt grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGH, Urt. v. 08.05.2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 = juris Rn. 38; Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 = juris Rn. 49; Beschl. v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 = juris Rn. 26; Urt. v. 04.07.2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 = juris Rn. 86; Urt. v. 04.07.2017 – XI ZR 233/16 Rn. 94; BAG, Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322 = juris Rn. 24). Der Gläubiger muss zumindest aufgrund der Tatsachenlage beurteilen können, ob eine rechtserhebliche Handlung von dem üblichen Vorgehen abweicht (BeckOK-BGB/Spindler, Stand: 01.02.2020, § 199 Rn. 26). Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, Urt. v. 01.06.2011 – VIII ZR 91/10 Rn. 23 m. w. Nachw.; Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 = juris Rn. 35; Urt. v. 04.07.2017 – XI ZR 562/15, BGHZ 215, 172 = juris Rn. 86).
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vor.
(1) Insbesondere stand dem Verjährungsbeginn nicht die fehlende Zumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015 entgegen. Eine Unzumutbarkeit ergibt sich weder aus der „schleppenden Aufarbeitung des Abgas-Skandals und seiner Ausmaße durch die Beklagte“ noch aus der sich „anfangs sehr zögerlich entwickelnden Instanzenrechtsprechung“. Die Beklagte hat die breite Öffentlichkeit und damit nicht nur die potenziellen Erwerber von Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA189 ausgestattet sind, sondern auch die Besitzer solcher Fahrzeuge, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom Kraftfahrt-Bundesamt als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist (vgl. Senat, Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 199/19, juris Rn. 54; Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 338/19, juris Rn. 52). Zeitgleich war der sogenannte Diesel- oder Abgasskandal Gegenstand einer sehr umfassenden Presseberichterstattung. Die Öffentlichkeit wurde ferner durch das Kraftfahrt-Bundesamt über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA189 informiert. Die Beklagte schaltete Anfang Oktober 2015 eine Website frei, auf der durch Eingabe der Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) überprüft werden kann, ob ein konkretes Fahrzeug mit der Abschalteinrichtung versehen, also von dem sogenannten Dieselskandal betroffen ist. Dies wurde ebenfalls in einer Pressemitteilung bekannt gegeben und war, wie allgemein bekannt ist, Gegenstand einer umfangreichen Presseberichterstattung.
Vorliegend ist unstreitig, dass der Kläger, der sein Dieselfahrzeug mit einem EA189-Motor bereits im Jahr 2013 erworben hatte, bereits im Jahr 2015 Kenntnis von den gemäß § 199 I BGB für den Beginn der Verjährung erforderlichen Tatsachen hatte.
Der Kläger hat den von der Beklagten ausführlich dargelegten Vortrag, er habe bereits im Jahr 2015 die erforderliche Kenntnis i. S. von § 199 I BGB besessen, nicht bestritten. Bereits in ihrer Klageerwiderung erhob die Beklagte die Verjährungseinrede und machte umfangreiche Ausführungen zur positiven Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Möglichkeit der Erhebung einer schlüssigen Klage im Jahr 2015 sowie zur nach Ansicht der Beklagten jedenfalls vorliegenden grob fahrlässigen Unkenntnis. In der Replik vom 26.08.2019 nahm der Kläger zur Frage der Verjährung nicht Stellung. Die Beklagte führte mit Schriftsatz vom 26.08.2019 auf den Seiten 5 bis 26 erneut umfangreich zur Verjährung der behaupteten Ansprüche des Klägers aus. Der Kläger hat dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 03.09.2019 nicht bestritten und insoweit auch kein Schriftsatzrecht beantragt.
Richtig ist, dass das Landgericht ausweislich des Protokolls vom 03.09.2019 hinsichtlich der Verjährungsproblematik die Auffassung vertrat, es sei nicht davon auszugehen, dass dem Kläger im Jahr 2015 die Erhebung einer schlüssigen Klage habe zugemutet werden können. Gleichwohl ist aus den dargelegten Gründen nicht nur die Erhebung der Verjährungseinrede, sondern auch der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen. Der Kläger hat aber auch in der Berufungsinstanz das tatsächliche Vorbringen der Beklagten bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen der erhobenen Verjährungseinrede nicht bestritten.
Deshalb ist vorliegend unstreitig, dass der Kläger im Jahr 2015 nicht nur Kenntnis von dem sogenannten Diesel- oder Abgasskandal allgemein hatte, sondern auch von der konkreten Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs.
Unerheblich ist daher, ob die Beklagte den Skandal im Jahr 2015 nur schleppend aufgearbeitet hat. Unerheblich ist insbesondere, dass die Beklagte damals wie heute bestreitet, dass verfassungsmäßig berufene Vertreter der Beklagten von der Verwendung der Abschalteinrichtung Kenntnis hatten und deshalb der subjektive Tatbestand der deliktischen Anspruchsnormen erfüllt sei. Insoweit haben sich seit dem Jahr 2015 bis zur Klageerhebung keine neuen Erkenntnisse ergeben. Angesichts des unsubstanziierten Bestreitens der Beklagten unter Berücksichtigung von deren sekundärer Darlegungslast stand und steht die fehlende Detailkenntnis der Klägerseite vom Wissen der Repräsentanten der Beklagten um die Abschalteinrichtung einer Klage nicht entgegen (vgl. z. B. Senat, Urt. v. 24.09.2019 – 10 U 11/19, juris Rn. 67 ff.; Urt. v. 26.11.2019 – 10 U 154/19, juris Rn. 66 ff.).
(2) Im Jahr 2015 stand keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob die Beklagte den Erwerbern von Kraftfahrzeugen mit dem Motor EA189 deliktisch haftet, der klageweisen Geltendmachung eines solchen Anspruchs entgegen. Vielmehr gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Entscheidungen zu dieser Frage. Alleine der Umstand, dass offene, bislang höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfragen maßgeblich sind, macht eine Klageerhebung nicht unzumutbar. Der Rechtsweg dient gerade dazu, solche Fragen zu klären (BeckOGK/Piekenbrock, Stand: 01.02.2020, § 199 BGB Rn. 129). Ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Klärung einer entscheidungserheblichen Frage ist stets zumutbar. Zuwarten allein lässt keine Klärung der Rechtslage erwarten (BAG, Urt. v. 13.03.2013 – 5 AZR 424/12, BAGE 144, 322 = juris Rn. 27).
Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage besteht nicht schon dann, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung einer bestimmten Frage vorliegt. Verlangt wird vielmehr ein „ernsthafter Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum“ (BGH, Urt. v. 07.12.2010 – XI ZR 348/09 Rn. 21; Urt. v. 24.09.2013 – I ZR 187/12 Rn. 41). Es gab 2015 aber auch keinen derartigen „ernsthaften“ Meinungsstreit in Rechtsprechung und Schrifttum bezüglich der Frage einer Haftung der Beklagten wegen des Motors EA189. Unerheblich ist, ob die Rechtslage möglicherweise nach 2015 unsicher oder zweifelhaft geworden ist. Die Verjährungsfrist wird nicht verlängert, wenn die Rechtslage erst unsicher wird, nachdem die Verjährung zu laufen begonnen hat (BGH, Urt. v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 = juris Rn. 45).
(3) Eine Unzumutbarkeit der Klageerhebung kann nicht aus den „sehr hohen Hürden“ abgeleitet werden, die an eine Haftung gemäß § 826 BGB gestellt werden. Die Vorschrift ergänzt als „kleine Generalklausel“ neben den Tatbeständen des § 823 I und II BGB das Deliktsrecht um einen unmittelbaren Schutz von Vermögensschäden (BeckOK-BGB/Förster, Stand: 01.02.2020, § 826 vor Rn. 1; vgl. auch MünchKomm-BGB/Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 4). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich ein abstrakt schwer zu fassender Tatbestand (so BeckOK-BGB/Förster, a. a. O., § 826 vor Rn. 1), der durch eine Vielzahl von Fallgruppen in der Rechtsprechung konkretisiert wird. Die sich daraus ergebenden Herausforderungen bei der Rechtsanwendung führen indes nicht zur Unzumutbarkeit einer Klageerhebung im Jahr 2015. Es gibt keinen Grundsatz dahin gehend, dass die Verjährung eines auf eine Generalklausel gestützten Anspruchs erst beginnt, wenn sich in der Rechtsprechung eine entsprechende Fallgruppe herausgebildet hat. Vielmehr bleibt es auch in solchen Fällen bei dem Grundsatz, dass der Beginn der Verjährungsfrist nur ausnahmsweise hinausgeschoben ist, wenn die Rechtslage unsicher oder zweifelhaft ist. Dies ist nicht bereits der Fall, wenn es um die Anwendung einer „schwierigen“, weil generalklauselartig gefassten Norm auf einen Sachverhalt geht und Rechtsprechung hierzu noch nicht ergangen ist. Die Verjährung beruht auf den Gedanken des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens. Zum einen soll der Schuldner davor bewahrt werden, nach längerer Zeit mit von ihm nicht mehr erwarteten Ansprüchen überzogen zu werden. Zum anderen soll die Verjährung den Gläubiger dazu veranlassen, rechtzeitig gegen den Schuldner vorzugehen, wobei es dem Gläubiger auch möglich sein muss, den Anspruch durchzusetzen (BGH, Urt. v. 15.03.2011 – VI ZR 162/10 Rn. 16; s. auch BGH, Urt. v. 30.09.2003 – XI ZR 426/01, BGHZ 156, 232 = juris Rn. 53; Urt. v. 18.06.2009 – VII ZR 167/08, BGHZ 181, 310 = juris Rn. 15). Es widerspräche der dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit dienenden Funktion des Verjährungsrechts, wenn es für die Frage des Verjährungsbeginns darauf ankäme, ob der geltend gemachte Anspruch auf eine „einfache“ oder eine „schwierige“ Norm gestützt wird.
(4) Auch der Umstand, dass – wie sich im vorliegenden Verfahren sowie einer Vielzahl weiterer sogenannter „Dieselverfahren“ gegen die hiesige Beklagte oder andere Konzerngesellschaften des Volkswagen-Konzerns eindrücklich zeigt – das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 826 BGB oder § 823 II BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz im Streit steht, genügt nicht, um das Vorliegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage zu bejahen. Andernfalls ergäbe sich alleine daraus, dass eine beklagte Partei das Vorliegen der Voraussetzungen eines gegen sie geltend gemachten Anspruchs umfassend bestreitet oder dass sie über einen längeren Zeitraum das Ergehen rechtskräftiger ober- und höchstrichterlicher Entscheidungen gegen sie verhindert, ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns. Hierfür besteht aber keine Veranlassung.
c) Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass dem Kläger bereits im Jahr 2015 die Erhebung einer Klage zumutbar war. Die Verjährungsfrist begann daher mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen und endete mit dem Schluss des Jahres 2018. Eine Hemmung der Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist ist nicht erfolgt. Die Klageerhebung erfolgte erst im Jahr 2019 und konnte daher nicht mehr zur Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist führen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I und § 92 I 1 Fall 2 ZPO. … Die Revision wird gemäß § 543 II 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO zugelassen. Die Frage der Zumutbarkeit der Klageerhebung des Eigentümers eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs der Beklagten gegen die Beklagte im Jahr 2015 ist für zahlreiche andere rechtshängige Verfahren relevant und hat grundsätzliche Bedeutung.
Hinweis: Die Revision des Klägers hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der BGH hat sie mit Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20 – zurückgewiesen, weil er Schadensersatzansprüche des Klägers ebenfalls als verjährt angesehen hat.