1. Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 23.04.2008 über Ver­brau­cher­kre­dit­ver­trä­ge und zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 87/102/EWG des Ra­tes ist da­hin aus­zu­le­gen, dass zu den In­for­ma­tio­nen, die nach die­ser Be­stim­mung in ei­nem Kre­dit­ver­trag in kla­rer, prä­gnan­ter Form an­zu­ge­ben sind, die in Art. 14 I Un­terabs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Mo­da­li­tä­ten für die Be­rech­nung der Wi­der­rufs­frist ge­hö­ren.
  2. Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er dem ent­ge­gen­steht, dass ein Kre­dit­ver­trag hin­sicht­lich der in Art. 10 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten An­ga­ben auf ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift ver­weist, die selbst auf wei­te­re Rechts­vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Mit­glied­staats ver­weist.

EuGH (Sechs­te Kam­mer), Ur­teil vom 26.03.2020 – C-66/19 (JC/Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is)

Das vor­lie­gen­de Ur­teil be­trifft die Aus­le­gung von Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 23.04.2008 über Ver­brau­cher­kre­dit­ver­trä­ge und zur Auf­he­bung der Richt­li­nie 87/102/EWG des Ra­tes (ABl. 2008 L 133, 66; be­rich­tigt in ABl. 2009 L 207, 14, ABl. 2010 L 199, 40, und ABl. 2011 L 234, 46). Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen JC, ei­nem Ver­brau­cher, und der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is, in dem es dar­um geht, ob JC ei­nen zwi­schen ihm und der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is ge­schlos­se­nen Kre­dit­ver­trag wirk­sam wi­de­ru­fen hat.

Sach­ver­halt: Im Jahr 2012 schloss JC als Ver­brau­cher mit der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is ei­nen grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­ten Dar­le­hens­ver­trag über 100.000 € mit ei­nem bis zum 30.11.2021 ge­bun­de­nen Soll­zins­satz von 3,61 % p. a. (im Fol­gen­den: in Re­de ste­hen­der Ver­trag).

Un­ter Zif­fer 14 („Wi­der­rufs­in­for­ma­ti­on“) die­ses Ver­trags hieß es:

„Wi­der­rufs­recht

Der Dar­lehns­neh­mer kann sei­ne Ver­trags­er­klä­rung in­ner­halb von 14 Ta­gen oh­ne An­ga­be von Grün­den in Text­form (z. B. Brief, Fax, E?Mail) wi­der­ru­fen. Die Frist be­ginnt nach Ab­schluss des Ver­trags, aber erst, nach­dem der Dar­lehns­neh­mer al­le Pflicht­an­ga­ben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. An­ga­ben zur Art des Dar­le­hens, An­ga­ben zum Net­to­dar­le­hens­be­trag, An­ga­be zur Ver­trags­lauf­zeit) er­hal­ten hat. …“

Mit Schrei­ben vom 30.01.2016 er­klär­te JC ge­gen­über der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is den Wi­der­ruf sei­ner auf den Ab­schluss des Dar­le­hens­ver­trags ge­rich­te­ten Wil­lens­er­klä­rung.

So­dann er­hob er beim LG Saar­brü­cken (Deutsch­land) Kla­ge auf Fest­stel­lung, dass ers­ten die For­de­rung der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is aus dem in Re­de ste­hen­den Ver­trag be­zo­gen auf den 30.04.2018 66.537,57 € nicht über­schrei­tet, dass sich zwei­tens die Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is mit der An­nah­me der Zah­lung die­ser Sum­me in An­nah­me­ver­zug be­fin­det und dass sie drit­tens ver­pflich­tet ist, ihm sämt­li­che aus der Ver­wei­ge­rung der Rück­ab­wick­lung ent­ste­hen­den Schä­den zu er­set­zen. Hilfs­wei­se be­gehr­te JC die Fest­stel­lung, dass der Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is aus dem Dar­le­hens­ver­trag ab dem Zu­gang der Wi­der­rufs­er­klä­rung kein An­spruch mehr auf den Ver­trags­zins und die ver­trags­mä­ßi­ge Til­gung zu­steht.

Die Kreis­spar­kas­se Saar­lou­is be­an­trag­te, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, und mach­te gel­tend, dass sie JC ord­nungs­ge­mäß über sein Wi­der­rufs­recht be­lehrt ha­be und die Frist für die Aus­übung die­ses Rechts ab­ge­lau­fen ge­we­sen sei, als sich JC dar­auf ha­be be­ru­fen wol­len.

Das vor­le­gen­de Ge­richt weist dar­auf hin, dass die Richt­li­nie 2008/48 nach ih­rem Art. 2 II lit. a nicht für grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­te Kre­dit­ver­trä­ge gel­te. Der deut­sche Ge­setz­ge­ber ha­be je­doch von der im zehn­ten Er­wä­gungs­grund die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Mög­lich­keit Ge­brauch ge­macht, die in der Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Be­stim­mun­gen auf nicht in den Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie fal­len­de Be­rei­che wie die für sol­che Ver­trä­ge gel­ten­de Re­ge­lung an­zu­wen­den. Un­ter die­sen Um­stän­den ist das vor­le­gen­de Ge­richt der An­sicht, dass die Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits er­for­der­lich sei und dass der Ge­richts­hof für die­se Aus­le­gung in der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che zu­stän­dig sei. Hier­für be­ruft es sich auf das Ur­teil vom 17.07.1997 (C-130/95, EU:C:1997:372 – Gi­loy).

In der Sa­che wirft das vor­le­gen­de Ge­richt die Fra­ge auf, ob die Ver­wei­sung auf § 492 II BGB, die in dem in Re­de ste­hen­den Ver­trag im Hin­blick auf die dem Dar­le­hens­neh­mer zu er­tei­len­den Pflicht­an­ga­ben vor­ge­nom­men wird, dem in Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 vor­ge­se­he­nen Er­for­der­nis ge­nügt, dass im Kre­dit­ver­trag das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen ei­nes Wi­der­rufs­rechts so­wie die Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts in „kla­rer, prä­gnan­ter“ Form an­ge­ge­ben wer­den müs­sen. Es stellt ins­be­son­de­re fest, dass § 492 II BGB selbst auf ei­ne an­de­re na­tio­na­le Vor­schrift ver­wei­se, näm­lich auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB, wor­in wie­der­um auf wei­te­re Be­stim­mun­gen des BGB ver­wie­sen wer­de. Da­mit müs­se der Ver­brau­cher, um al­le Pflicht­an­ga­ben her­aus­zu­fin­den, de­ren Er­tei­lung für das An­lau­fen der Wi­der­rufs­frist maß­geb­lich sei, auf na­tio­na­le Vor­schrif­ten zu­grei­fen, die in ver­schie­de­nen Ge­set­zes­wer­ken ent­hal­ten sei­en. Au­ßer­dem sei der Ver­brau­cher ge­zwun­gen, ge­mäß Art. 247 § 9 EGBGB zu be­stim­men, ob der Ver­trag, den er mit dem Ge­wer­be­trei­ben­den ge­schlos­sen ha­be, ein Im­mo­bi­li­ar­dar­le­hen i. S. von § 503 BGB be­tref­fe, wo­bei die­se Fra­ge von ei­nem recht­lich nicht vor­ge­bil­de­ten Durch­schnitts­ver­brau­cher nicht be­ant­wor­tet wer­den kön­ne.

Un­ter die­sen Um­stän­den hat das LG Saar­brü­cken be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

  1. Ist Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 da­hin ge­hend aus­zu­le­gen, dass zu den er­for­der­li­chen An­ga­ben zur „Frist“ oder zu den „an­de­ren Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts“ auch die Vor­aus­set­zun­gen für den Be­ginn der Wi­der­rufs­frist zäh­len?
  2. Falls die ers­te Fra­ge be­jaht wird:
    Steht Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 ei­ner Aus­le­gung ent­ge­gen, dass ei­ne Wi­der­rufs­in­for­ma­ti­on „klar“ und „prä­gnant“ ist, wenn sie hin­sicht­lich des Be­ginns der Wi­der­rufs­frist die für den Fristan­lauf zu er­tei­len­den Pflicht­an­ga­ben nicht selbst voll­stän­dig be­nennt, son­dern dies­be­züg­lich auf ei­ne na­tio­nal­ge­setz­li­che Vor­schrift – vor­lie­gend § 492 II BGB in der bis zum 12.06.2014 gül­ti­gen Fas­sung – ver­weist, die ih­rer­seits auf wei­te­re na­tio­na­le Vor­schrif­ten – vor­lie­gend Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in der bis zum 12.06.2014 gül­ti­gen Fas­sung – wei­ter­ver­weist, und der Ver­brau­cher da­her ge­hal­ten ist, zahl­rei­che Ge­set­zes­vor­schrif­ten in ver­schie­de­nen Ge­set­zes­wer­ken zu le­sen, um Klar­heit dar­über zu er­hal­ten, wel­che Pflicht­an­ga­ben er­teilt sein müs­sen, da­mit die Wi­der­rufs­frist bei sei­nem Dar­le­hens­ver­trag an­läuft?
  3. Falls die zwei­te Fra­ge ver­neint wird (und ge­gen ei­ne Ver­wei­sung auf na­tio­nal­ge­setz­li­che Vor­schrif­ten kei­ne grund­sätz­li­chen Be­den­ken be­ste­hen):
    Steht Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 ei­ner Aus­le­gung ent­ge­gen, wo­nach ei­ne Wi­der­rufs­in­for­ma­ti­on „klar“ und „prä­gnant“ ist, wenn die Ver­wei­sung auf ei­ne na­tio­na­le Ge­set­zes­vor­schrift – vor­lie­gend § 492 II BGB in der bis zum 12.06.2014 gül­ti­gen Fas­sung – und de­ren Wei­ter­ver­wei­sung – vor­lie­gend auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in der bis zum 12.06.2014 gül­ti­gen Fas­sung – zwin­gend da­zu führt, dass der Ver­brau­cher über das blo­ße Le­sen von Vor­schrif­ten hin­aus­ge­hend ei­ne ju­ris­ti­sche Sub­sum­ti­on vor­zu­neh­men hat – et­wa, ob ihm das Dar­le­hen zu für grund­pfand­recht­lich ab­ge­si­cher­te Ver­trä­ge und de­ren Zwi­schen­fi­nan­zie­rung üb­li­chen Be­din­gun­gen ge­währt wur­de oder ver­bun­de­ne Ver­trä­ge vor­lie­gen –, um Klar­heit dar­über zu er­hal­ten, wel­che Pflicht­an­ga­ben er­teilt sein müs­sen, da­mit die Wi­der­rufs­frist bei sei­nem Dar­le­hens­ver­trag an­läuft?

Der EuGH hat die­se Fra­gen wie aus dem Leit­satz er­sicht­lich be­ant­wor­tet.

Aus den Grün­den: Zur Zu­läs­sig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens

[23]    Die deut­sche Re­gie­rung macht in ih­ren schrift­li­chen Er­klä­run­gen gel­tend, der Ge­richts­hof sei für die Be­ant­wor­tung der Vor­la­ge­fra­gen nicht zu­stän­dig, da die Richt­li­nie 2008/48 nicht für grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­te Dar­le­hens­ver­trä­ge gel­te und der deut­sche Ge­setz­ge­ber trotz der ihm vom Uni­ons­ge­setz­ge­ber ein­ge­räum­ten Be­fug­nis kei­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen ha­be, die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­ne Re­ge­lung auf nicht in ih­ren Gel­tungs­be­reich fal­len­de Be­rei­che wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Be­reich der grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­ten Ver­brau­cher­kre­dit­ver­trä­ge an­zu­wen­den.

[24]   Das deut­sche Recht ha­be auch schon vor der Ver­ab­schie­dung der Richt­li­nie 2008/48 ei­ne Re­ge­lung für sol­che Ver­trä­ge vor­ge­se­hen. Da die­se Re­ge­lung als richt­li­ni­en­kom­pa­ti­bel an­ge­se­hen wor­den sei, ha­be der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber es le­dig­lich für sach­ge­recht ge­hal­ten, die Vor­schrif­ten für den Ver­brau­cher­kre­dit und für grund­pfand­recht­lich ge­si­cher­te Dar­le­hen zu­sam­men­zu­fas­sen.

[25]   Nach Art. 2 II lit. a der Richt­li­nie 2008/48 gilt die­se nicht für Kre­dit­ver­trä­ge, die ent­we­der durch ei­ne Hy­po­thek oder ei­ne ver­gleich­ba­re Si­cher­heit, die in ei­nem Mit­glied­staat ge­wöhn­lich für un­be­weg­li­ches Ver­mö­gen ge­nutzt wird, oder durch ein Recht an un­be­weg­li­chem Ver­mö­gen ge­si­chert sind.

[26]   Der Uni­ons­ge­setz­ge­ber hat je­doch, wie sich aus dem zehn­ten Er­wä­gungs­grund die­ser Richt­li­nie er­gibt, klar­ge­stellt, dass ein Mit­glied­staat für Kre­dit­ver­trä­ge, die nicht in den Gel­tungs­be­reich der Richt­li­nie fal­len, in­ner­staat­li­che Vor­schrif­ten bei­be­hal­ten oder ein­füh­ren kann, die den Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie oder man­chen ih­rer Be­stim­mun­gen ent­spre­chen.

[27]   Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung er­gibt sich, dass der deut­sche Ge­setz­ge­ber so die Ent­schei­dung ge­trof­fen hat, die von der Richt­li­nie 2008/48 vor­ge­se­he­ne Re­ge­lung auf Ver­trä­ge wie den in Re­de ste­hen­den an­zu­wen­den.

[28]   Der Ge­richts­hof hat wie­der­holt sei­ne Zu­stän­dig­keit für die Ent­schei­dung über Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­jaht, die Uni­ons­vor­schrif­ten in Fäl­len be­tra­fen, in de­nen der be­tref­fen­de Sach­ver­halt nicht un­ter das Uni­ons­recht und da­her al­lein in die Zu­stän­dig­keit der Mit­glied­staa­ten fiel, aber die­se Uni­ons­vor­schrif­ten auf­grund ei­nes Ver­wei­ses im na­tio­na­len Recht auf ih­ren In­halt gal­ten (Urt. v. 12.07.2012 – C?602/10, EU:C:2012:443 Rn. 86 m. w. Nachw. – SC Volks­bank România).

[29]   Da­bei hat er na­ment­lich be­tont, dass dann, wenn sich na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten zur Re­ge­lung von Sach­ver­hal­ten, die nicht in den Gel­tungs­be­reich des be­tref­fen­den Uni­ons­rechts­akts fal­len, nach den in die­sem Rechts­akt ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen rich­ten, ein kla­res In­ter­es­se der Uni­on dar­an be­steht, dass die aus die­sem Uni­ons­rechts­akt über­nom­me­nen Be­stim­mun­gen ein­heit­lich aus­ge­legt wer­den, um künf­ti­ge Aus­le­gungs­un­ter­schie­de zu ver­hin­dern (vgl. in die­sem Sin­ne Urt. v. 19.10.2017 – C?303/16, EU:C:2017:773 Rn. 26 m. w. Nachw. – So­lar Electric Mar­ti­ni­que).

[30]   Im Üb­ri­gen spricht ei­ne Ver­mu­tung für die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Fra­gen des na­tio­na­len Ge­richts, die es zur Aus­le­gung des Uni­ons­rechts in dem recht­li­chen und sach­li­chen Rah­men stellt, den es in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung fest­legt und des­sen Rich­tig­keit der Ge­richts­hof nicht zu prü­fen hat. Die Zu­rück­wei­sung des Er­su­chens ei­nes na­tio­na­len Ge­richts ist dem Ge­richts­hof nur mög­lich, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Uni­ons­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit den Ge­ge­ben­hei­ten oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht, das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder er nicht über die tat­säch­li­chen und recht­li­chen An­ga­ben ver­fügt, die für ei­ne zweck­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (Urt. v. 03.07.2019 – C?242/18, EU:C:2019:558 Rn. 46 m. w. Nachw. – Uni­Credit Lea­sing).

[31]   Au­ßer­dem hat der Ge­richts­hof wie­der­holt fest­ge­stellt, dass er nicht be­fugt ist, im Rah­men ei­nes Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens dar­über zu ent­schei­den, wie na­tio­na­le Vor­schrif­ten aus­zu­le­gen sind oder ob ih­re Aus­le­gung durch das vor­le­gen­de Ge­richt rich­tig ist; die­se Aus­le­gung fällt näm­lich in die aus­schließ­li­che Zu­stän­dig­keit der na­tio­na­len Ge­rich­te (Urt. v. 03.07.2019 – C-242/18, EU:C:2019:558 Rn. 47 m. w. Nachw.).

[32]   Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen ist da­her zu­läs­sig.

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge

[33]   Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass zu den In­for­ma­tio­nen, die nach die­ser Be­stim­mung in ei­nem Kre­dit­ver­trag in kla­rer, prä­gnan­ter Form an­zu­ge­ben sind, die in Art. 14 I Un­terabs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Mo­da­li­tä­ten für die Be­rech­nung der Wi­der­rufs­frist ge­hö­ren.

[34]   Nach Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie sind im Kre­dit­ver­trag in kla­rer, prä­gnan­ter Form nicht nur „das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen ei­nes Wi­der­rufs­rechts“ und „die Frist … für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts“ an­zu­ge­ben, son­dern auch „die an­de­ren Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts“.

[35]   Wie sich aus Art. 10 II der Richt­li­nie 2008/48 im Licht de­ren 31. Er­wä­gungs­grun­des er­gibt, ist das Ge­bot, in Kre­dit­ver­trä­gen auf Pa­pier oder auf ei­nem an­de­ren dau­er­haf­ten Da­ten­trä­ger die in die­ser Vor­schrift be­nann­ten Punk­te in kla­rer, prä­gnan­ter Form an­zu­ge­ben, er­for­der­lich, da­mit der Ver­brau­cher sei­ne Rech­te und Pflich­ten zur Kennt­nis neh­men kann (Urt. v. 09.11.2016 – C?42/15, EU:C:2016:842 Rn. 31 – Ho­me Credit Slo­va­kia).

[36]   Die­ses Ge­bot dient der Ver­wirk­li­chung des Ziels der Richt­li­nie 2008/48, das dar­in be­steht, in Be­zug auf Ver­brau­cher­kre­di­te ei­ne voll­stän­di­ge und ob­li­ga­to­ri­sche Har­mo­ni­sie­rung in ei­ni­gen Schlüs­sel­be­rei­chen vor­zu­se­hen, die als not­wen­dig er­ach­tet wird, um al­len Ver­brau­chern in der Uni­on ein ho­hes und ver­gleich­ba­res Maß an Schutz ih­rer In­ter­es­sen zu ge­währ­leis­ten und um die Ent­wick­lung ei­nes rei­bungs­los funk­tio­nie­ren­den Bin­nen­markts bei Ver­brau­cher­kre­di­ten zu er­leich­tern (Urt. v. 09.11.2016 – C?42/15, EU:C:2016:842 Rn. 32 – Ho­me Credit Slo­va­kia).

[37]   An­ge­sichts der Be­deu­tung des Wi­der­rufs­rechts für den Ver­brau­cher­schutz ist die In­for­ma­ti­on über die­ses Recht für den Ver­brau­cher von grund­le­gen­der Be­deu­tung. Um von die­ser In­for­ma­ti­on voll­um­fäng­lich pro­fi­tie­ren zu kön­nen, muss der Ver­brau­cher im Vor­hin­ein die Be­din­gun­gen, Fris­ten und Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts ken­nen (vgl. ent­spre­chend Urt. v. 23.01.2019 – C?430/17, EU:C:2019:47 Rn. 46 – Wal­busch Wal­ter Busch).

[38]   Au­ßer­dem wür­de die Wirk­sam­keit des in Art. 14 der Richt­li­nie 2008/48 vor­ge­se­he­nen Wi­der­rufs­rechts ernst­haft ge­schwächt, wenn die Mo­da­li­tä­ten für die Be­rech­nung der Wi­der­rufs­frist nicht zu den ge­mäß Art. 10 II die­ser Richt­li­nie im Kre­dit­ver­trag zwin­gend an­zu­ge­ben­den Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung die­ses Rechts ge­hör­ten.

[39]   Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass zu den In­for­ma­tio­nen, die nach die­ser Be­stim­mung in ei­nem Kre­dit­ver­trag in kla­rer, prä­gnan­ter Form an­zu­ge­ben sind, die in Art. 14 I Un­terabs. 2 die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Mo­da­li­tä­ten für die Be­rech­nung der Wi­der­rufs­frist ge­hö­ren.

Zur zwei­ten Fra­ge

[40]   Mit sei­ner zwei­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er dem ent­ge­gen­steht, dass ein Kre­dit­ver­trag hin­sicht­lich der in Art. 10 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten An­ga­ben auf ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift ver­weist, die selbst auf wei­te­re Rechts­vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Mit­glied­staats ver­weist.

[41]   Vor­ab ist fest­zu­stel­len, dass im Aus­gangs­ver­fah­ren der in Re­de ste­hen­de Ver­trag klar­stellt, dass die Wi­der­rufs­frist nach Ab­schluss des Ver­trags, aber erst, nach­dem der Dar­le­hens­neh­mer al­le Pflicht­an­ga­ben nach § 492 II BGB er­hal­ten hat, zu lau­fen be­ginnt. § 492 II BGB ver­weist sei­ner­seits auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB, wor­in wie­der­um auf wei­te­re Be­stim­mun­gen des BGB ver­wie­sen wird.

[42]   Das vor­le­gen­de Ge­richt stellt so­mit fest, dass die Pflicht­an­ga­ben, de­ren Er­tei­lung an den Ver­brau­cher ge­mäß Art. 10 II lit. p und Art. 14 I Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 2008/48 für den Be­ginn der Frist für den Wi­der­ruf des Ver­trags maß­geb­lich sei, als sol­che nicht in dem in Re­de ste­hen­den Ver­trag ent­hal­ten sei­en. Um sie her­aus­zu­fin­den, müs­se sich der Ver­brau­cher da­her mit ei­ner Viel­zahl na­tio­na­ler Be­stim­mun­gen be­schäf­ti­gen, die in ver­schie­de­nen Ge­set­zes­wer­ken ent­hal­ten sei­en.

[43]   Wie sich aus Art. 14 I Un­terabs. 2 lit. b der Richt­li­nie 2008/48 er­gibt, be­ginnt die Wi­der­rufs­frist erst zu lau­fen, wenn dem Ver­brau­cher die In­for­ma­tio­nen ge­mäß Art. 10 die­ser Richt­li­nie über­mit­telt wur­den, so­fern der be­tref­fen­de Zeit­punkt nach dem Tag des Ab­schlus­ses des Kre­dit­ver­trags liegt. Be­sag­ter Art. 10 zählt die In­for­ma­tio­nen auf, die in Kre­dit­ver­trä­gen an­zu­ge­ben sind.

[44]   Ver­weist aber ein Ver­brau­cher­ver­trag hin­sicht­lich der In­for­ma­tio­nen, die nach Art. 10 der Richt­li­nie 2008/48 an­zu­ge­ben sind, auf be­stimm­te Vor­schrif­ten des na­tio­na­len Rechts, so kann der Ver­brau­cher auf der Grund­la­ge des Ver­trags we­der den Um­fang sei­ner ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung be­stim­men noch über­prü­fen, ob der von ihm ab­ge­schlos­se­ne Ver­trag al­le nach die­ser Be­stim­mung er­for­der­li­chen An­ga­ben ent­hält, und erst recht nicht, ob die Wi­der­rufs­frist, über die er ver­fü­gen kann, für ihn zu lau­fen be­gon­nen hat.

[45]   Im Üb­ri­gen ist es für die ord­nungs­ge­mä­ße Ver­trags­durch­füh­rung und ins­be­son­de­re für die Aus­übung der Rech­te des Ver­brau­chers, zu de­nen des­sen Wi­der­rufs­recht zählt, er­for­der­lich, dass der Ver­brau­cher die Punk­te, die der Kre­dit­ver­trag ge­mäß Art. 10 II der Richt­li­nie 2008/48 zwin­gend ent­hal­ten muss, kennt und gut ver­steht.

[46]   Sieht ei­ne Ver­brau­cher­schutz­richt­li­nie für den Ge­wer­be­trei­ben­den die Pflicht vor, den Ver­brau­cher über den In­halt der ihm un­ter­brei­te­ten Ver­trags­er­klä­rung zu in­for­mie­ren, und sind be­stimm­te As­pek­te da­von durch bin­den­de Rechts­vor­schrif­ten ei­nes Mit­glied­staats ge­re­gelt, so muss der Ge­wer­be­trei­ben­de den Ver­brau­cher in­so­weit nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs über den In­halt die­ser Vor­schrif­ten be­leh­ren (vgl. in die­sem Sin­ne Urt. v. 26.04.2012 – C?472/10, EU:C:2012:242 Rn. 29 – In­vi­tel).

[47]   Ei­ne blo­ße Ver­wei­sung in all­ge­mei­nen Ver­trags­be­din­gun­gen auf Rechts­vor­schrif­ten, die die Rech­te und Pflich­ten der Par­tei­en fest­le­gen, reicht da­her nicht aus (vgl. in die­sem Sin­ne Urt. v. 21.03.2013 – C-92/11, EU:C:2013:180 Rn. 50 – RWE Ver­trieb).

[48]   In ei­ner Si­tua­ti­on wie der des Aus­gangs­ver­fah­rens ist da­her fest­zu­stel­len, dass ein Ver­weis in dem in Re­de ste­hen­den Ver­trag auf die na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten ent­spre­chend der Dar­stel­lung oben in Rn. 41 nicht dem vor­ste­hend in den Rn. 43 bis 47 be­han­del­ten Er­for­der­nis ge­nügt, den Ver­brau­cher ge­mäß Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 in kla­rer, prä­gnan­ter Form über die Frist und die an­de­ren Mo­da­li­tä­ten für die Aus­übung des Wi­der­rufs­rechts zu in­for­mie­ren.

[49]   Nach al­le­dem ist auf die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 10 II lit. p der Richt­li­nie 2008/48 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er dem ent­ge­gen­steht, dass ein Kre­dit­ver­trag hin­sicht­lich der in Art. 10 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten An­ga­ben auf ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift ver­weist, die selbst auf wei­te­re Rechts­vor­schrif­ten des be­tref­fen­den Mit­glied­staats ver­weist.

Zur drit­ten Fra­ge

[50]   In An­be­tracht der Ant­wort auf die zwei­te Fra­ge er­üb­rigt sich die Be­ant­wor­tung der drit­ten Fra­ge. …

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