1. Ei­ne zi­vil­recht­li­che Kla­ge, mit der Scha­dens­er­satz be­gehrt wird, ist zwar nach na­tio­na­lem Recht de­liktsrecht­li­cher Na­tur. Sie be­trifft aber i. S. von Art. 7 Nr. 1 lit. a Eu­GV­VO n.F. ei­nen Ver­trag oder An­sprü­che aus ei­nem Ver­trag und kei­ne un­er­laub­te Hand­lung oder An­sprü­che aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung (Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F.), wenn das be­an­stan­de­te Ver­hal­ten als Ver­stoß ge­gen ver­trag­li­che Pflich­ten an­ge­se­hen wer­den kann. Das ist der Fall, wenn ei­ne Aus­le­gung des Ver­trags un­er­läss­lich er­scheint, um zu klä­ren, ob das Ver­hal­ten, das der Klä­ger dem Be­klag­ten vor­wirft, recht­mä­ßig oder wi­der­recht­lich ist (im An­schluss an EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-548/12, ECLI:EU:C:2014:148 = NJW 2014, 1648 Rn. 23 ff. – Brog­sit­ter). Da­her ist für ei­ne Kla­ge, mit der ein Kfz-Käu­fer ge­stützt auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB Scha­dens­er­satz ver­langt, weil ihm der Ver­käu­fer un­ter an­de­rem ver­schwie­gen ha­be, dass das Fahr­zeug ein Un­fall­wa­gen sei, der Ge­richts­stand des Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F. nicht ge­ge­ben.
  2. Ei­nem Kfz-Käu­fer ist es nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ver­wehrt, Rech­te we­gen ei­nes Man­gels gel­tend zu ma­chen, wenn er das – man­gel­haf­te – Fahr­zeug trotz der Er­kennt­nis, dass es nicht die nach § 434 I BGB ge­schul­de­te Be­schaf­fen­heit hat, oh­ne Vor­be­halt an­nimmt (im An­schluss an Se­nat, Urt. v. 04.08.2004 – 7 U 18/04, OLGR 2004, 506; Urt. v. 25.02.2009 – 7 U 137/08, n. v.; Hin­weis­be­schl. v. 06.07.2016 – 7 U 47/16, n. v.).

OLG Cel­le, Ur­teil vom 06.02.2019 – 7 U 102/18
(nach­fol­gend: BGH, Be­schluss vom 13.10.2020 – VI ZR 63/19)

Sach­ver­halt: Die Klä­ge­rin wirft der Be­klag­ten vor, sie beim Kauf ei­nes ge­brauch­ten Pkw be­tro­gen zu ha­ben; sie be­gehrt des­halb ge­stützt auf § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB Scha­dens­er­satz.

Der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin G war auf der In­ter­net­platt­form „mobile.​de“ auf ei­nen dort für 65.000 € zum Kauf an­ge­bo­te­nen Por­sche 911 Tur­bo mit 6-Gang-Schalt­ge­trie­be auf­merk­sam ge­wor­den. In dem In­ter­net­in­se­rat, in dem die Lauf­leis­tung des Fahr­zeugs mit 50.000 km an­ge­ge­ben war, gab es kei­ne Hin­wei­se auf Un­fall­schä­den oder Män­gel des Fahr­zeugs. Viel­mehr hieß es dort, der Pkw ha­be „kei­ne Krat­zer, kei­ne Beu­len“; es sei ein „rei­nes Schön­wet­ter­fahr­zeug in ma­kel­lo­sem Best­zu­stand“. Dar­über hin­aus war an­ge­ge­ben:

„tech­nisch und op­tisch sehr gu­ter Zu­stand, oh­ne Män­gel – An­kaufs­test vor dem Ver­kauf bei dem of­fi­zi­el­len Ver­trags­händ­ler durch­ge­führt – tech­nisch al­les in Ord­nung und oh­ne ir­gend­wel­che fest­ge­stell­ten Nach­tei­le“.

Ver­käu­fe­rin des Por­sche 911 Tu­bro war die in S. (Bul­ga­ri­en) an­säs­si­ge Be­klag­te. Nach­dem G mit de­ren Ver­tre­ter in Deutsch­land Kon­takt auf­ge­nom­men hat­te, zahl­te die Klä­ge­rin den Kaufs­preis von 59.167 € brut­to ge­mäß Rech­nung (in­voice) vom 18.02.2016. Die­se Rech­nung weist die Be­klag­te als Ver­käu­fe­rin (sel­ler) und die Klä­ge­rin als Käu­fe­rin (buy­er) des Fahr­zeugs aus. Im An­schluss dar­an be­gab sich G wie ver­ab­re­det nach S., um den Pkw dort ab­zu­ho­len. In S. fan­den Ge­sprä­che statt, de­ren In­halt strei­tig ist. Je­den­falls er­fuhr G, dass das streit­ge­gen­ständ­li­che Fahr­zeug in der Ver­gan­gen­heit ein­mal ge­stoh­len wor­den war. Dar­über hin­aus un­ter­zeich­ne­te G, der die bul­ga­ri­sche Spra­che nicht be­herrscht, ei­nen in die­ser Spra­che ab­ge­fass­ten Kauf­ver­trag. Dar­in heißt es un­ter an­de­rem, der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw ha­be ei­nen schwe­ren Un­fall er­lit­ten und sei an­schlie­ßend in ei­ner der Ver­käu­fe­rin nicht be­kann­ten „frei­en“ Werk­statt re­pa­riert wor­den. Die Re­pa­ra­tur sei nicht den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten ent­spre­chend er­folgt und es ge­be dar­über kei­ne Do­ku­men­te. Der Pkw sei fahr­be­reit; er wei­se aber vie­le tech­ni­sche De­fek­te auf, die der Käu­fe­rin be­kannt sei­en.

Die Klä­ge­rin be­strei­tet, dass – wie die Be­klag­te gel­tend macht – der Kauf­ver­trag in S. münd­lich für G über­setzt wor­den sei. Auch sonst – so be­haup­tet die Klä­ge­rin – sei ihr der In­halt die­ses Ver­trags nicht mit­ge­teilt wor­den. Ins­be­son­de­re sei G nicht ge­sagt wor­den, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che Pkw ein Un­fall­wa­gen sei, der ent­ge­gen dem „mobile.​de“-In­se­rat tech­ni­sche Män­gel auf­wei­se. Erst bei der nach­träg­li­chen Un­ter­su­chung des Fahr­zeugs in Deutsch­land ha­be sich her­aus­ge­stellt, dass un­ter an­de­rem die Air­bags fehl­ten. Al­lei­ne de­ren Ein­bau hät­te ei­nen Kos­ten­auf­wand von mehr als 15.000 € er­for­dert.

Die Kla­ge der Klä­ge­rin war ur­sprüng­lich auf die Rück­ab­wick­lung des streit­ge­gen­ständ­li­chen Kauf­ver­trags ge­rich­tet. Wäh­rend der Rechts­streit in ers­ter In­stanz an­hän­gig war, ver­äu­ßer­te die Klä­ge­rin den Por­sche 911 Tur­bo für 20.000 € an ei­nen Drit­ten. An­schlie­ßend hat sie ih­re Kla­ge un­ter An­rech­nung des Ver­kaufs­er­lö­ses auf Scha­dens­er­satz um­ge­stellt.

Das Land­ge­richt hat sei­ne in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit be­jaht und der Kla­ge im Er­geb­nis statt­ge­ge­ben (LG Han­no­ver, Urt. v. 13.02.2018 – 20 O 143/16). Mit ih­rer da­ge­gen ge­rich­te­ten Be­ru­fung hat die Be­klag­te in ers­ter Li­nie – wie schon in ers­ter In­stanz – gel­tend ge­macht, dass ei­ne in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit deut­scher Ge­rich­te nicht ge­ge­ben sei. In zwei­ter Li­nie hat die Be­klag­te (wei­ter­hin) den ihr vor­ge­wor­fe­nen Be­trug in Ab­re­de ge­stellt und in­so­weit die Sach­auf­klä­rung durch das Land­ge­richt ge­rügt. Die Klä­ge­rin hat das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ver­tei­digt und im We­ge der An­schluss­be­ru­fung wei­te­ren Scha­dens­er­satz be­gehrt.

Nur das Rechts­mit­tel der Be­klag­ten hat­te Er­folg.

Aus den Grün­den: II. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist be­grün­det. Die Kla­ge ist man­gels in­ter­na­tio­na­ler Zu­stän­dig­keit der deut­schen Ge­rich­te und da­mit des LG Han­no­ver als un­zu­läs­sig ab­zu­wei­sen. Da­mit bleibt auch die An­schluss­be­ru­fung der Klä­ge­rin oh­ne Er­folg.

Nach § 513 II ZPO kann die Be­ru­fung zwar grund­sätz­lich nicht dar­auf ge­stützt wer­den, dass das Ge­richt des ers­ten Rechts­zugs sei­ne Zu­stän­dig­keit zu Un­recht be­jaht hat. Nach höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung kann je­doch we­gen der Be­deu­tung der in­ter­na­tio­na­len Zu­stän­dig­keit, die über das in­ter­na­tio­na­le Pri­vat­recht des Ge­richts­staa­tes auch das an­wend­ba­re Recht steu­ert, das Feh­len der in­ter­na­tio­na­len Zu­stän­dig­keit in zwei­ter In­stanz auch dann ge­rügt wer­den, wenn das Aus­gangs­ge­richt sie un­zu­tref­fend an­ge­nom­men hat. Die Pflicht zur Amts­prü­fung der in­ter­na­tio­na­len Zu­stän­dig­keit be­steht in al­len In­stan­zen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 20.06.2016 – I-5 U 140/15, ju­ris Rn. 30 m. w. Nachw.).

Im vor­lie­gen­den Fall fehlt es an der in­ter­na­tio­na­len Zu­stän­dig­keit des LG Han­no­ver.

Für ver­trag­li­che An­sprü­che wä­re nach Art. 7 Nr. 1 Eu­GV­VO n.F. (Ver­ord­nung (EU) Nr. 1215/2012 des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 12.12.2012 über die ge­richt­li­che Zu­stän­dig­keit und die An­er­ken­nung und Voll­stre­ckung von Ent­schei­dun­gen in Zi­vil- und Han­dels­sa­chen, ABl. 2012 L 351, 1) die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit der bul­ga­ri­schen Ge­rich­te ge­ge­ben, weil die Be­klag­te dort, näm­lich in S., ih­ren Ge­schäfts­sitz hat. Maß­geb­lich ist in­so­weit der Er­folgs­ort, das ist nach in­ter­na­tio­na­lem Pri­vat­recht der Ort, wo die Leis­tung tat­säch­lich be­wirkt, hier das Fahr­zeug über­ge­ben wor­den ist. Da die Be­klag­te auf­grund ih­res Fir­men­sit­zes in S. dort ih­ren all­ge­mei­nen Ge­richts­stand hat und dort auch zu­gleich der Er­folgs­ort we­gen der Über­ga­be des Fahr­zeugs an­zu­neh­men ist, kä­me für ver­trag­li­che An­sprü­che nur die Zu­stän­dig­keit der bul­ga­ri­schen Ge­rich­te in Be­tracht.

Auf­grund die­ser recht­li­chen Aus­gangs­la­ge stützt die Klä­ge­rin ih­ren Kla­ge­an­spruch al­lein auf De­likt. Denn nach Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F. gibt es ei­nen de­lik­ti­schen Ge­richts­stand am Ort der un­er­laub­ten Hand­lung. In­so­weit ar­gu­men­tiert die Klä­ge­rin, sie sei durch die In­ter­net-Ver­kaufs­an­zei­ge, die in deut­scher Spra­che für deut­sche Kun­den ge­schal­tet ge­we­sen sei, in Han­no­ver und da­mit in Deutsch­land ge­täuscht wor­den. Dort, an ih­rem da­ma­li­gen Fir­men­sitz, sei auch der Scha­den durch Be­zah­lung des Kauf­prei­ses ein­ge­tre­ten. Die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on ist das LG Han­no­ver im Er­geb­nis ge­folgt. Da­bei ist je­doch un­be­ach­tet ge­blie­ben, dass Grund­la­ge des Scha­dens die Ab­wei­chung des ver­trag­li­chen Soll­zu­stands des Por­sche vom Ist­zu­stand ist und da­her der gel­tend ge­mach­te Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht los­ge­löst von der kauf­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung der Be­klag­ten fest­ge­stellt und be­ur­teilt wer­den kann. Knüpft aber der Scha­den an ei­nen zu­grun­de­lie­gen­den Ver­trag an, be­ur­teilt sich die Zu­stän­dig­keit al­lein nach Art. 7 Nr. 1 Eu­GV­VO n.F., nicht je­doch nach Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F.

Bei Art. 7 Eu­GV­VO n.F. han­delt es sich um Uni­ons­recht. Die­ses ist nicht nach den Grund­sät­zen des ent­schei­den­den na­tio­na­len Ge­richts, son­dern uni­ons­recht­lich ori­en­tiert – al­so im Sprach­ge­brauch des in­ter­na­tio­na­len Rechts: „au­to­nom“ – aus­zu­le­gen. Da­bei ist die EuGH-Recht­spre­chung zu be­ach­ten, weil der EuGH für die Aus­le­gung des Uni­ons­rechts aus­schließ­lich zu­stän­dig ist.

Der EuGH hat zu der Fra­ge der kon­kur­rie­ren­den Zu­stän­dig­keit, wenn so­wohl ver­trag­li­che (Art. 7 Nr. 1 Eu­GV­VO n.F.) wie auch de­lik­ti­sche An­sprü­che (Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F.) in Be­tracht kom­men, zwei ein­schlä­gi­ge Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen. In der so­ge­nann­ten Kal­fe­lis-Ent­schei­dung aus dem Jahr 1988 (EuGH [Fünf­te Kam­mer], Urt. v. 27.09.1988 – Rs. 189/87, Slg. 1988, 5579 [zu Art. 5 Eu­GVÜ]) hat­te der EuGH zu­nächst ent­schie­den, der Be­griff der un­er­laub­ten Hand­lung als An­knüp­fungs­punkt für ei­nen ent­spre­chen­den Ge­richts­stand be­zie­he sich auf al­le Kla­gen, mit de­nen ei­ne Scha­dens­haf­tung des Be­klag­ten gel­tend ge­macht wer­de, die nicht an ei­nen Ver­trag im Sin­ne des Uni­ons­rechts an­knüp­fe. In der Brog­sit­ter-Ent­schei­dung der 7. Kam­mer des EuGH vom 13.03.2014 (C-548/12, ECLI:EU:C:2014:148) ist un­ter Be­zug­nah­me auf die Kal­fe­lis-Ent­schei­dung wei­ter­hin er­läu­tert wor­den, was un­ter „An­knüp­fung an ei­nen Ver­trag“ zu ver­ste­hen ist. In­so­weit heißt es in der Ent­schei­dungs­be­spre­chung von Wen­den­burg/Schnei­der (NJW 2014, 1633, 1635):

„Der EuGH be­ant­wor­tet die Fra­ge, wann ei­ne ‚An­knüp­fung‘ an ei­nen Ver­trag vor­liegt, über­aus prag­ma­tisch: Im­mer dann, wenn im Rah­men der Prü­fung von Er­satz­an­sprü­chen (Rn. 26) ei­ne Aus­le­gung des Ver­trags ‚un­er­läss­lich er­scheint, um zu klä­ren, ob das … vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten recht­mä­ßig oder viel­mehr wi­der­recht­lich ist‘, soll die An­knüp­fung ‚grund­sätz­lich‘ be­ste­hen (Rn. 25). Zu­nächst ist fest­zu­hal­ten, dass der Be­griff ‚grund­sätz­lich‘ (Rn. 25) nicht als Re­la­ti­vie­rung zu ver­ste­hen ist, son­dern im Sin­ne von ‚aus Prin­zip‘ bzw. ‚oh­ne Aus­nah­me‘. Da­für spricht auch die fran­zö­si­sche Text­fas­sung (‚a prio­ri‘), die der Be­ra­tung in­ner­halb des EuGH un­ter Mit­wir­kung des fran­zö­si­schen Rich­ters Bo­ni­chot als Be­richt­er­stat­ter zu Grun­de lag. Es wird des­halb aus­nahms­los von ei­nem ‚An­spruch aus Ver­trag‘ gem. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a Eu­GV­VO aus­zu­ge­hen sein, wenn (1) der Klä­ger ei­nen Er­satz­an­spruch gel­tend macht und (2) das vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten zu­gleich ei­nen Ver­stoß ge­gen ei­nen zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ver­trag dar­stellt.“

Die­se zum frü­he­ren Art. 5 Nr. 3 Eu­GV­VO er­gan­ge­ne Ent­schei­dung gilt nicht nur nach Mei­nung der vor­ste­hend zi­tier­ten Ver­fas­ser, son­dern nach ein­hel­li­ger Auf­fas­sung eben­so für die wort­glei­che Neu­fas­sung in Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F. Ent­spre­chend heißt es auch in der Kom­men­tie­rung bei Mu­sielak/Voit (Stad­ler, in: Mu­sielak/Voit, ZPO, 15. Aufl. [2018], Art. 7 Eu­GV­VO n.F. Rn. 18):

„Eben­falls nicht un­ter Art. 7 Nr. 2 fal­len An­sprü­che, die nach na­tio­na­lem Recht zwar de­liktsrecht­li­cher Na­tur sind, wenn das vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten je­doch als Ver­stoß ge­gen ver­trag­li­che Ver­pflich­tun­gen ge­wer­tet wer­den kann.“

Zum Be­leg wird in Fuß­no­te 147 auf die ge­nann­te Brog­sit­ter-Ent­schei­dung (C-548/12, ECLI:EU:C:2014:148 = NJW 2014, 1648) und die be­reits zi­tier­te Ent­schei­dungs­be­spre­chung von Wen­den­burg/Schnei­der (NJW 2014, 1633) so­wie auf wei­te­re Kom­men­tie­run­gen ver­wie­sen.

Aus­ge­hend da­von, dass die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit für ei­nen de­lik­ti­schen An­spruch nach Art. 7 Nr. 2 Eu­GV­VO n.F. nicht be­grün­det wird, wenn das vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten zu­gleich ei­nen Ver­stoß ge­gen ei­nen zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ver­trag dar­stellt, schei­det die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit des LG Han­no­ver nach die­ser Vor­schrift aus. Zwar wä­re nach deut­schem Straf­recht ein Be­trug an­zu­neh­men, wenn man der Sach­ver­halts­dar­stel­lung der Klä­ge­rin folgt. Zi­vil­recht­lich wür­de dies ei­nen An­spruch nach § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB be­grün­den, wie von der Klä­ge­rin auch aus­drück­lich gel­tend ge­macht wor­den ist. Je­doch ist Grund­la­ge die­ses Be­trugs ei­ne arg­lis­ti­ge Täu­schung im Rah­men des Kauf­ver­trags we­gen Ver­schwei­gens der Un­fall­wa­gen­ei­gen­schaf­ten so­wie der trotz Un­fall­re­pa­ra­tur wei­ter­hin vor­han­de­nen Män­gel. Das vor­ge­wor­fe­ne Ver­hal­ten stellt da­mit zu­gleich ei­nen Ver­stoß ge­gen den zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Kauf­ver­trag dar. Da­mit knüpft der hier in Be­tracht kom­men­de de­lik­ti­sche An­spruch im Sin­ne der EuGH-Recht­spre­chung an ei­nen ver­trag­li­chen An­spruch an. Der de­lik­ti­sche An­spruch kann nicht fest­ge­stellt wer­den, oh­ne den In­halt des Ver­trags und die Um­stän­de des Ver­trags­schlus­ses zu­grun­de zu le­gen, al­so dar­an „an­zu­knüp­fen“.

In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Sach­auf­klä­rungs­rüge er­heb­lich wä­re, kä­me man mit dem LG Han­no­ver da­hin, des­sen Zu­stän­dig­keit zu be­ja­hen und die Rechts­la­ge nach den Vor­schrif­ten des Bür­ger­li­chen Ge­setz­buchs und der Zi­vil­pro­zess­ord­nung zu be­ur­tei­len. Trä­fen die Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten zu dem Ge­sche­hen vor Ort in S. zu, wä­re es der Klä­ge­rin zu­min­dest nach § 242 BGB ver­wehrt, An­sprü­che ge­gen die Be­klag­te gel­tend zu ma­chen.

Zwar wä­re dem LG Han­no­ver wohl dar­in bei­zu­pflich­ten, dass be­reits zu­vor in Deutsch­land ent­spre­chend der vor­ge­leg­ten Rech­nung vom 18.02.2016 ein Kauf­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men war. Die Par­tei­en hat­ten sich be­reits auf der Grund­la­ge des In­se­rats bei „mobile.​de“ ge­ei­nigt. Der Kauf­preis war ge­zahlt, die Par­tei­en wur­den in der Rech­nung als Ver­käu­fer und Käu­fer aus­ge­wie­sen. Es ging dann nur noch um die Ab­ho­lung des Por­sche in S. Grün­de, das Zu­stan­de­kom­men des Kauf­ver­trags be­reits in Deutsch­land zu ver­nei­nen, sind da­nach nicht er­sicht­lich.

Gleich­wohl ist die Ver­tei­di­gung der Be­klag­ten, vor Ort in S. sei der wah­re Sach­ver­halt of­fen­bart und der schrift­li­che Ver­trag ins Deut­sche über­setzt wor­den, recht­lich er­heb­lich. Denn da­durch, dass der Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin den Kauf­ver­trag vor Ort in Kennt­nis sei­nes In­halts un­ter­zeich­ne­te, wä­re der ur­sprüng­li­che, in Deutsch­land münd­lich ab­ge­schlos­se­ne Kauf­ver­trag durch den in­halt­lich ab­wei­chen­den, in S. un­ter­zeich­ne­ten schrift­li­chen Ver­trag er­setzt wor­den (sog. No­va­ti­on; vgl. Pa­landt/Grü­ne­berg, BGB, 78. Aufl. [2019], § 311 Rn. 8 ff.). Zu­dem hat der Au­to­käu­fer nach der Recht­spre­chung des Se­nats nach Treu und Glau­ben je­den­falls kei­ne Sach­män­gel­an­sprü­che (oder Scha­dens­er­satz­an­sprü­che) mehr, wenn das ge­kauf­te Fahr­zeug zwar nicht der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung ent­spricht, der Käu­fer die­se Ab­wei­chung je­doch bei der Ab­ho­lung wahr­nimmt und den Wa­gen den­noch als die ge­schul­de­te Leis­tung oh­ne Be­an­stan­dung oder Vor­be­halt ent­ge­gen­nimmt (vgl. Se­nat, Urt. v. 04.08.2004 – 7 U 18/04, OLGR 2004, 506; Urt. v. 25.02.2009 – 7 U 137/08, n. v.; Hin­weis­be­schl. v. 06.07.2016 – 7 U 47/16, n. v.; vgl. fer­ner LG Karls­ru­he, Urt. v. 15.05.2013 – 6 O 375/12, ju­ris Rn. 39; OLG Köln, Urt. v. 07.02.2018 – 16 U 133/15, ju­ris Rn. 30; Rein­king/Eg­gert, Der Au­to­kauf, 13. Aufl. [2017], Rn. 3910).

Wä­re da­her dem Ge­schäfts­füh­rer der Klä­ge­rin, wie die Be­klag­te dies un­ter Zeu­gen­be­weis­an­tritt be­haup­tet, die vom Ver­kaufs­in­se­rat ab­wei­chen­de Fahr­zeug­his­to­rie of­fen­bart und der Ver­trag über­setzt wor­den, hät­te er die­sen aber den­noch un­ter­zeich­net und das Fahr­zeug in Kennt­nis all die­ser Um­stän­de als Kauf­ge­gen­stand ent­ge­gen­ge­nom­men und da­mit ak­zep­tiert, wä­re die Klä­ge­rin zu­min­dest nach Treu und Glau­ben ge­hin­dert, zi­vil­recht­li­che An­sprü­che gel­tend zu ma­chen. Auch ein Scha­den und da­mit ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB kä­me dann nicht mehr in Be­tracht. Der Sach­ver­halt müss­te da­her nach Maß­ga­be der wech­sel­sei­ti­gen Zeu­gen­be­weis­an­trit­te noch auf­ge­klärt wer­den.

Die­se Er­wä­gun­gen be­le­gen zu­gleich, dass die Fra­ge, ob der Klä­ge­rin über­haupt ein Scha­den ent­stan­den ist, für den sie nach § 823 II BGB i. V. mit § 263 StGB von der Be­klag­ten Er­satz ver­lan­gen kann, nicht oh­ne An­knüp­fung an die zi­vil­ver­trag­li­che Sach- und Rechts­la­ge be­ur­teilt wer­den kann. Dies gilt selbst dann, wenn un­ab­hän­gig von dem wei­te­ren Ge­sche­hen in S. be­reits auf­grund der in­halt­lich un­rich­ti­gen Be­schrei­bung des Por­sche in der In­ter­net­an­zei­ge und des dar­auf­hin zu­stan­de ge­kom­me­nen Kauf­ver­trags so­wie der Kauf­preis­zah­lung ein voll­ende­ter Be­trug in Deutsch­land zu be­ja­hen wä­re. An­ders als die Klä­ge­rin meint und nach Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung durch ih­ren Schrift­satz vom 15.01.2019 dar­ge­legt hat, knüpft der Kla­ge­an­spruch da­her an den Kauf­ver­trag an.

Ist hier so­mit nach den vom EuGH mit der Brog­sit­ter-Ent­schei­dung vor­ge­ge­be­nen Kri­te­ri­en die in­ter­na­tio­na­le Zu­stän­dig­keit nach Art. 7 Eu­GV­VO n.F. nicht ge­ge­ben, be­steht kein An­lass zur Vor­la­ge an den EuGH, wie von der Klä­ge­rin mit dem vor­er­wähn­ten Schrift­satz an­ge­regt. Viel­mehr kommt Art. 28 I Eu­GV­VO n.F. zur An­wen­dung. Da­nach hat sich das Ge­richt von Amts we­gen für un­zu­stän­dig zu er­klä­ren, wenn sei­ne Zu­stän­dig­keit nicht nach die­ser Ver­ord­nung be­grün­det ist und der Be­klag­te, der sei­nen Wohn­sitz im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glieds­staats hat und der vor dem Ge­richt ei­nes an­de­ren Mit­glieds­staats ver­klagt wird, sich auf das Ver­fah­ren nicht ein­lässt.

Die Kla­ge ist da­her in Ab­än­de­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils als un­zu­läs­sig ab­zu­wei­sen.

Die An­schluss­be­ru­fung der Klä­ge­rin we­gen wei­te­rer Scha­dens­po­si­tio­nen geht da­mit eben­falls ins Lee­re. In­so­weit fehlt es von vorn­her­ein an der in­ter­na­tio­na­len Zu­stän­dig­keit deut­scher Ge­rich­te und da­mit an der Zu­läs­sig­keit der er­wei­ter­ten Kla­ge. …

Hin­weis: Der VI. Zi­vil­se­nat hat das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren mit Be­schluss vom 13.10.2020 – VI ZR 63/19 aus­ge­setzt und dem EuGH ge­mäß Art. 267 I lit. b und III AEUV die Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt, ob Art. 7 Nr. 1 lit. a und Nr. 2 Eu­GV­VO n.F. da­hin aus­zu­le­gen sind, dass der Ge­richts­stand der un­er­laub­ten Hand­lung für ei­ne auf Scha­dens­er­satz ge­rich­te­te Kla­ge er­öff­net ist, wenn der Klä­ger durch arg­lis­ti­ge Täu­schung zum Ab­schluss ei­nes Kauf­ver­trags und zur Zah­lung des Kauf­prei­ses ver­an­lasst wor­den ist.

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