Der Vortrag eines Gebrauchtwagenkäufers, er sei in Deutschland gutgläubig Eigentümer des ursprünglich im Eigentum eines in Italien ansässigen Leasinggebers stehenden und vom Leasingnehmer unterschlagenen Fahrzeugs geworden, ist nicht geeignet, die internationale und örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F.) für eine Klage auf Feststellung des Eigentums an dem Fahrzeug zu begründen. Denn Normzweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. ist, dass derjenige, der einen anderen rechtswidrig schädigt, wegen der größeren Beweisnähe und der häufigen Rechtsnähe am Ort der Tat rechenschaftspflichtig ist. Der ursprüngliche Eigentümer des Fahrzeugs ist aber – eine Unterschlagung unterstellt – durch eine unerlaubte Handlung geschädigt. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. nicht zu vereinbaren, dass ausgerechnet er vor einem deutschen Gericht verklagt werden kann.

OLG Hamm, Urteil vom 20.06.2016 – 5 U 140/15

Sachverhalt: Die Klägerin verlangt die Feststellung, dass sie Eigentümerin eines – näher bezeichneten – Audi A5 (Erstzulassung: 30.07.2010) ist.

Am 30.07.2010 wurde die Beklagte in Italien als Eigentümerin dieses Fahrzeugs in das öffentliche Automobilregister (Pubblico Registro Automobilistico) eingetragen, worüber sich eine Eigentumsbescheinigung (certificato di proprietà) vom 13.02.2012 verhält. Ausweislich dieser Bescheinigung überließ die Beklagte den Pkw auf der Grundlage eines Leasingvertrags, der bis zum 26.07.2014 gültig sein sollte, der P-S.r.l. Am 18.12.2012 ließ die Beklagte das Fahrzeug durch einen von ihr beauftragten Rechtsanwalt als verlustig melden.

Der Audi A5 gelangte zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt, wohl im Februar oder Anfang März 2013, in den Besitz der Klägerin. Auf welche Weise die Klägerin Besitzerin des Fahrzeugs geworden ist, ist streitig. Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang einen undatierten schriftlichen Kaufvertrag über das Fahrzeug zu den Akten gereicht; dieser Vertrag weist die Klägerin als Käuferin und einen in Mailand ansässigen V als Verkäufer des Wagens aus.

Die Staatsanwaltschaft Essen leitete gegen den damaligen Geschäftsführer der Klägerin (G) ein Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei ein. Im Zuge dieses Verfahrens gab das AG Essen der Klägerin mit Beschluss vom 26.07.2013 gemäß § 111k StPO auf, das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug durch eine Gerichtsentscheidung nachzuweisen.

Die Klägerin hat behauptet, ihr jetziger Geschäftsführer (T) habe den Pkw für sie mit dem zu den Akten gereichten schriftlichen Kaufvertrag in Gelsenkirchen (Deutschland) von V gekauft und von diesem das Fahrzeug nebst beiden Schlüsseln sowie die Eigentumsurkunde und den Fahrzeugschein (carta di circolazione) im Original erhalten. Die am 16.01.2013 in Mailand ausgestellte Eigentumsurkunde habe V als Eigentümer, der Fahrzeugschein habe ihn als Halter des Pkw ausgewiesen. Den Kaufpreis in Höhe von 15.000 € habe T bar gezahlt. Wie das Fahrzeug nach Deutschland gelangt sei, wisse sie – die Klägerin – nicht; jedenfalls sei es bei Abschluss des Kaufvertrags mit italienischen Kennzeichen versehen gewesen. Vor dem Kauf des Fahrzeugs habe ihr Geschäftsführer T die Fahrzeug-Identifizierungsnummer im Internet überprüft und festgestellt, dass der Pkw nicht als gestohlen gemeldet gewesen sei.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gutgläubig das Eigentum an dem Audi A5 erworben, und geltend gemacht, zum jetzigen Zeitpunkt stehe – auch nach Durchsicht der italienischen Unterlagen – nicht fest, ob die Beklagte gegen die Leasingnehmerin (P-S.r.l.) in Italien ein Strafverfahren erfolgreich und abschließend geführt habe. Jedenfalls werde dort zivilrechtlich über den Bestand des Leasingvertrags gestritten. Die Beklagte habe durch ihren Bevollmächtigten gegenüber der Polizei erklären lassen, dass die P-S.r.l. zunächst eineinhalb Jahre lang jeden Monat eine Leasingrate in Höhe von 866,94 € zuzüglich Mehrwertsteuer gezahlt und die Zahlungen sodann eingestellt habe. Daraufhin – so habe die Beklagte erklären lassen – habe die Beklagte gegenüber der P-S.r.l. schriftlich die Kündigung des Leasingvertrags erklärt. Das Kündigungsschreiben habe die Beklagte mit dem Vermerk, dass der Empfänger verzogen sei, zurückerhalten und daraus auf eine Unterschlagung des Fahrzeugs geschlossen. Weitere Nachforschungen – so hat die Klägerin behauptet – habe die Beklagte nicht angestellt; vielmehr habe sie unmittelbar Strafanzeige wegen Unterschlagung erstattet. Deshalb sei bis zum heutigen Tag nicht abschließend geklärt, ob der Audi A5 überhaupt unterschlagen worden sei.

Die Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen LG Essen und der deutschen Gerichte überhaupt gerügt, weil sie – was unstreitig ist – ihren Sitz in Italien habe. Darüber hinaus hat die Beklagte den Vortrag der Klägerin zum Kauf des Audi A5 i. S. von § 138 IV ZPO bestritten. Insbesondere hat sie bestritten, dass der Klägerin beim Kauf des Fahrzeugs eine italienische Eigentumsurkunde und ein italienischer Fahrzeugschein vorgelegt worden seien. Schließlich hat die Beklagte gerügt, dass der Vortrag der Klägerin zum Erwerb des Fahrzeugs lückenhaft sei; die Klägerin trage nicht vor, wo der Kaufvertrag über den Pkw geschlossen worden und wo ihr das Fahrzeug übergeben worden sei.

Das Landgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben.

Es hat die Klage für zulässig gehalten und ausgeführt, seine internationale Zuständigkeit folge aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F.). Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Zuständig ist das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Der Deliktsgerichtsstand des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. sei auch dann eröffnet, wenn es – wie hier – um die Frage gehe, wer Eigentümer einer Sache sei, und sich diese Frage im Zusammenhang mit einer unerlaubten Handlung (hier: einer Unterschlagung) stelle. Die Klägerin habe mit Blick auf den Beschluss des AG Essen vom 26.07.2013 auch ein rechtliches Interesse (§ 256 I ZPO) an der begehrten Feststellung.

Die Klage – so das Landgericht mit näherer Begründung weiter – sei auch begründet, weil die Klägerin gutgläubig das Eigentum an dem streitgegenständlichen Pkw erworben habe.

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, dass die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig sei. Gemäß Art. 4 I EuGVVO n.F. i. V. mit Art. 63 I lit. a EuGVVO n.F. sei sie – die Beklagte – vor einem italienischen Gericht zu verklagen, weil sie (unstreitig) ihren Sitz in Italien habe. Die Klägerin habe selbst dann, wenn man ihren Vortrag als wahr unterstelle, nicht dargetan, dass die in Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin mache (lediglich) geltend, dass sie von einem Dritten gutgläubig das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug erworben habe. Es sei nicht erkennbar, dass die Klägerin ihr Feststellungsbegehren auf eine unerlaubte Handlung stütze. Jedenfalls trage die Klägerin nicht vor, dass ihr ein von ihr – der Beklagten – oder von einem Dritten verursachter Schaden entstanden sei, für den sie – die Beklagte – haften solle. Überdies sei fraglich, ob hier überhaupt eine Unterschlagung stattgefunden habe. Die Klägerin selbst habe das so nicht vorgetragen. Selbst wenn V, von dem die Klägerin gutgläubig das Eigentum an dem Pkw erworben haben wolle, das Fahrzeug zuvor unterschlagen haben sollte, stehe der vorliegende Rechtsstreit mit dieser Unterschlagung in keinem Zusammenhang. Jedenfalls könne es nicht sein, dass sie – die Beklagte – deshalb in Deutschland verklagt werden könne, weil sie selbst durch eine dritte Person geschädigt worden sei. Dies sei eine Verkehrung des Grundgedankens des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO.

Die Berufung hatte Erfolg.

Aus den Gründen: B. … Das LG Essen hat zu Unrecht seine Zuständigkeit bejaht. Es ist international wie auch örtlich nicht zuständig gewesen.

I. Grundsätzlich kann wegen § 513 II ZPO die Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. § 513 II ZPO enthält im Wortlaut keine Beschränkung auf die örtliche und sachliche Zuständigkeit. Gleichwohl kann wegen der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit, die über das Internationale Privatrecht des Gerichtsstaates auch das anwendbare Recht steuert, nach der Rechtsprechung des BGH das Fehlen internationaler Zuständigkeit in der Berufungsinstanz auch dann gerügt werden, wenn das Erstgericht sie unzutreffend angenommen hat. Die Pflicht zur Amtsprüfung der internationalen Zuständigkeit besteht in allen Instanzen (vgl. zum Ganzen BGH, Urt. v. 28.11.2002 – III ZR 102/02, NJW 2003, 426 = juris Rn. 9 ff.; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl. [2016], § 513 Rn. 8). Der Senat ist dieser Prüfungspflicht nachgekommen und hat die internationale Zuständigkeit des LG Essen verneint.

II. 1. Die Feststellungsklage richtet sich gegen eine Aktiengesellschaft, die ihren Sitz unstreitig in Italien – nämlich in Mondovi – hat.

2. Gemäß Art. 4 I EuGVVO n.F. sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaats zu verklagen. Das bedeutet, die Beklagte kann nur dann in einem anderen Mitgliedsstaat als Italien verklagt werden, wenn eine besondere Zuständigkeit nach der EuGVVO gegeben ist (vgl. zum Ganzen Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl. [2016], Art. 4 EuGVVO Rn. 1 ff.; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 4. Aufl. [2013], Art. 3 EuGVVO Rn. 1 ff.).

Diese besondere Zuständigkeit ergibt sich – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht aus Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a.F.).

Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. lautet:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden:

1. …

2. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht;

3. …“

a) Diese Vorschrift regelt nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern auch die örtliche Zuständigkeit und verdrängt damit bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt vollständig die Anwendung der Vorschriften des nationalen Zuständigkeitsrechts, insbesondere des § 32 ZPO (vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. [2011], Art. 5 EuGVVO Rn. 109).

Für die Begründung der Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. reicht – wie auch sonst im Rahmen der EuGVVO – die schlüssige Darlegung der zuständigkeitsrelevanten Umstände aus. Das Gericht hat zu prüfen, ob der vorgetragene Sachverhalt eine unerlaubte Handlung i. S. des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. begründet und ob der angebliche Deliktsort im Gerichtssprengel liegt. Da auch negatorische Ansprüche von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO erfasst werden, muss für die Zuständigkeit nicht schlüssig behauptet oder gar nachgewiesen werden, dass bereits eine Rechtsgutverletzung oder ein Schaden eingetreten ist. Da das Vorliegen einer unerlaubten Handlung eine doppelrelevante Tatsache darstellt, ist im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung nicht festzustellen, dass tatsächlich eine solche vorliegt. Stellt sich im Laufe des Rechtsstreits heraus, dass es an einer unerlaubten Handlung fehlt, ist die Klage als unbegründet – und nicht als unzulässig – abzuweisen. Auf den streitigen Vortrag der Beklagten kommt es dabei nicht an (vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 110).

Wie sämtliche Tatbestände des Art. 7 EuGVVO n.F. setzt auch Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. voraus, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat und das für den Sondergerichtsstand maßgebliche Anknüpfungsmoment – hier: der Tatort – in einem anderen Mitgliedsstaat gelegen ist. Nach allgemeiner Auffassung können auch gesetzliche oder gewillkürte Rechtsnachfolger und kraft Gesetzes Dritthaftende im Deliktsgerichtsstand klagen oder verklagt werden. Das ist sachgerecht, weil die Tatortnähe auch hier die Zuständigkeit des Gerichts rechtfertigt (vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 115 f.).

Wer für den Schaden eines anderen verantwortlich ist, kann gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. am Tatort verklagt werden. Entsprechende, der Tatortregel folgende Zuständigkeitsvorschriften finden sich nicht nur in § 32 ZPO, sondern in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedsstaaten. Vor allem die praktisch häufigen Verkehrsunfälle im Ausland waren es, die dem Deliktsgerichtsstand den Weg in das EuGVÜ und von dort in die EuGVVO geebnet haben. Die besondere Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. beruht auf der Sach- und Beweisnähe des Gerichts am Ort des schädigenden Ereignisses. Nach ständiger Rechtsprechung besteht eine besonders enge Beziehung zwischen einer Klage aus unerlaubter Handlung und dem Gericht am Tatort. Darüber hinaus gewährleistet der Deliktsgerichtsstand den Gleichlauf von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht, weil die Tatortregel zum gesicherten Bestand der Delikts-Kollisionsrechte Europas gehört. Da Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. sowohl das Gericht am Handlungsort als auch dasjenige am Erfolgsort für zuständig erklärt, hat der Kläger stets die Chance, ein Gericht anzurufen, das das ihm vertraute Deliktsrecht der lex fori anwenden kann (vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 118 f.).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind der Begriff „unerlaubte Handlung“ und die auf die „quasi-delicts“ des französischen Rechts zugeschnittene Wendung „Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist“ autonom auszulegen (Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 129).

Der Begriff der „unerlaubten Handlung“ erfasst den gesamten Bereich der nicht-vertraglichen Schadensersatzansprüche. Art. 7 Nr. 2 EuGVVO ist nicht auf klassische Verschuldenshaftung beschränkt, sondern erfasst gleichermaßen die verschuldensunabhängige Haftung aus Gefährdung, in Deutschland beispielsweise die praktisch bedeutsame Straßenverkehrsunfallhaftung nach § 7 StVG. Auch Aufopferungs-Entschädigungsansprüche wegen rechtsmäßigen Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition sind am Deliktsgerichtsstand zu verhandeln (vgl. Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 130).

b) Diese allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen, ist die internationale Zuständigkeit des LG Essen gemäß Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. nicht begründet.

Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob eine unerlaubte Handlung oder ein Anspruch aus einer solchen hier Streitgegenstand i. S. von Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. ist. Denn der Anspruch der Klägerin auf Feststellung ihres Eigentums wird – ebenso wie ihr Eigentum selbst – gerade nicht aus einer unerlaubten Handlung hergeleitet. Vielmehr macht die Klägerin geltend, trotz einer – etwaigen – unerlaubten Handlung eines Dritten Eigentümerin des streitgegenständlichen Pkw geworden zu sein. Die unerlaubte Handlung des Dritten ist im vorliegenden Rechtsstreit also lediglich eine Vorfrage; die Klägerin will gutgläubig vom Nichtberechtigten (oder vielleicht vom Berechtigten, nämlich einem etwaig gutgläubigen Zwischenerwerber) Eigentum an dem Fahrzeug erworben haben.

Zum anderen lief die von der Klägerin – wohl zu Recht – angenommene Unterschlagung in zwei Teilakten ab, von denen keiner die Voraussetzungen des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. erfüllt hat.

Der erste Teilakt fand bereits in Italien in der Provinz Cuneo statt. Im dortigen Automobilregister ist der streitgegenständliche Audi A5 als Eigentum der Beklagten eingetragen gewesen. Dazu muss man wissen, dass nach italienischem Zulassungsrecht im Straßenverkehr verwendete Fahrzeuge grundsätzlich mit einer Zulassungsbescheinigung (carta di circolazione) ausgestattet und bei der Ispettorato generale della Motorizzazione Civile e dei trasporti in concessione (MCTC – Amt für den zivilen Kraftverkehr) zugelassen sein müssen. Weiterhin gibt es zu einem Fahrzeug nach Art. 93 V codice della strada eine Eigentumsbescheinigung, ein sogenanntes certificato di proprietà, die auf Antrag innerhalb von 60 Tagen nach Erhalt der Zulassungsbescheinigung vom Automobilregister (Pubblico Registro Automobilistico) ausgestellt wird (vgl. OLG München, Urt. v. 05.03.2008 – 7 U 4969/06, NJW-RR 2008, 1285 = juris Rn. 40).

Die Beklagte hatte betreffend ihren Audi A5 einen Leasingvertrag mit der P-S.r.l. geschlossen, welche wohl nach circa 1,5 Jahren die Leasingraten nicht mehr bediente, das Fahrzeug gleichwohl und trotz offensichtlichen Herausgabeverlangens der Beklagten (vgl. certificato di proprietà vom 13.02.2013 und Strafanzeige vom 18.12.2012) nicht an die Beklagte als Eigentümerin herausgab. Bereits zu diesem Zeitpunkt betätigte der Gewahrsamsinhaber des Fahrzeugs aufseiten der Leasingnehmerin durch eine nach außen erkennbare Zueignungshandlung seinen Entschluss, sich das Fahrzeug mit Ausschlusswirkung gegenüber dem Eigentümer seinem Vermögen einzuverleiben. Daher lagen nach deutschem Strafrecht die Voraussetzungen einer Unterschlagung bereits in Italien vor (vgl. BGH, Beschl. v. 07.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38 = juris Rn. 9). Handlungs- und Erfolgsort befanden sich zu diesem Zeitpunkt gleichermaßen noch in Italien. Für die Anwendung des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. bleibt schon danach kein Raum. Zudem war die Klägerin in diesem Stadium der unerlaubten Handlung in das Geschehen noch in keiner Weise involviert. Durch die unerlaubte Handlung der Leasingnehmerin wurde zu diesem Zeitpunkt weder das Eigentum noch das Vermögen der Klägerin geschädigt oder auch nur konkret gefährdet. Geschädigt wurde zu diesem Zeitpunkt einzig und allein die Beklagte.

Erst der zweite Teilakt im Zuge der Unterschlagung – der Verwertungsakt – fand im Bezirk des LG Essen statt, als das Kraftfahrzeug von der Klägerin zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt gekauft wurde. Durch die Veräußerung des ihm nicht gehörenden Audi A5 betätigte der Gewahrsamsinhaber erneut durch eine nach außen erkennbare Handlung seinen Entschluss, sich das Fahrzeug bzw. nunmehr den in ihm verkörperten Sachwert mit Ausschlusswirkung gegenüber dem wahren Eigentümer seinem Vermögen einzuverleiben (vgl. vgl. BGH, Beschl. v. 07.12.1959 – GSSt 1/59, BGHSt 14, 38 = juris Rn. 9). Zugleich täuschte er die Klägerin – so ihr Vortrag – über sein angebliches Eigentum an dem Audi A5, erregte einen entsprechenden Irrtum und veranlasste auf diese Weise die Zahlung des Kaufpreises, welche jedenfalls mit einer konkreten Vermögensgefährdung zulasten der Klägerin einherging (§ 263 StGB). In strafrechtlicher Hinsicht kommt insoweit Tateinheit der Unterschlagung mit Betrug in Betracht, wenn der Gewahrsamsinhaber/Täter erst mit der Veräußerung das Fahrzeug unterschlug und zugleich die Klägerin betrog. Es dürfte der Gewahrsamsinhaber jedoch bereits in dem ersten Teilakt (s. oben) das Kraftfahrzeug unterschlagen, also die Unterschlagung vollendet haben. Den einmal unterschlagenen Audi A5 konnte er durch weitere Handlungen nicht mehr unterschlagen. Darauf kommt es hier aber nicht entscheidend an. Von Bedeutung ist vielmehr, dass die unerlaubte Handlung, soweit sie in Gelsenkirchen und damit im Landgerichtsbezirk Essen stattfand, nicht die Beklagte, sondern eine& dritte Person verübt worden ist. Diese Person gefährdete nicht nur das klägerische Vermögen, sondern schädigte zugleich auch das Eigentum der Beklagten bzw. perpetuierte den aufseiten der Beklagten bereits herbeigeführten Schaden.

Normzweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. ist jedoch, dass sich der Schädiger wegen der größeren Beweisnähe und der häufigen Rechtsnähe am Ort der Tat rechtfertigen soll (vgl. MünchKomm-ZPO/Gottwald, a. a. O., Art. 3 EuGVVO Rn. 59; Wagner, in: Stein/Jonas, a. a. O., Art. 5 EuGVVO Rn. 118). Die von der Klägerin vor dem LG Essen verklagte ursprüngliche Eigentümerin des Audi A5 ist aber sowohl in Italien wie auch in Deutschland Geschädigte der in Rede stehenden unerlaubten Handlung gewesen. Es ist daher mit dem Sinn und Zweck des Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. nicht zu vereinbaren, dass ausgerechnet sie – die Beklagte – sich nunmehr vor dem LG Essen verklagen lassen muss.

In diesem Zusammenhang wird nicht verkannt, dass die Frage, ob die Klägerin wirksam Eigentum an dem Audi A5 erworben hat, wohl nach deutschem Recht zu beantworten ist. Im internationalen Sachenrecht gilt kraft Gewohnheitsrecht grundsätzlich das Recht des Lageortes (lex rei sitae), und zwar auch für bewegliche Sachen. Das Recht des Lageortes gilt für alle sachenrechtlichen Tatbestände, insbesondere für die Voraussetzungen einer Übereignung (vgl. BGH, Urt. v. 09.05.1996 – IX ZR 244/95, NJW 1996, 2233 = juris Rn. 18). Da das streitbefangene Fahrzeug nach Deutschland verbracht wurde, um es dort zu veräußern, dürfte für die Frage des gutgläubigen Erwerbs deutsches Recht anzuwenden sein. Aus der Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aber nicht zwingend, dass der Gerichtsstand in Deutschland liegen muss. Zwar ist der Gleichlauf von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht wünschenswert und wird durch das EuGVVO auch angestrebt. Er lässt sich aber im vorliegenden Fall über Art. 4 und Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n.F. nicht herstellen (s. oben).

3. Eine besondere Zuständigkeit oder auch ausschließliche Zuständigkeit des LG Essen lässt sich auch nicht über andere Vorschriften der EuGVVO feststellen. Art. 7 Nr. 4 EuGVVO n.F. ist nicht einschlägig, weil es hier nicht um einen auf Eigentum gestützten zivilrechtlichen Anspruch zur Wiedererlangung eines Kulturguts geht. Art. 24 Nr. 1 EuGVVO n.F. betrifft nur Verfahren, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben.

Nach allem gelangt Art. 28 I EuGVVO n.F. zur Anwendung. Danach hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn seine Zuständigkeit nicht nach dieser Verordnung begründet ist und der Beklagte, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat und der vor dem Gericht eines anderen Mitgliedsstaats verklagt wird, sich auf das Verfahren nicht einlässt. …

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